Kein Haushalt ist geschlechtsneutral. Geschlechtergerechte Haushaltsführung als Beitrag zur Demokratisierung der

Allgemeines Ziel von Gender Mainstreaming und Gender Budgeting ist die Veränderung bestehender Ungleichheiten bzw. Benachteiligungen eines der Geschlechter. Eine Analyse des Bestehenden und Ausblick

We must look for that which we have been trained not to see.
Denkspruch der Weltbank in ihrer Broschüre
"Toward Gender Equality"

Hartz IV verschärft die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern 1

Bundesweit wurden 2003 knapp 184 000 Arbeitslosenhilfeanträge abgelehnt. Zu 75 % waren Frauen betroffen. Dieser Trend hielt 2004 an - bis Mai lag der Frauenanteil an den Ablehnungen bei 76,5 %.2 Durch das Gesamtpaket der Hartz-Gesetze wird sich diese Situation sowohl hinsichtlich von Negativ-Bescheiden für Frauen als auch in Bezug auf die generellen Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern weiter verschärfen. Damit ist das Hartz-IV-Gesetz ein anschauliches Beispiel für die Richtigkeit und Notwendigkeit der Forderung, politische Strategien stets darauf zu prüfen, welche direkten und indirekten Wirkungen sie nicht nur allgemein, sondern jeweils speziell auf Frauen und Männer haben. Bezüglich Hartz IV kann bereits jetzt gesagt werden, dass die Auswirkungen auf die Geschlechter ungleich sein werden. Diese Prognose stützt sich auf folgende Zusammenhänge:
Erstens: Da Männer in Deutschland durchschnittlich mehr verdienen als Frauen, sind Frauen überdurchschnittlich von der Anrechnung des Partnereinkommens betroffen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) schätzt auf der Grundlage von Zahlen des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg ein, dass ab 2005 rund 230 000 Frauen keine eigenen Leistungen mehr bekommen werden.3
Zweitens: Frauen ohne eigenen Leistungsbezug haben später auch Lücken in ihren Rentenbiografien, d. h., die ungleiche finanzielle Situation wird fortgeschrieben.
Drittens: Frauen haben insofern keinen gleichberechtigten Zugang mehr zum Arbeitsmarkt, als von den vor der Hartz-Reform im Sozialgesetzbuch (SGB) III festgeschriebenen Maßnahmen zur Förderung von Berufsrückkehrerinnen nach Mutterschaft etc. kaum etwas übrig geblieben ist. Des weiteren gibt es auch keinen Anreiz für die Vermittler der Arbeitsagenturen, sich gezielt um Berufsrückkehrerinnen und Nicht-Leistungsempfängerinnen zu kümmern. Befürchtet wird, dass vor allem und zuerst diejenigen vermittelt werden, die "teure Leistungsbezieher" sind.
Viertens: Die im Gesetz zu Grunde gelegten Bedarfsgemeinschaften werden von einer Person vertreten, die für alle weiteren Personen die Geldleistung in Empfang nimmt. Dies wird häufig der Mann sein. Im Sinne von Eigenständigkeit und individuellem Selbstwertgefühl wäre es für beide Geschlechter besser, wenn mit jedem Betroffenen eine eigene Eingliederungsvereinbarung getroffen werden würde. Auf die besonders prekäre Situation von Frauen mit Gewalterfahrungen sei hier zusätzlich aufmerksam gemacht.4

Diese hier am Beispiel der Auswirkungen von Hartz IV nur kurz angedeuteten ungleichen Folgen für Frauen und Männer lassen sich auch bei anderen Gesetzen nachweisen - so z. B. an den Folgen des seit Januar 2004 geltenden Gesundheitsmodernisierungsgesetzes. Auch diese treffen Frauen härter als Männer, da erstens Frauen meist weniger verdienen, aber die gleichen fixen Zuzahlungen zu leisten haben; zweitens sie allein die Kosten für bestimmte Verhütungsmittel zu tragen haben; drittens das Entbindungsgeld ersatzlos gestrichen wurde; viertens ebenso das Sterbegeld gestrichen wurde - da Frauen in der Regel länger leben als ihre Ehemänner, haben sie überwiegend die Kosten für die Beerdigungen zu tragen; fünftens viele Versicherungen teilweise oder ganz in den privaten Bereich verlagert wurden bzw. werden (Hier zahlen Frauen höhere Tarife als Männer. Am 4. Oktober 2004 wurde im EU-Sozialministerrat nur ein Kompromiss angenommen, der es nach wie vor erlaubt, geschlechterdiskriminierende Praktiken anzuwenden, wenn "die unterschiedliche Behandlung von Frauen und Männern auf relevanten und exakten versicherungsmathematischen und statistischen Daten beruht "5); sechstens die neuen Abrechnungsmodalitäten in Krankenhäusern nach DRGÂ’s zu Veränderungen in der Aufenthaltsdauer von Patientinnen und Patienten führen. Die Verkürzung der Liegezeiten im Krankenhaus geht häufig mit der Notwendigkeit einer intensiveren Pflege zu Hause einher - die meist von Frauen geleistet wird, und dies in der Regel unbezahlt. Neben häufig außerordentlich hohen körperlichen und psychischen Anstrengungen für die Pflegepersonen hat dies oft auch Folgen für deren Erwerbs- und Rentenbiografie durch notwendige Verkürzung der Arbeitszeit oder zeitweiligen Ausstieg aus der Erwerbstätigkeit.

Auch das hier angesprochene Verhältnis von gesellschaftlich notwendiger, jedoch unbezahlter Arbeit zu Erwerbstätigkeit ist ungleich zwischen Frauen und Männern. Insofern ist bei der Bewertung einer politischer Strategie stets auch zu fragen: Ziehen eher Männer oder Frauen Nutzen aus staatlichen Ausgaben und Förderungen? Treffen Einsparungen des Staates eher Männer oder Frauen? Vergrößern oder verkleinern bestimmte Politikstrategien Diskriminierungen auf Grund von Geschlecht?

