Politiken der Vereinbarkeit verqueren oder

"...aber hier putzen und pflegen wir alle"

Heteronormativität, Einwanderung und alte Spannungen der Reproduktion

In den 70er Jahren waren Fragen der (Re-)Produktion sowie der Haus- und Pflegearbeit wichtige Diskussionspunkte in der Debatte um die Gleichheit der Geschlechter. Postkolonialer und Schwarzer Feminismus kritisierten, dass gleichheitsfeministische Ansätze die unterschiedlichen sozialen und lokalen Positionen von Frauen außer Acht ließen, Fragen des Rassismus und der internationalen Arbeitsteilung zwischen Frauen ausblendeten und Frauensolidarität auf Basis der Viktimisierung aller Frauen proklamierten. In der Auseinandersetzung mit diesen Ansätzen verlangten Schwarze Feministinnen in den 1970er und 1980er Jahren eine kritische Auseinandersetzung mit der Konstruktion von "Women of Color" als Opfer. Sie forderten eine Auseinandersetzung um Rassismus im Feminismus und problematisierten Geschlecht und das Geschlechterverhältnis auf der Grundlage intersektioneller Modelle (vgl. Combahee River Collective 1979).

In den 1990er Jahre wird die Vorannahme der Zweigeschlechtlichkeit um eine weitere Perspektive angereichert. Die Debatten um Queer Theory unterstreichen die Notwendigkeit sich kritisch mit der heteronormativen Ordnung zu beschäftigen, die alle gesellschaftlichen Ebenen durchziehen. Beide Auseinandersetzungen, die um Rassismus und um Heteronormativität, führen zu einer Verkomplizierung der Analyse des Geschlechterverhältnisses. Von dieser Perspektive ausgehend, werden wir uns der Frage nach der Organisierung der Pflege-, Haus-, Betreuungs- und Erziehungsarbeit in Privathaushalten und deren Wirkungsweise auf das Geschlechterverhältnis zuwenden. Eine Fragestellung, die wir im Rahmen einer europäischen Vergleichstudie in Spanien, Österreich, Großbritannien und Deutschland verfolgt haben. Wir führten Interviews mit Haushaltsangehörigen, die "Hausarbeiterinnen" beschäftigen, und mit Frauen, die in solchen Haushalten gegen Bezahlung arbeiten. Letztere stammten aus Chile, Ekuador, Peru, Zimbabwe, Polen und Russland. Ein Ergebnis dieser Studie war, dass in urbanen wohlsituierten Privathaushalten die reproduktive und affektive Arbeit zunehmend auf bezahlter Basis von einer dritten Person erledigt wird. Bei dieser Person handelt es sich zumeist um eine Migrantin, in einigen Fällen mit einem unsicheren Aufenthaltsstatus. Ausgegangen sind wir bei unserer Untersuchung nicht nur von den traditionellen heterosexuellen Kleinfamilienhaushalten, sondern unser Blick richtetet sich auch auf neue Lebensformen wie zum Beispiel Single-, WG- und gleichgeschlechtliche Haushalte, patch-work Familien oder Alleinerziehende mit Kind.
Ein weiteres Ergebnis bezieht sich auf die neue Qualität der Arbeit, die wir im Rahmen der Expandierung und Kommodifizierung von privaten Dienstleitungen, aber auch in Bezug auf die Inkorporierung von Information, Wissen und Affekten in den Produktionsprozess betrachten. Unser Angelpunkt stellt so die veränderte Form der Reproduktionsarbeit als bezahlte und unbezahlte Arbeit im Privathaushalt dar. Dabei dekonstruieren wir den Reproduktionsbegriff in Anlehnung an Precarias a la Derivas Konzept "trabajos de cuidados", das die Pflege-, Betreuungs-, Kommunikations-, Sorge-, Sex-, Haus- und Erziehungsarbeit umfasst (Precarias 2004). Wie Precarias feststellen, sind diese Arbeitsbereiche im Kontext postfordistischer Produktionsverhältnisse nicht mehr unter der Trennung zwischen Produktions- und Reproduktionsarbeit zu fassen. Denn der Charakter der bezahlten Arbeit hat sich geändert, Tätigkeiten und Charakteristiken, die eher mit der Hausarbeit verbunden werden wie zum Beispiel die emotionale Arbeit, werden heute auch im Bereich der bezahlten Arbeit im Informations-, Medien- und Dienstleistungssektor nachgefragt (Massey 1999).

Im Folgenden werden wir uns diesen Annahmen in vier Schritten annähern. Zunächst werden wir uns mit der Frage der Organisierung der Haus- und Pflegearbeit beschäftigen und der Frage nachgehen, inwieweit die Programmatik der Vereinbarkeit von Famile und Beruf in den individuellen Arrangements in den Haushalten vorzufinden sind oder ob wir es hier mit dem alten Widerspruch zwischen bezahlter Arbeit und der gesellschaftlich notwendigen unbezahlten Arbeit zu tun haben. Im zweiten Schritt werden wir die neue Qualität der Arbeit in Beziehung zu neuen Haushalts- und Lebensformen setzen und fragen, ob in den alternativen Haushalten ein gleichberechtigter Umgang mit der reproduktiv-affektiven Arbeit vorzufinden ist. Diese Bestandsaufnahme der Privathaushalte wird im dritten Schritt in Verhältnis zur globalen Arbeitsmarktentwicklung gesetzt. Um dann schließlich im vierten Schritt einen Blick auf die über diese Verhältnisse strukturierten individuellen Artikulations- und Aushandlungsformen in den Privathaushalten am Beispiel einiger Interviewausschnitte zu sprechen zu kommen. Doch zunächst zu der immer wiederkehrenden Frage nach der Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Hausarbeit und Pflegearbeit: Vereinbarkeit oder Widerspruch?

