Nazis machen auf sozial?

Das Konzept Volksgemeinschaft

in (01.11.2005)

Nazis treten auf Montagsdemos auf, fordern die Quittung für Hartz 4. Was ist dran an nationalem Sozialismus und Volksgemeinschaft und wo sind die Unterschiede zu bürgerlichen Sozialstaatskonzepten?

Nazis stellen sich auf Demos als Gegner der aktuellen Sozialkürzungen dar. Manche freien Kameradschaften bezeichnen sich sogar als "antikapitalistisch" und laufen mit Slogans wie "Sozialismus ist braun" auf Demos mit. Sie verstehen sich als legitime Vertreter des Volkszorns gegen "die da oben". Bei näherer Betrachtung fällt auf, dass diese Nazi-Konzepte noch repressiver als die Bürgerlichen sind und den Arbeitswahn nur auf die Spitze treiben.

Dabei ist eben der nationale Sozialismus nicht Teil einer strategischen Täuschungskampagne der Nazis, im Gegenteil, sie meinen es ernst. Sozialismus heißt für sie nicht etwa, die Funktionsweise des Kapitalismus an sich anzugreifen. Stattdessen werden abstrakte Prozesse dem böswilligen Handeln von Individuen oder Gruppen zugeschrieben. Der Zwang zur Produktion in der Konkurrenz führt zwangsläufig dazu, dass auf eine menschen- und umweltunwürdige Art produziert wird. Dieses Problem wird von Nazis aber nur einem angeblich existierenden "Internationalen Finanzkapital" oder ähnlichen Konstrukten konstatiert, mit denen meist nichts anderes gemeint ist als "die Juden." Ein anderer Begriff dafür ist der des "raffenden" Kapitals, das hauptsächlich in der Zirkulationssphäre angesiedelt sei, maximale Profitgier aufweise und dadurch etwa für die Vernichtung von Arbeitsplätzen verantwortlich sei. Dem wird ein angeblich "schaffendes" deutsches Kapital gegenüber gestellt, das in der Produktionssphäre verortet und als ehrlich und auf das Gemeinwohl orientiert angesehen wird.

National heißt für sie Ausschluss und in der Konsequenz Vernichtung alles Fremden. Ihr Konzept "Volksgemeinschaft" vereinigt Individuum und Staat. Eine konstante Bedrohung durch ein halluziniertes Fremdes erzeugt Zusammenhalt. Der deutsche Staat wird als Krisenlöser und als Identifikationsobjekt angerufen. Interessen- und Klassenunterschiede, zum Beispiel Konflikte zwischen ArbeitgeberInnen und -nehmerInnen, gehen im gemeinsamen Ziel des Überlebens des "deutschen Volkes" auf und werden autoritär befriedet. Der Staat kümmert sich darum, dass es für jeden Deutschen Arbeit gibt. Menschen, die nicht als deutsch angesehen werden, werden "rückgeführt" oder einfach dem völkischen Mob überlassen. Arbeitslose sollen durch Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und im Endeffekt Arbeitslager "in Arbeit gebracht" werden. Entwicklungen, die Nationalstaaten und Kapitalismus per se mit sich bringen, werden per antiamerikanischem, antisemitischem und rassistischem Ticket personalisiert und können so als nicht-deutsch vorgestellt werden Amerika wird als Hort der Moderne, des jüdischen Finanzkapitals angesehen. Deutsche und ihre Arbeit erscheinen hingegen ehrlich und bodenständig. MigratInnen erscheinen als Schmarotzer, die zu faul und zu dumm zum arbeiten seien. Menschen, die auf Grund von Krankheit oder Behinderung nicht arbeiten können, erscheinen in dieser Logik ebenso parasitär und sollen längerfristig durch Geburtenvorsorge "verhindert" werden.

In diesem Sinne fordern die NPD und "freie Kräfte" nicht die Erhöhung der Sozialhilfe oder des Arbeitslosengeldes. Sozialismus heißt für sie, alles zu vernichten, was einer politisch und kulturell homogenen Volksgemeinschaft im Weg steht.