Erklärung

Marxistischer Dialog um die Zukunft der Bewegung.

Allenthalben wird der Abschied von der Arbeiterklasse proklamiert. Im 2.Leverkusener Kolloquium unterschiedlicher marxistischer Strömungen ging es um "die politische Unabhängigkeit der Arbeiterklasse" als Aufgabe. Einfacher werden Erfolge im Kampf gegen den Neoliberalismus und um eine sozialistische Alternative ganz offenbar nicht zu haben sein.
Bleibt es bei der übermächtigen politischen Dominanz des Kapitals, wird es auch kein Ende der sich seit geraumer Zeit verschärfenden Periode der Reaktion und der Konterreform geben. Der Realsozialismus ist als globales System zunächst Geschichte. Gesellschaftliche Protestbewegung von unten haben im Jahre 2004 die politische Bühne betreten, aber dann auch wieder verlassen.
Nazifaschisten spielen sich als Vertreter der sozial Diskriminierten auf. Der Niedergang auf Raten der Gewerkschaften als kämpferischer Interessenvertretung der abhängig Beschäftigten konnte in der Bundesrepublik bisher nicht gestoppt werden. Recht hat die FAZ vom 31.Januar, dass der Kapitalismus wieder "weltweit" zu sich selbst kommt und "halt vollbringt, wozu er gut ist: Ausbeuten, Verwüsten, Kriege führen, sich von Krisen durchschütteln lassen. Dass er nicht abgeschafft wird, liegt daran, dass er keine organisierten Gegner hat, die der Rede wert wären."
Es ist an der Zeit, dass sich Marxistinnen und Marxisten in unterschiedlichen Organisationszusammenhängen zusammenfinden und intensiv Gedanken darüber machen, welche Ursachen dies hat und wie dieser Zustand zu ändern ist. Eine einflussreiche organisierte Gegenkraft gegen das Kapital können auch sie nicht aus dem Boden stampfen. Dafür ist eine eigenständige Bewegung der abhängig Beschäftigten und Arbeitslosen erforderlich.
Was sie allerdings können ist, ihre Zersplitterung, ihr Gegeneinander, ihre politische Zurückhaltung, die vorwiegende Beschäftigung mit sich selbst oder mit bloßen Organisationsfragen zu überwinden. Sinn macht es vor allem auch, das Streben nach politischer Unabhängigkeit der abhängig Beschäftigten, des lohnabhängig arbeitenden und in Erwerbslosigkeit geschleuderten Teils der Bevölkerung mit voranzubringen. Es geht in keiner Weise um Gründung, wohl aber um das langfristig angelegte Streben nach einer marxistisch orientierten Partei mit MasseneinflussÂ…
Leverkusen I und II haben deutlich gemacht, dass ein gemeinsamer Dialog über all das dringend erforderlich, aber auch möglich ist. Auch das Nachdenken über die Vergangenheit hat dabei seinen Platz. Natürlich bringt es nichts, virtuell die Schlachten der Vergangenheit neu schlagen zu wollen. Es geht um die Erinnerung an Bewahrenswertes und an Fehlentwicklungen und eben um die Zukunft der Bewegung.
Auf dem Weg dahin muss man Geduld miteinander haben. Auch gegebenenfalls heftiger Meinungsstreit ist dann produktiv, wenn er dazu dient, sich zu verständigen, sich anzunähern, nach einem "gemeinsamen Boden" zu suchen. Ein solcher Boden ist u.E. das Bemühen um eine marxistische Analyse des gegenwärtigen Kapitalismus, die Einigkeit darüber, dass machtpolitische Grundlage sozialistischer Politik die Interessen der abhängig Beschäftigten und Arbeitslosen sind, und Einvernehmen über das Ziel einer zum Kapitalismus alternativen gemeinwirtschaftlichen Gesellschaftsordnung.
Als Marxistinnen und Marxisten sehen wir keine gemeinsame Basis bei der Rekonstruktion der sozialistisch-kommunistischen Bewegung mit denjenigen, die als Regierungslinke mit an der neoliberalen Politik teilhaben, Sozialismus als verbesserten Kapitalismus definieren oder die Stalinzeit als erstrebenswerte Zukunft verherrlichen.
Wir haben auch kein Interesse daran, uns von jenen belehren zu lassen, die glauben, alle Antworten bereits fertig in der Schublade zu haben, und daher unfähig sind, den Dialog auch mit ihren Ohren zu führen anstatt nur mit ihrem Mund. Wichtig ist es, sich Seite an Seite den politischen Herausforderungen der derzeitigen und der sich ankündigenden Klassenkämpfe zu stellenÂ…
Drei Dinge sind erforderlich. Eine selbstständige Bewegung der abhängig Beschäftigten für politische Unabhängigkeit, eine deutlich stärkere Verankerung des Marxismus unter ihnen sowie vereinte Anstrengungen, um vorhandene marxistische Organisationen und Publikationsorgane, wenn auch zunächst nur in bescheidenem Umfang, zu wirksamen politisch-organisatorischen Kristallisationskernen für Klassenbewusstsein und Klassenhandeln zu entwickelnÂ…
Eine Reihe von Aufgaben sind besonders dringend:
•In den öffentlich geführten politischen und konzeptionellen Debatten, aber auch in linken Parteien wie der PDS und der ASG müssen wir unzweideutig als Marxisten erkennbar sein, über den derzeitigen Kapitalismus und seine politikökonomischen Gesetze Klartext reden, wenn andere über Fehler der Politik und der Politiker sprechen.
•Erforderlich sind gemeinsame Anstrengungen, den praktisch-politischen Kampf in den Betrieben und in den Regionen gegen die neoliberale Offensive des Kapitals in Gang zu bringen.
•Unterstützt werden müssen die Anstrengungen der Gewerkschaftslinken, die Gewerkschaften wieder konsequent zu kämpferischen Vertretrinnen der Arbeitnehmerinteressen zu machen und zu verhindern, dass sie mehr und mehr zu Ordnungsfaktoren in einer neoliberal formierten Gesellschaft werden.
Im marxistischen Dialog und der Kooperation unterschiedlicher kommunistischer und linkssozialistischer Organisationen und Tendenzen sehen wir ein Mittel, programmatische Fragen zu klären und einen Ansatz, die Schaffung von Gegenmacht vorzubereiten. Wir sind uns darüber im klaren, dass bisher in Leverkusen nur ein Teil des sozialistisch- kommunistischen Spektrums der Bundesrepublik dabei war. Mit Leverkusen II sind Vertreterinnen eines sozialistischen Feminismus hinzugekommen. Eine weitere Ausweitung des Spektrums ist erwünscht Wir wollen einen offenen Prozess, keine geschlossene GesellschaftÂ…

Leverkusen, den 13.März 2005