Geschlossene Gesellschaft

Von der Sozialpolitik zur Ordnungspolitik

in (10.07.2004)

In Zeiten der herrschenden Politik der Standortkonkurrenz wird für die Kommunalpolitik die Attraktivität Ihrer Städte für Einzelhandel und Immobilienbesitzer immer bedeutsamer.

Diese Herausbildung einer (inter)nationalen Städtehierarchie fördert eine massive Ausgrenzungspolitik. Im Zuge globaler Städtekonkurrenz verdichten sich staatliches Repräsentationsinteresse und privatwirtschaftlicher Verwertungsdruck zu einer gemeinsamen Sicherheitsstrategie im "Unternehmen Stadt".

Polizeiarbeit auf Zuruf des Einzelhandels

Während einerseits Sozialleistungen zurückgefahren werden, und andererseits der Sicherheitsapparat weiter ausgebaut wird, werden soziale und drogenpolitische Probleme verstärkt ordnungspolitisch gelöst. Es findet verstärkt eine Beseitigung der Armen aus exklusiven und kommerzorientierten städtischen Räumen statt. Diese Ordnungspolitik basiert auf einer stärkeren institutionalisierten Zusammenarbeit zwischen Polizei und Laden- und Hausbesitzern. Darüber hinaus wird die Vertreibung unliebsamer Personen aus innenstädtischen Bereichen einerseits durch eine erhöhte Polizeipräsenz und andererseits mit Hilfe privater Sicherheitsdienste durchgesetzt. Die staatliche Polizei wird also zunehmend im Auftrag der Privatwirtschaft tätig und der Sicherheitsapparat selbst wird privatisiert.
Opfer dieser Sicherheitspolitik sind alle, die nicht in die schöne neue Konsumwelt passen. Innenstädte und Bahnhöfe werden zunehmend zu no-go-areas für Obdachlose, DrogenkonsumentInnen und andere. "Unliebsame Personen" werden von einem Ort der Stadt an den nächsten gehetzt oder an den Stadtrand gefahren und dort ausgesetzt. Dabei arbeiten sowohl Polizei als auch Sicherheitsdienste mit rassistischen Stereotypen.

Von halböffentlichen Räumen und privaten Sicherheitsdiensten

Öffentliche und private Flächen verschmelzen verstärkt miteinander. In den zu konsumorientierten Festungen ausgebauten städtischen Wohlstandsinseln wird die Armutsbevölkerung durch Sicherheitsdienste ferngehalten und vertrieben oder durch Polizei und Bundesgrenzschutz aufgegriffen.
Ein gutes Beispiel für das Entstehen halböffentlicher Räume sind Einkaufzentren. Diese beschäftigen in der Regel einen privaten Sicherheitsdienst, der die Hausordnung durchsetzt und jeder, der dieser zuwider handelt - seien es protestierende Studierende, die ihr Seminar in der Öffentlichkeit abhalten, oder Obdachlose, die sich im Winter bei minus 15 Grad ein wenig aufwärmen wollen - wird, da er als "geschäftsschädigende Person" angesehen wird, hinausgeschmissen.
Ein anderes Beispiel für diese repressive Politik ist das "3-S-Programm" (Service, Sicherheit, Sauberkeit) der Deutschen Bahn AG. Sie beschreibt es selbst folgendermaßen: "Das 3-S-System ist im ersten Schritt ein System zu Qualitätsverbesserungen in den Bahnhöfen und ein System zur repressiven Verfolgung und Durchsetzung unserer Interessen. Im zweiten Schritt wird das 3-S-System die Evolution von Bahnhöfen zu kundenorientierten Servicecentern bewirken, vom repressiven zum präventiven System".

Arme gegen Arme

Außerdem zeigt sich eine Verknüpfung von Arbeitsmarktpolitik und Innerer Sicherheit, und zwar dort, wo verstärkt SozialhilfeempfängerInnen in Schnellkursen ausgebildet werden, um nun in ihrerseits für Niedriglöhne zum Beispiel zu vertreiben. So werden am Potsdamer Platz in Berlin Jugendliche ohne Arbeit oder Ausbildungsplatz über staatliche Programme gegen DrogenkonsumentInnen und herumhängende Jugendliche eingesetzt. Qualifizierende Berufsabschlüsse sind mit diesen Maßnahmen in der Regel nicht verbunden. Arbeitsinhalte wie -bedingungen und
-perspektiven spielen offensichtlich keine Rolle.
Die Verantwortlichen für diese Schulungen in Ausschließungspraktiken feiern sie als Integrationsleistung aktiver Arbeitsmarktpolitik. Besonders perfide daran ist, wie potentielle Ausgegrenzte - wie Arbeitslose - gegen andere Ausgegrenzte - wie Obdachlose - innerhalb der geschlossenen Gesellschaft der kommerziellen Innenstadt gegeneinander in Anschlag gebracht werden.