Initiative für eine geschlechtergerechte Haushaltsführung in Berlin

In über 50 Ländern gibt es spezielle Initiativen, die sich diesen Fragen widmen - und inzwischen auch zahlreiche in Deutschland.6 Beispielhaft sei hier zunächst die Entwicklung in Berlin angeführt, da das von SPD und PDS regierte Land Berlin als erstes in der Bundesrepublik ein durchgängiges Konzept der geschlechtergerechten Haushaltsführung - Gender Budgeting - für alle Haushaltsbereiche erstellen und anwenden will. Die "Initiative für eine geschlechtergerechte Haushaltsführung in Berlin" wurde im Mai 2001 durch Frauen aus Nichtregierungsorganisationen, Stiftungen, der Wissenschaft, Parteien und Gewerkschaften ins Leben gerufen. Die Forderungen aus einem offenen Brief von 104 Einzelpersonen und 26 Vereinen und Verbänden erstreckten sich sowohl auf die Umsetzung von Gender Budgeting (wie in der Koalitionsvereinbarung festgelegt) innerhalb der laufenden Legislaturperiode in Berlin als auch auf die künftige Anwendung auf Bundesebene.

Durch Senatsentscheidungen vom Mai und November 2002 sowie März und Juli 2003 wurde zunächst die Einführung und Umsetzung von Gender Mainstreaming beschlossen. Die Umsetzung soll in drei Phasen erfolgen:
Erstens: Pilotphase ab April 2003: modellhafte Erprobung;
Zweitens: Hauptphase von April 2004 bis März 2006: Einbeziehung aller Senats- und Bezirksverwaltungen mit Pilotprojekten;
Drittens: Flächendeckende Einführung ab 2006.

Mit Datum vom 22. Juli 2003 liegt ein "Erster Bericht über Gender Mainstreaming in der Berliner Politik und Verwaltung. Berichtszeitraum 2002/2003" vor.7 Aus diesem geht hervor, dass bereits vier Senatsverwaltungen und acht Bezirksämter mit insgesamt 20 Pilotprojekten angefangen haben, Gender Mainstreaming zu erproben. Dabei wurde allerdings Gender Budgeting trotz entsprechender Beschlusslage noch nicht durchgeführt.8

Zur Unterstützung dieser Vorhaben wurde im Januar 2003 die Geschäftsstelle Gender Mainstreaming bei der Senatsverwaltung eingerichtet. 9 In deren Tätigkeitsbeschreibung ist von Anfang an eine hohe Priorität für Gender Budgeting festgeschrieben worden.

Ein Novum im Vergleich gegenüber anderen Einrichtungen zur Implementierung von Gender Mainstreaming stellt in Berlin auch die Einsetzung einer Landeskommission Gender Mainstreaming dar, der Staatssekretärinnen und Staatssekretäre verschiedener Ressorts angehören. Diese Kommission hat sich im Mai 2003 unter dem Vorsitz der Staatssekretärin für Arbeit und Frauen konstituiert. Unter den inhaltlichen Schwerpunkten, die besonders kritisch begleitet, entwickelt und unterstützt werden sollen, werden an erster Stelle die finanzpolitischen Instrumente des Gender Mainstreaming - Gender Budget - genannt.10

Bis zu dieser ersten (und einer Reihe anderer, im Text weiter unten beschriebenen) Initiativen war es für Frauen in Deutschland ein weiter Weg. Die Bundesrepublik ist in Bezug auf diese politische Strategie eher als "Entwicklungsland" einzustufen - daher soll etwas näher auf den zeitlichen Ablauf dieser Anfänge eingegangen werden.

Der Weg zum Gender Mainstreaming

1985 wurde auf der 3. Weltfrauenkonferenz in Nairobi die Strategie des Gender Mainstreaming entwickelt und verabschiedet. Diese mündete 1986 in einen Beschluss der Vereinten Nationen über die Rechte der Frau. Auf der 4. Weltfrauenkonferenz 1995 in Peking kam es zur Verabschiedung der entsprechenden Aktionsplattform zur Unterstützung von Gender Mainstreaming.

Auf EU-Ebene sind folgende Eckpunkte zu nennen:
1996: Selbstverpflichtung zur Gleichstellung von Frauen und Männern;
1997: Aufforderung an die Mitgliedsstaaten zur Einbindung von Gender Mainstreaming in lokale, regionale und nationale Politik;
1998: Gleichstellung wird als eine der vier Säulen der Beschäftigungspolitik festgelegt; 1999 zusätzlich als Querschnittsaufgabe;
2000: Rahmenstrategie zur Förderung der Gleichstellung als sämtliche Gemeinschaftspolitiken einbeziehender Ansatz.

In Deutschland wird 1999 das Programm "Frau und Beruf" beschlossen, in dem u. a. formuliert ist: "Die Gleichstellung von Frauen und Männern ist durchgängiges Leitprinzip der Bundesregierung und soll als Querschnittsaufgabe gefördert werden."11 In der im Jahr 2000 verabschiedeten neuen gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien heißt es dann entsprechend: "Die Gleichstellung ... ist durchgängiges Leitprinzip und soll bei allen politischen, normgebenden und verwaltenden Maßnahmen der Bundesministerien in ihren Bereichen gefördert werden."

Vor allem in den neuen Bundesländern kommt es parallel zur Bundesebene zu einer Reihe von Aktivitäten. So wird bereits 1999 in Sachsen-Anhalt (von der PDS tolerierte SPD-Regierung) als erstem Bundesland ein Programm zur Durchsetzung der Chancengleichheit von Frauen und Männern verabschiedet. Es folgt die Gründung eines Gender-Institutes in Magdeburg mit der Aufgabe, Forschungs- und Bildungsaktivitäten zur professionellen Umsetzung des Gender-Mainstreaming-Konzeptes zu bündeln, zu realisieren und zu koordinieren.12

Im Jahre 2000 folgt die SPD-PDS-Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern mit der Verabschiedung einer Gleichstellungskonzeption und einer Reihe von Pilotprojekten. Am 19. März 2002 wird in Mecklenburg-Vorpommern ein Aktionsprogramm zur "Implementierung von Gender Mainstreaming" verabschiedet und es erfolgt ebenfalls die Einrichtung einer begleitenden Organisation - der GM-Consult.13

Es ist sicher kein Zufall, dass die beiden Bundesländer, in denen diese Strategie bisher auf Landesebene angegangen wird, zu den neuen Bundesländern gehören. Hier hat es einerseits einen größeren sozialen Druck durch die nach wie vor vorhandenen Auswirkungen des Transformationsprozesses von der volkseigenen Planwirtschaft zur privatwirtschaftlichen Marktwirtschaft gegeben. Zum anderen gab es durch die andersartigen Sozialisationserfahrungen von Frauen ein sehr großes Engagement auf einer breiten politischen Ebene und eine entsprechende, offensiv vertretene Erwartungshaltung an die Verwirklichung von Gerechtigkeitsvorstellungen. Gleichzeitig wurde eine Engführung von Fraueninteressen auf bestimmte feministische (Frauen separierende) Ansätze von Anfang an vermieden, was diesen Bemühungen eine größere Durchschlagskraft verlieh.

