Hamburg: Wiederherstellung des bürgerlichen Scheins

Bei den Hamburger Bürgerschaftswahlen hat die CDU gegenüber dem Jahr 2001, als 223.015 Stimmen auf sie entfielen, 165.645 WählerInnen zusätzlich für sich gewinnen können.

... Der sich daraus ergebende Stimmenanteil von 47,2% reicht der Partei zu einer knappen absoluten Mehrheit. In den zurückliegenden Monaten der verkürzten Wahlperiode hatte die CDU mit der FDP und der rechtspopulistischen Partei PRO regiert.
Eine Erfolgsgeschichte hat das vereinte bürgerliche Lager nicht geschrieben, ganz im Gegenteil: Die wirtschaftliche Entwicklung Hamburgs war im Bundesvergleich unterdurchschnittlich, die Arbeitslosigkeit entwickelte sich folglich überdurchschnittlich; die öffentlichen Finanzen wurden trotz massiver Kürzungen nicht saniert; in der Bildungspolitik und bei den Kindertagesstätten taumelte die bürgerliche Koalition von Krise zu Krise. Die Koalitionspartner FDP und PRO verloren bei der vorgezogenen Wahl rund 180.000 Stimmen. Der entscheidende Grund für diese Umschichtungen: Der frühere Rechtspopulist Schill hat mit seinen politischen Eskapaden die eigene Partei in die Spaltung und politische Bedeutungslosigkeit getrieben. Die Inhalte, für die Schill stand, sind bei den Unionschristen allerdings gut aufgehoben. Die Rechtspopulisten bringen es - wie in anderen europäischen Staaten auch - bisher nur zu kurzer Scheinblüte und werden dann von einer Mischung aus massivem eigenem Versagen und der Übernahme der Programmatik durch andere Parteien kleingearbeitet. Im Ergebnis verschwindet die rechtspopulistische Partei, aber nicht die unterliegenden Vorurteile und schon gar nicht die rechtspopulistischen Rezepte.

Die Sozialdemokratie hat erneut fast 60.000 Stimmen verloren und erreicht in ihrer einstigen Hochburg nur noch 30,5%. Für diesen weiteren Absturz wird die unsoziale Sanierungspolitik auf Bundesebene verantwortlich gemacht, wenngleich auch kaum ein Beobachter die Provinzialität und Kleinkariertheit der Hamburger SPD und ihrer Bürgerschaftsfraktion in Abrede stellt. Die SPD hat es sich auch in der Hansestadt mit den Gewerkschaften und den neuen globalisierungskritischen Bewegungen gründlich verdorben; trotz einzelner Ausnahmen ist sie beispielsweise in den Auseinandersetzungen über die Bildungs- und Kulturpolitik nicht präsent, geschweige denn, dass sie als kompetenter Diskussionspartner in Frage kommt. Da sich in diesen Feldern des großstädtischen Lebens die GAL/Grünen etwas moderner und weltoffener präsentierten, konnten sie knapp 30.000 Stimmen hinzugewinnen und sind mit 12,3% erneut zweistellig.

Im Großen und Ganzen sind die politischen Akteure mit der Sympathiewelle für den alten und neuen Bürgermeister von Beust zufrieden. Dass jener einen politischen Pakt mit fragwürdigen Rechtspopulisten zu verantworten hat und eine miserable Leistungsbilanz vorgelegt hat, wird vornehm zur Nebensache erklärt.

Das herausragende Faktum ist allerdings: Mit der Bürgerschaftswahl wurde zugleich über einen Volksentscheid "Gesundheit ist keine Ware" abgestimmt, den ein Bündnis von Gewerkschaften, Attac und anderen Gruppierungen gegen die Privatisierung des Landesbetriebs Krankenhaus (ca. 12.000 Beschäftigte) durchgesetzt hatte. Von 1,2 Millionen BürgerInnen haben sich 783.097 an dieser Entscheidung beteiligt - davon stimmten 76,8% (= 48,8% aller Wahlberechtigten) für den Erhalt der öffentlichen Trägerschaft und gegen die Auslieferung der Krankenhäuser an die Finanzmärkte. Die Ohrfeige für die Politik des bürgerlichen Lagers, die allerdings von der Opposition SPD und GAL in der eigenen Regierungszeit vor Jahren vorbereitet wurde, spielte in der öffentlichen Wahlauswertung überhaupt keine Rolle und folglich kann der Wahlsieger die Volksabstimmung auch weitgehend ignorieren.

Dies drückt die massive politische und inhaltliche Schwäche der linken Opposition aus. Die Kandidatur von linken Grünen, PDS, DKP u.a. unter dem Dach des Regenbogens war von vornherein als narzistische Veranstaltung anlegt, folglich konnte dieses Bündnis nicht einmal den Stimmenanteil aus dem Jahr 2001 (14.247) verteidigen, sondern musste sich mit 9.221 WählerInnen zufrieden geben. Wenn die politische Linke weiterhin den alten politischen Parteien das Feld überlässt, wird sie selbst die Methode des Volksentscheides als Widerstandsform entwerten. Es reicht eben nicht, eine Abstimmung durchzusetzen und zu gewinnen, sie muss im Rathaus und Parlament eine politische Vertretung haben.

Entgegen aller Rhetorik am Wahlabend hat sich herausgestellt, dass die Wahlbeteiligung leicht auf 68,7% zurückgegangen ist. Die Ergebnisse der Wahl und der Umgang mit dem Ergebnis der Volksabstimmung sind gewiss keine Ermutigung oder gar Aufforderung an die BürgerInnen, ihre Rechte auszuüben und für eine lebendige demokratische Kultur zu sorgen.