Verbote sind die falschen Mittel

Die Debatte um das Verbot der NPD

Die massenmediale Empörung war groß. Die NPD-Fraktion des sächsischen Landtagsverweigerte sich einer Gedenkminute.
.Abgeordnete der rechtsradikalen Partei sprachenöffentlich über den "alliierten Bombenholocaust"u.ä. und relativierten die Shoa. Nachdem "Aufstand der Anständigen" im Jahr 2000entstand wieder einmal eine öffentliche Debatteum die Art und Weise, wie man mit derNPD umgehen soll. Wieder einmal zeichnetsich die etablierte Politik durch Unfähigkeitaus. Wieder einmal wurden die Rufe nach einemVerbotsverfahren laut, während Schilyund Konsorten in hohem Tempo das Versammlungsrechtverschärften und die Bundesregierungfür den 8. Mai gar einen Staatsaktam Brandenburger Tor vorbereitet. Alleswird getan um zu vermeiden, dass TV-Bildervon aufmarschierenden Faschisten am Toroder am Mahnmal um die Welt gehen. Mandeckt lieber zu, als dass man etwas gegen dieUrsachen des Erstarkens einer offen faschistischenPartei unternimmt. Schlimmer noch -die NPD wird, wie kürzlich eine Debatte im BerlinerAbgeordnetenhaus zeigte, zur taktischen Waffe im parteipolitischen Alltagszwist gemacht.
.Dabei ist es gerade die autoritäre law-and-orderPolitik der Volksparteien CDU und SPD, diedas Selbstverständnis rechtsradikaler Parteienund Gruppierungen nährt, dass sie die radikalisierteVersion der Forderungen wären, die ausder Mitte der Gesellschaft kommen. DieserGlaube kommt nicht von ungefähr. Anstatt zurealisieren, dass Deutschland faktisch schonlange zu einem Einwanderungsland gewordenist, haben CDU/CSU, FDP und große Teileder SPD Anfang der 90er Jahre die sogenannteAsyldebatte vom Zaun gebrochen. VieleMassenmedien verbreiteten eine Stimmung,als wenn die deutsche Gesellschaft kurz vordem Zusammenbruch stände, nebenbei kreiertensie das Unwort "Asylant". Erst nachdemdiese Diskurse gesetzt waren, stieg die Zahlrechtsradikaler Brandanschläge auf AsylbewerberInnenheimeund vermeintliche AusländerInnenin eklatantem Maße. Letztlich wurdedas Grundrecht auf Asyl im Sommer 1993 faktischabgeschafft und die Forderungen rassistischerBrandstifter zu offizieller Regierungspolitik.
.Eine ganze Generation der heutigenNazi-Kader, die heute um die Mitte 20 alt sind,sind damals als Teenager von diesen rassistischenMainstream-Diskursen politisch vorgeprägtworden.
.Am zynischsten scheint sich die DenkweiseRechtsradikaler dort zu bewahrheiten, wo dieseMigrantInnen angreifen und deren Lebensgrundlagezerstören (z.B. Imbissbuden) undjene dann wenig später von deutschen Behördenin engstirniger Interpretation der strukturellrassistischen Ausländer- und Asylgesetzeabgeschoben werden. Leistungsgesellschaft,neoliberale Denk- und Einstellungsmusterund Standortnationalismus sind - leider auchbei der SPD - voll angekommen. Diese "wernicht arbeitet, soll auch nicht essen"-Mentalität;das als "undeutsch" oder "unpatriotisch" deklarierteVerhalten von Deutsche Bank (Personalzu entlassen, um wettbewerbsfähiger zusein und bessere Aktienkurse zu erreichen, istschlicht kapitalistische Vergesellschaftung -nicht mehr und nicht weniger) - all das istWasser auf die Mühlen rechtsradikaler Diskurseund Deutungen. Pflichterfüllung, Ordnung,Sauberkeit, Disziplin, Pünktlichkeit, der protestantischeArbeitsethos - nicht zu vergessen imUrsachengeflecht sind die ‚typisch deutschenÂ’Sekundärtugenden, die nicht per se faschistoidsind, jedoch einen allzu fruchtbaren Bodenhergeben können.
.Anstatt also - wie am 8. Mai geplant - ‚typischdeutschÂ’ mit Verboten und Verdrängung zureagieren, sollte endlich einmal Politik gemachtwerden. Eine starke (und nicht nur symbolische)Wirkung auf rechtsradikale Einstellungenhätte es bspw., wenn illegalisiertenOpfern rassistischer Gewalt ein Bleiberecht inDeutschland garantiert würde. Darüber hinausmüssten langjährig hier lebenden MigrantInnenohne Aufenthaltsrecht ebendieses zugestandenwerden, wie dies in anderen westeuropäischenLändern Praxis ist. Solche Maßnahmenwürden einerseits den Opfern erst ermöglichen,rechtliche Schritte einzuleiten undlegale medizinische Versorgung zu bekommen- darüber hinaus würden die rassistischenTaten nicht noch nachträglich "belohnt"werden, andererseits würde man endlich anerkennen,dass MigrantInnen ein integralerBestandteil der Gesellschaft und mitnichteneine Art Abdomen sind. Deutschland ist seitvier Jahrzehnten Einwanderungsland.
.Letztlich muss der faktischen Situation endlichRechnung getragen und moderne Einwanderungs-und Integrationsgesetze (und kein Zuwanderungsbegrenzungsgesetz!)implementiertwerden.
.Den Kampf gewinnt man nicht mit einer autoritärenVerbotsmentalität, erst recht nichtmit einer totalitarismustheoretischen Herangehensweise.
.Gerade in Regionen wie derSächsischen Schweiz, wo die kulturelle Hegemoniefaschistischer Gruppen schon sehr weitfortgeschritten ist, dürfen SPD- oder PDS-GenossInnensich nicht scheuen, lokale Bündnissemit anderen linken, progressiven Gruppenaufzubauen, auch wenn diese (wie z.B. VVN/BdA) in Verfassungsschutzberichten als "linksextrem"deklariert sind. Der demokratische Minimalkonsens,dass man gegen rechtsradikaleOrganisierungen und Hegemonie ist undtrotz aller Differenzen gegenseitiges Vertrauenund Kooperation aufbauen muss, darf nichtvon irgendwelchen VS-Definitionen, die nochaus dem antikommunistischen Mief des KaltenKriegs herrühren, zerstört werden. Oftmalssind es die bunthaarigen und schwarz gekleideten,"linksextremen" Antifas, die im braunenKonsens einer Kleinstadt die einzigen sind, dieihre Stimme dagegen erheben und damitquasi die Speerspitze der demokratischen Zivilgesellschaftbilden. Wenn diese engagiertenJugendlichen, die es in ihrem Alltag in einernationalistisch gesinnten Umwelt sowiesoschon schwer genug haben, auch noch vonstaatlichen Organen kriminalisiert werdenund der SPD-Bürgermeister im Städtchen inihnen das größere Problem sieht (weil sie amMarktplatz "rumlungern" oder "Nestbeschmutzung"betreiben), als die örtliche Kameradschaft(die sich doch so toll in der FreiwilligenFeuerwehr und im Schützenverein einbringt),ziehen sie spätestens nach dem Schulabschlussnach (z.B.) Berlin - übrig bleibt danndie "national befreite Zone". Faschismus ist autoritär,der Kampf dagegen darf nicht denselben Charakter haben.

Norbert Meyerhöfer lebt in Berlin