Im Verlauf der 90er Jahre diskutierte der institutionalisierte Feminismus die Herstellung von "Chancengleichheit" auf dem Arbeitsmarkt und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf angesichts der Doppelbelastung von Frauen. In Wohlfahrtsstaaten wie Deutschland, Österreich und England (Caixeta, Dominguez, Gutiérrez Rodríguez, Tate, Vega et al. 2004) wurden insbesondere staatliche Maßnahmen eingeführt, die die Vereinbarkeit zwischen Familie und Beruf mittels des Ausbaus des Kinderbetreuungsangebotes, des Rechtes auf Teilzeitarbeit und der Karenzgeldregelung befördern sollten. Unter den Stichworten "Gender Mainstreaming" und "Work-Life-Balance" sind diese Maßnahmen auf EU Ebene diskutiert worden. Unser Interesse gilt der Wirkungsweise dieser Programme auf die Privathaushalte. Demnach fragen wir nach dem Veränderungspotenzial oder auch der Verstetigung tradierter Geschlechtermodelle. Der Fokus liegt dabei auf der dynamischen Organisation von Privathaushalten und auf sich neu formierenden Konfliktfeldern, die zwischen produktiver und reproduktiver Sphäre entstehen. Dabei betrachten wir zunächst die interaktive Dynamik und das monetäre Verhältnis zwischen Arbeitgeberin und Hausarbeiterin. Ein Beziehungs- und Interessengeflecht, das vom Charakter der Hausarbeit und der neuen Qualität der Arbeit im Zeitalter der Virtualität und Mobilität geprägt ist.

Denn unter unbezahlte Arbeit fällt nicht nur das Geschirr spülen, sondern insbesondere auch persönliche und emotionale Zuwendungen, die sich in den alltäglichen Begegnungen in den Privathaushalten einstellen. Die feministische Forschung hat bereits auf diesen Aspekt der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung, der zumeist von Frauen erledigt wird, in den 1970er und 1980er Jahre hingewiesen (Bas Cortada 1985, Birgin 1985). Während also für die männlichen Haushaltsmitglieder das Zuhause ein Ort der Erholung ist, beginnt für die weiblichen Haushaltsmitglieder hier die "zweite Schicht". Die zweite Schicht heißt für sie Essen kochen, das Haus putzen, die Wäsche erledigen, die Kinder von der Schule abholen, etc.

Diese Beobachtung gehört zu den alten Fundamenten in den Analysen zur Hausarbeit seit den 1970er Jahren und ist auch im heutigen hochentwickelten Kapitalismus so relevant wie zuvor. Trotz der Annahme der Aufweichung der Geschlechterrollen, der Flexibilisierung der Geschlechterbeziehung, der Dekonstruktion von Geschlecht, scheint die traditionelle geschlechtsspezifische Arbeitsteilung ungebrochen. Gerade in professionellen Haushalten, wo Frauen einer Vollbeschäftigung nachgehen und mit flexibilisierten und expandierenden Arbeitszeiten zu kämpfen haben - so zeigt unsere Studie - bleibt die traditionelle geschlechtspezifische Arbeitsteilung bestehen. Vor allem in finanziell gut situierten Haushalten wurde die Wahrnehmung der Geschlechterrollen aufgrund der Integration der Frau in den Arbeitsmarkt aus ihrem traditionellen Gefüge gehebelt. Berufstätige Frauen erklärten uns in den Interviews, dass sie ihren Beruf nicht zugunsten der Haushaltsführung aufgeben wollen und dass Hausarbeit für sie zu einer bewußten Last geworden ist. Deswegen soll die Hausarbeit mit den Partnern oder anderen Haushaltsmitgliedern organisiert werden, oft schlägt jedoch diese Vereinbarkeitsstrategie fehl und die Frauen sind wieder für die Haushaltsführung verantwortlich. Um Konflikte innerhalb des Haushaltes zu reduzieren, fällt die Entscheidung, eine Haushaltshilfe einzustellen. Die durch die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung im Haushalt erzeugten Spannungen und Krisen werden nicht durch eine ausgewogene Verteilung der Aufgaben unter den Haushaltsmitgliedern gelöst, sondern durch eine Verschiebung der reproduktiven Verantwortlichkeit an eine dritte Person: im Allgemeinen an eine andere Frau und meistens an eine Migrantin. In weniger gut situierten Haushalten und in Gesellschaften mit unzureichender öffentlicher Versorgung für Alte und Kinder, wie in Spanien, übernimmt das Familiennetzwerk oder die Nachbarschaft die Unterstützung. Diese Lösung offenbart das Fehlen funktionierender staatlicher Einrichtungen, die die neuen Arbeitsbedingungen in den Haushalten berücksichtigen. Zusammenfassend stellen wir fest, dass weniger von "Vereinbarkeit" von Haushalt und Beruf gesprochen werden kann als vielmehr von einer neuen Asymmetrie, die auf geschlechtsspezifischer Segregation und auf politischem, ökonomischem und gesellschaftlichem Ausschluss aufgrund von Herkunft beruht. Bei haushaltsnahen Dienstleistungen handelt es sich um einen (Arbeits)markt, der durch Migrationspolitik und institutionalisierten Rassismus vor dem Hintergrund ungleicher Nord-Süd Beziehungen, der Spuren aus der Kolonialgeschichte und einer globalen post(neo)kolonialen Ordnung geprägt ist.

