Nichts zu verbergen

in (15.07.2003)

Ob man nun glaubt oder nicht, dass man nichts zu verbergen habe - Tatsache ist, dass persönliche Daten, seien es der aktuelle räumliche Standort oder der Inhalt eines persönlichen Gesprächs,...

Ob man nun glaubt oder nicht, dass man nichts zu verbergen habe - Tatsache ist, dass persönliche Daten, seien es der aktuelle räumliche Standort oder der Inhalt eines persönlichen Gesprächs, immer seltener verborgen bleiben. So warnte auch der Bundesbeauftragte für den Datenschutz Jacobs bei der Veröffentlichung seines letzten Tätigkeitsberichts: "Wir dürfen nicht zulassen, dass sich in unserem Land schleichend und fast unbemerkt eine Überwachungskultur entwickelt, deren tatsächliche Effizienz und Notwendigkeit nicht nachgewiesen sind." Diese generelle Mahnung sprach er in Zusammenhang mit der Praxis der Telefonüberwachungen gemäß §§ 100a, 100b Strafprozessordnung (StPO) aus. Der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post wurden von den Telekommunikationsunternehmen für das Jahr 2002 21.874 Anordnungen einer Telefonüberwachung gemeldet. Dies bedeutet im Verhältnis zum vorangegangenen Jahr eine Steigerung um knapp 2.000 Anordnungen. Diese Tendenz der stetigen Zunahme ist bereits seit Einführung der Ermittlungsmaßnahme zu beobachten: Nimmt man die Zahl aus dem Jahr 1996 als Vergleichsgrundlage, so hat sich die Häufigkeit der Telefonüberwachungen seitdem mehr als verdreifacht.
Eine eindeutige Erklärung für diesen rasanten Zuwachs liefert das jüngst veröffentlichte Gutachten des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg nicht. Eine dort vertretene Deutungsmöglichkeit geht davon aus, dass er mit der ebenfalls zunehmenden absoluten Zahl der geführten Telefonate zusammenhängt. Dagegen lässt sich jedoch einwenden, dass nicht ohne weiteres aus der absoluten Zahl der Gespräche abgeleitet werden kann, dass auch absolut mehr kriminelle Absprachen am Telefon getroffen werden. Eine andere Erklärungsvariante dafür, dass die Telefonüberwachung in der polizeilichen Praxis so stark an Bedeutung gewonnen hat, knüpft daran an, dass sie in Fällen der schwer ermittelbaren so genannten Transaktionskriminalität überhaupt erst Ansatzpunkte für die Strafverfolgung bietet.
Das Gutachten stellt abschließend fest, dass die Praxis der Telefonüberwachung vor dem Hintergrund ihres massierten Aufkommens vielfach den gesetzlichen Vorgaben bezüglich ihrer Voraussetzungen und Kontrolle nicht mehr entspricht. Es bedürfe deshalb einer praxisbezogeneren Regelung.
Während also auf Bundesebene die Rechtmäßigkeit und Effizienz der strafprozessualen Maßnahme der Telefonüberwachung diskutiert werden, ging das Bundesland Bayern in einem zwischenzeitlich wieder zurückgezogenen Gesetzentwurf noch weiter. Dem gemäß sollten auch schon vorbeugend Telefone abgehört werden.