Bisky - draußen vor der Tür

Die bürgerlichen Politiker sind wirklich arm dran. Der eine kann partout keinen Kommunisten wählen, der zweite keinen PDSler, der dritte weder Frau noch Mann von der Linkspartei. Das klassische Must

kennen wir aus dem Dritten Reich. Als es endlich vorbei war, stellten CDU/CSU/FDP Hitlers Schreibtischmittäter General Adolf Heusinger an die Spitze der Bundeswehr, Judengesetz-Kommentator Hans Globke rückte als Staatssekretär an Adenauers Seite, und Hitlers Mitmarschierer beim Marsch auf die Feldherrenhalle sowie nach Polen und Rußland, der tüchtige Ostlandreiter Theodor Oberländer, wurde sofort Bonner Minister. Dies und noch viel mehr ging wie geschmiert, weil Nazis und Nazigeneräle samt Gesinde zum Glück und auf Ehre und Gewissen keine Kommunisten, sondern deren Todfeinde sind. Die Kommunisten haben wie Wolfgang Borcherts Spätheimkehrer Beckmann "draußen vor der Tür" zu bleiben - anders als die Nazis und Judenverfolger in höchsten Rängen, die bis in die sechziger Jahre hinein im Bundeskriminalamt ihre Karrieren bruchlos fortsetzen durften, wie Ex-Kriminaldirektor Dieter Schenk in seinem Buch "Auf dem rechten Auge blind - Die braunen Wurzeln des BKA" nachweist. Keinem Lästergroßmaul nachgeborener Abgeordneter der bürgerlichen Nachfolgeparteien entschlüpfte dazu auch nur ein kritisches Wörtchen. Ungerührt leben sie wie Erich Mende im Geiste fort mit dem Ritterkreuz unterm dicken Halsknorpel, als wärÂ’s das Christenkreuz. Alliierte Flieger sind für sie mörderische Terroristen, Stuka-Rudel aber wurde mit allen militärischen Ehren begraben, und Mölders beten sie in alle Ewigkeit an wegen seiner katholischen Luftkämpfe für den Diktator Franco. Dagegen gilt der Pazifist Kurt Tucholsky mit seinem Satz "Soldaten sind Mörder" als ebenso verabscheuungswürdig wie Ernst Thälmann, der 1944 auf Führerbefehl hin im KZ Buchenwald ermordet wurde.

So bilden sich deutsche Traditionen. Folgerichtig konnten sich die braven bürgerlichen Volksvertreter 1994 im Bundestag nicht von ihren Sitzplätzen erheben, als der deutsch-jüdische Remigrant Stefan Heym das Plenum betrat, um seine Rede als Alterspräsident zu halten. Kommunisten und Sozialisten werden geschnitten. Allen voran schreitet dabei das christliche Schwergewicht Helmut Kohl, der sich dieser Tage in der FAZ über eine ganze Seite hin darüber beschwerte, daß vor ihm und Kompagnon Reagan anläßlich der Ehrung toter SS-Männer in Bitburg "etwa 200 erwachsene Menschen ... schlagartig ihre Hosen und Röcke" herunterließen, um den Staatsgästen die "nackten Hintern" zu zeigen. Majestätsbeleidigung also. Kein Wunder, daß dieser Bundeskanzler samt Kohorte vor dem roten Schriftsteller Stefan Heym auch den bekleideten Hintern nicht lüftete.

Als SU und DDR verschwanden, trösteten sich ein paar aufgeweckte Genossen mit dem Sarkasmus, sie fügten den Konservativen die bitterste Niederlage zu, indem sie ihnen den Feind wegnähmen. Das war zu kurz gedacht. Der deutschen Rechten samt der Mitte, aus der sie sich jeweils rekrutiert, ist der Feind nicht wegzunehmen. Sie haben ihn längst zum alter ego verinnerlicht. Ohne Feind fallen sie zusammen wie einst August der Starke, als ihn die Lustseuche ereilte. Wäre ich Bisky, fühlte ich mich an der Seite des Borchertschen Beckmann als Ausgeschlossener wohler denn in dieser abgeschotteteten feinen Gesellschaft ewiggestriger Klassenkämpfer.

Ossietzky 23/05