Junkiefrauen auf dem Strich

"Auf der einen Seite braucht man das Geld vom Anschaffen, um die Droge zu finanzieren, und auf der anderen Seite die Droge, um anschaffen zu gehen", erzählt Bettina. "Das ist ein Teufelskreis." Seit ihrem 14. Lebensjahr prostituiert sie sich. Fast 23 Jahre lang ist sie heroinabhängig. Die 38-Jährige ist eine von 14 drogenabhängigen Prostituierten, welche die in Köln lebende Journalistin Ingrid Strobl für ihr Buch interviewt hat. Fast alle Frauen sind seit mehr als 20 Jahren in der Sucht gefangen.

Im ersten Teil portraitiert Strobl ausführlich die Lebens- und Leidensgeschichte dreier Frauen, Regine, Marylin und Diana, die die Erfahrung von Heroinabhängigkeit und Beschaffungsprostitution gemacht haben: Regine hat sich inzwischen den goldenen Schuss gesetzt, Marylin hat den Ab­sprung geschafft und Diana gerade eine Entgiftung hinter sich.

Anschließend erzählt Strobl die Geschichten der 14 Frauen, von denen die meisten noch anschaffen, einige aber auch den Ausstieg geschafft haben - zumindest vorläufig. Denn clean zu werden - und zu bleiben - ist schwierig. Die Frauen berichten von traumatischen Erlebnissen in ihrer Kindheit und Jugend, ihren ersten Erfahrungen mit Heroin und der Prostitution und wie der Kreislauf "Anschaffen, Stoff beschaffen, wieder anschaffen" zu ihrer alltäglichen Routine geworden ist. Strobl fragt die Frauen auch danach, wie sie ihre Liebesbeziehungen erleben, was ihre Kinder ihnen bedeuten, wovon sie träumen und wie sie um ihr Überleben kämpfen. Abschließend stellt die Journalistin drei Sozialprojekte für Junkiefrauen in Köln, Frankfurt und Hamburg vor.

Strobl wollte kein Buch über Junkiefrauen schreiben, sondern in deren Auftrag. Das ist ihr gelungen. Sie betreibt keinen Voyeurismus, obwohl die Lebensgeschichten der Frauen der Stoff sind, aus dem Alpträume gemacht sind. Strobls Buch nimmt die Frauen ernst. Es porträtiert Menschen mit ihren Ängsten, Hoffnungen und Träumen. Es zeichnet ein ebenso sensibles wie einfühlsames Bild von den anschaffenden Frauen. Es gelingt ihr, weder effekthei­schend noch moralisierend, sondern nüchtern und parteiisch Portraits voller Würde und Respekt zu schreiben.

Ingrid Strobl:
"Es macht die Seele kaputt".
Junkiefrauen auf dem Strich.
Orlanda, 2006. 220 S., 18,50 EUR