Auch im nordrhein-westfälischen Landtag hat - angeschoben von Bündnis 90/Die Grünen - eine "Initiative für einen geschlechtergerechten Haushalt in NRW" begonnen. Eine dazu im September 2002 organisierte Veranstaltung mit dem Titel "Sperriger Name - lohnendes Ziel: Gender Budgeting"14 sollte nicht nur ein erster Schritt auf dem Weg zu einem geschlechtergerechten Landeshaushalt sein, sondern auch eine Gender-Budgeting-Bewegung in NRWin Gang setzen. Der bisher vergangene Zeitraum ist noch zu kurz, um weitere Aktivitäten bereits auswerten zu können. Die auf der genannten Veranstaltung von der frauenpolitischen Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen im Landtag NRW, Marianne Hürten, vorgetragene erste sehr grobe geschlechterdifferenzierte Bewertung des Landeshaushalts NRW macht jedoch bereits eine Reihe von gesellschaftspolitischen und wissenschaftlich-methodischen Problemen deutlich. Zum einen verweist sie darauf, dass etwa 55 % der Ausgaben des Landes Männern dienen oder von diesen verursacht werden. Bei dieser Aussage sind die Ausgaben für Personal überwiegend noch nicht mit berücksichtigt worden. Auch würde eine Herausrechnung derjenigen Gelder, die das Land auf Grund von Bundesgesetzen zahlen muss, eine noch stärkere Benachteiligung von Frauen ergeben. Gleiches gilt bei näherer Betrachtung einzelner Bereiche. So stellte sich z. B. heraus, dass die Wirtschaftsförderung zu 80 Prozent Männern zugute kommt, auch die Verkehrsförderung sei männerdominiert (obwohl der Öffentliche Personennahverkehr [ÖPNV] überwiegend von Frauen genutzt wird). Programme zur beruflichen Aus- und Weiterbildung sprächen ganz überwiegend Jungen und Männer an; die Kultur- und Forschungsförderung diene durchweg mehr Männern als Frauen.15

Bei diesen Wertungen zeigten sich zum einen große Wissensdefizite in Bezug auf die konkreten Auswirkungen der einzelnen Landesausgaben auf die Geschlechter. Marianne Hürten konstatiert, dass diese in den meisten Fällen geschätzt werden mussten. Weiterhin verweist sie darauf, dass für eine solche Budgetanalyse und darauf aufbauende Forderungen und Veränderungen eine vorhergehende Auseinandersetzung mit den Kriterien und deren Einstufung unter allen Beteiligten notwendig ist. So sei z. B. für die Initiatorinnen dieser Analyse die Subventionierung der Steinkohlebranche in NRW eine sehr stark männerdominierte Ausgabe gewesen, für den damaligen Wirtschaftsminister dagegen eine energiepolitisch begründete neutrale Ausgabe zur Sicherung heimischer Ressourcen. Auch die Ausgaben für Bildung an Schulen und Hochschulen wurden in ihrer Wirkung unterschiedlich bewertet. Zum einen erfolgte mit der Begründung, dass Mädchen und Jungen diese Einrichtungen in etwa zu gleichen Teilen nutzen, eine neutrale Einstufung. Zum anderen wurde von der Analyse der Kinder her, die ein Schuljahr wiederholen mussten, eingeschätzt: da dreiviertel davon Jungen sind, werden allein 42 Mio. Euro pro Jahr an Jungen für eine pädagogisch unsinnige Maßnahme (das schlichte Wiederholen einer Klasse) verschwendet. Auf die hier auch zum Ausdruck kommende notwendige bildungspolitische Veränderung kann im Rahmen dieses Beitrags nicht eingegangen werden.

Statt dessen soll noch auf ein weiteres Beispiel verwiesen werden: auf die Einstufung des Unterhaltsvorschusses. Dieser wird bisher meist als frauendominiert bewertet, da die Mittel an Frauen ausgezahlt werden. Personen, die Unterhalt schulden, sind jedoch in NRW zu 80 % männlich, d. h., wenn nach dem Verursacherprinzip bewertet werden würde, müsste dieser Posten als stark männerdominiert eingestuft werden. Würde die Analyse dagegen zugrunde legen, dass in der Regel die Frau diese Gelder nur an Stelle des Kindes entgegennimmt, die Leistung also dem Kind dient, wäre diese Ausgabe als neutral einzustufen.16

Gender Budgeting - was ist das, wie geht es und wem nützt es?

An dieser Stelle erscheint eine kurze Bemerkung zu den im Text verwandten Anglizismen Gender Mainstreaming und Gender Budgeting notwendig.

Zu beiden Begriffen existieren in Deutschland zwar eine Reihe von Handbüchern und Praxisempfehlungen,17 es gibt jedoch keine allgemein verbindliche und durchgehend genutzte Übersetzung. Das hat nicht nur zur Folge, dass Publikationen und Vorträge zu diesen Konzepten nach wie vor stets mit einer Begriffserläuterung beginnen müssen, sondern wirft die durchaus berechtigte Frage auf, "ob es nicht bereits eine Diskriminierung darstellt, vor einem Begriff zu stehen, den frau/man nicht kennt." Dies ist keineswegs nur das hübsche Bonmot einer Veranstaltungsteilnehmerin, sondern ein durchaus ernstzunehmendes Problem bei der Einbeziehung breiter Bevölkerungskreise in die Realisierung der jeweiligen politischen Ansätze. Hinzu kommt, dass die Grenzen zwischen den Strategien Gender Mainstreaming und Gender Budgeting fließend sind. Behelfen wir uns also zunächst mit dem Erklärungsansatz des Bundesministeriums für Familie, Frauen, Senioren und Jugend. Demnach heißt Gender Mainstreaming, "bei allen gesellschaftlichen Vorhaben die unterschiedlichen Lebenssituationen und Interessen von Frauen und Männern von vornherein und regelmäßig zu berücksichtigen, da es keine geschlechtsneutrale Wirklichkeit gibt".18