Demzufolge wird die Erledigung der reproduktiv-affektiven Arbeit zu einem zentralen Konfliktpunkt (vgl. Schultz 2002). Um diesem Konflikt zu entgehen, wird die Hausarbeit ausgelagert und eine dritte Person eingestellt. Denn trotz der individuell ausgerichteten Programme der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, existieren keine staatlichen Maßnahmen, die die Haus-, Pflege-, Sorge- und Erziehungsarbeit gesellschaftlich vergemeinschaften. Denn die Programmatik der staatlichen Vereinbarkeitspolitik basiert auf dem Ziel der Gleichstellung zwischen den Geschlechtern, ohne dabei das Modell der Zweigeschlechtlichkeit zu verlassen. Sie zielt darauf ab, die Arbeitsbelastung von Frauen zu verringern, aber nicht ihre Rolle als Reproduktionsleisterinnen in Frage zu stellen. Es sind in höherem Maße Männer, die einer Vollzeiterwerbstätigkeit nachgehen und diese zum Zentrum ihres Lebens stilisieren. Teilzeitarbeitende Männer, karenzierte Väter oder Hausmänner sind die Ausnahme.

Trotz der steigenden Erwerbsbeteiligung nicht zuletzt aufgrund der besseren Ausbildung von Frauen bleibt die geschlechtsspezifische Aufteilung von unbezahlter und bezahlter Arbeit erhalten. In Deutschland beispielsweise verrichten Frauen wöchentlich 35 Stunden nicht bezahlte Arbeit, Männer nur 19,5 Stunden. In europäischen Mittelstandshaushalten sind Doppelt- und Mehrtagesschichten sowie daraus resultierende Spannungen und Konflikte in der Haushaltsführung an der Tagesordnung.

Die weiterhin bestehende geschlechtsspezifische Segregation auf dem Arbeitsmarkt und die Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen gehen mit einer zunehmenden Deregulierung von Arbeitsverhältnissen (v.a. in Spanien) und mit einer Intensivierung der Arbeitszeit einher (v.a. in Großbritannien), was zu stärkeren Belastungs- und Stresssituationen führt, die zumeist von Frauen, insbesondere von der "bezahlten Hausarbeiterin" abgefedert werden. Diese Entwicklung geht mit einer Veränderung im Konsumverhalten einher. Die Nachfrage nach ausdifferenzierten Angeboten und Dienstleistungen nimmt insbesondere in den urbanen mittelständischen Haushalten zu. Diese Entwicklung erfordert eine Intensivierung des Arbeitsvolumens auf der Seite der AnbieterInnen, aber auch auf der der KonsumentInnen.

Doch diese Feststellung, die wir anhand unserer empirischen Untersuchung machen mussten, scheint nicht einfach das zu wiederholen, was schon seit dreißig Jahren bekannt ist: die Doppelbelastung von Frauen. Vielmehr müssen wir diese neuen Aushandlungsprozesse im Rahmen der neuen Qualität der Arbeit diskutieren.

Reproduktionsarbeit als emotionale oder affektive Arbeit?

Wir müssen unseren Blick schärfen, um in dieser ungebrochenen Kontinuität Diskontinuitäten auszumachen. Im Vordergrund der Analyse müßte daher nicht nur das Verhältnis der Geschlechter selbst stehen, sondern auch die kritische Betrachtung der heterosexuellen Matrix und der geo-politischen Situierung, in der dieses Verhältnis hervorgebracht und inszeniert wird. In diesem Rahmen tauchen auch Techniken der Verobjektivierung der Subjekte auf, die mit heteronormativen und rassistischen Ein- und Ausschließungspraktiken einhergehen. Demzufolge zeigt unsere Studie auf, dass die Struktur der Kleinfamilie als Analyseraster zu kurz greift, ebenso wenig können wir diese Arbeitsteilung lediglich als Folge der Trennung von Reproduktions- und Produktionssphäre fassen (vgl. Boudry u.a. 2001). Auch findet der Aushandlungsprozeß in den Privathaushalten in einem postkolonialen Kontext statt, der von Technologien der Rassifizierung und Ethnisierung geprägt ist (vgl. Gutiérrez Rodríguez 2005). Haushalte sind daher auf ihre geo-politischen Eingebundenheit in der aktuellen Asyl- und Migrationspolitik und deren Auswirkung auf die Arbeitsmarktpolitik zu untersuchen. Des Weiteren gehen wir in Anschluss an Antonio Negri und Michael Hardt von einem Wandel der materiellen Arbeit zur immateriellen Arbeit aus (Hardt/Negri 2000; Hardt 2002): die bezahlte Arbeit verbindet sich mit der unbezahlten Arbeit und formt einen neuen und kontinuierlichen Kreislauf weiblicher Prekarität, der sich in der Verkettung der Pflege, der Sorge und der Sexarbeit widerspiegelt (Precarias 2004).

