Komplexe Zusammenhänge und die Praxis von Akteur/inn/en in den Blick nehmen!

Anmerkungen zum Bericht "Zur Lage in Ostdeutschland"

1. Zur Komplexität aktueller gesellschaftlicher Umbruchprozesse

Das Netzwerk und der Innovationsverbund Ostdeutschlandforschung haben Ende des Jahres 2006 ihren ersten Bericht zur Lage in Ostdeutschland vorgestellt. Im Unterschied zu zahlreich vorliegenden Einzelbefunden wird im Bericht der Versuch unternommen, „den Zusammenhang zwischen den verschiedenen wirtschaftlichen und sozialen Problemen zu untersuchen“ (Bericht 2006: 3). Konzeptionell liegt diesem Versuch die Annahme zugrunde, daß die in Ostdeutschland zu beobachtenden Entwicklungen als Teil eines umfassenden Umbruchs der fordistischen Erwerbsgesellschaft zu sehen und in den Kontext eines „of-fenen Suchprozesses“ (ebd.: 7) nach einem neuen Wirtschafts- und Sozialmodell zu stel-len sind. Die Analysen, die unter diesen Prämissen zustande gekommen sind, die Ver-knüpfungen, die zwischen wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhängen hergestellt werden, und die aus den Befunden gezogenen Schlußfolgerungen lassen eine neue Qualität in der Ostdeutschlandforschung erkennen, die maßstabsetzend für weitere Forschungen sein kann. Der Bericht gibt Anregungen auch für unsere eigenen Untersuchungen, die seit Jahren Transformationsprozesse in Ostdeutschland aus einer Geschlechterperspektive in den Blick nehmen – und zugleich provoziert er Fragen, wenn man ihn aus dieser Perspektive liest. Etwa die Frage, ob und in welcher Weise im Bericht durch das konzeptionelle und analytische Fehlen der Dimension ‚Geschlecht‘ Verkennungseffekte erzeugt, also Zusammenhänge und (implizite) Hierarchisierungen (unbewußt, nicht-reflektiert) unsichtbar gemacht und damit dem wissenschaftlichen Blick entzogen werden. Oder die Frage, ob dadurch die Offenheit des Suchens nach einem neuen Entwicklungspfad (postfordistischer) moderner Gesellschaften nicht von vornherein begrenzt wird. Wir wollen im ersten Teil unseres Beitrages unsere Antwort auf diese Fragen in zumindest einigen Aspekten formulieren. Unserer Argumentation liegt ein bestimmtes konzeptionelles Verständnis von ‚Geschlecht‘ als einer Dimension sozialer Wirklichkeit und einer wissenschaftlichen Kategorie zugrunde, das wir zunächst kurz erläutern wollen.

1.1. Die sozialwissenschaftliche Kategorie ‚Geschlecht‘

Landläufig, d.h. im Alltagswissen, wird davon ausgegangen, daß es Männer und Frauen ‚gibt‘, daß die Unterteilung der Menschen in zwei Genusgruppen ‚natürlich‘, weil biologisch bedingt, als (Natur-)Tatsache gegeben ist und darin letztlich – bei allen sozial-historisch möglichen Variationen – die Geschlechterdifferenz ihren Ur-Grund hat. Auch viele politische Verlautbarungen und insbesondere viele wissenschaftliche Produktionen des sogenannten Mainstream gehen von dieser scheinbaren Selbstverständlichkeit aus, und sie erzeugt, als „epistemisch Unbewußtes“ (Bourdieu 2001: 126), spezifische Verkennungseffekte. Diese äußern sich z.B. darin, daß, wenn es um Emanzipation, um Gleichstellung oder Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern geht, primär oder ausschließlich an eine ausgeglichene Verteilung von Männern und Frauen auf (vor allem höhere) soziale Positionen, an eine geschlechtergerechte Verteilung von Ressourcen und Teilhabemöglichkeiten oder der Tätigkeiten in Erwerbssphäre und insbesondere im Haushalt und bei der Kindererziehung gedacht wird. Sie äußern sich auch darin, daß, wenn von ‚Geschlecht‘ die Rede ist, ‚selbstverständlich‘, unreflektiert Frauen (und ihre spezifischen Vereinbarkeits-Probleme) gemeint sind – und keineswegs Geschlechterverhältnisse. Ein Verkennungseffekt äußert sich in wissenschaftlichen Produktionen weiterhin darin, daß die ‚selbstverständliche‘ Einteilung in zwei Genusgruppen nicht daraufhin befragt wird, inwieweit sie als Klassifikations-, als Wahrnehmungs- und Deutungsmuster in Homologie zu anderen gesellschaftlichen Teilungen und ihren Klassifizierungen steht. In der Frauen- und Geschlechterforschung1 hat sich in langen Debatten die Erkenntnis durchgesetzt, daß ‚Mann/Männer‘ und ‚Frau/Frauen‘ keine wissenschaftlichen Begriffe sind, sondern ‚Geschlecht‘ ihre zentrale Kategorie ist. ‚Geschlecht‘ ist als Klassifikation zu verstehen, die in allen Bereichen/Teilsystemen sozialer Wirklichkeit differenzierend und hierarchisierend wirkt und institutionell verfestigt wird, als ein Modus, der soziale Ungleichheit legitimiert und (re-)produziert. In diesem Sinne ist ‚Geschlecht‘ eine Strukturkategorie. Die landläufige Unterscheidung in Männer und Frauen (bzw. in zwei und nur zwei Geschlechter) ist selbst Resultat einer kollektiven kulturellen Klassifikations- und Konstruktionsarbeit, die nur im Kontext der Herausbildung moderner Gesellschaften, ihrer charakteristischen Produktions- und Austauschverhältnisse soziologisch zu ‚verstehen‘ ist und deren historische Entstehungszusammenhänge im 18. Jahrhundert mittlerweile ebenso kollektiv wie individuell ‚vergessen‘ sind. Die klassifikatorische Unterscheidung in Frauen und Männer, wie auch die potentielle Klassifizierung aller sozialen Phänomene als männlich bzw. weiblich, haben so den Status der ‚Selbstverständlichkeit‘ gewonnen. Diese Unterscheidung, obwohl allgegenwärtig im sozialen Leben, ist zugleich nichts Starres, ein für allemal Gegebenes. Sie wird vielmehr beständig, als Kaleidoskop wechselnder, sich verschiebender und neu zusammensetzender Deutungen2, im praktischen Handeln von Akteur/inn/en, in ihrem alltäglichen, situations- und kontextabhängigen ‚doing gender‘ hergestellt; d.h. ‚Geschlecht‘ wird als hierarchisierende Klassifikation zum Einsatz gebracht, um ungleiche soziale Positionierungen in der Vielfalt ihrer konkreten Erscheinungsformen und Bedingungen praktisch zu leben. In diesem Sinne ist ‚Geschlecht‘ auch und zugleich eine Prozeßkategorie. Die symbolische und praktische Differenzierung und Hierarchisierung qua Geschlecht steht in Homologie zu anderen Formen sozialer Differenzierung, die die ungleiche Verteilung von Ressourcen und Chancen in einer Gesellschaft regulieren. Im Kontext von und in Homologie zu anderen Klassifikationen sozialer Differenz erzeugt die Geschlechtsklassifikation – wie auch Bourdieu aufgezeigt hat (vgl. Bourdieu 1997a; 2005) – Herrschaftseffekte; die ‚selbstverständliche‘ Einteilung in Männer und Frauen ist Ergebnis und Movens von Herrschaftsverhältnissen.
Ausgehend von diesem theoretisch-konzeptionellen ‚Vorverständnis‘, wollen wir im folgenden an einigen Punkten erläutern, wo der Bericht zur Lage in Ostdeutschland u. E. durch Vernachlässigen der Dimension ‚Geschlecht‘ bestimmte, wesentliche Zusammenhänge ausblendet und welche verkürzenden Auswirkungen dies auf gezogene Schlußfolgerungen hat. Um es vorab noch einmal deutlich zu sagen: Es geht uns nicht darum, den im Vorwort aufgezählten fehlenden „wichtigen Themen“ (vgl. Bericht 2006: 3) das Thema ‚Geschlechterverhältnisse oder -ungleichheiten‘ hinzuzufügen; vielmehr geht es uns darum zu hinterfragen, ob das anvisierte Ziel, also, „die aus unserer Sicht wichtigsten Zusammenhänge in einem Gesamtbild zu vereinen“ (ebd.), mit dem Bericht erreicht wurde.

