Ein erneuter Bruch von Völkerrecht

in (02.06.2002)

Mit der Zustimmung von 60 Staaten ist das Statut des Internationalen Strafgerichtshofs in diesem Jahr in Kraft getreten, der Kriegsverbrechen und Völkermord ahnden soll. ...

... Eine Zustimmung der Vereinigten Staaten steht aus, weil Präsident Clinton zwar den Vertrag zur Schaffung dieses Gerichtes unterschrieben hat, dieser, aber noch im parlamentarischen Ratifizierungsverfahren ist bzw. war, wie man jetzt sagen muss. Mit Clintons Unterschrift sind die Vereinigten Staaten nach der Wiener Vertragskonvention verpflichtet, sich bis zum Abschluss ihres parlamentarischen Ratifizierungsverfahrens aller Handlungen zu enthalten, die Ziel und Zweck des Vertrages vereiteln.
Das entsprach nicht den Vorstellungen der Regierung Bush. Sie hat unter Bruch der erwähnten Konvention die Unterschrift von Präsident Clinton einfach für bedeutungslos erklärt und das Ratifizierungsverfahren damit beendet. In der Geschichte des Völkerrechts gibt es kein vergleichbares Vorgehen eines Staates. Es stimmt demnach, wenn die FAZ schreibt, dass die Regierung Bush "durch den präzedenzlosen Akt offenbar den Weg frei machen will für einen aktiven Kampf gegen das Statut".

Mit der Zustimmung von 60 Staaten ist das Statut des Internationalen Strafgerichtshofs in diesem Jahr in Kraft getreten, der Kriegsverbrechen und Völkermord ahnden soll. Eine Zustimmung der Vereinigten Staaten steht aus, weil Präsident Clinton zwar den Vertrag zur Schaffung dieses Gerichtes unterschrieben hat, dieser, aber noch im parlamentarischen Ratifizierungsverfahren ist bzw. war, wie man jetzt sagen muss. Mit Clintons Unterschrift sind die Vereinigten Staaten nach der Wiener Vertragskonvention verpflichtet, sich bis zum Abschluss ihres parlamentarischen Ratifizierungsverfahrens aller Handlungen zu enthalten, die Ziel und Zweck des Vertrages vereiteln. Das entsprach nicht den Vorstellungen der Regierung Bush. Sie hat unter Bruch der erwähnten Konvention die Unterschrift von Präsident Clinton einfach für bedeutungslos erklärt und das Ratifizierungsverfahren damit beendet. In der Geschichte des Völkerrechts gibt es kein vergleichbares Vorgehen eines Staates. Es stimmt demnach, wenn die FAZ schreibt, dass die Regierung Bush "durch den präzedenzlosen Akt offenbar den Weg frei machen will für einen aktiven Kampf gegen das Statut".

Die rechtspolitische Begründung der prinzipiellen Absage an den Internationalen Strafgerichtshof ist demonstrativ gleichgültig dagegen, irgendjemanden von ihrer Richtigkeit überzeugen zu wollen. Der US-amerikanische Beauftragte zur Verfolgung von Kriegsverbrechen begründet den Schritt damit, dass Recht und Gerechtigkeit ein Dienst erwiesen werde, wenn die internationale Gemeinschaft gemeinsam mit "Amerika" "zu den Wurzeln" zurückkehre und die Fähigkeit und Bereitschaft der einzelnen Staaten zur Ahndung schwerer einschlägiger Verbrechen durch ihre nationale Gerichtsbarkeit stärke. Er hat den Staaten, die diesen angeblichen Königsweg gehen, sogar materielle und personelle Unterstützung in Aussicht gestellt.

Diese erklärte Bevorzugung nationaler Gerichtsbarkeit ist einigermaßen überraschend, da die Vereinigten Staaten sich sonst keineswegs daran gehindert sehen, internationale Ad-hoc-Gerichte zu fordern und durchzusetzen, wenn sie die strafrechtliche Verfolgung von Kriegsverbrechern und Völkermord durch eine internationale Justiz als in ihrem Interesse liegend ansehen. Sie sind sogar soweit gegangen, den Staat Jugoslawien durch die Androhung wirtschaftlicher Nachteile zu zwingen, unter Bruch seiner Verfassung Milosovic an den Ad-hoc-Gerichtshof in Den Haag auszuliefern und damit auf das beabsichtigte nationale Gerichtsverfahren zu verzichten. Und erst in den letzten Tagen hat die Bush-Administration die erste Rate der Jugoslawien zugesicherten Hilfe zugesagt, nachdem die jugoslawische Regierung nunmehr ausreichend mit dem Internationalen Gerichtshof zusammenarbeite.