Die Reproduktion fließt in die Produktionsarbeit ein und umgekehrt. Die neue Organisation und Qualität der Arbeit schöpft aus kreativen, affektiven und intellektuellen Tätigkeiten. Affektive Arbeit wird in Verbindung zu emotionaler Arbeit gesetzt, um nicht die Trennung zwischen Reproduktions- und Produktionsarbeit zu betonen, sondern deren Verschmelzung. Ein Aspekt, den Feministinnen bereits in den 1980er Jahren unter dem Begriff der emotionalen Arbeit diskutiert haben (vgl. Ostner 1986). Durch die Deregulierung von Arbeitszeiten und durch die Flexibilisierung von Arbeitsbedingungen nimmt die Verschmelzung dieser zwei Bereiche zu, und wird nun auch außerhalb des feministischen Diskurses wahrgenommen. Hardt und Negri fassen diese Fusion unter dem Begriff der "immateriellen Arbeit", die sie als dominante Arbeitsform im Postfordismus wahrnehmen. Gleichzeitig weisen sie auf die Kommerzialisierung "immaterieller" Produktion von Wissen, Information und Affekten hin. Uns interessiert in Anlehnung an diese Begrifflichkeit vor allem die Auseinandersetzung mit affektiver Arbeit, insbesondere mit Hausarbeit in Bezug auf neue Lebensformen bzw. multiplen Haushaltseinheiten.

Verwandtschaft und Haushaltseinheiten

Wir sprechen in unserer Studie von Haushalten, nicht von Familien, um neue Lebensformen und neue Organisationsformen von Haus-, Sorge- und Pflegearbeit, die nicht der klassischen heterosexuellen Kleinfamilie entsprechen, zu betonen. Neben der klassischen Familie finden sich - nicht immer infolge einer freien Entscheidung - Einpersonenhaushalte (in vielen Fällen alte Menschen), Alleinerziehende (einschließlich getrennter Personen), transnationale, plurinukleare Patchworkfamilie (ähnlich der Großfamilie), internationale Mehrgenerationenhaushalte auch bestehend aus nicht verwandten Personen. Diese Haushalte erscheinen selten in Statistiken. Nicht nur die Zusammensetzung der Haushalte, auch die Werte und Lebensarten von Haushalten haben sich verändert: Neben traditionellen Paarbeziehungen entstehen mehr oder weniger gelungene "Partnerschaften", welche sich mit dem Diskurs der Gleichberechtigung identifizieren.

Jedoch beziehen sich ihre Abmachungen nicht notwendigerweise auf die Privatsphäre. In der Privatsphäre sind es weiterhin die Frauen, die den Haushalt managen oder organisieren. Die meisten Männer, auch die der Überzeugung der Gleichberechtigung folgen, überlassen diesen Bereich den Frauen. Neben den heterosexuellen Kleinfamilien tauchen zunehmend alternative Haushaltsformen auf, unter ihnen auch gleichgeschlechtliche Haushalte. Auch in diesen Haushalten finden Aushandlungsprozesse auf Basis der Konstruktion von Weiblichkeit und Männlichkeit statt, und in einigen Fällen wird ein asymmetrisches Geschlechtermodell reproduziert. In anderen wiederum wird dieses Modell durch die hausinterne Organisierung der Arbeit gebrochen. Rechtliche und sozialpolitische Veränderungen - wie Reformen im Scheidungsrecht, Legalisierung von Abtreibung, Adoptionsmöglichkeit, standesamtliche Ehen und eheähnliche Gemeinschaften, etc.- hatten einen entscheidenden Einfluss auf die Liberalisierung von Familienformen und -werten.

Einzuwenden ist hier die unterschiedliche nationalpolitische Ausgestaltung der Möglichkeiten und der staatlichen Unterstützung, in anderen Haushaltsformen als der nuklearen Kleinfamilie zu leben. Weiterhin bestehen bspw. für Migrantinnen Schwierigkeiten bei der Familienzusammenführung, auch gleichgeschlechtliche Partnerschaften sind nicht in allen Ländern gleichermaßen anerkannt. Auch werden neue Familienformen in der Migration, die mit dem Stichwort "transnationale Familien" diskutiert werden, kaum in Betracht gezogen, wenn über Rechtsformen in diesem Bereich debattiert wird. Getrennt vom Wohnort ihrer Familien und ihrer Kinder sorgen Migrantinnen - in den meisten Fällen in Dienstleistungsberufen - für das Einkommen des Haushalts in ihrem Herkunftsland als auch des Haushalts im Herkunftsland. Viele dieser Haushalte entstehen auf Basis weiblicher Netzwerke als plurinukleare Einheiten bzw. als mehr oder weniger zeitweilige Wohngemeinschaften. Einige AutorInnen sprechen angesichts dieser soziostrukturellen Entwicklungen von einer Denaturalisierung beziehungsweise Desinstitutionalisierung der Familie. Ein Aspekt, der insbesondere durch den Transfer der Haushalts- und Betreuungsdienste im globalen Kapitalismus, zunehmend die Entwicklung der Privathaushalte bestimmt.

