Wer ist demokratiefähig?

in (13.06.2002)

In der Verpackung gefällig, in der Substanz knallhart war Präsident Bushs Predigt an den Deutschen Bundestag. Die US-Regierung wird kriegerisch zugreifen, ...

... wann und wo sie es will, und da ist niemand, der ihr dreinreden dürfte. Von der Bundesrepublik Deutschland wird erwartet, daß sie sich fügt und die Rüstungskasse weiter auffüllt. Die Parlamentarier hörten sich das andächtig an.
Aber drei PDS-Abgeordnete fielen aus dieser Rolle und hielten ein Transparent hoch: "Mr. Bush, Mr. Schröder - Stop your wars!". Eine Minute dauerte die Aktion, dann hatten Bundestagsdiener das Ärgernis beseitigt, und die Störenfriede verließen den Raum; die anderen VolksvertreterInnen konnten sich von ihrem kurzzeitigen Schrecken erholen. Die "historische Stunde" war gerettet, sie wurde mit stehendem Applaus beendet, das deutsche Parlament insoweit "auf Augenhöhe" mit dem Präsidenten der USA.
"Stop your wars" - ein kleiner ziviler Ungehorsam, eine undramatische gewaltfreie Aktion, hätten da nicht die anderen Abgeordneten wenigstens ein bißchen schmunzeln können? Dazu sah sich nicht einmal der Vorsitzende der PDS-Fraktion in der Lage. Er warf den drei Abweichlern "Mangel an Demokratiefähigkeit" vor. Und bot George W. Bush eine Entschuldigung an. Der allerdings war gar nicht so böse geworden, wie Roland Claus es wohl annahm. Wer die Szene genau beobachtete, konnte wahrnehmen, wie der Präsident der Supermacht beim Anblick des Transparents lässig lächelte. Er kann drei eigensinnige deutsche Parlamentarier locker verkraften. Schließlich ist die US-Regierung als "demokratiefähig" allgemein akzeptiert, anders als eine kleine deutsche Partei, die nicht länger "isoliert" sein möchte, wie der PDS-Fraktionsvorsitzende mahnend meinte. Fragt sich nur: isoliert von wem? Es waren nicht wenige, die beim Bush-Besuch gegen die Kriegspolitik protestierten - außerhalb des Parlaments.