Die Kampfansage der Bush-Regierung an eine allgemeine internationale Strafgerichtsbarkeit hat etwas damit zu tun, dass sie in ihrem "Krieg gegen den Terrorismus" dabei sind, die Welt völkerrechtlich auf den Stand vor der Beendigung des Zweiten Weltkrieges herunterzubringen und die aus diesem mit der UNO-Charta gezogenen Schlussfolgerungen - Gewaltverzicht und Ächtung des Krieges - zunichte zu machen. Die Vereinigten Staaten nehmen nunmehr das Recht in Anspruch, gemeinsam mit Verbündeten oder auch im Alleingang, Krieg zu führen, wann immer und wo immer es ihnen für die Verfolgung ihrer Interessen möglich und zweckmäßig erscheint. Das Völkerrecht soll wieder Faustrecht werden.

Die Chronik des angekündigten Krieges im Irak zeigt die ganze Selbstherrlichkeit der Vorgehensweise. Wie jüngst in der Presse zu lesen war, haben Präsident Bush und Außenminister Powell erklärt, sie würden das Regime von Saddam Hussein wegen seines diktatorischen Charakters im Interesse der Bevölkerung des Irak und der umliegenden Länder auch dann mit militärischen Mitteln stürzen, wenn der Irak Waffeninspektionen zustimme. Damit wahren die Vereinigten Staaten nicht einmal mehr den Anschein einer völkerrechtlichen Rechtfertigung für diesen von ihnen geplanten Krieg, auf den eine verantwortungslose Bundesregierung und fast alle Medien die Bevölkerung seit dem Besuch Bushs verstärkt einstimmen. Die UNO-Charta kennt nämlich nur zwei Ausnahmen vom allgemeinen Gewaltverbot: militärische Aktionen auf Grund eines Beschlusses des Weltsicherheitsrates und den Fall der Selbstverteidigung. Die Tatsache, dass die Vereinigten Staaten neben anderen Staaten im Ersten Golfkrieg ein Verbündeter Husseins in dessen Eroberungskrieg gegen den Iran waren, selbst dann noch als der Einsatz von Giftgas in den kurdischen Gebieten bekannt wurde, macht deutlich, dass auch das völkerrechtlich ohnehin irrelevante Motiv eines Tyrannensturzes eine dürftige Kaschierung ökonomischer und machtpolitischer Interessen ist.

Es ist allerdings nicht leicht zu sehen, was die Vereinigten Staaten von dem Internationalen Strafgerichtshof befürchten. Der FAZ zufolge hat Verteidigungsminister Rumsfeld "gedroht", Amerika könne weniger gewillt sein, sich in Krisenregionen "militärisch zu engagieren", wenn amerikanische Soldaten eine Verfolgung durch den Internationalen Strafgerichtshof befürchten müssten. Damit ist wohl das wirkliche, realpolitische Motiv für den Versuch, ihn zu delegitimieren, angesprochen. Dass er es tatsächlich wagen könnte, gegen BürgerInnen der Vereinigten Staaten, gar gegen verantwortliche Politiker wegen der Führung von Angriffskriegen oder wegen Kriegsverbrechen vorzugehen, wird die Regierung Bush vielleicht weniger befürchten. Aber allein schon die Existenz dieses Gerichtshofes kann eine negative Wirkung auf die "Moral" der amerikanischen Soldaten haben. Diese Wirkung würde vor allem dann zu erwarten sein, wenn eine große Protestbewegung innerhalb und außerhalb des Landes Druck auf den Internationalen Strafgerichtshof ausüben würde, endlich tätig zu werden. Wichtig ist, dass dies ein Anknüpfungspunkt für die Agitation gegen die militärische Flankierung der kapitalistischen Globalisierung werden kann. In diesem Sinne und ohne Illusionen über seine zu erwartende Rechtsprechungspraxis sollte er politisch genutzt werden.