1.2. Erwerbsarbeit, ‚disposable time‘ – implizite Hierarchisierungen durch das Ausblenden einer dritten Art gesellschaftlich notwendiger Tätigkeit

Die Autoren des Berichts konstatieren, ausgehend von aktuellen Befunden, eine zunehmende Spaltung in Arbeitsplatzbesitzer und Arbeitslose und damit tendenziell ‚Überflüssige‘ einerseits, ein Anwachsen von ‚disponibler Zeit‘ auf Grund steigender Produktivität andererseits. Sie folgern daraus die Notwendigkeit eines „grundsätzlich neuen Entwurfs der Erwerbsarbeit und des Verhältnisses von Arbeit und disponibler Zeit“ (Bericht 2006: 14). Die neue Form der Erwerbsarbeit soll nun „auf modernen und erweiterten Menschenrechten aufbauen“ (ebd.), die sich vor allem darin äußern, daß „jeder das Recht auf einen fairen Anteil an Erwerbsarbeit und an der disponiblen Zeit“ (ebd.) hat. Als praktisch-institutionelle Schritte zur Durchsetzung dieses Modells wird die Kombination von Erwerbsarbeitszeiten und Zeiten für Qualifizierung, Projektarbeit oder Familienarbeit vorgeschlagen, wobei die ‚Auszeit‘ von der Erwerbsarbeit durch ein (zeitlich begrenztes) Grundeinkommen finanziert wer-den sollte (vgl. ebd). Diese Vorstellungen haben ihren Charme, auch wenn sie keineswegs neu sind. Es erstaunt allerdings, daß die Autoren festhalten an der Erwerbsarbeit als dem zentralen Modus von Vergesellschaftung und Teilhabe, der grundlegend für die fordistische Phase der Moderne ist, die von ihnen ja gerade als historisches Auslaufmodell gesehen wird. Sie geben keine Gründe dafür an, weshalb sie an diesem (fordistischen) Paradigma festhalten bzw. weshalb sie Argumentationen, wie etwa des von ihnen zitierten Wolfgang Engler (Engler 2005), nicht folgen, wonach sich in der jetzigen Übergangsgesellschaft Möglichkeiten für einen Vergesellschaftungs- und Teilhabemodus eröffnen, der nicht an Erwerbsarbeit, sondern an Bürgerschaft gebunden ist.
Das Fokussieren des Berichts auf Erwerbsarbeit hat Konsequenzen, von denen wir zwei hier diskutieren wollen. Es zieht zum einen nach sich, daß die disponible Zeit und die in ihr verrichteten Betätigungen (im Bericht ist bezeichnenderweise von „Nichterwerbszeiten“ [Bericht 2006: 14] die Rede) nicht als gleichrangig und gleichwertig zu Erwerbszeiten gesehen und gewertet werden – sie bilden eher eine Ausnahme, eine Unterbrechung der Erwerbsarbeitsphase(n). Behält man aktuelle (neoliberale) Tendenzen einer Ökonomisierung des Privaten, der Lebensführung im Blick – zu beobachten z.B. an einer zunehmenden Verwischung der (fordistischen) Grenzen zwischen Erwerbsarbeit und Freizeit –, dann impliziert der Vorschlag der Autoren mit der (unintendierten) Hierarchisierung von Erwerbsarbeit und disponibler Zeit unter der Hand eine stillschweigende Reproduktion neoliberaler Dominanzsetzungen. Diese kann sich praktisch, für die Betroffenen, unter anderem als (indirekter) Zwang von Erwerbsarbeit bzw. Arbeitsmarkt herausstellen, bzw. als (tendenzielle) Unterordnung disponibler Zeit und ihrer inhaltlichen Verwertung unter die Zwecke der Ökonomie.
Zum anderen wird mit dem Festhalten an der Erwerbsarbeit als zentralem Vergesellschaftungs- und Teilhabemodus ein Wahrnehmungs- und Deutungsmuster reproduziert, das eine für moderne Gesellschaften grundlegende strukturelle Trennung normiert und normalisiert: die institutionelle und normative Abspaltung reproduktiver Tätigkeiten, die der „Produktion des Lebens selbst“ (Marx) dienen, von den unter dem Label (Erwerbs-)Arbeit firmierenden Tätigkeiten zur „Produktion der Lebens-Mittel“ im weitesten Sinne. Für die Autoren des Berichts ist das ‚Gegenstück‘ zur Erwerbsarbeit, auf das sie ihre konzeptionellen Vorstellungen eines neuen Entwurfs der Erwerbsarbeit gründen (interessanterweise ist hier nicht mehr von einem neuen Wirtschafts- und Sozialmodell die Rede), die durch Produktivitätssteigerung frei werdende Zeit. Anknüpfend an Marx sehen sie in der ‚disposable time‘, die durch „Reduktion