Zweite Stufe im ›Krieg gegen den Terror‹

Zur aktuellen Strategie der USA im Nahen Osten.

Es sieht ganz danach aus, als seien nach der Wiederwahl von Bush Washingtons Planungen für die Etablierung seiner uneingeschränkten Kontrolle über den Nahen Osten in die zweite Phase getreten. Die Raketen richten sich jetzt gegen Syrien und den Iran.
Der "Krieg gegen den Terror" zielte nie nur auf den Irak. Unmittelbar nach dem Einmarsch der USA in das Zweistromland begann die US-Administration mit dem Säbelrasseln gegen Syrien. US-Kriegsminister Donald Rumsfeld bezichtigte Syrien, "ausländischen Kämpfern" zu erlauben, in den Irak zu gelangen, um dort gegen die Besatzung zu kämpfen. Er behauptete sogar, Syrien halte die nicht existierenden Massenvernichtungswaffen von Saddam Hussein versteckt.
Im Mai 2003 wiederholte Außenminister Colin Powell diese Anschuldigungen bei seinem Besuch in Damaskus und fügte weitere hinzu: Syriens Bündnis mit dem Iran und seine Unterstützung für die schiitisch-islamischen Hezbollah-Milizen im Libanon, die die USA (nicht die EU) auf ihrer Liste der terroristischen Organisationen haben.
Im Oktober 2003 verabschiedete der US-Kongress ein Gesetz, das den Rückzug der 15000 syrischen Soldaten forderte, die seit dem Bürgerkrieg (1982-2000) im Libanon stationiert sind. Das Gesetz verurteilt auch die Tatsache, dass militante palästinensische Organisationen ihr Büro in Syrien haben - darin würden angeblich Raketen und andere fortgeschrittene Waffensysteme entwickelt.
Dies alles traf auch schon 1991 zu. Doch damals hatte der Bürgerkrieg das Land in Sunniten, Schiiten, drusische Muslime, Christen und Palästinenser gespalten, und die USA segneten stillschweigend Syriens Rolle bei der Kontrolle über den Libanon ab. Damals war Syrien Bestandteil der von den USA geführten Koalition beim ersten Golfkrieg gegen den Irak. Doch im März 2003 widersetzte sich Syrien der US-Invasion im Irak - und befindet sich nun im Fadenkreuz der USA.
Der Druck auf Syrien ist seitdem über bloße Worte hinausgelangt. Israelische Kampfflugzeuge bombardierten am 5.Oktober 2003 ein angebliches "Ausbildungslager von Terroristen" etwa 14 Kilometer vor der syrischen Hauptstadt Damaskus - der erste militärische Angriff Israels auf Syrien seit 30 Jahren. Es ist nahezu sicher, dass Washington dazu grünes Licht gegeben hat. Präsident Bush unterzeichnete 2003 den Syrian Accountability Act, ein Gesetz, das Sanktionen gegen Syrien fordert.
Seit dem vergangenen Herbst hat sich die Lage zugespitzt. Im September 2004 überlebte der frühere Ministerpräsident Marwan Hamadeh nur knapp einen Mordversuch. Syrien stärkte daraufhin seine Position im Libanon und benutzte seine faktische Kontrolle über das libanesische Parlament dazu, die Präsidentschaft von Emile Lahoud um eine zweite sechsjährige Amtszeit zu verlängern.
Die USA ergriffen die Gelegenheit, noch im September zusammen mit Frankreich in der UNO die Resolution 1559 durchzusetzen: Sie fordert den Rückzug aller ausländischen Truppen aus dem Libanon, die Auflösung und Entwaffnung aller libanesischen und nicht-libanesischen Milizen (das meint die Hezbollah, die von Syrien und Iran unterstützt werden, und die palästinensischen Milizen in den Flüchtlingslagern), sowie "freie und faire Präsidentschaftswahlen im Libanon".
Heute wollen die USA einen vom syrischen Einfluss freien Libanon, der als weiterer Brückenkopf für den US-Imperialismus im Nahen und Mittleren Osten dienen soll. Frankreich wiederum, die historische Kolonialmacht, sieht eine neue Chance, ins Spiel zurückzukommen. Beide Regierungen hoffen, ihre Interesse zu fördern, indem sie die seit der Ermordung Hariris neu aufgebrochenen antisyrischen Stimmungen fördern.
Die Ermordung des libanesischen Ministerpräsidenten Rafik Hariri am 14.Februar hat im Libanon heftige Reaktionen ausgelöst. Hariri war jedoch nicht der libanesische Nationalheld, als der er jetzt hingestellt wird. Als Milliardär, der sein Vermögen als Bauunternehmer in Geschäften mit der saudischen Königsfamilie gemacht hat, machte er viele Syrer reich, als er im Beirut der 90er Jahre einen Bauboom auslöste. Heute stören sich viele Libanesen daran, dass 100000 syrische Arbeiter im Land sind und oft die besten Jobs haben.