Konferieren über Alternativen zum Mauerbau

Bericht von der "Internationalen Konferenz für einen gerechten Frieden in Palästina und Israel"

Ein 730 Kilometer langes Monument, das sich durch die von Israel besetzte Westbank schlängelt und die Annexion von fast 50 Prozent palästinensischen Gebiets besiegelt, stand Anfang des Monats ...

... im Mittelpunkt der eintägigen Friedenskonferenz "Stop the wall" in Köln. Zum 37. Jahrestag des Beginns des "Sechs-Tage-Krieges" kamen namhafte Protagonisten der israelischen Linken, palästinensischer Organisationen sowie Vertreter von internationalen Friedensinitiativen, Menschenrechts- und Solidaritätsgruppen wie Gush Shalom Deutschland und Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) an den Rhein. In der mit fast 400 Besuchern bis auf den letzten Platz gefüllten Alten Feuerwache wurde die materialisierte Trennung von Israelis und Palästinensern, die von staatsoffizieller israelischer Seite als Sicherheitszaun deklariert wird, aus verschiedenen Perspektiven kritisch beleuchtet. Dass sich die Anzahl jüdischer Siedler auf der Westbank während des Oslo-Friedensprozesses nahezu verdoppelt hat, ist ein factum brutum, das bei den Palästinensern tiefe Wunden hinterlassen hat. Zu einem Zeitpunkt, in dem alle Friedensbemühungen als gescheitert betrachtet werden müssen, waren dann auch die Beiträge der palästinensischen Referenten durch Gefühle der Ohnmacht und Verbitterung aufgeladen. So hob beispielsweise Salman Abu-Sitta, Koordinator des Komitees für das Rückkehrrecht des palästinensischen Volkes, hervor, dass das zionistische Projekt von vornherein auf Landnahme und "ethnische Säuberung" gezielt habe. Als er eine Landkarte von 1917 präsentierte und mit der Begründung, die große Mehrheit der israelischen Bevölkerung lebe in urbanen Zentren - etwa 91 Prozent -, eine Rückkehr aller Vertriebenen in ihre Dörfer als realisierbar darstellte, kamen kurzzeitig Zweifel auf, dass die 1988 auf Initiative Arafats vollzogene Anerkennung Israels durch die Palästinenser und der damit verbundene Verzicht auf 78 Prozent der Fläche, die sie als ihre Heimat betrachten, im palästinensischen Lager noch konsensfähig ist. Aber auch wenn der frenetische Beifall, der Abu-Sittas Rede begleitete, einen faden Beigeschmack hinterließ: Sowohl das Existenzrecht Israels als auch seine Grenzen von 1967 wurden weder in den Vorträgen noch in der Abschlusserklärung der Veranstalter angetastet. Mit viel Applaus honorierte das Publikum den Vortrag von Moshe Zuckermann, dem Leiter des Instituts für Deutsche Geschichte in Tel-Aviv. Der jüdische Marxist bot eine kritische und scharfzüngige (Psycho-)Analyse des gewaltdurchwirkten Verhältnisses von Israelis und Palästinensern. Er bezeichnete die Mauer zwischen den beiden Kollektiven, die wie "siamesische Zwillinge" miteinander verbunden seien, als "Verdinglichung der Pathologie Israels" und kritisierte die Politik der Sharon-Regierung als "Staatsterrorismus". Zudem wies er darauf hin, dass für die Finanzierung des rund 3,5 Milliarden Euro teuren Bollwerks das Gesundheits- und Erziehungswesen Israels zugrunde gerichtet werden würde. Den Terror arabischer Extremisten könne man nicht durch Repressionsmaßnahmen, sondern nur durch Beseitigung seiner Ursachen - die "systematische Unterdrückung der palästinensischen Bevölkerung" und die Okkupation - erfolgreich bekämpfen.

Verschiedene Perspektiven auf die Mauer

Weniger kölsche als bayerische Aschermittwochs-Stimmung kam auf, als Norbert Blüm die militärischen Operationen Israels, die wie jüngst in Rafah viele Opfer unter palästinensischen Zivilisten fordern, anprangerte. Sichtlich um Ausgewogenheit bemüht, versäumte der Ex-Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung jedoch nicht, auch die Selbstmordattentate der Gegenseite zu verurteilen und die Konfliktparteien zur Besonnenheit zu mahnen: "Ohne Kompromiss geht es nicht." Allerdings verabschiedete sich Blüm kurzzeitig von seiner performativen Referee-Position, als er Auschwitz ("gerade deshalb!") bemühte, um der deutschen Forderung nach Einhaltung der Menschenrechte als kategorischen Imperativ für Israel zu manifestieren. Der letzte Teil der Veranstaltung war der Vorstellung von internationalen Kampagnen gegen den Mauerbau gewidmet. Miri Weingarten von der israelischen Vereinigung Ärzte für Menschenrechte (PHR) berichtete von anarchistischen und les-bi-schwul-transgender Gruppen wie Kvisa Sh'chora (Schwarze Wäsche), die unter dem Slogan "No pride in the occupation" direkte Aktionen durchführen. Heidi Niggemann vom International Solidarity Movement (ISM) forderte nicht nur die deutschen Besucher auf, als Friedensaktivisten nach Palästina zu kommen, sondern postulierte auch die "Bringschuld" eines stärkeren zivilgesellschaftlichen Engagements der Europäer: "Die Forderung an die Palästinenser nach Gewaltverzicht ist billig und hohl, solange sie für einen gewaltfreien Widerstand keine solide Unterstützung von uns bekommen." Wenige hundert Meter entfernt hielt ein antideutsches Bündnis eine Kundgebung gegen die "antizionistische Konferenz" ab, die - angesichts dessen, dass die Kölner Initiatoren seit Monaten mobilisiert und rund 30 Gruppen aus dem gesamten Bundesgebiet ihren Aufruf unterstützt hatten - mit nicht einmal 100 Teilnehmern unerwartet schwach frequentiert war. Auch die als Gastrednerin angekündigte Beate Klarsfeld war nicht erschienen. Am Vorabend hatte der Politikwissenschaftler Matthias Küntzel auf einer Informationsveranstaltung einen Vortrag gehalten, indem es von kruden historischen Vergleichen nur so wimmelte. So warnte er beispielsweise davor, das genozidale Wesen des palästinensischen Widerstands und seines "islamfaschistischen Antisemitismus" zu unterschätzen: "Auch über Hitlers Gebrabbel wurde erstmal gelacht." Auch so kann man über die Einzigartigkeit der Shoah und die Besonderheit des deutschen Faschismus hinweggehen.

Suche nach einem Kompromiss

Während der Konferenz blieben dann die mit allerlei heroischem Pathos angekündigten Versuche der Antideutschen, "das Recht auf Selbstverteidigung des Staates Israel gegen die TeilnehmerInnen und BesucherInnen zu verteidigen", nahezu vollständig aus: Eine kleine Schar von Gegendemonstranten begehrte zwar Einlass auf das Gelände, wurde jedoch von den Ordnern abgewiesen. Notiz von dem Intermezzo nahmen einzelne Konferenzteilnehmer erst, als aus der antideutschen Gruppe ein gellendes "Nazischweine!" erschallte - offen bleibt die Frage, ob es auch den jüdischen Gästen galt. Susann Witt-Stahl aus: ak - analyse + kritik - Zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 485 / 18.06.2004