Das Pentagon und der Algerienkrieg

US-Experten studieren den effektiven Einsatz der Folter

Seit Mitte Mai haben die Französinnen und Franzosen zum ersten Mal Gelegenheit, den in Teilen der "Dritten Welt" längst zum "Klassiker" gewordenen Film "Die Schlacht um Algier" zu sehen.

Mitte der Sechziger Jahre gedreht, war der algero-italienische Film 1966 beim Mostra-Festival in Venedig mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet worden. Doch die französische Delegation hatte die Preisverleihung boykottiert, und auf französischem Staatsgebiet wurde die Ausstrahlung des Films unmittelbar darauf verboten.

1971 wurde die Strafandrohung zwar aufgehoben. Doch bei einer der ersten Aufführungen in einem Pariser Kino explodierte eine Bombe, die wahrscheinlich von Rechtsextremen gelegt worden war. Versprengte Reste der Terrororganisation OAS (Organisation armée secrète, "Bewaffnete Geheimorganisation"), die gegen den französischen Rückzug aus Algerien gebombt hatten, waren damals noch sehr aktiv. Nach kürzester Zeit war La bataille d`Alger wieder von den Leinwänden und Kinoplakaten verschwunden. Vom massiven Einsatz der Folter durch die französische Republik in ihrem "schmutzigen Krieg" in Algerien zu reden oder sie gar zu zeigen, war nach wie vor eine heikle Angelegenheit.

Der Film des italienischen Regisseurs Gillo Pontecorvo behandelt jene Periode des algerischen Unabhängigkeitskriegs gegen die Kolonialmacht Frankreich, während derer der FLN (Front de libération nationale, "Nationale Befreiungsfront") 1956/57 auf Methoden des urbanen Terrorismus setzte und die französische Herrschaft mit massivem Einsatz von Folter antwortete. Dass der Film, in dem vorwiegend algerische Laiendarsteller spielten, gerade jüngst in Cannes zu Ehren kam, geschah nicht zufällig.

Denn im September 2002 erschienen zwei US-Diplomaten in Algier in der Villa des seinerzeitigen Hauptdarstellers Yacef Saadi, der in dem Film seine eigene geschichtliche Rolle interpretierte. Sie wollten, dass er seinen Film in Nordamerika zeige und auch für Diskussionen zur Verfügung stehe. So kam es am 27. August 2003 zu einer Sondervorstellung im Pentagon, welche die "Direktion für besondere Operationen und low intensity conflicts" organisiert hatte. Auf dem Einladungskarton hieß es: "Kinder schießen aus nächster Nähe auf Soldaten. Frauen legen Bomben in Cafés. Bald wird die gesamte arabische Bevölkerung von einem verrückten Fieber erfasst sein. Erinnert Sie das an etwas?" Und: "Die Franzosen haben einen Plan. Sie erzielen einen taktischen Erfolg, aber erleiden eine strategische Niederlage. Um zu verstehen warum, kommen Sie zu dieser seltenen Vorführung."

Dieser "Plan" war die Folter. Sie ist in dem Film deutlich präsent. Die bei der Vorführung anwesenden ZivilistInnen und Militärs interessierten sich besonders dafür, wie ihr Einsatz einerseits effizient sein konnte, andererseits aber auch, wie der Gefahr zu begegnen sei, dass sie Märtyrer und Helden des Unabhängigkeitskampfes hervorbringt. (Laut Le Monde vom 9.9.2003 setzten auch bestimmte Einheiten der israelischen Armee den Film zu ähnlichen Zwecken ein.) Nachdem die Experten des Pentagon instruiert waren, kam der Film dann auch ab Januar dieses Jahres in die US-Kinos.

Die jüngere Geschichte dieses Films beweist vor allem eins: Bereits sechs Monate vor dem Angriff auf den Irak, im September 2002, wurden in den höchsten Kreisen der US-Politik Vorbereitungen auf das getroffen, was erst viel später publik wurde.

Bernhard Schmid, Paris

http://membres.lycos.fr/boumerdes/dossiers/bataille-alger.htm

aus: ak - analyse + kritik - Zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 485 / 18.06.2004