der notwendigen Arbeit der Gesellschaft zu einem Minimum“ (Marx 1953: 593) gewonnen wird und für alle Individuen Zeit und Mittel für Betätigungen jenseits der Existenzsicherung bereitstellt, den wahren Reichtum der Gesellschaft. Marx hat hier vor allem „die künstlerische, wissenschaftliche etc. Ausbildung der Individuen“ (ebd.) vor Augen, und die Vorstellungen der Autoren scheinen in dieselbe Richtung zu gehen, wenn sie Zeit für Qualifizierung, gesellschaftlich nützliche Projektarbeit (vgl. Bericht 2006: 15), oder genereller, „Zeit für die freie Entfaltung der Fähigkeiten der Einzelnen“ und Tätigkeiten in Feldern, „die nicht nach dem Muster von Erwerbsarbeit funktionieren müssen und sollen“ (ebd.: 16), als Qualitätsmerkmal der ‚disposable time‘ hervorheben.3 Völlig außer acht lassen sie aber in ihren Überlegungen, daß es in modernen Gesellschaften – bedingt durch die strukturelle Trennung von ‚produktiver‘ (Erwerbs-)Arbeit und ‚reproduktiven‘ Tätigkeiten – ein Tätigkeitsfeld gibt (bislang institutionalisiert als ‚private Sphäre‘, Kleinfamilie, Haushalt)4, das einerseits nicht nach den Mustern der Erwerbsarbeit funktioniert und andererseits das Merkmal der Notwendigkeit und Existenzsicherung nicht abstreifen kann. Sie vernachlässigen damit konzeptionell eine dritte Art gesellschaftlich wie individuell notwendiger Tätigkeit. Zwar zählen die Autoren ‚Familienarbeit‘ zu den Tätigkeiten, für die eine ‚Auszeit‘ mit Lohnersatzleistung bzw. Grundeinkommen gewährt werden sollte, aber indem sie diese zeitlich begrenzen, reduzieren sie sie auf Phasen intensiver (Klein-)Kinderbetreuung (bzw., obwohl im Bericht nicht ausdrücklich genannt, Pflege von Angehörigen). D.h. aus den ‚reproduktiven‘ Tätigkeiten, die genau wie die Institutionen, in denen sie geleistet werden – ob ‚privat‘ oder kommodifiziert als Dienstleistungen –, unterhalb der ‚produktiven‘ Erwerbsarbeit rangieren und in aller Regel ‚weiblich‘ konnotiert sind, lösen sie bestimmte als gesellschaftlich anerkennenswert heraus. Die zahlreichen, alltäglich wiederkehrenden Tätigkeiten aber – von der Bereitung (gesunden, nahrhaften) Essens, einer Wohnumwelt, die den jeweiligen Bedürfnissen nach physischer und psychischer Reproduktion gerecht wird, bis zur Pflege fürsorgender, empathischer, solidarischer Beziehungen, die den unterschiedlichen Bedürfnissen aller Familienangehörigen entsprechen – kommen in diesem Modell nicht vor: Sie bleiben als ‚Rest‘, als in der Hierarchie sozialer Tätigkeiten ganz unten rangierend, weiterhin eine soziologisch wie politisch vernachlässigte bzw. zu vernachlässigende Größe. Die Autoren des Berichts befinden sich hier in großer Nähe zu den aktuellen politischen Debatten um Krippenplätze und die Vereinbarkeit von Erwerbsarbeit und Familie – zumindest für das qualifizierte (weibliche) ‚Humankapital‘. Auch in diesen Debatten wird Kinderbetreuung aus dem komplexen Feld der ‚Produktion des Lebens selbst‘ herausgelöst, bleibt der ‚Rest‘ eine Angelegenheit privater Aushandlungen und ‚Wahlfreiheiten‘ – und damit als strukturelles (und vergeschlechtlichtes) Problem aus dem Diskurs ausgeschlossen.
Die Fokussierung auf Erwerbsarbeit bewirkt nicht nur, daß die intendierte neue Form von Teilhabe an der disponiblen Zeit mit dem Makel der Zweit- oder Nachrangigkeit („Nichterwerbszeit“) behaftet bleibt, sie reproduziert auch die Ausblendung sogenannter ‚privater‘ reproduktiver Tätigkeiten aus der Analyse gesamtgesellschaftlicher Zusammenhänge. Zugleich wird damit deren Bewertung als gesellschaftlich nachrangige, als ‚weiblich‘ konnotierte Tätigkeiten reproduziert, die nicht zuletzt impliziert, daß sie als ‚passend‘ für Angehörige der weiblichen Genusgruppe angesehen werden – gegebenenfalls auch als ‚passender‘ als ‚männlich‘ konnotierte Erwerbs-, Qualifizierungs- oder Projektarbeit. Damit stellt sich auch die Frage, wer an welchen Nutzungsformen disponibler Zeit teilhat bzw. teilhaben kann.

