Bin ich Staatsbürger 2. Klasse?

in (02.06.2007)

Die politisch herrschende Klasse der Berliner Republik hat die Lüge gleichsam zur Staatsdoktrin erhoben, indem sie unbelehrbar die von Gerhard Schröder

et. al. in die Welt gesetzte Legende propagiert, Deutschland habe das völkerrechtliche Verbrechen gegen den Irak und seine Menschen, das im Jahre 2003 seinen Ausgang nahm und bis zum heutigen Tage andauert, weder unterstützt noch sich daran gar beteiligt. In der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (Deutscher Bundestag, Drucksache 16/4726) läßt der Parlamentarische Staatsekretär im Bundesministerium der Verteidigung, Thomas Kossendey, kaltschnäuzig verlauten: "Die Bundesregierung widerspricht der in der Vorbemerkung der Fragesteller implizit enthaltenen Behauptung, die Bundeswehr habe ›Unterstützungsleistungen für den völkerrechtswidrigen Irak-Krieg‹ erbracht. Die Bundesregierung hat mehrmals klargestellt, daß die entsprechenden Einschätzungen des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG NZWehrr 2005, 254) Fragen betreffen, die von Völkerrechtlern unterschiedlich beantwortet werden (siehe z. B. Bundestagsdrucksache 16/1921 Seite 3)."

Daß an der Völkerrechtswidrigkeit des angloamerikanischen Aggressionskrieges gegen den Irak nach herrschender juristischer Lehre keinerlei Zweifel mehr bestehen, wird somit weiterhin geleugnet. Diese von der Arroganz der Macht durchtränkte Attitüde garantiert, daß auch fürderhin nicht ein einziger der verantwortlichen Politiker hierzulande und auch keiner der ihnen in blindem Gehorsam ergebenen Militärs für den Völkerrechts- und Verfassungsbruch zur Rechenschaft gezogen wird.

Unübersehbar illustriert zugleich der für jeden mit einem Mindestmaß an demokratischem Bewußtsein ausgestatteten Zeitgenossen schlechterdings nicht mehr nachzuvollziehende Umgang der staatlichen Exekutive mit dem immerhin von einem höchsten Bundesgericht gefällten Urteil, wie niedrig die Sonne der politischen Kultur in unserem Lande steht.

In jenem Richterspruch vom 21. Juni 2005 hatte das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig klargelegt: "Gegen die von den Regierungen der USA und des UK am 20. März 2003 eingeleiteten offensiven militärischen Kampfhandlungen gegen den Irak bestanden bereits damals gravierende rechtliche Bedenken im Hinblick auf das Gewaltverbot der UN-Charta und das sonstige geltende Völkerrecht ... Im Zusammenhang mit diesem Krieg erbrachte die Regierung der Bundesrepublik Deutschland konkrete Unterstützungsleistungen zugunsten der Streitkräfte der USA und des UK, die ebenfalls gravierenden völkerrechtlichen Bedenken ausgesetzt waren." Unmißverständlich hatten die Bundesverwaltungsrichter der Bundesregierung und deren militärischen Helfershelfern in den Reihen der Bundeswehr ins Stammbuch geschrieben: "Die Beteiligung an einem völkerrechtlichen Delikt ist selbst ein völkerrechtliches Delikt."