Gender Budgeting nun ist die "Königsdisziplin" der gesamten politischen Strategie des Gender Mainstreaming, da hier unmittelbar in Finanzströme eingegriffen werden soll. Auch alle anderen Aktivitäten im Sinne des Gender Mainstreaming ziehen bei konsequenter Umsetzung ab einem bestimmten Punkt ihrer Umsetzung haushaltspolitische Veränderungen nach sich, nur wird dies nicht von Anfang an als klares Ziel ausgesprochen. Meist sind die daraus hervorgehenden Forderungen nach finanziellen Umorientierungen erst Ergebnis eines längeren intensiven Prozesses der Arbeit an Gender Mainstreaming. Insofern ist der Einstieg über Gender Mainstreaming sowohl theoretisch und methodisch notwendig als auch einfacher für die Schaffung einer Lobby in den Gremien (weil es zunächst vordergründig eben nicht um Finanzen geht). Einige Initiativgruppen haben aus dieser Sichtweise eine Tugend gemacht, d. h., sie sprechen nach wie vor von dem unverfänglicheren Begriff Gender Mainstreaming, obwohl sie längst mit Gender Budgeting begonnen haben. Die Scheu zur Anwendung des zweiten Begriffes hat weiterhin damit zu tun, dass sehr verbreitet die Auffassung besteht, von Gender Budgeting könne nur dann gesprochen werden, wenn der gesamte Haushalt einer Kommune entsprechend budgetiert wird. Da meist mit Pilotprojekten in einzelnen Bereichen begonnen wird, wird teilweise nach wie vor "nur" von Gender Mainstreaming gesprochen. 19

Wesentlicher als die hier genannte Vermischung bzw. Gleichsetzung der Begriffe Gender Mainstreaming und Gender Budgeting ist eine andere begriffliche Unklarheit: Im Deutschen wird als Übersetzung für Gender Budgeting einerseits der Begriff geschlechterspezifische und andererseits der Begriff geschlechtergerechte Budgetanalyse gebraucht. Beide Begriffsinhalte haben jedoch unterschiedliche Akzentsetzungen. Die südafrikanische Gender-Budget- Expertin Debbie Budlender unterscheidet folgende zwei Fragestellungen: Haben Frauen und Männer den gleichen Zugang zu öffentlichen Finanzen? Und führen die Budgetausgaben zu mehr Gleichheit zwischen Frauen und Männern?

Allgemeines Ziel von Gender Mainstreaming und Gender Budgeting ist die Veränderung bestehender Ungleichheiten bzw. Benachteiligungen eines der Geschlechter. Diesem politischen Veränderungsansatz sind die zweite Fragestellung und auch der zweite Begriff näher als die erste Fragestellung bzw. der erste Begriff. Geschlechterspezifische Budgetanalysen können zwar als Voraussetzung und erster Schritt zu Geschlechtergerechtigkeit bei der Mittelverteilung angesehen werden, haben aber noch nicht notwendig und konsequent den Fokus der politischen Veränderung.

Weitere Ansätze und Entwicklungen in Deutschland

Eine nähere Betrachtung von Initiativen zur Umsetzung beider Strategien in Deutschland zeigt, dass die Ansatzpunkte in den einzelnen Kommunen durchaus unterschiedlich gewählt werden. Zu den häufigsten gehören der Reihenfolge nach: Stadtplanung, Spielplätze, Jugendarbeit und Verkehrspolitik. Meist wurde hier nicht dem topdown-Prinzip gefolgt, sondern mit einer Erhebung unter den Bürgerinnen und Bürgern begonnen, um spezifische Wünsche und Notwendigkeiten einer Region erfassen zu können - so z. B. in der Stadt München. Eine dort im Jahre 2000 durchgeführte Befragung zeigte deutlich, dass "Frauen in verschiedenen Aufgabenbereichen der Stadt tendenziell andere Präferenzen haben als Männer: Frauen räumen der Beschäftigungsförderung, der ambulanten Pflege, Beratungsstellen, Bildungs- und erzieherischen Leistungen eine höhere Priorität ein als Männer ... Männer hingegen fordern vor allem mehr Geld für den Straßenunterhalt und Straßenausbau".20

An diesen Ergebnissen entzündete sich dann eine heftige Debatte bei der Prioritätensetzung bei Haushaltseinsparungen. Die zur Konsolidierung des kommunalen Haushalts gemachten Einsparvorschläge des Sozialreferats wurden als unausgewogen zu Lasten von Frauen und Frauenprojekten kritisiert und es wurde gefordert, den Haushaltsentwurf zunächst auf eine geschlechtergerechte Mittelverteilung zu analysieren. In München wurde daraufhin begonnen, einzelne Statistiken daraufhin zu prüfen, ob diese geschlechtsspezifisch erstellt werden. In der Regel war dies kaum der Fall, so dass zunächst gefordert und begonnen wurde, Statistiken entsprechend anzulegen. Dieser Weg impliziert auch die Auswertung und weitere Arbeit mit den Ergebnissen, d. h. einen Weg, den Lutz Brangsch von der Rosa-Luxemburg-Stiftung einmal sehr treffend als Übergang der Statistik "vom Datenfriedhof zum Politikinstrument" bezeichnet hat.

Um im administrativen bzw. politischen Bereich überhaupt Interesse für die Beschäftigung mit dieser neuen und schwierigen Thematik zu wecken, wird diese zum Teil mit anderen Problemen verwesentliche knüpft. So hat der Bonner Arbeitskreis Frauen und Stadtplanung für eine entsprechende Umfrage in 28 Kommunen der Region die angeblich mangelnde Kauflust der Deutschen und damit einhergehende Umsatzrückgänge als Aufhänger genommen, um Frauen zu fragen, unter welchen Bedingungen ihnen Einkaufen mehr Spaß machen würde. D. h., die Frage nach geschlechtergerechter Gestaltung von Verkehrs- und Einkaufsangeboten wurde "verpackt" in eine Untersuchung zur Steigerung des Einzelhandelsumsatzes. Da dies nicht nur für die Händler selbst, sondern auch für die Städte (u. a. mangelnde Steuereinnahmen) ein wichtiges Problem darstellt, sind gute Grundlagen für die Umsetzung der geforderten Veränderungen gelegt, wie z. B. einheitliche Öffnungszeiten bis mindestens 20 Uhr, Kinderbetreuungsangebote, Mütterkassen, preisgünstiger Bringservice, Trinkwasserspender und Sitzmöglichkeiten.

