Spaniens Himmel breitet seine Sterne ...

Rezension zu: Die Kinder von Guernica. Deutsche Schriftsteller zum Spanischen Bürgerkrieg (Aufbau-Taschenbuch Verlag Berlin 2004, ISBN 3-7466-8102-2, 319 S., EUR 8,95)

Der Spanische Bürgerkrieg gilt als der "intellektuellste" Krieg der Geschichte. Bei keinem anderen Krieg meldeten sich so viele Intellektuelle aus der ganzen Welt freiwillig, um an ihm mit der Waffe in der Hand teilzunehmen - oder zumindest Propaganda für die Seite der Spanischen Republik zu machen. In dieser Hinsicht ist dieser Krieg bisher einzigartig.

Viele der SchriftstellerInnen und JournalistInnen, die sich für die demokratisch legal gewählte Spanische Republik engagierten, setzten literarische Denkmäler für den Kampf für diese Republik und die soziale Revolution; jenen Kampf, der die erste offene kriegerische Auseinandersetzung zwischen den westlichen, bürgerlichen Demokratien, dem Staatssozialismus und dem Faschismus markierte. Unter den TeilnehmerInnen an diesem Krieg befanden sich auch viele Deutsche, die vor der Naziherrschaft geflohen waren und in Spanien eine Möglichkeit sahen, gegen den Faschismus zu Felde zu ziehen.

Der ehemalige Verlagslektor und Fernsehredakteur Wilfried Schoeller hat aus der Vielzahl von bislang veröffentlichten Berichten, Erzählungen und Romanen sechsunddreißig auszugsweise zusammengestellt. Die Anthologie hat er in Anlehnung an den dritten Spanienroman von Hermann Kesten "Die Kinder von Guernica" genannt (das Buch erschien 1939 beim Albert Langen Verlag in Amsterdam und wurde 1947 erstmals in Deutschland veröffentlicht).

Bei der Zusammenstellung baut Schoeller keine ideologische Schranken auf - soweit es sich um SchriftstellerInnen handelt, die auf der republikanischen Seite, oder für diese aktiv waren. Er versammelt unterschiedliche politische Strömungen - angefangen von anarchistischen Aktivisten wie Augustin Souchy ("Nacht über Spanien") und Carl Einstein ("Die Kolonne Durruti"), über Sozialdemokraten wie den ehemaligen deutschen Bundeskanzler Willi Brandt ("Lagekritik"), den Linkskommunisten Paul Thalmann ("Bei der anarchistischen Miliz") und die Sozialistin Anna Seghers ("Zum Schriftstellerkongress in Madrid") bis hin zu Konservativen wie dem späteren FDP-Abgeordneten Hubertus Prinz zu Löwenstein ("Als Katholik im republikanischen Spanien") oder Thomas Mann ("Spanien").

Erfreulich ist der relativ hohe Anteil von Beiträgen von Frauen, deren Wahrnehmung des Krieges nur sehr selten rezipiert wird. Sie werden in der Geschichtsschreibung zum Spanischen Bürgerkrieg häufig übersehen.

Unter dem Aspekt der Kriegserfahrung auf republikanischer Seite bzw. dem Einsatz für die Spanische Republik hat Schoeller die Beiträge zusammengesucht und in historischer Abfolge geordnet.

Im Vorwort schreibt er:

"Diese Anthologie versteht sich vor allem als ein Lesebuch erzählter Augenblicke, in denen der Freiheitswille des Einzelnen und seine utopische Energie, aber auch seine ideologischen Begrenzungen und seine Illusionen sichtbar werden." (S. 12)

Bei den Beiträgen wurde von ihm darauf geachtet, daß es sich um Berichte aus den unterschiedlichen Episoden des Bürgerkrieges handelt. Auf Grund des Völkerbundabkommens über den Abzug von ausländischen Freiwilligen im Herbst 1938 wurden bekanntlich die Internationalen Brigaden aufgelöst und nach Hause entlassen. Leider finden sich keine Beiträge mehr für die Zeit danach, obwohl danach durchaus noch "Ausländer" auf Seiten der Republik kämpften. Denn insbesondere die deutschen und italienischen TeilnehmerInnen konnten nicht in ihre vom Faschismus versklavten Heimatländer zurückkehren.

Die Texte im Buch sind leider etwas lieblos aneinander gereiht - ohne daß sich Schoeller die Mühe gemacht hat, Einleitungen zum Verständnis für die jeweiligen Abschnitte zu verfassen. Die Zeittafel und die dürftigen biographischen Informationen im Anhang des Buches sind hierfür kein ausreichender Ersatz.

Ergänzend zu den Berichten der SchriftstellerInnen äußert sich der Herausgeber in einem eigenständigen Kapitel unter dem Titel "Im Spannungsfeld der Ideologien" über die deutschsprachige Spanienliteratur. In diesem Rahmen verweist er in einem Halbsatz - andeutungsweise - auf den Aspekt der sozialen Revolution, als auch auf die im Buch nicht behandelte Rezeptionsgeschichte des Bürgerkrieges aus dem rechten Lager. Weiterhin richtet er sein Augenmerk auf einige ausgewählte Werke über den Spanischen Bürgerkrieg - u.a. das in der Anthologie nicht auftauchende Theaterstück "Die Gewehre der Frau Carrar" von Bertold Brecht oder Peter Weiss "Ästhetik des Widerstandes". Es handelt sich dabei allerdings nicht um eine sehr tiefschürfende Analyse und auch neue Erkenntnisse über die Spanienliteratur sucht mensch vergebens.

Dennoch verschafft dieses Buch einen guten Überblick über das breite republikanische Spektrum und die Wahrnehmung des Spanischen Bürgerkrieges. Darin liegt aber auch gleichzeitig seine Schwäche. Die sozialrevolutionären Veränderungen, die vor diesem Hintergrund in Spanien von statten gingen und u.a. ein gesellschaftsumfassendes anarchistisches Experiment, v.a. in Katalonien und Aragon beinhalten, finden keinen geeigneten Eingang in diese Anthologie. Nur gelegentlich, in Berichten von Carl Einstein oder Augustin Souchy fließen Randbemerkungen ein, die diese Dimension andeuten.

Ebenso verhält es sich mit den "Säuberungsaktionen", also der Folter- und Liquidierungspolitik des in Spanien massiv tätigen sowjetischen Geheimdienstes NKWD in den Reihen der Internationalen Brigaden und darüber hinaus. Die gravierenden Mai-Ereignisse von Barcelona 1937, die der britische Schriftsteller Georg Orwell zu Recht als "Bürgerkrieg im Bürgerkrieg" bezeichnete, werden unverständlicherweise überhaupt nicht angesprochen.
Vorkenntnisse über die Geschichte des Spanischen Bürgerkrieges wären bei der Lektüre dieser Anthologie auf jeden Fall vonnöten - oder zumindest ist die kritische Wissenserweiterung hinterher dringend angeraten.

Maurice Schuhmann für LIBERTARIAN PRESS AGENCY Berlin [LPA]
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