Angriff auf das Rest-Ozon

in (09.12.2005)

ie Mehrheit der Klimaforscher geht davon aus, daß der Massentransport von Menschen und Waren mit Düsenflugzeugen eine der wesentlichen Ursachen für die Zerstörung der Ozonschicht in der Atmosphär

damit für die Erderwärmung ist. Wenn sie recht haben, wird sich dieser unheilvolle Prozeß in den vor uns liegenden Jahren stark beschleunigen.

Wer heute eine der Zeitungen oder Zeitschriften aufschlägt, die in Kreisen der Besserverdienenden kursieren, wird in jeder Ausgabe wenigstens eine Anzeige finden, in der die Firmen Boing oder Airbus neue Flugzeuge anpreisen. US-Präsident Bush hat als einzigen greifbaren Erfolg seiner jüngsten Asien-Reise die chinesische Bestellung von 30 Boing-Jets vorzuweisen. Der bis in Massenzeitungen hinein ausgetragene Wettbewerb der Flugzeugbauer in Europa und den USA findet in der sicheren Erwartung des größten Booms in der Geschichte der Luftfahrtindustrie statt. Nach außen hin jammern die Luftfahrtgesellschaften über die Verluste nach dem 11. September 2001 und nach dem schnellen Anstieg der Treibstoffpreise. Die Zahlen aber sprechen eine andere Sprache. Nach den jetzigen Zwischenprognosen werden die großen Luftfahrtgesellschaften in diesem Geschäftsjahr zusammengerechnet über 45 Milliarden Dollar Gewinn machen und so auf einen Schlag die Verluste der letzten fünf Jahre egalisieren.

Dieser Gewinnsprung hat zwei Ursachen: Zum einen ist es den Luftfahrtgesellschaften - vor allem mit Konkursdrohungen in den USA - gelungen, das Lohnniveau fast aller Gruppen von Beschäftigten zu drücken, die ihr Geld mit dem Hin- und Herfliegen von Menschen und Material verdienen. Piloten bei Ryanair verdienen längst nicht mehr solche Traumgehälter wie ihre Vorgänger noch vor wenigen Jahren, sondern rutschen mental und finanziell in Richtung fliegender Busfahrer. Nach den Erhebungen der International Air Transport Association (IATA) ist die Arbeitsproduktivität der ihr angeschlossenen Gesellschaften in den letzten fünf Jahren um 34 Prozent gestiegen. Zum anderen wächst der Markt sprunghaft: weltweit allein in diesem Jahr gegenüber dem Vorjahr um 8,3 Prozent. Für die Hauptwachstumsregionen in Asien prognostiziert die IATA ein Nachfrage-Plus von rund zehn Prozent jährlich bis 2009.

Beide Entwicklungen stärken jetzt die Kreditwürdigkeit dieser Gesellschaften, die so viele neue Flugzeuge bestellen wie nie zuvor. Sowohl Airbus als auch Boing arbeiten zur Zeit an der Grenze ihrer Möglichkeiten, und aufmerksame Leser von Stellenanzeigen werden bemerkt haben, daß Airbus fast verzweifelt nach Ingenieuren sucht, um seine neuen A 350-Langstreckenflugzeuge und vor allem seinen neuen Super-Jumbo A 380 halbwegs termingerecht ausliefern zu können. Beide Gesellschaften haben gegenwärtig fast 2000 Neubestellungen in ihren Büchern - ein Rekord in der Geschichte der privaten Flugzeugindustrie.

Den großen Durchbruch erwarten die Beteiligten von den gegenwärtig laufenden Verhandlungen über den transatlantischen Flugverkehr. Als Nachwehe des letzten Weltkrieges ist er hochgradig geregelt und unterliegt zum Leidwesen neoliberaler Ideologen nicht dem freien Spiel des Marktes. Das soll sich ändern. Das Wettbewerbsmodell, das in Europa den Massentourismus von Straße, Schiene und Fähren weg in die Lüfte gesogen hat und beständig am Ozonloch nagt, würde damit anders als heute auch für interkontinentale Flüge gelten. Nur dadurch würde die Herstellung von Großraum-Langstreckenflugzeugen wie dem Boing- und dem Airbus-Jumbo für beide Gesellschaften überhaupt erst rentabel.

Der neue Umweltminister Gabriel wird wahrscheinlich demnächst - per Flugzeug, versteht sich - zu einer der vielen Ministerkonferenzen reisen, um von dort aus hehre Reden für den Erhalt der Natur in unsere Wohnstuben zu ergießen. Seine Worte werden billig und hohl sein. Denn gleichzeitig arbeiten viele Regierungsstellen eifrig daran, gesetzlichen und technische Voraussetzungen für den größten Boom in der Geschichte der Flugzeugindustrie zu schaffen. Das Ozonloch wird mit den Sprechblasen unserer Politiker um die Wette wachsen.