Eine Schwierigkeit bei der Implementierung von Gender Mainstreaming ist meist mit der Bereitstellung der finanziellen Mittel für die Einführung, Begleitung, Umsetzung und Evaluierung von entsprechenden Maßnahmen verbunden. Hier hat das von einer SPD-CDU-Koalition regierte Land Brandenburg einen interessanten Weg gewählt. Als erster Schritt wurde eine Machbarkeitsstudie zu "Gender-Mainstreaming in der Strukturfondsförderung des Landes Brandenburg" erstellt.21 Durch diesen Weg wurden zum einen die Weichen für eine mögliche Nutzung der einzelnen EU-Förderprogramme für die Region geprüft. Diese erscheinen auf den ersten Blick als geschlechtsneutral. Bei genauerer Untersuchung wird jedoch deutlich, dass sich durch Investitionsförderung unterschiedliche Beschäftigungseffekte für Frauen und Männer ergeben.

Zum anderen wurde durch diesen Weg auch eine Möglichkeit erschlossen, die zur Umsetzung von Gender Mainstreaming notwendigen Informationsveranstaltungen, Trainingsmaßnahmen und eine begleitende Evaluation über EU-Mittel (die Equal-Initiative) finanzieren zu lassen.

Bisher wurden in Brandenburg bereits folgende Schritte gegangen:
- Entwicklung von Indikatoren für die Anwendung von Gender Mainstreaming;
- Einsetzen von Frauen und Männern als Gender-Beauftragte (bei zeitlicher Freistellung von ihren anderen Aufgaben):
- Konstituierung einer Arbeitsgruppe Chancengleichheit;
- Erarbeitung von Vorschlägen für die regionale Einbeziehung des Konzeptes und Einrichtung von regionalen Gender-Kompetenzzentren.

Wiederum einen anderen, jedoch sehr typischen Weg ist die Stadt Rostock gegangen. Hier gab es seit 1990 den Zusammenschluss von Frauen im Netzwerk des FrauenPolitischenTisches.22 Monatlich treffen sich Frauen aus Vereinen, Verbänden, Initiativen, Institutionen, Gewerkschaften, Parteien sowie am Thema interessierte Rostockerinnen, um auf aktuelle Geschehnisse Einfluss zu nehmen und ihren frauenpolitischen Forderungen Gehör zu verschaffen. Immer sind Persönlichkeiten der Stadt zu Gast, wie z. B. der Polizeidirektor zum Thema "Gewalt gegen Frauen", der Direktor des Arbeitsamtes zur Arbeitsmarktsituation u. a. m. Im Juni 2000 waren alle fünf Fraktionsvorsitzenden der Rostocker Bürgerschaft zu Gast und die einladenden Frauen sprachen erstmals das Thema Gender Mainstreaming an. Daraufhin brachte die Fraktionsvorsitzende einer Partei den Antrag "Gender Mainstreaming in der Stadtverwaltung" ein. Dieser wurde einstimmig angenommen und die Gleichstellungsbeauftragte damit betraut, ein entsprechendes Konzept zu erarbeiten und verwaltungsintern abzustimmen.

Hier deutet sich eine typische Problematik bei der Realisierung dieser Vorhaben an: Es besteht die Gefahr, dass Gender Mainstreaming als vorrangige (oder gar alleinige) Aufgabe der Gleichstellungsbeauftragten oder der Gender-Beauftragten angesehen wird.

Inwieweit dies verhindert werden kann, hängt wesentlich vom Umfang und Erfolg der "Einführungsveranstaltungen" zu Gender Mainstreaming ab. In Rostock wurde dazu u. a. eine Expertin aus Schweden eingeladen. Dieser Blick nach Schweden, verbunden mit entsprechenden Einladungen bzw. der Übernahme von dort entwickelten Konzepten und Methoden, erfolgt in vielen Veranstaltungen. Positive Erfahrungen anderer Länder werden zwar ebenfalls in den Materialien dargestellt, typisch ist gleichwohl die methodische Anlehnung an schwedische Konzepte.23 Dadurch kann freilich die Gefahr eines gewissen einseitigen Blickwinkels bei der Übernahme von Erfahrungen gegeben sein.

Begonnen wurde in Rostock dann mit der Forderung nach Ausweisung aller geschlechtsdifferenzierten Kennziffern in der amtlichen Statistik. Inzwischen wird das tägliche Verwaltungshandeln sehr breit durch den Gender-Beschluss bestimmt. So wurde z. B. im Zusammenhang mit dem Nicht-Erreichen der geplanten Einnahmen im Bereich der Städtischen Museen die geschlechtsspezifische Zielgruppenorientierung untersucht. Auch an den (gleichfalls kommunal gestützten) Volkshochschulen wird der Frage von genderbezogenen Lehr- und Lernformen nachgegangen. Und natürlich spielt die schon erwähnte geschlechterdifferenzierte Stadtplanung eine große Rolle.

Bei der Durchführung dieser Prozesse wird großer Wert auf nachbereitende Materialien, Handbücher und Checklisten gelegt. Die Stadt Mainz hat z. B. eine vollständige Dokumentation ihrer im November 2001 durchgeführten öffentlichen Anhörung "Gender Mainstreaming als kommunales Handlungsprinzip" herausgegeben.24 Diese Materialien sind inzwischen sehr weit verbreitet und angewandt. Ein Handbuch des bereits erwähnten Begleitinstituts GM-Consult in Mecklenburg-Vorpommern wird z. B. nicht nur in Deutschland sehr breit genutzt, Anforderungen liegen auch aus der Schweiz, aus Österreich, aus den baltischen und anderen osteuropäischen Ländern vor, so dass in nur zwei Jahren bereits die dritte Auflage erschienen ist. Zur Beschreibung der einzelnen Methoden und Checklisten sei deshalb auf die entsprechende Literatur verwiesen. Betont werden muss dabei, dass es keine standardisierte Vorgehensweise für alle Ebenen und Bereiche geben kann, sondern diese nach den spezifischen Besonderheiten und Zielsetzungen der einzelnen Kommunen oder Bundesländer auszuwählen sind. In der Regel werden international sieben Instrumente bzw. Kriterien für Gender Budgeting angewandt:25
Erstens die geschlechterbewusste Erfassung politischer Strategien: Welche zu erwartende direkte oder indirekte Wirkung hat eine bestimmte Strategie auf Frauen und Männer? Verändert sie durch ihre Ressourcenverteilung die Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern?
Zweitens die nach Geschlecht aufgeschlüsselte NutzerInnenabfrage und Analyse bezüglich individueller Prioritäten: Welche Bevölkerungsgruppe würde von potenziellen staatlichen Ausgaben oder Einsparungen in welcher Weise einen oder keinen Nutzen ziehen?
Drittens nach Geschlecht aufgeschlüsselte Nutzenanalyse öffentlicher Ausgaben: Wem konkret - Frauen oder Männern - fließen öffentliche Ausgaben zu? Stimmt der tatsächliche Nutzen mit den entsprechenden Vorgaben überein?
Viertens: nach Geschlecht aufgeschlüsselte Analyse des Steueraufkommens und sonstiger Einnahmen: Wie viel direkte und indirekte Steuern werden von den einzelnen Individuen bzw. Haushalten bezahlt?
Fünftens: nach Geschlecht aufgeschlüsselte Analyse des Einflusses des öffentlichen Haushalts auf die Zeitnutzung: Welche Auswirkungen haben Haushaltsentscheidungen auf das Zeitbudget privater Haushalte? Unbezahlte Arbeit in Privathaushalten fungiert meist als Puffer für eine staatliche Haushaltspolitik. Insofern ist weiter zu fragen, ob durch bestimmte Haushaltsentscheidung staatliche Aufgaben ausgelagert werden und durch wen diese dann erfüllt werden.
Sechstens: geschlechterbewusster Ansatz einer mittelfristigen Finanzplanung: Wie sieht das nationale Einkommen oder wie sehen Haushaltseinkommen aus, wenn unbezahlte Arbeit 26 mit eingerechnet wird? Welche Variablen und Indikatoren müssten eingeführt werden, um eine Neubewertung von Arbeit zu ermöglichen?
Siebentens: geschlechterbewusste Haushaltserklärung auf Regierungsebene.