1.3. Verkennungseffekte einer ‚funktionalistischen‘ Betrachtung des fordistischen Verhältnisses von ‚Arbeit und Leben‘

Bedenkt man diese Implikationen, die mit der Fokussierung auf Erwerbsarbeit hinsichtlich der Hierarchisierung anderer Tätigkeiten verknüpft sind, bergen die Vorschläge der Autoren, auch wenn sie auf kurz- und mittelfristige Lösungen abzielen5, die Gefahr, strukturelle Zusammenhänge auszublenden und aus ihnen resultierende Herrschafts- und Ungleichheitsverhältnisse zu verkennen, die bereits in der Spätphase der fordistischen Erwerbsarbeitsgesellschaft – von der Frauenbewegung, der Frauen- und Geschlechterforschung, zunehmend auch in der staatlichen Gleichstellungspolitik – als Verstoß gegen das Gleichheitsprinzip moderner Gesellschaften benannt worden sind.
Solche Verkennungseffekte lassen sich etwa aufzeigen in den Ausführungen zu neuen sozialen Problemlagen (Bericht 2006, Teil 4). Die Autoren gehen hier von der Annahme aus, daß jede Phase der Moderne, so auch die fordistische Erwerbsarbeitsgesellschaft, durch einen kohärenten Zusammenhang von ‚Arbeit und Leben‘, „Erwerbsarbeit und Lebensweisen“ (ebd.: 46) gekennzeichnet ist, der institutionell „die für moderne Gesellschaften typische Differenzierung des Wirtschaftens vom Leben in privaten Haushalten“ herstellt, sichert und –im jeweiligen Rahmen der phasenabhängigen Regulierungsformen dieser Differenzierung – die dynamische Anpassung an Entwicklungen ermöglicht. Zum einen fällt auf, daß die Autoren von einer eindeutigen Richtung der Herstellung institutioneller Kohärenz zwischen ‚Arbeit und Leben‘ ausgehen: Es sind die Erfordernisse der Wirtschaft, die eine funktionale Anpassung aller vermittelnden Institutionen nach sich ziehen. Soziologisch ist eine solche strikt funktionale Sicht allerdings weniger komplex und wird weniger der Eigenlogik der Teilsysteme und den Erfordernissen eines bürgerlich-demokratischen Gemeinwesens gerecht, als dies etwa in den Konzepten von Peter Wagner (1995)6, Wolfgang Engler (2005) oder auch von Boltanski/Chiapello (2003) der Fall ist. Zum anderen sind Zweifel an der Feststellung angebracht, daß „für moderne Gesellschaften überhaupt und den Fordismus insbesondere [...] entscheidend [ist], daß der funktionale Zusammenhang zwischen Arbeit und Leben nicht starr über eine kulturell festgeschriebene ständische Arbeitsteilung hergestellt werden kann“ (Bericht 2006: 47). Zwar gilt für moderne Gesellschaften normativ das ‚meritokratische Prinzip‘, wonach nicht Herkunft, Geburt, sondern Leistung, erworbene Zertifikate und Qualifikationen über die Positionierung (insbesondere im Erwerbssystem) entscheiden sollen – zugleich sind moderne Gesellschaften aber keineswegs frei von ständischen Prinzipien.7 Insbesondere die Institution des ‚privaten Haushalts‘8 ist gekennzeichnet durch Normative, Arbeitsteilungen und rechtliche Regelungen, denen das ständische Muster der Geburtsklassifikation zugrunde liegt, die einem/einer ‚von Natur‘ aus ein Geschlecht zuweist und diese Zuweisung kulturell verknüpft mit der besonderen, ‚natürlichen‘ Eignung der weiblichen Genusgruppe für für- und versorgende Tätigkeiten , die nicht allein auf Kinder beschränkt ist, sondern auf Ehemann (und alle Familienangehörigen) ausgedehnt wird und des weiteren auch auf dem Arbeitsmarkt Segregationen in Männer- und Frauenberufe, betriebliche Arbeitsteilungen und Hierarchien, die Positionierung von Frauen mehrheitlich in Teilzeitarbeit, Niedriglohnsektor oder prekären Beschäftigungen ‚legitimiert‘. Wenn die Autoren die entscheidenden „Funktionslücken der positiv auf Erwerbsarbeit bezogenen fordistischen Sozialsysteme“ (ebd.: 50) darin sehen, daß im bundesrepublikanischen Fordismus – im Unterschied zur DDR – erst sehr spät Frauen „als Massenarbeitskräfte rekrutiert“ und die „Sicherungssysteme an die Situation von Frauen und Kindern nicht ausreichend angepaßt wurden“ (ebd.), dann verkennen sie, daß das strukturelle Problem mit der Einbeziehung von Frauen in die Erwerbsarbeit keineswegs eine Veränderung erfährt9, und sie verkleinern dieses zugleich, indem sie die Lösung zur Schließung dieser ‚Funktionslücke‘ in der Erwerbsbeteiligung von Frauen, in Kinderbetreuung und ausreichenden Finanztransfers für heranwachsende Kinder sowie in der Vereinbarkeit von Beruf und Kindern (für Frauen) sehen (vgl. ebd.)10. Prononciert formuliert: Was die Autoren als (korrigierbare) Funktionslücke interpretieren, ist die grundlegende Voraussetzung für das ‚Funktionieren‘ des Fordismus; wenn sie eine „Kohärenz von Arbeit und Leben“ (ebd.: 46) konstatieren, verdecken sie grundlegende Widersprüche und Hierarchisierungen, die den Fordismus kennzeichnen, und verkennen, daß die Geschlechtsklassifikation ein prominenter Modus zum Überbrücken und Kitten der ‚system(at)ischen‘ Widersprüche ist, die für die fordistische Phase moderner Gesellschaften charakteristisch sind.
Mit dem Entstehen von ‚Überflüssigen‘ im Gefolge des ‚Veraltens‘ fordistischer Institutionen der Vermittlung von ‚Arbeit und Leben‘ entstehen neue soziale Problemlagen, denen aktuell mit einem „sekundären Integrationsmodus“ (ebd.: 51) begegnet wird, der Leistungen der Sozialsysteme nicht an Teilhabe, sondern an (materieller) Existenzsicherung bemißt. Es ist fraglich, ob auf der Suche nach neuen Entwicklungspfaden Problemlösungen gefunden werden können, die über diesen Integrationsmodus hinausweisen, wenn die für moderne Gesellschaften grundlegende Trennung von ‚Arbeit und Leben‘, die bislang trotz beständiger Modernisierungen ihrer vermittelnden Institutionen nie in Frage gestellt und in Form von Vergeschlechtlichungen von Tätigkeiten und Feldern, von geschlechtsgebundenen Arbeitsteilungen, kulturellen Geschlechterhierarchien und sozialen Geschlechterungleichheiten beständig reproduziert wurde, konzeptionell nicht hinreichend in den Blick genommen und über eine strukturell orientierte Problemlösung nachgedacht wird.

