Neues von der "unsichtbaren Hand"

Ökologiedebatte unter neuen Vorzeichen

in (10.06.2007)

Nach einem Winter, der keiner war, und immer neuen alarmierenden Befunden über die Folgen der Erderwärmung wird die Ökologiedebatte mit neuer Heftigkeit geführt. Doch statt eines grundlegenden gesellschaftlichen Wandels ist Marktgläubigkeit angesagt.

"Die unsichtbare Hand des Marktes wird grün." Mit dieser These überschrieb eine Gruppe grüner Bundestagsabgeordneter Ende 2006 das Impulspapier für einen Kongress zum Thema "Grüne Marktwirtschaft". Ihre verblüffende Kernthese: Angesichtsknapper werdender Ressourcen und globaler ökologischer Probleme wird der Marktmechanismus alle (tatsächlichen oder vermeintlichen) politischen Probleme lösen. Das Papier liest sich wie ein Wunschzettel neoliberaler Politik. Schlagworte wie Bürokratieabbau, Förderung des Wettbewerbs und des Unternehmertums oder Forderungen etwa nach einer zunehmenden Privatisierung öffentlicher Aufgaben verbinden sich zu einer Gesamtkonzeption, der zufolge beispielsweise das Gesundheitswesen zum Gesundheitsmarkt umgebaut werden soll.

Klimaschutz als ökonomischer Imperativ

Auch Ökoverbände und -initiativen versuchen zunehmend, mit ökonomischen Argumentationen zu punkten. Dabei fehlt selten der Hinweis auf einen Report des britischen Ökonomen Nicholas Stern, der davor warnt, dass durch den Klimawandel eine Schrumpfung der Weltwirtschaft in Größenordnungen um 20 % zu befürchten sei. Klimaschutz gilt demnach als ökonomischer Imperativ. Warnungen vor schmelzenden Polkappen, Dürre, Überflutungen und vernichteten Ökosystemen treten zurück hinter die Befürchtung, die Erderwärmung stehe einem dynamischen Wirtschaftswachstum im Wege. In der internationalen Klimaschutzpolitik werden marktkonforme Regelungen kaum noch in Frage gestellt.
So ist ein zentraler Bestandteil des vielfach gepriesenen Kyoto-Protokolls, dass die Berechtigung zum Ausstoß klimaschädlicher Gase zu einem individuellen Recht erklärt und damit zur Handelsware gemacht wird. Kritik am Handel mit Emissionszertifikaten beschränkt sich meist darauf, dass dieser staatlicherseits nicht konsequent genug umgesetzt wird. Gerade wenn dieses Konzept konsequenter umgesetzt würde, käme ein grundlegendes Marktgesetz voll zum Tragen: Wer in welchem Umfang Emissionsrechte bzw. die unter ihrem Einsatz erzeugten Produkte kaufen kann, hängt von der sehr ungleich verteilten Möglichkeit ab, für diese zu bezahlen. Die Frage, welche verteilungspolitischen Auswirkungen von dieser rein über "den Markt" organisierten Verknappungspolitik zu erwarten sind, findet erstaunlich wenig Beachtung.

Umweltpolitik als Standort- und Wettbewerbspolitik

Gerade von PolitikerInnen der grünen Partei wird tunlichst abgewehrt, mit Vorwürfen wie dem der "Wirtschaftsfeindlichkeit" belegt zu werden. Dies ist jedoch keineswegs bloß eine diskursive Strategie, um mit den "eigentlichen" ökologischen Forderungen im politischen Mainstream mitzuschwimmen, sondern dient etwa im Konzept der "Grünen Marktwirtschaft" zur Begründung eines umfassenden neoliberalen Politikentwurfs, in dem ökologische Fragen bloß noch am Rande vorkommen.
Die einst als "weltfremder Idealismus" denunzierte Umweltpolitik wurde so längst zur knallharten Standort- und Wettbewerbspolitik umdefiniert, die durch globale Marktordnungs- und Freihandelspolitik flankiert werden soll. Die AnhängerInnen ökokapitalistischer Konzeptionen werben für diese mit dem Versprechen einer allgemeinen Verbesserung des Lebensstandards im globalen Maßstab - bei gleichzeitiger Abwendung der erwartbaren katastrophalen Auswirkungen des Klimawandels. Zur Begründung solcher Einschätzungen dienen sattsam bekannte Grundannahmen wirtschaftsliberaler Ideologie, wie etwa, dass die unsichtbare Hand des Marktes das freie Spiel der Kräfte zu einem aus gesellschaftlicher Sicht allgemein wünschenswerten Ergebnis lenken wird. Was das heißen soll hat mit Umweltpolitik nur mehr wenig zu tun. Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht stattdessen die "nationale Wettbewerbsfähigkeit" auf internationalen Märkten: "Deutschland kann als Hochlohnland nur durch Technologievorsprünge wettbewerbsfähig bleiben." Der Rest der Welt kann ja mit niedrigen Löhnen und wirtschaftlicher Abhängigkeit versuchen, es sich gut gehen zu lassen.