Wesentlich ist für entsprechende Initiativen außerdem, dass von Anfang an größter Wert auf Transparenz bei der Dokumentation der Verteilungskriterien und der Nutzungsmöglichkeiten der öffentlichen Gelder gelegt sowie im weiteren Verlauf die dann erfolgte Steuerung der Ausgabenstruktur ebenfalls erfasst wird. Insofern kann Gender Budgeting auch als direkter Beitrag zur generellen Demokratisierung von Verwaltungsprozessen angesehen werden. Diese Wertung findet sich sinngemäß auch im Abschlussbericht der Enquête-Kommission des Deutschen Bundestages zu Globalisierung der Weltwirtschaft. Dort wird betont, dass durch die aktive Beteiligung von Frauen und anderen Mitgliedern der Zivilgesellschaft dafür gesorgt wird, "dass ihre Regierungen zur Transparenz verpflichtet werden. Dies ist ein konkreter Mechanismus, der den Haushaltsprozess transparent werden lässt. Das Ausmaß, in dem Regierungen die Grundbedürfnisse von Männern, Frauen und Kindern erfüllen können, ist der fundamentale Maßstab für die Legitimität jeder Regierung."27 Transparenz und Demokratie bei Haushaltsverfahren werden hier in einen unmittelbaren Zusammenhang gestellt.

Die dazu bereits erarbeiteten Checklisten beziehen sich nicht nur auf den Prozess selbst, sondern beginnen bereits in der Vorbereitungsphase. So sollen für eine geschlechtsspezifische Haushaltsanalyse vorab folgende Punkte geklärt werden:
1. Fragen zu den AkteurInnen: Wer ist an der Initiierung und an der Durchführung der Haushaltsanalyse beteiligt? Sind regierungsoffizielle Stellen und AkteurInnen damit betraut, sind die Träger Nichtregierungsorganisationen oder kooperieren beide Seiten?
2. Fragen zur Reichweite der Analyse: Auf welcher Ebene werden die Haushalte überprüft (Bund, Land oder Kommune)? Werden Ausgaben oder Einnahmen oder beides untersucht? Werden alle Funktionsbereiche überprüft oder nur bestimmte Sektoren? Bezieht sich die Analyse nur auf vergangene Haushalte, auf die laufenden bzw. mittelfristigen Planungen oder auf beides?
3. Fragen zur Verankerung in der Politik: Wer nimmt an den verschiedenen Phasen des Analyseprozesses teil? Woher kommt die Finanzierung der Haushaltsanalyse? Wo und von wem wird die Analyse verwendet? An welche Stellen werden die Verantwortlichkeiten für die Durchsetzung von mehr Geschlechtergleichheit verteilt? Wer wird Widerstand leisten?28

Eine Grundlage ist geschaffen

Die Beschlüsse auf der Ebene der europäischen Union haben günstige Voraussetzungen für die Implementierung der beschriebenen Strategien geschaffen, da z. B. Fördermittel schon jetzt an die Einhaltung des Gender Mainstreaming Prinzips gebunden sind und generell eine Verpflichtung zur Umsetzung bis zum Jahre 2015 besteht. D. h., die Anwendung von Gender Mainstreaming ist in Deutschland schon jetzt mit finanziellen Vorteilen verbunden.

Ein weiterer positiver Aspekt kann darin gesehen werden, dass Gender Mainstreaming durch seine vielfältigen Umsetzungsverfahren wie Runde Tische, Zukunftswerkstätten, workshops, BürgerInnenzentren u. a. gut geeignet ist, bürgerschaftliches Engagement (weiter) zu entwickeln.29 Vor allem aus der Frauenbewegung gab es sowohl Aktivistinnen als auch vorhandene Initiativen, die nun kreativ weiter genutzt bzw. im Sinne von "geschlechterangemessen" weiter präzisiert und ausgebaut werden können. Gleichzeitig kann Gender Budgeting die effektive Ausschöpfung von Ressourcen zur Erreichung von Geschlechtergerechtigkeit unterstützen, ist also in diesem Sinne auch als Instrument des Qualitätsmanagement anzusehen.

Neben der landes- bzw. regionalen Verortung gibt es weitere übergreifende Organisationen (Stiftungen, Gewerkschaften), die dieses Prinzip in ihre Satzungen aufgenommen haben. Dies ermöglicht es den AktivistInnen, sich gegenseitig zu stärken (z. B. beim Einbringen von Anträgen in den Kommunalparlamenten durch PolitikerInnen der entsprechenden Parteien). Für die Rosa-Luxemburg-Stiftung ist es daher an der Zeit (will sie nicht hinter dem Zeitgeist zurück bleiben), dieses Prinzip ebenfalls in ihre Satzung aufzunehmen und umzusetzen. Dies würde bedeuten:
erstens Daten und Statistiken z. B. über die Teilnahme an Veranstaltungen, über die Personalentwicklung und die Projektmittelvergabe systematisch auch unter geschlechtsspezifischen Gesichtspunkten zu erheben und auszuwerten;
zweitens bei der Projekt- und Programmplanung stets mit im Blick zu haben, inwieweit das anvisierte Vorhaben zum Abbau bestehender Diskriminierungen beiträgt; und
drittens Haushaltsplanung und Controlling auch nach geschlechtsspezifischen Gesichtspunkten durchzuführen.