1.4. Die Notwendigkeit soziologischer Reflexivität

Alltagspraktische wie wissenschaftliche Klassifikationen, Begriffe, Wahrnehmungs- und Deutungsmuster verweisen nicht nur darauf, daß das Handeln in der sozialen Welt immer auch eine kulturelle Dimension hat – kulturelle Konstrukte üben, das wissen wir spätestens seit Bourdieus Arbeiten, eine symbolische Gewalt aus, d.h. eine Gewalt, die eine bestimmte, jeweils in einem sozialen Kontext vorherrschende, ‚legitimierte‘ Wahrnehmung und Deutung der Welt aufzwingt. Für Bourdieu kann diese Form symbolischer Herrschaft und können die materialen Wirkungen dieser Herrschaftsform paradigmatisch an der männlichen Herrschaft studiert werden, d.h. dem Klassifikationssystem, das alle Phänomene der Welt nach männlich oder weiblich unterscheidet und alles männlich Konnotierte höher bewertet (vgl. Bourdieu 1997b). Dies nicht zuletzt deswegen, weil sie in den vergeschlechtlichten Körpern eine materiale und quasi natürliche Existenz gewinnen. In der kulturellen Ordnung einer Gesellschaft haben Geschlechtsklassifikationen durch ihre „Einreihung in ein System homologer Gegensätze“ (Bourdieu 1997a: 161), die sich gegenseitig stützen und verstärken, eine Mächtigkeit, die sich als ‚normale‘ Sicht auf die Welt, als markierende Hervorhebung bestimmter Dinge und Zusammenhänge, als Exklusion oder Nachrangigkeit anderer institutionalisiert und verfestigt. Wird soziale Wirklichkeit in ihren wesentlichen Zusammenhängen und Wertvorstellungen dominant vom Paradigma der Erwerbsarbeit her wahrgenommen und gedacht, dann zieht dies, wie wir vorangehend gezeigt haben, quasi ‚automatisch‘ ein Ausblenden bestimmter, gesellschaftlich wie individuell notwendiger Tätigkeiten aus der Konzeptualisierung gesellschaftlicher Entwicklungsprozesse bzw. eine implizite Rangfolge von Tätigkeiten und Feldern nach sich, und es werden „Herrschaftseffekte in den Bahnen rationaler Kommunikation“ (Bourdieu 2001: 106f.) erzeugt. Bourdieu hat es als Privileg und spezifische Möglichkeit wissenschaftlichen Denkens, der ‚scholastischen Vernunft‘ angesehen, die Erkenntnismittel „als Erkenntnisgegenstände [...] behandeln“ zu können (Bourdieu 1997a: 153). Reflexivität als eine Leistung, die insbesondere die Soziologie zu erbringen hat, um die herrschaftsreproduzierenden doxischen Einstellungen aufzubrechen, die (unbewußt) in die wissenschaftliche Wissensproduktion einfließen, ist u.E. bislang in der Ostdeutschlandforschung eher unterentwickelt. Sie ist aber eine unerläßliche Voraussetzung dafür, in den aktuellen Umbrüchen und Transformationen Entwicklungspfade aufzufinden und kulturell-klassifizierend benennen (und damit als möglich bzw. erstrebenswert wahrnehmen und denken) zu können, die über die Regulierungsformen, zentralen Wertvorstellungen und institutionellen Vermittlungen von ‚Arbeit und Leben‘ des Fordismus hinausgehen. Sie sind auch eine Voraussetzung dafür, um in Institutionen wie in den praktischen Handlungen, Einstellungen und Motivationen von AkteurInnen überhaupt Veränderungen wahrnehmen und benennen zu können, die die Potentialität des Überschreitens des Gegebenen in sich tragen.
Im zweiten Teil unseres Beitrages wollen wir deshalb zunächst den Gedanken einer notwendigen Reflexivität mit Blick auf Denkmuster vertiefen, die die soziologische Debatte um die Benennung aktueller Umbruchs- und Entwicklungstendenzen (auch in der Ostdeutschlandforschung) dominieren, und in diesem Kontext das Fehlen einer Akteursperspektive als gravierende Leerstelle in diesen Debatten herausarbeiten. Abschließend wollen wir Aspekte einer praxeologischen Forschungsstrategie skizzieren, die unseres Erachtens orientierend sein können für die stärkere Fokussierung auf das praktische Handeln von Akteuren, wie sie als ein Schwerpunkt der Ostdeutschlandforschung für die nächste Zukunft angestrebt wird (vgl. Newsletter Ostdeutschlandforschung, Nr. 7 vom 31.1.2007).