Transfer der Haushalts- und Betreuungsdienste im globalen Kapitalismus

Die Spannungen im Reproduktionsbereich ergeben sich im Kontext der Umgestaltung der Arbeitskraft auf globaler Ebene. In Europa wurde die Deregulierung, Flexibilisierung und Prekarisierung des Arbeitsmarktes von einem aufkommendem alternativen, oder besser gesagt, informellen Arbeitsmarkt begleitet. Dieser Arbeitsmarkt, der unter dem Stichwort der Feminisierung der Arbeit (Ongaro 2003) Eingang in die Diskussion gefunden hat, zeichnet sich durch weibliche prekäre Netzwerke und eine zunehmende Mobilität von Frauen aus (Precarias a la Deriva 2004).

Diese Entwicklungen setzen die Geschlechter-, Klassen- und Ethnizitätsbeziehungen weltweit neu zusammen. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie durch die Auslagerung der Hausarbeit an eine dritte Person schafft eine geschlechtsspezifische Arbeitsteilung zwischen Frauen und Männern und unter Frauen im Haushalt. Die "angenehmere" (unbezahlte) reproduktive Arbeit wird von den Frauen im Haushalt unbezahlt geleistet, während die schwere Arbeit von den eingestellten Frauen als bezahlte Arbeit verrichtet wird. Über diese beiden Arbeitsbereiche erfolgt die affektive, physische und emotionale Organisation von Haushaltsarbeit, an der alle weiblichen Mitglieder des Haushalts beteiligt sind. Ein Paradox stellt sich ein: denn obwohl die Einstellung einer dritten Person im Haushalt zu der Entspannung des Konfliktes im Haushalt und zur Entlastung insbesondere der weiblichen Mitglieder führen soll, ergibt sich Stress für alle Beteiligten. Die Arbeitgeberinnen stehen unter dem Druck, den Haushalt managen zu müssen. Die Angestellten wiederum sind mit der dienenden Rolle der Betreuung und Pflege, mit Minderbezahlung und prekären Arbeitsbedingungen konfrontiert, die mit Stress, Entbehrungen und in einigen Fällen - insbesondere bei Hausarbeiterinnen ohne legalen Aufenthaltsstatus - mit Angst vor Abschiebung einhergeht.

Der Umfang der Hausarbeitsübertragung an Migrantinnen variiert länderspezifisch nach den entsprechenden Regulierungen in diesem Sektor. Gekennzeichnet sind diese informellen Arbeitsverhältnisse durch niedrige Löhne, den Mangel sozialer Absicherung, das Fehlen professioneller Strukturen und das dienende Erbe, auf dem diese Arbeit beruht. Viele Frauen ohne Aufenthalts- und/oder Beschäftigungstitel suchen Schutz in dieser "offenen" Nische, in der sie Bedingungen der Überausbeutung auf sich nehmen und weniger als den festgesetzten Mindestlohn akzeptieren. In Spanien gibt es - im Unterschied zu Deutschland oder Österreich - für MigrantInnen die Möglichkeit im Rahmen eines Kontingents für den Haushaltssektor legal zu arbeiten. In Großbritannien können migrantische HausarbeiterInnen legal nur mit ihren ArbeitgeberInnen einreisen. In Deutschland und Österreich erleichtern Au Pair Programme, Zeitverträge und Touristenvisa die Einreise, letzteres beinhaltet keine legale Arbeitsmöglichkeit, außerdem bergen diese Einreisestrategien die Gefahr einer Abschiebung bei Überschreitung der zugebilligten Aufenthaltsdauer.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Reorganisierung der Reproduktion bedingt ist durch: (1) die Veränderungen in den Wertvorstellungen und Formen der Familie, (2) die Umgestaltung der Arbeit und des Wohlfahrtsstaates, (3) zunehmende Migration und ihre gleichzeitige Restriktionen von seiten europäischer Staatlichkeit und (4) durch die Zunahme der Nachfrage nach Haushalts- und Betreuungsdiensten ("für die Vereinbarkeit") resultierend aus dem Niedriglohnangebot von Migrantinnen in diesem Sektor. Haushalte stellen somit Verhandlungsorte dar, in denen sich die Wirkung staatlicher Anrufungspolitiken und Aushandlungsprozesse zeigt. Dies wollen wir am Beispiel eines Interviews veranschaulichen.