Sowohl von den satzungsmäßigen Zielstellungen dieser Stiftung als auch von der Personalstruktur auf der Führungsebene sind die Voraussetzungen dafür günstig - just do it.

Viola Schubert-Lehnhardt - Jg. 1955: Dr. phil. habil., studierte in Leningrad Philosophie, war von 1987 bis 1992 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Ethik und Geschichte der Medizin der Martin- Luther-Universität Halle Â… zuletzt in UTOPIE kreativ: Die Selbstbestimmung der Frau und die Gentechnologie, Heft 137 (März 2002), S. 253-259.

1 Im Folgenden wird nur unter dem Aspekt von Geschlechterdifferenzen auf die Auswirkungen von Hartz IV eingegangen. Zur generellen Analyse dieses Gesetzes sei verwiesen auf: Martin Bongards: Hartz IV - Tagelohn und Arbeitsdienst. rls standpunkte 13/2004, hrsgg. von der Rosa-Luxemburg-Stiftung, Berlin, http://www.rosalux.de:42000/cms/fileadmin/rls_uploads/pdfs/Standpunkte/Standpunkte_0413.pdf.

2 Anne Jenter: Gleichstellungspolitik an den Rand gedrängt, prekär. Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. Zeitung für die Beschäftigten in der Weiterbildung, No 13, 2004, S. 4.

3 Vgl. Martin Bongards, a. a. O.

4 Internationale Erfahrungen haben als einen (Neben)Effekt von Gender Budgeting festgestellt, dass z. B. direkt an Frauen ausgezahlte Gelder besser zur Beseitigung von Kinderarmut beitragen, als die bis dahin übliche Verfahrensweise der Auszahlung an den (meist männlichen) Haushaltsvorstand. Siehe dazu St. Hill: The United Kingdom: A focus on taxes and benefits, in: Debbie Budlender (2002), Gender Budgets make more cents. Country studies and good practice, London, p. 184.

5 Im Detail beschrieben in: Unisexrichtlinie. Der undifferenzierte Kompromiss,. zweiwochendienst Frauen und Politik, 30. Oktober 2004, S. 14.

6 Am 27. November 2004 fand ein erstes Vernetzungstreffen dieser Initiativen in München statt. Die Diskussionsbeiträge sollen zu Beginn des Jahres 2005 über die homepage der Frauenakademie München ins Netz gestellt werden.

7 Drucksache 15/1924 des Abgeordnetenhauses von Berlin.

8 Vgl. Ute Weinmann: Gender Budget in der Berliner Politik und Verwaltung,. in: Infodienst Arbeit & Leben der PDS-Fraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin vom 13. November 2003.

9 Siehe: www.berlin.de/gendermainstreaming.

10 Bisher vorliegende Strategiepapiere, Ergebnisse und Diskussionen können nachgelesen werden unter www.gender-budgets.de oder www.gender-budgeting.de.

11 Eine kurze zusammenfassende Darstellung zur Bundesebene findet sich bei Birgit Schweikert: Die Umsetzung von Gender mainstreaming auf Bundesebene - aktueller Stand und Planungen, in: Zeitschrift für Frauenforschung und Geschlechterstudien 20(2002)1+2; ausführliche Darstellungen sind folgenden zentralen Internetseiten zu entnehmen: www.gender-mainstreaming.net und www.gender-budgets.de.

12 Ausführlich siehe dazu die homepage dieses Institutes unter www.g-i-s-a.de.

13 Zur Beschreibung des Aufgabenfeldes dieser Institution sei wiederum auf die homepage verwiesen: www.GM-Consult-MV.Org.

14 Vgl. auch Martin Bongards, a. a. O.

15 Ausführlicher als in der Veranstaltungsdokumentation ist diese Darstellung auf der Internet-Seite von Marianne Hürten nachzulesen - http://www.marianne-huerten.de/e42.htm.

16 Alle Angaben aus: Marianne Hürten: Zahlen, Daten und Fakten aus NRW, in: Die Grünen im Landtag NRW (Hrsg.): Gender Budgeting: Sperriger Name - lohnendes Ziel, Düsseldorf 2003.

17 Brigitte Stepanek, Petra Krull: Gleichstellung und Gender Mainstreaming, hrsgg. im Auftrag des Landesfrauenrates Mecklenburg-Vorpommern e.V., Rostock 2003; Ministerium für Arbeit, Frauen, Gesundheit und Soziales (Hrsg.): Gender Mainstreaming in Sachsen-Anhalt, Magdeburg o. J.; Petra Kelly Stiftung (Hrsg.): Gender Budget. Grundlagen Hintergründe Handlungsmöglichkeiten, Bamberg, München 2002; Die Grünen im Landtag NRW (Hrsg.): Gender Budgeting: Sperriger Name - lohnendes Ziel, Düsseldorf 2002; Barbara Stiegler: Gender macht Politik. 10 Fragen und Antworten zum Konzept Gender Mainstreaming, Friedrich-Ebert-Stiftung 2002; Gleichstellungsstelle für Frauen der Landeshauptstadt München (Hrsg.): Kommunale Haushaltsplanung für Frauen und Männer. Gender Budgeting in der Praxis. Konzepte, Erfahrungen, Perspektiven. Eine Untersuchung von Birgit Erbe, München o. J.