2. Soziale Unbestimmtheiten und praktische Verschiebungen

2.1. Problematische Extrapolationen der Klassifikationen der organisierten Moderne

Ein Kernproblem aktueller Gesellschaftsanalyse allgemein ist die Extrapolation fordistisch geprägter Denk- und Bewertungskategorien, des Denkrepertoires der organisierten Moderne zur Benennung und Beurteilung gegenwärtiger Prozesse. Diese Problematik zeigt sich u.a. bei dem im ‚Bericht zur Lage in Ostdeutschland‘ zur Charakterisierung einer neuen sozialen Gruppe benutzten Begriff der ‚Überflüssigen‘. Zwar wird damit durchaus plausibel verdeutlicht, daß die gegenwärtigen Transformationen eben nicht lediglich ‚temporäre Problemlagen eines fordistischen Modells‘ (vgl. Bericht 2006: 49ff.) beschreiben, sondern den Rahmen dieses Regulierungssystems überschreiten und daher, bezogen auf das vergangene Regime, wachsende Bevölkerungsteile ‚überflüssig‘ werden. Gestützt wird dieser Befund der Autoren zudem durch prominente Gegenwartsanalysen. So spricht auch Robert Castel von der Heraufkunft einer neuen, heterogenen Gruppe der ‚sozialen Nicht-Kräfte‘ (Castel 2000: 359), die in der Zone der Entkopplung von jeglicher Erwerbsarbeit die Gruppe der ‚Überzähligen‘ bilden. Aber eine solche Perspektive ist in zweierlei Hinsicht engführend: Sie vereinfacht und reduziert die Komplexität des gegenwärtigen Umbruchs und seiner Dynamiken auf Erosionen im Bereich der Erwerbsarbeit, und sie schreibt – zwar in kritischer Absicht, aber dennoch unreflektiert – die Klassifikationsschemata und Abwertungen des ‚Fordismus‘ als spezifischer Regulationsvariante der ‚organisierten Moderne‘ (Wagner 1995) fort. In dieser Phase der Moderne war unstrittig die Erwerbsarbeit der zentrale soziale Platzanweiser, über den sich bis heute vielfältige Dimensionen sozialer Ungleichheit vermitteln. Und so steht in soziologischen Gegenwartsinterpretationen die radikalisierte Ökonomisierung des Sozialen und damit die Ausweitung der Dominanz der Erwerbsarbeit mit ihren Flexibilisierungs- und Selbstorganisationsanforderungen gegenüber dem ‚sozialen Rest‘ des ‚Lebens‘ im Vordergrund. Zugleich ist Erwerbsarbeit ein knappes Gut geworden, und die ‚kritische Masse‘ (Engler 2002) derer, die nicht (mehr) an ihr partizipieren können, die mehr oder weniger außen vor bleiben, wächst. Während also einerseits von einer ‚Re-Kommodifizierung‘ und zugleich ‚Entsicherung‘ der gesamten Lebensführung und mit Blick auf die gesellschaftlichen Institutionen von einem Umbau im Zeichen der Verallgemeinerung des Marktes gesprochen wird, vervielfältigen sich andererseits – eben gerade durch damit verbundene Prekarisierungsprozesse – jene Lebenslagen, die jenseits dieses Marktes existieren. Die Beschreibungen, die einzig vom Markt her denken, legen jedoch nahe, wir hätten es mit einer einheitlichen gerichteten Entwicklung zu tun und nicht mit vielfältigen Gegenläufigkeiten, mit Polarisierungen und Uneindeutigkeiten, die eben nicht nur eine Seite derselben Medaille sind. Soziale Wandlungsprozesse lassen sich nicht umstandslos als Ausdruck ökonomischer Veränderungen begreifen, sie sind auch im Bereich der kulturellen, symbolischen Ordnung und der Geschlechterordnung situiert, die mit ökonomischen Prozessen tendenziell korrespondieren, ihnen aber auch zuwiderlaufen können. Zugleich macht eine ökonomistische Marktperspektive die vom Markt Ausgeschlossenen lediglich als soziale Negativkategorie11 zugänglich, deren Mitglieder – wie es Robert Castel formuliert – „gleichsam in einem Zustand der Haltlosigkeit innerhalb der Sozialstruktur treiben und deren Zwischenräume bevölkern, ohne daß sie aber einen fest angestammten Platz finden können“ (Castel 2000: 12). Damit verbindet sich auch eine große Skepsis gegenüber der Zukunfts- und der Handlungsfähigkeit dieses Teils der Bevölkerung. Will man dagegen die zunehmend große, völlig heterogene Gruppe ‚irgendwie‘ prekär Lebender nicht als defizitär, also lediglich als Kehrseite der Ökonomisierung kategorisieren, dann wären zwei Aspekte stärker in den Blick zu nehmen:
Einmal geht es um die Frage, in welchen gesellschaftlichen Sphären und Strukturen sich ebenfalls Veränderungsdynamiken zeigen. So ist das Geschlechterverhältnis bzw. sind die damit verknüpften Geschlechterarrangements ein entscheidendes Movens, um die gegenwärtigen Umbrüche überhaupt verstehen zu können. Denn einerseits begegnen die Genusgruppen dem zunehmenden Zerfall des männlichen Normalarbeitsverhältnisses von unterschiedlichen Positionen aus. So gilt für einen (in Ostdeutschland jedoch erheblich geringeren) Teil weiblicher Erwerbsarbeitsteilhabe, daß diskontinuierliche Erwerbsverläufe und Arbeitslosigkeit, Teilzeitbeschäftigung und Niedrigstlöhne ohne Existenzsicherung bekannte und gelebte Verhältnisse beschreiben. Der gravierende Unterschied zu den gegenwärtigen Verhältnissen ist allerdings, daß diese Erfahrungen in der Vergangenheit von einem fordistischen Geschlechterregimes, gerahmt waren. In diesem wurde der ‚prekären‘ weiblichen Position (mit ihrer in Ost wie West gleichermaßen zugeteilten Zuständigkeit für die Haushalts- und Fürsorgearbeiten) der Stabilitätsgeber ‚männlicher Familienernährer‘ in Westdeutschland, bzw. der ‚männliche Haushaltsvorstand‘ in Ostdeutschland, zur Seite gestellt. Insofern ist ‚die‘ weibliche Genusgruppe (zunächst einmal grob vereinfachend gesagt) sowohl in ihren Selbstbildern, als auch in ihren Lebensführungen in anderer Weise von den Veränderungsdynamiken betroffen als ‚die‘ männliche. Mit der Trennung und Hierarchisierung der Bereiche des Öffentlichen und des Privaten waren vergeschlechtlichte soziale Erfahrungen verbunden: Als Verarbeitung der doppelten Vergesellschaftung der weiblichen Genusgruppe waren die weibliche Funktion in der symbolischen Ordnung und die mit ihr verbundenen Zuschreibungen eben nicht ausschließlich an die Erwerbsarbeit gebunden, während Mann-Sein und die männliche Ehre entscheidend durch die Position im öffentlichen Raum und in der Erwerbsarbeit bestimmt waren – vergeschlechtlichte Zuschreibungen, die bis heute unterschiedliche Krisen und Umdeutungen in den Genusgruppen anstoßen.
Andererseits sind gerade von Teilen der weiblichen Genusgruppe – durch die Forderung nach qualifikationsadäquater Erwerbsteilhabe, nach ökonomischer Unabhängigkeit, nach einer Vereinbarkeit von Erwerbs- und Familienleben, nach anderen Lebensformen jenseits der Kleinfamilie – der Geschlechtervertrag12 des Fordismus, seine strukturelle wie symbolische Ordnung und seine Grenzziehungen in Ost wie West in Zweifel gezogen und verändert worden.
Welche Dynamiken zeigen sich also zwischen zweigeschlechtlichem Klassifizieren und symbolischer Geschlechterordnung, den praktischen Lebensführungen und den sozio-ökonomischen Umbrüchen? Welche Konstellationen wechselseitiger Bezüge, aber auch von Gegenläufigkeiten und relativer Autonomie?
Und zum zweiten stellt sich die Frage umfassender – eben nicht nur auf die Art und Weise der Teilhabe an der Erwerbsarbeit beschränkt – danach, wie soziale Kohäsion angesichts der gegenwärtigen Transformationen hergestellt wird. Was hält die Gesellschaft zusammen? Welches sind die Grundbedingungen für Handlungsfähigkeit und für Praktiken sozialer Einbeziehung und Reziprozität? Welche gesellschaftskonstruierenden Kräfte, welche Potentiale der Einbindung können bspw. in der größer werdenden Gruppe der vom Markt Ausgesonderten liegen?
Diese Fragen zu beantworten erfordert, die veränderten sozialen Dynamiken zunächst kategorial offen zu beschreiben. Dabei erweist sich eine ausschließlich makrosoziologische Betrachtung struktureller ‚Ereignisse‘ als unzureichend; gefordert ist vielmehr, konsequenter eine Akteursperspektive einzunehmen, die die eigenwilligen und kreativen praktischen Aneignungen sozialer Transformation sichtbar macht.