Schützenhilfe erhält die Bundesregierung von der Generalbundesanwaltschaft, einer dem Bundesministerium der Justiz nachgeordneten und weisungsgebundenen Behörde. Habituell abgeschmettert wurden und werden dort sämtliche Strafanzeigen verfassungstreuer BürgerInnen gegen die politischen Entscheidungsträger in Berlin wegen der grundgesetzwidrigen Unterstützung des vom Zaun gebrochenen Angriffskrieges. Die von der Generalbundesanwaltschaft in Person der Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof Schübel mit Schreiben vom 3. August 2006 übermittelte Begründung für diese Verfahrensweise ist geeignet, jedem des logischen Denkens Mächtigen die Sprache zu verschlagen: "Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 80 Abs. 1 StGB ist nur die Vorbereitung eines Angriffskrieges und nicht der Angriffskrieg selbst strafbar, so daß auch die Beteiligung an einem von anderen vorbereiteten Angriffskrieg nicht darunter fällt. Ein Analogieschluß dahingehend, daß dann, wenn schon die Vorbereitung eines Angriffskrieges strafbar ist, dies erst recht für dessen Durchführung gelten müsse, ist im Strafrecht unzulässig. Art. 103 Abs. 2 GG verbietet die Anwendung einer Strafvorschrift über ihren eindeutigen Wortlaut hinaus." Dem angesichts dieser Einlassungen aufkeimenden Verdacht einer Rechtsbeugung könnte der Umstand Vorschub leisten, daß der vom Bundestag eingesetzte Sonderausschuß für die Strafrechtsreform, auf dessen Wirken hin der genannte Paragraph 80 überhaupt erst seinen Eingang ins Strafgesetzbuch fand, im Jahre 1968 in seinem Schriftlichen Bericht expressis verbis das Gegenteil zu Protokoll gegeben hatte, nämlich: "§ 80 umfaßt nicht nur, wie der Wortlaut etwa annehmen lassen könnte, den Fall der Vorbereitung eines Angriffskrieges, sondern erst recht den der Auslösung eines solchen Krieges" (Deutscher Bundestag, Drucksache V/2860). Im Hinblick auf die vom Generalbundesanwalt erbrachte solitäre Spitzenleistung juristischer Rabulistik merkt der Professor am Freiburger Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht, Jörg Arnold, sarkastisch an: "§ 80 StGB ist eine Vorschrift der Straflosigkeit der Führung eines Angriffskrieges und der Beihilfe zum Angriffskrieg."

Unübersehbar also klafft ein scheunentorgroße Lücke in dem Normenbollwerk, das einst gegen das Wiedererstehen des verbrecherischen Militarismus früherer Zeiten errichtet worden war. Daß auch die Bundesregierung diese Lücke klar erkannt hat, ergibt sich aus der Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesministerium der Justiz, Alfred Hartenbach, vom 22. März 2006 auf eine entsprechende Anfrage des Abgeordneten Rolf Mützenich (SPD). Im Hinblick auf das völkerrechtlich normierte Gewaltverbot vertritt die Bundesregierung nämlich die Auffassung, daß "[d]ie UN-Charta ein ... Gewaltverbot, aber keine Verpflichtung der UN-Mitgliedstaaten [enthält], Verstöße dagegen im innerstaatlichen Recht unter Strafe zu stellen. Der Tatbestand des Verbrechens der Aggression wurde bisher völkerrechtlich nicht definiert. Die Mitgliedstaaten haben daher keine Verpflichtung der Umsetzung in innerstaatliches Recht." Auf die insistierende Nachfrage, ob denn die Bundesregierung angesichts dieser Sachlage die Notwendigkeit sehe, den § 80 StGB zu präzisieren, fällt die Antwort des Staatssekretärs Hartenbach, gelinde formuliert, lakonisch aus: "Nein." Woraus zu folgern ist, daß die Bundesregierung an ihrer seit dem Sündenfall des sogenannten Kosovo-Krieges im Jahre 1999 geübten Praxis des Völkerrechts- und Verfassungsbruchs in Gestalt der Beteiligung an multinational geführten Angriffskriegen sowie deren Unterstützung unbeirrt festzuhalten gedenkt.

Ein System organisierter Regierungskriminalität ist mit dem Anspruch eines sich selbst zivilisiert nennenden demokratischen Staatwesens unvereinbar. Dies muß gerade auch für jene StaatsbürgerInnen gelten, die mit ihrem Diensteid geschworen haben, "das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen", nicht aber mit Soldatenstiefeln das Recht in den Staub zu treten. Was also blieb anderes übrig, als die Drahtzieher des Völkerrechts- und Verfassungsbruchs gemeinsam mit ihren willfährigen Helfern im Generalsrock frontal zu attackieren, um eine Klärung auf höchstrichterlicher Ebene herbeizuführen?