Gegengesetzte und Durchkreuzte Körper
Die Interviews mit Haushaltsanghörigen, die wir im folgenden vorstellen werden, wurden 2003 in Berlin und Hamburg durchgeführt. Im allgemeinen arbeiten die Hausarbeiterinnen in Deutschland als "externe". Das Modell der "live-ins" kommt selten vor und besteht eher verdeckt, wie im Fall von Diplomatenhaushalten. Im Jahr 2003 wurde ein neues Gesetz zur Regulierung der stundenweise beschäftigten "Externen", die so genannten "mini-jobs", verabschiedet. Auf Grundlage der "mini-jobs" wurde ein Höchstgehalt von 600 Euro und die Sozialversicherung geregelt. Die interviewten Frauen arbeiten stundenweise in unterschiedlichen Haushalten. Das setzt eine große Flexibilität in Bezug auf die Arbeitszeit und Mobilität voraus, die auch mit hohen Mobilitätskosten sowie mit einer - nicht entlohnten - Verlängerung der Arbeitszeit einhergeht. Einige von ihnen haben keinen geregelten Aufenhalt, was ihre Situation verschärft und in einigen Fällen dazu führt, dass sie unsichere und ausbeuterische Arbeitsbedingungen, sowie sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz in Kauf nehmen müssen und auch mit Lohnraub und Erpressung im Hinblick auf ihren illegalen Aufenthaltsstatus konfrontiert waren. Der Stundenlohn schwankt zwischen 5 und 10 Euro, je nach legalem Status und Nationalität. Bezüglich der Tätigkeiten im Haushalt zeigt sich eine Bandbreite von Tätigkeitsfeldern, die zumeist beim Einstellungsgespräch oder im Verlauf der Beziehung zwischen Arbeitgeberin und Arbeitnehmerin unbenannt bleiben. Die vereinbarten Arbeitszeiten und Aufgabenbereiche werden oft nicht eingehalten und ungefragt ausgeweitet.

Viele Arbeitgeberinnen sehen in ihrer Hausarbeiterin eine "Hilfe": Sie wenden sich an sie mit ihren Problemen und Sorgen. Es handelt sich hier um eine verschleierte Beziehung der Sorge, die zu einer der Pflege werden kann. In Wirklichkeit enthält jede Art von Hausarbeit diese Komponente der Aufmerksamkeit: Aufmerksamkeit für die Wünsche der ArbeitgeberInnen, ihre Gewohnheiten und ihre Besonderheiten.

Um einige der Konflikte in Privathaushalten zu illustrieren, möchten wir Ausschnitte aus den von uns geführten Interviews mit mittelständischen alternativen heterosexuellen Kleinfamilien vorstellen. In diesen Haushalten haben wir auf der rhetorischen Ebene einen Diskurs der Gleichberechtigung in Bezug auf die Aufgabenverteilung vorgefunden. In diesen Haushalten sind alle Frauen Vollzeit berufstätig, als Anwältinnen, Architektinnen, Journalistinnen oder Führungskräfte. Die Paare scheinen sich außerhalb der Konstruktionen von Männlichkeit oder Weiblichkeit zu bewegen, mit dem Ziel einer Flexibilisierung der Geschlechterordnung. So erzählt uns zum Beispiel Petra aus Hamburg, dass es in ihrem Haushalt ihr Mann ist, der auf die Kinder aufpasst und die Hausarbeit macht. Der Ehemann arbeitet zu Hause. Obwohl er während des Interviews anwesend war, hat er nicht daran teilgenommen...

"Petra: ja und ich kenn das überhaupt nicht anders, dass sie geteilt ist und es gibt wenige Bereiche, wo man also sagen kann, für diese Art der Tätigkeit ist einer zuständig: also das Wäsche waschen mach meistens ich, aber das muss auch nicht so sein. Die Waschmaschine können auch alle anderen bedienen, kochen kann jeder und einen Staubsauger in die Hand nehmen kann auch jeder. So und die Arbeitsteilung ist im Wesentlichen so, dass ich am Wochenende die Wäsche mache und das während der Woche eben mein Sohn und mein Mann kochen und dass am Wochenende im Wesentlichen ich koche oder wir Essen gehen, wenn ich keine Lust habe zu kochen. Na... das ist die Arbeitsteilung, die wir haben(lacht) (Â…) und das Aufräumen ist auch geteilt, na das Aufräumen macht halt (hustet) ja derjenige, der die Arbeit halt gerade anguckt, na´das kann gut sein, dass ich das manchmal mache, aber ich komme auch ganz oft in eine aufgeräumte Wohnung, man kann das nicht festlegen, insofern es gibt, es gibt nicht diese rollenspezifische Verteilung mit zugewiesenen Tätigkeiten, sondern die Arbeit wird gemacht von dem, ja den die Arbeit anguckt" (P,Z:235-251)

In diesem Abschnitt zeigt sich eine gleichberechtigte Aufteilung der Aufgaben: der Referenzrahmen der Geschlechterbeziehung scheint weder die Körper noch den Raum zu durchkreuzen. Ebenso bleibt unerwähnt, dass in diesem Haushalt eine "Hausarbeiterin" arbeitet. Die Technologie, die diese Körper regieren, muss auf der Ebene des Beziehungsmodells überdacht werden. Denn hier - so erscheint es - wird das klassische asymmetrische Geschlechterdifferenzmodell als überwunden dargestellt. Dennoch bleibt in diesem Haushalt die Entscheidung nicht ausgespart, eine dritte Person für die Erledigung der Hausarbeit einzustellen.

