PDS-Tabus (4.): Grundgesetz und Rechtsextremismus

Die Mär vom

Juristische Anmerkungen zur Debatte über den Umgang mit NPD & anderen braunen Kameraden...

In Neues Deutschland / Sozialistische Tageszeitung, erschienen diverse Beiträge, in denen Linke forderten, den (Rechts-)Staat gegen Rechtsextreme zu mobilisieren. Auf einen Beitrag von Josef (Jupp) Angenford (VVN in NRW) in ND vom 7. Februar 2005 schrieb ich den nachfolgenden Leserbrief, dem (anders als zahlreichen, dem "Verbot!"-Geschrei applaudierenden Leserzuschriften) in ND nicht die Gnade der Veröffentlichung widerfuhr. Daher seien die Anmerkungen hier publiziert:

1.
Es ist fatal, nämlich juristisch und politisch kurzsichtig, daß ausgerechnet jemand wie Josef Angenfort, der selbst unter der in den 50-er Jahren antikommunistisch gepolten demokratiefeindlichen Rechtsprechung gelitten hat, nun meint, diese gegen rechts instrumentalisieren zu können. Es wäre besser, Linke würden das Richtergefasel von "Wertordnung des Grundgesetzes" und "immanenten Grundrechtsschranken" als verfassungs- und demokratiewidrigen Ansatz demaskieren und sich auf die politische Auseinandersetzung mit den Rechtsradikalen konzentrieren. Das (schiefe) Zitieren des nordrhein-westfälischen Oberverwaltungsgerichts (rechtsextremistische Ideologie sei unter dem Grundgesetz nicht mit den Mitteln des Demonstrationsrechts legitimierbar) mag zwar hilflos-verbotsgeilen Antifaschisten in den Kram passen, aber im selben Urteil steht das - m.E. entscheidende - durch das Grundgesetz gestützte Gegenargument; so fair, das auch zu zitieren, sind die meisten sich auf das OVG-NRW-Urteil stürzenden Antifaschisten nicht, daher sei es hier einmal nachgereicht: "Diese Rechtsprechung hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts ... im Wesentlichen mit der Begründung verworfen, die vom beschließenden Senat bejahten verfassungsimmanenten Schranken gebe es nicht. Eine Grenze der Meinungsäußerung bildeten gemäß Art. 5 Abs. 2 GG die Strafgesetze, die zum Rechtsgüterschutz ausnahmsweise bestimmte geäußerte Inhalte untersagten. Daneben kämen zusätzliche verfassungsimmanente Grenzen der Inhalte von Meinungsäußerungen entgegen der Auffassung des beschließenden Senats nicht zum Tragen. Eine Äußerung aber, die nach Art. 5 Abs. 2 GG nicht unterbunden werden dürfe, könne auch nicht Anlass für versammlungsbeschränkende Maßnahmen nach Art. 8 Abs. 2 GG sein. Nach dieser Bewertung des Bundesverfassungsgerichts fallen grundsätzlich auch das öffentliche Auftreten neonazistischer Gruppierungen und die Verbreitung nationalsozialistischen Gedankengutes in öffentlichen Versammlungen und Aufzügen, soweit sie die Strafbarkeitsschwelle nicht überschreiten, unter den Schutz des Grundgesetzes.

2.
Die Mär vom "antifaschistischen Charakter des Grundgesetzes" und das Herumfuchteln mit Art. 139 GG hilft auch nicht weiter. Mag sein, daß diese ewig vor sich hin leiernde Schallplatte einigen, die geistig noch in der nicht gerade elaborierten Rechtskultur der DDR wurzeln, zu überzeugen vermag. Für linke Juristen der Alt-BRD sollte das längst entmystifiziert sein, insbesondere vom linken Gießener Rechtswissenschaftler Professor Helmut Ridder, der übrigens noch zu DDR-Zeiten von der Universität Jena (Laudatio: Historiker Manfred Weißbecker) zum Ehrendoktor promoviert wurde. Und mein Schulkamerad, mit dem ich zusammen an der von Ridder redigierten linken Juristenzeitschrift "Demokratie und Recht" arbeitete, hat in "DuR", Heft 4/1980, Seiten 393 bis 416, unter dem Titel "Bemerkungen zu Art. 139 GG - Eine antifaschistische Grundsatznorm?" den Unsinn dieses linken Juristenaberglaubens enthüllt. Ach ja: jener Schulkamerad aus lippischer Provinz heißt übrigens Frank Steinmeier und ist derzeit Staatssekretär und Chef des Bundeskanzleramts.