18 Siehe die Homepage des Ministeriums www.gender-mainstreaming.net.

19 Eine weitere Schwierigkeit ergibt sich häufig aus der Unkenntnis der Unterschiede zwischen Frauenförderung und Gender Mainstreaming. Ein Teil der Menschen (Männer und Frauen) meint, dass Frauenförderung schon eine wesentliche Strategie ihres Handelns darstelle und daher keine neue Konzeption benötigt würde, man müsse die vorhandene nur effektiver umsetzen. Ein anderer Teil (vor allem Frauen) befürchten, dass durch Gender Mainstreaming bewährte Instrumente der Frauenförderung finanziell gekürzt oder ganz gestrichen werden. Unterschiede zwischen beiden Strategien bestehen sowohl bezüglich der beteiligten AkteurInnen als auch der konzeptionellen Ansatzpunkte sowie im Hinblick auf die Reichweite ihrer Umsetzung. Frauenförderpolitik greift in der Regel eine einzelne Problemstellung auf und entwickelt dazu konkrete Maßnahmen, die relativ kurzfristig umgesetzt werden. Gender Mainstreaming setzt dagegen bei bestehenden Politikkonzepten an und versucht, diese nachhaltig neu zu organisieren. D. h.: Frauenförderung ist eine spezielle reaktive Maßnahme zum Ausgleich geschlechtsspezifischer Unterschiede, die durch einzelne Akteurinnen für bestimmte Zielgruppen durchgeführt wird. Gender Mainstreaming hingegen ist eine proaktive, integrative Chancengleichheitspolitik, die durch alle AkteurInnen in allen Politikbereichen umgesetzt werden muss. Insofern bilden Frauenförderung und Gender Mainstreaming eine Doppelstrategie zur Durchsetzung der Gleichstellung der Geschlechter.

20 Gleichstellungsstelle für Frauen der Landeshauptstadt München (Hrsg.): Kommunale Haushaltsplanung für Frauen und Männer. Gender Budgeting in der Praxis. Konzepte, Erfahrungen, Perspektiven. Eine Untersuchung von Birgit Erbe, München, S. 29-30.

21 Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen des Landes Brandenburg (Hrsg.): Machbarkeitsstudie Gender-Mainstreaming in der Strukturfondsförderung des Landes Brandenburg. Ein koordiniertes und integriertes Konzept zur Förderung der Chancengleichheit von Frauen und Männern mit Hilfe der Strukturfonds, 2001.

22 Runde Tische sind ein politisches Instrument, das in den neuen Bundesländern mit Beginn der "Wende" sehr schnell an Bedeutung zugenommen hat. Siehe dazu u. a. Viola Schubert-Lehnhardt: Runde Tische als Instrumente von Basisdemokratie - am Beispiel des Frauenpolitischen Runden Tisches in der Stadt Halle, in: Beiträge zur Geschichte der Arbeiterbewegung, Berlin, Heft 42 (Januar 2000).

23 Eine Ausnahme stellte die weiter oben beschriebene Initiative in NRW dar. Dort legt man gegenwärtig das in der Stadt Basel entwickelte Konzept zu Grunde.

24 Stadt Mainz (Hrsg.): Gender Mainstreaming als kommunales Handlungsprinzip. Dokumentation Stadt Mainz, 2002.

25 Nach Debbie Budlender et al (Hrsg.): How to do a Gender-Sensitive Budget Analysis. Contemporary Research and Practice, London 1998.

26 Das Verständnis von bezahlter und unbezahlter Arbeit als makro-ökonomische Kategorien, ihr Verhältnis zueinander und die Bedeutung dieser Relation für eine neue Ökonomie stellen ein zentrales Element (feministischer) Theorien zum Haushalt und somit auch der Ansätze für Gender Budgeting dar. Daher ist dies als ein eigenständiges Thema zu betrachten, das hier nicht einzeln ausgeführt werden kann.

27 Deutscher Bundestag (Hrsg.): Schlussbericht der Enquête-Kommission Globalisierung der Weltwirtschaft, Opladen 2002, S. 106.

28 Vgl. Margit Schratzenstaller: Kommunale Finanzen und Geschlechtergerechtigkeit. Durch die Geschlechterbrille gesehen - Haushalt und Finanzen im Überblick, in: Niedersächsische Landeszentrale für Politische Bildung (Hrsg.): Kommunalpolitisches Frauenforum,29. 5. 2000.

29 Siehe dazu ausführlich: Barbara Stiegler: Gender Perspektive, bürgerschaftliches Engagement und aktivierender Staat, hrsgg. vom Arbeitskreis der Friedrich-Ebert-Stiftung "Bürgerschaftliches Engagement und aktivierender Staat", 2002.

 

in: UTOPIE kreativ, H. 173 (März 2005), S. 212-222

aus dem Inhalt des Heftes

Essay ANDREAS HEYER: Utopische Profile; Gesellschaft - Analysen & Alternativen JOACHIM BISCHOFF: Das Ende des Neoliberalismus und die Zukunft der Wirtschaftsdemokratie; VIOLA SCHUBERT-LEHNHARDT: Kein Haushalt ist geschlechtsneutral. Geschlechtergerechte Haushaltsführung als Beitrag zur Demokratisierung der Gesellschaft; Antisemitismus MARIO KESSLER: Die KPD und der Antisemitismus in der Weimarer Republik; PETER ULLRICH: Antisemitismus etc. Bedingungen und Grenzen der (linken) Solidarität mit Palästina/Israel; 15 Jahre PDS KLAUS HÖPCKE: Drei Programme - eine Partei?; FLORIAN WEIS: Die PDS in den westlichen Bundesländern. Anmerkungen zu keiner Erfolgsgeschichte; Konferenzen & Veranstaltungen JURI HÄLKER, CLAUDIUS VELLAY: Wirtschaftsdemokratie in schwerer See.; Festplatte WOLFGANG SABATH: Die Wochen im Rückstau; Bücher & Zeitschriften Joachim Becker, Andrea Komlosy (Hrsg.): Grenzen weltweit. Zonen, Linien, Mauern im historischen Vergleich. (STEFAN BOLLINGER); Ingrid und Gerhard Zwerenz: Sklavensprache und Revolte. Der Bloch-Kreis und seine Feinde in Ost und West (MANFRED BEHREND): J. Magnus Ryner: Capitalist Restructuring, Globalisation and the Third Way. Lessons from the Swedish Model (Kapitalistische Umstrukturierung, Globalisierung und der Dritte Weg. Lehren aus dem schwedischen Modell) (RAIMUND FELD); Jan Hoff: Kritik der klassischen politischen Ökonomie. Zur Rezeption der werttheoretischen Ansätze ökonomischer Klassiker durch Karl Marx (INGO ELBE); Cris Mögelin: Die Transformation von Unrechtsstaaten in demokratische Rechtsstaaten. Rechtlicher und politischer Wandel in Mittel- und Osteuropa am Beispiel Russlands (ULRICH BUSCH); Eberhard Fromm: Meister der deutschen Sprache - Zeitzeugen des 20. Jahrhunderts. Die deutschsprachigen Literaturnobelpreisträger von Mommsen bis Grass (Studien zur Anatomie des deutschen Intellektuellen) (ALFRED LOESDAU)