Dieses waghalsige Unternehmen nahm dann unter dem Rubrum "Geist und Ungeist der Generalität" im Ossietzky 11/06 seinen Anfang. Die in der Folge inkriminierten Kernsätze der dort gegen die Goldbetreßten erhobenen Anklage lauteten: "Daß die Generalität aufgrund intellektueller Insuffizienz nicht hatte erkennen können, was da vor sich ging, wird man mit Fug und Recht aus-schließen dürfen. ... Da Dummheit ergo auszuschließen ist, bleibt nur noch die zweite Alternative zur Erklärung - und die lautet: Opportunismus, Feigheit, Skrupellosigkeit ... Hätte die deutsche Generalität auch nur einen Funken Ehrgefühl sowie Rechts- und Moralbewußtsein im Leibe, so hätte der Generalinspekteur im Verein mit seinen Teilstreitkraftinspekteuren sich geweigert, den völkerrechts- und verfassungswidrigen Ordres der rot-grünen Bundesregierung Folge zu leisten ..." Ein Disziplinarverfahren durch mehrere Instanzen der militärischen Sondergerichtsbarkeit, das mit der Bestätigung der von einem der betroffenen Generäle verhängten Disziplinarbuße in Höhe von 750 Euro endete, war die nicht unerwartete Folge. Dadurch wiederum öffnete sich der Weg nach Karlsruhe zum Bundesverfassungsgericht (BVerfG), dem es obliegt, die Verletzung des in Artikel 5 des Grundgesetzes garantierten Grundrechts auf Freiheit der Meinungsäußerung zu rügen.

Doch die 3. Kammer des 2. Senats, besetzt mit dem Richter Broß, der Richterin Osterloh und dem Richter Mellinghoff, hat am 28. April 2007 beschlossen, die eingereichte Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung anzunehmen.

Die achtseitige Begründung des Beschlusses wirft einige Fragen auf.

Um das Positive vorwegzunehmen: Erstens, so die Verfassungsrichter, sei - anders als vom Truppendienstgericht in München angenommen, gegen dessen Urteil sich die Verfassungsbeschwerde richtete - die Menschenwürde der attackierten Generalität durch den inkriminierten Ossietzky-Beitrag nicht angetastet worden. Zweitens handele es sich bei den beanstandeten Äußerungen auch nicht um eine unzulässige Schmähkritik. Diese Bewertung des BVerfG stellt immerhin einen beachtlichen Teilerfolg dar. Denn jeder zivile Staatsbürger und jede zivile Staatsbürgerin darf demnach unbeschadet kundtun, daß die Bundeswehrgeneralität opportunistisch, feige und skrupellos gehandelt habe, als sie die ihr unterstellten Soldaten zur Unterstützung des Irak-Kriegs befahl. Und auch, daß Generalinspekteur und Teilstreitkraftinspekteure sich hätten weigern müssen, den völkerrechts- und verfassungswidrigen Ordres der rot-grünen Bundesregierung Folge zu leisten, wenn sie denn auch nur einen Funken Ehrgefühl sowie Rechts- und Moralbewußtsein im Leibe hätten, dürfen all jene sagen, die beruflich nicht das nationale Ehrenkleid tragen. So weit, so gut.

Und doch so schlecht, denn ungeachtet vorstehender Erkenntnis billigt das BVerfG der Verfassungsbeschwerde keine "grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung" zu. Man mag es kaum glauben: Da bricht eine Bundesregierung tatkräftigst unterstützt von der obersten militärischen Führung Völkerrecht sowie Verfassung und fordert damit einen scharfgeschliffenen publizistischen Kommentar heraus, der zum Gegenstand einer vor das höchste deutsche Gericht getragenen Auseinandersetzung wird - und dem soll keine "grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung" zukommen? In der Tat: Das Völkerrechtsverbrechen gegen den Irak und die hierfür erbrachten Unterstützungsleistungen durch die Bundesrepublik Deutschland sind den Verfassungsrichtern nicht eine Silbe wert.

Statt dessen verengen sie ihren verfassungsjuristischen Fokus ausschließlich aufs Soldatengesetz und eskamotieren sich damit aus der Verlegenheit, die inhaltliche Begründung der inkriminierten Passagen aus dem Ossietzky-Beitrag mit der gebotenen richterlichen Sorgfalt zu erörtern. Das Tückische daran ist: Das Soldatengesetz schränkt die Grundrechte des Staatsbürgers in Uniform stark ein. Schon in früheren Entscheidungen hat das BVerfG in diesem Zusammenhang konstatiert, daß "die Einrichtung und Funktionsfähigkeit der Bundeswehr verfassungsrechtlichen Rang haben". Demzufolge tritt nach Ansicht der 3. Kammer im vorliegenden Fall "das Grundrecht der freien Meinungsäußerung ... dem mit Verfassungsrang ausgestatteten Interesse der Bundeswehr an der Wahrung ihrer Funktionsfähigkeit gegenüber".

