Was Frauen wollen...

… oder besser: was Frauen wollen sollen. Neue

Was Frauen wollen sollen, beschäftigt nicht erst seit Eva Hermans Hausfrauenplattitüden die Feuilletons. Es wird über Feminismus debattiert. Eigentlich eine gute Sache, könnte man meinen.

Die Protagonisten der Debatte könnten unterschiedlicher nicht sein und sind allzu oft von Problemen getrieben, die mit Feminismus wenig oder gar nichts zu tun haben. Frank Schirrmacher geht es um die Demographie - die Deutschen sterben aus. Der Kirche und Teilen der CDU/
CSU geht es um die Famlie, dem Kern der Gesellschaft - die Werte wie Ehe und Mutterglück verfallen. Und von der Leyen hadert mit den Erzkonservativen ihrer Partei um die Kinderbetreuung. Neo-FeministInnen mögen sich am liebsten nicht mehr mit dem F-Wort betiteln, da es nach Verteidigung aus der "Opferrolle" heraus klingt. Sie fahren mit der neuen "F-Klasse" vor und proklamieren die "Klasse-Frau": die Gewinnerin der Marktwirtschaft à la Thea Dorn, Feminismus auf neudeutsch. Zur Zeit ist medial ein bestimmter Typ von opferbereiten Differenzfeministinnen en vogue. Sie surfen auf der gleichen Welle wie konservative Politiker: Ihrer Meinung nach emanzipieren sich Frauen am besten in den Arbeitsfeldern, die ihren ‚weiblichen FähigkeitenÂ’ am meisten entsprechen. Die Diskussion bewegt sich dabei in einem höchst spekulativen Terrain, nämlich der Frage, wie Frauen glücklicher wären und wo sie sich ‚als Frauen verwirklichenÂ’ können.

Die einen beklagen, Frauen seien von ihrer Mutterrolle entfremdet, die anderen gestehen immerhin Entscheidungsfreiheit zu, aber alles zu gleicher Zeit gehe eben nicht: An der Doppelbelastung von Arbeit und Haushalt zerbreche auch die stärkste Frau auf Dauer, also sollten wir uns besser frühzeitig entscheiden. Und wenn dabei neben dem individuellen Glück auch noch Ehe, Familie und die Würde der Frau gerettet werden - umso besser.Laut der amerikanischen Feministin Susan Faludi haben solche Debatten just dann Konjunktur, wenn die wirtschaftliche Situation eines Landes schwierig ist, die Einkommen sinken und die Arbeitsplatzkonkurrenz härter wird. Die Unverträglichkeit von Arbeits- und Privatleben, die Hinwendung zur Familie als Wert scheinen praktische Instrumente zu sein, um Frauen vom umkämpften Arbeitsplatz zu drängen.

Gesellschaftliche Widrigkeiten, denen auch mit gender mainstreaming nicht beizukommen ist, werden gerne vertuscht. Lieber werden strukturelle Probleme individualisiert und die neue Anti-Emanzipation mit mangelnder Emanzipation begründet: Weil Frauen faktisch nicht gleichberechtigt genug sind, müsse die Gleichberechtigung aufgegeben werden. Weil die Unabhängigkeit von Frauen allen Beteiligten das Leben schwerer mache, sollen sie sich in Abhängigkeit begeben und zum Beispiel auf eigenes Einkommen verzichten. Gleichzeitig wird genau gegenteilig argumentiert: die Geschlechtergleichheit sei längst verwirklicht, wer noch immer daran rum krittelt, habe es nur individuell nicht geschafft, die vorhandenen Chancen zu nutzen.
Eine seltsame Sicht, die Missstände, die Ursachen der Frauenbewegung waren und sind, verdeckt und gleichzeitig Errungenschaften der Emanzipation verschweigt. Auch jetzt ist die Gleichberechtigung noch lange nicht Wirklichkeit: Die Frauen haben sich angestrengt - die Hälfte von allem haben sie trotzdem nicht.

Derzeit wachsen (!) die Einkommensunterschiede zwischen den Geschlechtern sogar wieder; Frauen verdienen bei gleicher Arbeit statistisch 24 % weniger. Noch immer gibt es die "gläserne Decke" beim beruflichen Aufstieg. Frauen, insbesondere Mütter, stellen den größten Anteil der neuen Armen. Das tragische an der aktuellen Debatte über Feminismus ist, dass sie uns lange anerkannte Argumente wieder nimmt, denn sie hat beschlossen, dass die Probezeit vorbei ist: Entweder können Frauen nicht ebenbürtig sein - denn dann wären sie es längst -,
oder sie sind es und haben deshalb kein Recht zur Klage mehr. Bleibt letztlich die Frage, ob zwischen diesen Kampflinien der neuen neoliberalen FeministInnen und den alten opferbereiten DifferenzfeministInnen noch Land für wirklich linke und emanzipatorische und vor allem feministische Politik ist. Notwendig wäre sie allemal.