INTERVIEW MIT HEIDI KNAKE-WERNER

stellv. Fraktionsvorsitzende der PDS im Bundestag

in (01.06.2000)

zum PDS-Konzept für eine Soziale Grundsicherung

DIE WARE: Heidi, Du hast entscheidend an dem PDS-Konzept zur Sozialen Grundsicherung mitgearbeitet. Kannst Du bitte kurz erläutern, was Ihr Euch unter einer solchen Sozialen Grundsicherung vorstellt?

KNAKE-WERNER: Soziale Grundsicherung ist der Vorschlag, die sozialen Sicherungssysteme, etwa die Arbeitslosenhilfe oder die Renten, in der Bundesrepublik armutsfest zu machen. Das heißt, dass jeder Mensch in der Bundesrepublik ein Einkommen haben soll, das ihm ein menschenwürdiges Leben ermöglicht.

DIE WARE: Wie seit Ihr denn eigentlich auf diese Idee mit der Grundsicherung gekommen?

KNAKE-WERNER: Diese Diskussion um eine Existenzsicherung, Existenzgeld oder auch Soziale Grundsicherung gibt es in der Bundesrepublik (West) schon relativ lange, in etwa seit den siebziger Jahren, seit dem es eine hohe Arbeitslosigkeit gibt. Besonders die Langzeitsarbeitslosen sind irgendwann auf Sozialhilfe angewiesen, was bekanntermaßen nicht reicht. Als die PDS 1991 in den Bundestag eingezogen ist, haben wir einen entsprechenden Vorschlag als Gesetzesvorlage erarbeitet und eingebracht. Wir haben zuerst versucht diese Idee innerhalb der PDS mehrheitsfähig zu machen. Das war nicht leicht, da viele die nach der Wende ihre Arbeit verloren hatten, überhaupt nicht dafür waren, daß sie jetzt durch öffentliche Gelder ,,alimentiert'' werden. Sie haben gesagt, dass sie über Arbeit ihre Existenz sichern wollen und nicht durch staatliche Unterstützung. Wir mußten deutlich machen, daß es nichts unanständiges ist, einen Rechtsanspruch als Ausfallbürge dafür zu haben, dass dieser Staat nicht in der Lage ist allen Menschen, die das können und wollen, einen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen.

DIE WARE: Wieviel Geld wollt Ihr denn den möglichen Empfängern der Grundsicherung zugestehen, damit wirklich von ,,armutsfest'' gesprochen werden kann?

KNAKE-WERNER: Wir haben gesagt, dass wir eine steuerfinanzierte Soziale Grundsicherung haben wollen, und zwar in Höhe von 1425,- DM plus Wohngeld. Wie kamen wir zu dieser Summe? Der Europäische Rat hat vor ein paar Jahren gesagt, dass Menschen die weniger als 50 Prozent des Einkommens der abhängig Beschäftigten verdienen, als arm gelten. Diese Summe beträgt in Deutschland etwa 1425,- DM. Wer darunter liegt, ist -gemessen am durchschnittlichen Lebensstandard in Deutschland- arm.

Die Soziale Grundsicherung soll dabei gar nicht die Sicherungssysteme ersetzen, die beitragsfinanziert sind, also Rente, Arbeitslosengeld oder Krankenversicherung. Sie soll sie so ergänzen, dass Keine/r durch Arbeitslosigkeit oder Krankheit unter diese Grenze fällt. Ersetzen soll die Soziale Grundsicherung lediglich die Arbeitslosenhilfe, die ja steuerfinanziert ist. Die Sozialhilfe soll auf ihre ursprüngliche Aufgabe als Hilfe in besonderen Lebenslagen zurückgeführt werden. Die Aufgaben, die die Sozialhilfe heute vor allem wahrnimmt, nämlich als Ersatzeinkommen zu gelten, soll von der Soziale Grundsicherung übernommen werden.

DIE WARE: Die Soziale Grundsicherung soll ja Sozial- und Arbeitslosenhilfe ersetzen. Was würde dieser Ansatz denn nun konkret für junge Menschen, also Auszubildende, Studierende und SchülerInnen bringen?

KNAKE-WERNER: Auch Studiernde sollen die Soziale Grundsicherung bekommen, womit BAföG überflüssig werden würde. Ebenso soll die Ausbildungsvergütung auf die Höhe der Soziale Grundsicherung aufgestockt werden. Alle Jugendlichen über 16 Jahre hätten demnach einen Anspruch auf die Soziale Grundsicherung. Für unter 16jährige schlagen wir eine Unterstützung vor, die nach Alter gestaffelt, auch für kleine Kinder gilt.

DIE WARE: Was ist mit der besagten Gesetzesvorlage passiert?

KNAKE-WERNER: Sie ist abgelehnt worden. [Ach?!, d.R.] Alle anderen Fraktionen haben dagegen gestimmt, mit der Begründung, dass es zu teuer wäre. Natürlich ist es teuer, wenn man Armut verhindern möchte. Wir hatten ziemlich genau ausgerechnet, wieviel unser Modell kosten würde. Wir kamen auf einen dreistelligen Milliardenbetrag. Die GRÜNEN haben auch einen Vorschlag zur Soziale Grundsicherung eingebracht und dann einfach gesagt, das kostet 15 Milliarden. Im Nachhinein würde ich heute sagen, wenn der Vorschlag der GRÜNEN 15 Milliarden kostet, dann kostet unser höchstens 20. Wenn man beachtet, daß durch die Steuerreform in den nächsten Jahren allein 50 Milliarden DM an Unternehmen verschenkt werden, dann ist diese Summe ein Klacks.

DIE WARE: Du hast gesagt, die GRÜNEN hätten auch ein Grundsicherungsmodell vorgeschlagen. Gibt es bei den anderen Parteien im Bundestag auch ähnliche Konzepte?

KNAKE-WERNER: Es gibt bei der CDU, F.D.P. und SPD zwar Vorschläge, die aber nicht über das Niveau der Sozialhilfe hinausgehen. Die GRÜNEN haben - wie schon erwähnt - ein Konzept, welches unseren Vorstellungen am nähesten ist. Da könnte man sich vielleicht einigen. Sie haben aber dieses Konzept auf ihrem Parteitag beschlossen und damit Wahlkampf gemacht. Seit sie aber in der Regierung sind, trauen sie sich nicht mehr, eine entsprechende Gesetzesvorlage im Bundestag einzubringen.

DIE WARE: Wir danken für dieses Gespräch.

[ Das Gespräch führte Rouzbeh Taheri. ]

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