"Karin: es gibt einfach irgendwann so´n Punkt wo man sich fragt, hab ich noch Lust Sonntag Abend um elf das Klo zu putzen und das Bad zu machen, was ich natürlich machen kann oder da hab ich eben keine Lust mehr dazu geb ich das ab. (Â…) ich denke , dass ist einfach, dass muss einfach jeder für sich selber entscheiden, wie er da die Gewichtung legt, was natürlich nun, was ich ganz wichtig finde ist, dass Haushaltsarbeit, ob das nun von Hausfrauen Arbeit ist oder Haushaltsarbeit von arbeitenden Frauen, völlig egal oder von Putzfrauen sag ich immer..(Â…) ist dabei ziemlich egal, weil es ist eh ne total wichtige Arbeit die gemacht werden muss, so, da haben wir uns irgendwann dafür entschieden, weil es für die eigene Batterie manchmal wichtiger ist zu sagen, okay ich trink ne halbe Stunde (.) ne Tasse Tee und mach eben diese Sachen nicht"(P, Z:49-69)

Die Ausweitung der bezahlten Zeit in die Privatzeit führt zu der Entscheidung eine dritte Person einzustellen. Erst durch die Einstellung der Hausarbeiterin kann die professionelle Frau ihre Freizeit ausleben. An diese Entscheidung schließt sich die Erwartung an, die Beziehungen im Heim zu harmonisieren, ohne radikale Veränderungen an dem Modell der Lebensgemeinschaft durchführen zu müssen, da sich die Arbeitgeberin vom Attribut der "weiblichen Rolle" befreit, die dann eine andere Frau für sie einnimmt. Der Körper der Hausarbeiterin wird jedoch in dieser Relation zu einem "unsichtbaren Körper", da er in der Rhetorik nicht auftaucht. Doch erst sie ermöglicht die Fortführung einer Paar- und Familienbeziehung, die durch die Flexibilisierung und Intensivierung der Arbeitszeit leidet. Doch die unmittelbaren Aushandlungen in den Haushalten vermitteln nicht nur Geschlechterbeziehungen wider, sondern auch die Logik der Heteronormativität, die die Körper besetzen und durchkreuzen.

Zur Logik der Heteronormativität
Laut Judith Butler(1999) in Einklang mit Foucault konstituieren und konstruieren sich die Körper auf Grundlage der heutigen Praktiken und Diskurse. In ihnen und durch sie hindurch artikulieren sich die Technologien des Seins. Wie Butler im Anschluss an Haraway (1995) aufzeigt, repräsentieren die Körper Sinnbilder einer Kodifizierung, sie benennt sie als nacktes semiotisches Material, durch eine diskursive und hegemoniale Ordnung gekennzeichnet oder nicht gekennzeichnet. Butler bestimmt in Bezug auf diese Wahrnehmung die binäre Ordnung der Geschlechter in Bindung an die Produktion der Heterosexualität als Heteronormativität. Auf Basis dieser Heteronormativität wird diszipliniert, normalisiert und werden Normen konstruiert, die den Körpern der einen Macht zuschreiben, auf Kosten der Unterwerfung der Anderen, welche als deviant und pervers gekennzeichnet werden. Konstitutiv für die Schaffung und das Funktionieren der Homosexualität ist die Vorformung des Konzepts der Heterosexualität. Nur im Bezug auf das Konzept der Heterosexualität lässt sich die Homosexualität als das "Anormale", das Deviante, das Perverse definieren.

Diese zwei Standpunkte bestimmen die zwei Extreme einer Identitätslogik, die auf der Dichotomie Mann versus Frau basiert und der Vorstellung eines Begehrens des anderen oder des eigenen Geschlechts. Keine dieser Möglichkeiten eröffnet uns eine andere Form des Begehrens außerhalb eines Klassifizierungssystems, das durch den Dualismus des einen oder des anderen regiert wird; ein Jenseits scheint innerhalb der Ökonomie des heterosexuellen oder homosexuellen Begehrens nicht existent. Innerhalb der Haushalte stoßen wir auf eine soziale Ordnung, die sich auf die Heteronormativität gründet.