Daß eine Truppe, wenn sie denn schon zwangsweise durch jeden Steuerbürger finanziert wird, ein Mindestmaß an Einsatzfähigkeit aufweisen sollte, scheint einerseits durchaus plausibel. Andererseits aber einem militärischen Gewaltapparat, der nach einem Postulat des früheren Bundespräsidenten Heinemann jederzeit zugunsten einer besseren Alternative in Frage zu stellen ist, seine Funk- tionstüchtigkeit als Quasi-Grundrecht zu garantieren und dies mit den fundamentalen Menschen- und Bürgerrechten auf ein- und dieselbe Stufe zu stellen, scheint doch mehr als diskussionsbedürftig.

Zumal an diesem Punkt ein bemerkenswerter Dissens in der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufscheint. Das BVerwG in Leipzig nämlich hatte in seinem erwähnten Urteil aus dem Jahr 2005 postuliert: "Die Streitkräfte sind als Teil der vollziehenden Gewalt ausnahmslos an Recht und Gesetz und insbesondere an die Grundrechte uneingeschränkt gebunden. Davon können sie sich nicht unter Berufung auf Gesichtspunkte der militärischen Zweckmäßigkeit oder Funktionsfähigkeit freistellen." Denn, so die Leipziger Bundesverwaltungsrichter: "Das Grundgesetz normiert ... eine Bindung der Streitkräfte an die Grundrechte, nicht jedoch eine Bindung der Grundrechte an die Entscheidungen und Bedarfslagen der Streitkräfte." Zwar erkannte auch das BVerwG das inhärente Spannungsverhältnis zwischen der Funktionstüchtigkeit der Bundeswehr und der Grundrechtegarantie der Soldaten, löste dieses jedoch viel eleganter mit der Formel von der "Praktischen Konkordanz" auf, derzufolge die Interessenwahrung der Streitkräfte so zu erfolgen habe, daß die Grundrechte der Soldaten stets gewährleistet blieben.

Dagegen klammert sich das Karlsruher BVerfG an ein im Grunde überkommenes, prädemokratisches "Sonderstatusverhältnis", das den Soldaten gerade im Fall eines Konflikts mit dem Dienstherrn seiner Grundrechte weitgehend beraubt und somit zum Staatsbürger zweiter Klasse verkümmern läßt. Der Konzeption der "Inneren Führung" mit ihrem konstitutiven Leitbild vom "Staatsbürger in Uniform" erweisen die Bundesverfassungsrichter damit einen Bärendienst. Denn schon herrscht in weiten Teilen der Truppe jener berüchtigte vorauseilende Gehorsam, gespeist aus militärischem Untertanengeist und Karrierismus. Im Zweifel wird somit nicht räsoniert, sondern das Maul gehalten und gehorcht.

Zudem - und dies markiert ein skandalöses Defizit des vorliegenden Nichtannahmebeschlusses - definiert das BVerfG die Funktionsfähigkeit der Bundeswehr völlig in abstracto und verortet diese damit de facto im politischen Vakuum. Und es erscheint reichlich weltfremd, wenn die Verfassungsrichter allen Ernstes auch noch konstatieren, es sei "nicht zu verkennen, daß die gewählte Form der Meinungsäußerung, insbesondere mit ihren persönlichen Angriffen, geeignet war, die Funktionsfähigkeit der Bundeswehr empfindlich zu stören". A la bonheur - da wird dem Ossietzky aber, um im militärsprachlichen Bilde zu bleiben, eine publizistische Durchschlagskraft zugesprochen, die nicht nur den Herausgeber der ehrwürdigen Weltbühne, sondern auch seinen scharfzüngigsten Autor, den seligen Kurt Tucholsky, in ihren Gräbern erfreuen dürfte. Schade nur, daß in den Reihen der Uniformierten nur wenige mit dem Namen Ossietzky etwas anzufangen wissen, geschweige denn diese Zweiwochenschrift lesen.

