USA nach den Wahlen:

Aufhebung der gesellschaftlichen Spaltung?

Joachim Bischoff kommentierte auf der Website von Sozialismus (www.sozialismus.de) den Wahlausgang in den USA; der Beitrag erscheint in erweiterter Fassung in Heft 12/2004 von Sozialismus.

Der teuerste Wahlkampf der US-Geschichte - rund 5 Milliarden Dollar schätzt das überparteiliche "Center for Responsive Politics" - ist mit einer deutlichen Bestätigung der rechtskonservativen Hegemonie der Republikaner zu Ende gegangen. Präsident Bush erhielt 3,6 Millionen Wählerstimmen mehr als sein Herausforderer Kerry, und dies bei einer deutlich höheren Wahlbeteiligung von ca. 60%. Auch in Senat und Repräsentantenhaus konnte die republikanische Mehrheit leicht ausgebaut werden.

Kerry als auch Bush betonten nach der Wahl, dass die Hauptaufgabe darin bestehe, die soziale und politisch-kulturelle Spaltung der US-Gesellschaft aufzuheben. Dies sagt sich leicht, die Realisierung ist faktisch nicht durchzusetzen.

Bush hat im Wahlkampf betont, er wolle eine "Gesellschaft der Eigentümer" entwickeln. Hinter dieser Zielsetzung steht nicht nur die Förderung von Eigentumsbildung, sondern konkret ist damit die Privatisierung der sozialen Sicherung angesprochen. Die bisherige auf dem Umlageverfahren basierende staatliche Rentenversicherung soll teilprivatisiert werden; den Beteiligten sollen größere Möglichkeiten eingeräumt bekommen, in kapitalistische Pensionsfonds umzusteigen. Kerry wollte in Anknüpfung an die gescheiterten Reformen unter Clinton endlich eine allgemeine Krankenversicherung durchsetzen, d.h. auch die 45 Millionen Nichtversicherten US-BürgerInnen in ein Vorsorgesystem einbeziehen. Unter Bush wird die Krankenversicherung weiter prekär bleiben. Die zunächst zeitlich befristeten Steuersenkungen für Vermögenseinkommen werden bleiben, weil auch dies sich in eine Gesellschaft der Eigentümer einordnet.

Die neoliberalen Umgestaltungsmaßnahmen zur Stärkung der Eigentümer werden die soziale Spaltung vertiefen. Auch in den USA ist die große Mehrheit der Bevölkerung "eigentumslos" in dem Sinne, dass sie auf den Verkauf ihrer Arbeitskraft aufgewiesen ist. Mag sein, dass die Bush-Administration in Kooperation mit der Notenbank FED die spekulative Blase auf dem Immobilienmarkt in dem sich abzeichnenden Abschwung der Konjunktur kontrolliert in den üblichen gesamtökonomischen Datenkranz zurückführen kann. Mag sein, dass in den USA nicht zuletzt wegen erhöhter Militärausgaben die konjunkturelle Abschwächung erneut recht milde ausfallen wird. Und schließlich ist denkbar, dass die Ungleichgewichte in der Weltökonomie und im globalen Finanzsystem gleichfalls ohne deutliche Abwertung des Dollar und eine noch stärkere Ausweitung des Leistungsbilanzdefizits fortgeschrieben werden können. Aber all diese zentralen Achsen der Politik lassen eine Verminderung der sozialen Spaltung der US-Gesellschaft nicht zu und die republikanische Partei ist mehrheitlich auch nicht für eine solche Konzeption zu haben.

Das politische Angebot von Kerry zielte in eine andere Richtung, seine Umsetzung wäre aber selbst bei gewonnener Präsidentenwahl an der Machtverteilung in den gesellschaftlichen Institutionen gescheitert. Der Wahlausgang hat erneut unterstrichen, dass die politischen Kräfteverhältnisse in den USA durch eine klare Spaltung - die sich auch regional und kulturell niederschlägt - in zwei relativ gleich große und gegensätzliche Lager gekennzeichnet sind. Hinter Kerry steht die berühmte Regenbogenkoalition - das kleine Häufchen von gewerkschaftlich organisierten Lohnabhängigen, der Großteil der Afroamerikaner (soweit sie überhaupt zur Wahl gehen) und auch die Latinos haben mehrheitlich für die Demokraten votiert.

Die Besserverdienenden, die "Eigentümer" und solche, die sich dafür halten und das ländlich geprägte Elektorat folgen den Republikanern. Die politische Willensbildung - mit den Wahlen zunächst abgeschlossen - hat stärker als je zuvor polarisiert. Daher die höhere Wahlbeteilung. Dazu beigetragen hat sicherlich auch, dass die zugespitzten sozial-ökonomischen Grundkonflikte durch Fragen von Abtreibung, gleichgeschlechtliche Partnerschaften, Verschärfung im Strafvollzug etc. überlagert worden sind. Es ist sicher keine Übertreibung, wenn Beobachter von der Vertiefung eines Grabens sprechen: Auf der einen Seite das konservative Amerika mit seiner christlich-freikirchlichen Moral; auf der anderen Seite die "Liberals" mit den vielfältigen Subkulturen und der Betonung der individuellen Freiheiten.

Die von den Republikanern geführte "Gesellschaft der Eigentümer" hat in der zurückliegenden Wahlperiode das politische Koordinatenkreuz weit nach rechts verschoben. Es wäre naiv zu unterstellen, dass diese Tendenz in der vor uns liegenden Periode korrigiert wird. Es hilft auch nicht weiter, die Vertiefung der kulturell-sozialen Spaltung auf die Bedrohung durch den "Terrorismus" und die aggressive US-Außenpolitik zurückzuführen. Es bleibt die Herausforderung für alle Gegner einer neoliberalen Gesellschaftskonzeption auch in den USA, einen breiten sozialen Block für einen Politikwechsel zustande zu bringen.