Die Körper werden durch bestimmte Momente der Identifikation mit einem Geschlecht hinsichtlich eines sexuellen Begehrens regiert. Die Partnerschaften stellen sich innerhalb dieser Ordnung in Beziehung, die durch neue Partnerschaftsmodelle und die Integration der Frau in den Arbeitsmarkt - in manchen Fällen als Hochqualifizierte - gestört ist. Das asymmetrische System der Komplementarität oder der Geschlechterdifferenz verläßt das traditionelle Spektrum, während sich die Subjekte gleichzeitig in ihm gefangen fühlen. Es werden Gesten des "Männlichen" und des "Weiblichen" neu erschaffen, aber auch verflüssigt. Denn die Frauen möchten die Entscheidungen ihrer Mütter nicht wiederholen. Sie wollen keine Beziehungen auf ihre Kosten halten. Die Anstellung einer anderen Frau ermöglicht ihnen eine Harmonie in ihrer Beziehung wieder einzuführen, die über der weiterhin geschlechtsspezifischen Organisierung der Hausarbeit in die Krise gerät. In den meisten Fällen wird eine Migrantin diese Aufgabe übernehmen. Anders als die Arbeitgeberinnen, scheinen die Hausarbeiterinnen nicht in Relation zu einer Beziehung oder Familie gesetzt zu werden. Es ist fast so, dass die Migrantin kaum als geschlechtlicher Körper im Aushandlungsprozess bezahlter und unbezahlter Arbeit auftaucht. Diese andere Frau scheint außerhalb der heterosexuellen Logik zu stehen, sie scheint, wie Angela Davis es im Fall der schwarzen Frauen im Kontext der Sklaverei aufzeigt, kein Geschlecht zu haben. Als rhetorische Figur bleibt sie innerhalb staatlicher Programmatiken der Vereinbarkeit von Familie und Beruf außen vor. Die Vereinbarung ihrer Arbeitszeit mit ihren familiären und persönlichen Aufgaben bleibt unberücksichtigt. Sie werden nicht als Frauen mit Geschichte, mit einer Familie wahrgenommnen. Die Ausländergesetzgebung verhindert auch die Einlösung einer Rhetorik der freien privaten Vertrags-Aushandlung oder der Gleichberechtigung wie das von "Work-Life Balance" Programmen vorausgesetzt wird. So erzählt uns Wilma:

"I AM A WOMAN and some woman have got this attitude that ‚Somebody is working for me, so I have to treat her as a worker`, you see what I mean, she can leave anything which she can easily pick up and put it in order, she can just leave it for the sake of you to pick it up - Men has sympathy, I tell you, you say `Do what you can do with the four hours I have given you, if you can´t do it`s no problem, you can do it next time.´ But a woman can tell you that `I gave you four hours and I´m paying you for four hours and you have to do the job for four hours`, you see what I mean, but the job is not even worth four hours, it`s more than four hours you are supposed to work for, you know."(Mrs.W.Z:291-299)

Wilma bezieht sich in diesem Auszug auf die Geschlechtsidentitäten, Mann und Frau, mit der sie sich in ihrem alltäglichen Arbeitsalltag auseinander setzen muss. Ihre Beziehung zu diesen beiden Positionen ist gebunden an ihren Arbeitsvertrag, in welchem sie als Arbeiterin benannt ist. In Beziehung zu der Arbeitgeberin hält sie es für notwendig zu erwähnen, dass auch sie eine Frau ist. Sie verfügt über eine Identität, der sie offensichtlich einen menschlichen Wert zuschreibt, der von der Arbeitgeberin nicht wahrgenommen wird, da diese sich an sie nur als "Arbeiterin" wendet und nicht als Frau. Während sie sich dem "Mann" gegenüber wieder als "Frau" positioniert. Innerhalb des Identifikationschemas auf Grundlage der heterosexuellen Matrix treffen diese beiden Frauen als zwei durchkreuzte und entgegengesetzte Körper aufeinander. Obwohl angenommen werden kann, dass sie auf der Basis einer gemeinsamen Identität aufeinander treffen, stehen sie sich wieder auf der Grundlage ihrer Klassenzugehörigkeit und ihrem Status als Staatsbürgerinnen oder Migrantinnen gegenüber. Im Alltag zwischen diesen beiden Frauen gibt es keinen Referenzpunkt, außer der Sorgearbeit, Haushaltsarbeit und in manchen Fällen der Sexarbeit. Denn es sind die Frauen, die diese Aufgaben miteinander teilen, die einen als Ehefrauen, die anderen als Hausarbeiterinnen, die einen als Partnerinnen, die anderen als Sexarbeiterinnen, die einen als Mütter, die anderen als minderbezahlte Erzieherinnen. Sie sind es, die im Rahmen der ökonomischen Notwendigkeit und eines Arbeitsmarkts, der über institutionellen Rassismus und Alltagsrassismus strukturiert wird, aufeinander treffen. Dadurch reorganisieren sich die "ungeordneten" Geschlechterbeziehungen über eine dritte Person, die abseits von ihnen selbst zu sein scheint.

Die Frage nach der sozialen Rolle der Frauen innerhalb der Migration wirft einige wichtige Fragen nach den Veränderungen in den Geschlechterbeziehungen und nach dem Rahmen der Identifikation und Eingliederung in Bezug auf die Heteronormativität auf. In den Haushalten begegnen wir einer Reihe von Technologien des Seins, die durch und von den Körpern vermittelt werden, die gekennzeichnet sind durch eine Vielzahl sozialer Beziehungen. Diese sind zum Beispiel die binäre Logik der Geschlechterbeziehungen, die Regierungstechniken der Einwanderung und der Staatsbürgerschaft. Die Haushalts- und die Sexindustrie sind Orte, in denen neue Geschlechterkategorien hervorgebracht und eingübt werden.

Literatur

Bas Cortada, Ana (1985): Nueva Sociedad: El trabajo de las amas de casa. San José Costa Rica. Fundación Friedrich Ebert.

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