Abgesehen von solch beckmesserischen Erwägungen: Die existentielle Frage in der gesamten Causa schlechthin lassen die Verfassungsrichter völlig außer Acht - nämlich wofür die deutschen Streitkräfte eigentlich funktionsfähig sein sollen. Denn gerade in dem Falle, daß politische und militärische Entscheidungsträger die Bundeswehr in völkerrechtlich umstrittene und verfassungsrechtlich prekäre Einsätze befehlen, soll und darf sie eben gar nicht funktionieren. Hierin besteht doch gerade die Raison d`être der vor dem Hintergrund der ultimativen Katastrophe des Zweiten Weltkrieges und des desaströsen Versagens der Wehrmachtsführung neugegründeten Bundeswehr: daß durch die kategorische Rechtsbindung der Streitkräfte ein erneuter Mißbrauch deutschen Militärs zu illegalen, d. h. völkerrechts- und verfassungswidrigen Zwecken unter allen Umständen ausgeschlossen werden soll. Deshalb fordert doch die Konzeption der Inneren Führung mit ihrem Leitbild vom Staatsbürger in Uniform genau den Soldatentypus, der zwischen Recht und Unrecht zu unterscheiden versteht und sich im Zweifelsfalle rechtswidrigen Befehlen widersetzt. Und genau aus diesem Grunde pflegt doch die Bundeswehr die Tradition der Widerstandskämpfer des 20. Juli 1944, allen voran die des Obersts im Generalstab Claus Schenk Graf von Stauffenberg. Oder sollte in der Bundeswehr von heute die althergebrachte Maxime des Prinzen Friedrich Karl von Preußen in Vergessenheit geraten sein, der 1860 einen seiner Majore mit den Worten zurechtgewiesen hat: "Herr, dazu hat Sie der König zum Stabsoffizier gemacht, damit Sie wissen, wann Sie nicht zu gehorchen haben"?

Sich dieser Problematik zu stellen, hat das BVerfG ganz offensichtlich bewußt vermieden, vermutlich aus Sorge vor der Schockwelle eines daraus entspringenden Urteils und der damit verbundenen Konsequenzen für die Außen- und Sicherheitspolitik der Berliner Republik und die betroffenen Akteure. Angesichts derartiger potentieller Verwerfungen hat die Karlsruher Verfassungshüter der Mut verlassen - was wiederum die beklemmende Frage aufwirft, wie es wohl um die Zukunft unserer Verfassung bestellt sein mag, wenn das ultimative aller Verbrechen, nämlich das des Angriffskrieges - weil es nämlich alle anderen Verbrechen in sich birgt und entfesselt - von höchstrichterlicher Seite stracks ins verfassungspolitische Nirwana expediert wird.

Am emphatischsten vielleicht hat diese Problematik schon vor Jahren der Frankfurter Rechtswissenschaftler Andreas Fischer-Lescano auf den Punkt gebracht, als er feststellte: "Es ist befremdlich, daß das Bundesverfassungsgericht zwar in allerlei symbolischen Konflikten zu ›Kruzifix‹-Urteilen und ›Soldaten-sind-Mörder‹-Entscheidungen aufgerufen sein soll, aber dann, wenn Soldaten vielleicht tatsächlich Mörder sind und sich an militärischen Auseinandersetzungen beteiligen, die eventuell völkerrechts- und verfassungswidrig sind, eine direkte verfassungsrechtliche Klärung an Verfahrensfragen scheitert. Krieg oder Frieden, Frieden durch Krieg und das Bundesverfassungsgericht, der Wächter über die deutsche Staatsgewalt, hat nichts zu sagen?"

Der Autor, Oberstleutnant der Bundeswehr, wurde wegen eines Beitrags in Ossietzky 11/06 von der Bundeswehr mit einer Disziplinarbuße in Höhe von 750 Euro belegt. Nach Abschluß des Disziplinarverfahrens vor dem Truppendienstgericht in München wandte er sich mit einer Verfassungsbeschwerde an das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe und rügte die Verletzung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung. Die 3. Kammer des 2. Senats nahm die Verfassungsbeschwerde indes nicht zur Entscheidung an. Der Autor ist aus disziplinarrechtlichen Gründen gezwungen, darauf hinzuweisen, daß er in diesem Beitrag nur seine persönlichen Auffassungen darlegt.