2.2. Veränderte Dynamiken: Zunahme sozialer Unbestimmtheiten

Die Umbrüche, so unsere These, greifen grundlegend in die Architektur gegenwärtiger Gesellschaftsorganisation ein. Dabei geht es ganz wesentlich um den Modus, wie die Gesellschaft sich als Zusammenhang konstituiert, wie sie die einzelnen vergesellschaftet, wie Kohäsion geschaffen wird. Soziologische Beschreibungen betonen vor allem – wenn auch auf einem breiten, nicht abgrenzbaren Kontinuum – die Zunahme von sozialen Ungleichheiten zwischen den GewinnerInnen (den hochqualifizierten und -flexibilisierten Arbeitskräften in den urbanen Metropolen) und den VerliererInnen (qua Qualifikation, Alter, familiärer Einbindung oder sonstiger ‚Handicaps‘ und Immobilitäten) globaler Transformationen. Dies zeigt u.E. nur eine Seite der Umbrüche. Diese soziale Polarisierung findet durchaus statt, aber sie charakterisiert nicht hinreichend die spezifische Qualität der Wandlungsprozesse. Der Blick auf die Genusgruppen, ihr Verhältnis zueinander und die Differenzen und Hierarchien innerhalb der Gruppe der Frauen (bzw. der Männer) zeigt durchaus die o.g. Polarisierungen. So nehmen die Unterschiede zwischen Arm und Reich, zwischen Oberklassen- und Volksklassenmilieus, zwischen StaatbürgerInnen und ‚anderen‘ zu, und zwar zugleich quer zur Genusgruppenzugehörigkeit und in Anknüpfung an vergeschlechtlichte Chancen- und Teilhabestrukturen. Aber damit ist nicht alles gesagt: Es zeigen sich – wie auch im Bericht hervorgehoben – Prozesse des Zerfalls von institutionellen Regulierungen und Arrangements, deren soziale Folgen und Bedrohungen eine zunehmend verunsicherte Mitte gegenwärtig am lautstärksten artikuliert. Dies belegen u.a. der sich ausbreitende Zerfall des männlichen Normalarbeitsverhältnisses und die ‚Feminisierung‘ unzähliger Arbeitsverhältnisse, oder auch die zunehmenden Weigerungen, die ökonomischen und biographischen ‚Kosten‘ für die generative Reproduktion ausschließlich privat zu übernehmen. Mit der Prekarisierung von Arbeit und Leben, die die ‚Staatsbedürftigkeit der Gesellschaft‘ (Berthold Vogel) nur schärfer hervortreten läßt, verknüpfen sich für die praktizierten Geschlechterarrangements sehr unterschiedliche Dynamiken. Sie können die Umarbeitung dessen auslösen, was Mann-Sein oder Frau-Sein unter den gegebenen Bedingung heißt, und sich als solche Re-Interpretationen geschlechterdifferenzierender Klassifikationen als mehr oder weniger ‚vereinbar‘ mit den praktischen Lebensführungen zeigen. Hier können sich Konstellationen dauerhafter Reibungen und Widersprüchlichkeiten zwischen symbolischen Zuordnungen und praktizierten Arbeitsteilungen etablieren, die tagtäglich ‚Unruhe‘ stiftende Irritationen produzieren.
Wie sind also die gegenwärtigen sozialen Dynamiken, die sich nicht hinreichend als soziale Polarisierung beschreiben lassen, zu charakterisieren? Wir möchten zwei Aspekte in den Mittelpunkt stellen:
Zum einen haben wird es mit Prozessen der Entstrukturierung zu tun – mit der Auflösung sozialer Institutionen, der Entleerung und Schrumpfung sozialer und physischer Räume. Die Effekte sind doppeldeutig: Prozesse der Entsicherung, des Abbaus von Integrationsangeboten gehen einher mit der Lockerung von herrschaftsförmigen Zuschreibungen. Es geht also nicht nur um eine Defizitperspektive des Verlusts, sondern zugleich und dadurch um eine Entbindung aus mit diesem Format verknüpften Hierarchien und Ausbeutungsverhältnissen. Diese Lockerungen sozialer Eingebundenheit stellen sowohl Gefährdungen und Bedrohungen für die Lebensführungen der Individuen und sozialen Milieus, für die Kohärenz der Gesellschaft insgesamt dar, als auch Freisetzungen aus bisher wirksamen, institutionell abgesicherten und wenig hinterfragbaren Zuschreibungen. Denn mit der Prekarisierung von Erwerbsverhältnissen, ebenso wie mit Verschiebungen in der Trennung zwischen Erwerbsarbeit und ‚Privatem‘ durch veränderte Arbeitsformen und -zeiten und anhaltenden Diskussionen um die ‚Wahlfreiheit‘ bei der Organisation der generativen Reproduktion, zeigen sich eben auch Tendenzen, die das hierarchische Geschlechterverhältnis nicht generell außer Kraft setzen, aber die als Prozesse der partiellen Ent- und Neustrukturierung die Genusgruppen je unterschiedlich treffen. Sie zeitigen ambivalente Folgen. So wird mit den Entsicherungen der vergeschlechtlichte Orientierungsrahmen des Fordismus untauglich, und es werden (persönliche) Krisen hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen Männlichkeit und Erwerbsarbeit provoziert. Die Prozesse stärken aber auch Vorstellungen von einem Leben jenseits vergeschlechtlichter kleinfamiliärer Arbeitsteilungen, und sie spitzen – eben höchst ambivalent – die Verdrängung der generativen Reproduktion durch die überdehnten und entgrenzten Verhältnisse als gesellschaftliches Problem zu.
Zum zweiten haben wir es mit der Erschöpfung von sozialen Formaten und Klassifikationen zu tun – also damit, daß soziale Formate als Norm, als begehrtes Leitbild einerseits eine symbolische Überdeterminiertheit erfahren und andererseits in den praktischen Lebensführungen, in den Lebens- und Geschlechterarrangements als haltlos, vergangen, nicht mehr realisierbar erfahren werden. Diese soziale Dynamik läßt sich mit dem Heißlaufen eines Motors vergleichen, der hochtourig läuft und dennoch seine Kraft nicht entfalten kann, durch hohe Reibungsverluste ineffektiv wird oder im Leerlauf verbleibt. So ‚erschöpft‘ sich die Ausstrahlungskraft naturalisierender Zuschreibungen dessen, was Männer und Frauen sind, können oder tun sollten, indem für die AkteurInnen ganz praktisch erfahrbar wird, daß es ‚den männlichen Haushaltsvorstand‘ nicht mehr gibt, oder daß es die Teilzeitbeschäftigte im Niedriglohnbereich ist, die das ‚Familieneinkommen‘ verdient (vgl. hierzu die Fallbeschreibung in Völker 2007). Diese Nichtübereinstimmungen, diese Erschöpfungszustände zwischen symbolischer Ordnung und praktischen Arrangements treffen auf in der Vergangenheit klar zugewiesene geschlechtsdifferente Vergesellschaftungen und damit auf unterschiedliche Erfahrungen mit der Integration von Widersprüchlichkeiten. Während Frauen qua sozialem Geschlecht versämtlicht die Verknüpfung von konfligierenden Strukturgebern (Erwerbsarbeit und ‚private‘ Reproduktion) oblag und sie damit prädestiniert waren, gesellschaftlich abgewertete Arbeiten und verdrängte Zusammenhänge in ihrer Lebensführung präsent zu halten, unterlag das soziale Wirken des männlichen Geschlechts dem Gebot und der Notwendigkeit der symbolisch eindeutigen Verortung im Öffentlichen, der Herrschaftsförmigkeit und Überlegenheit. Es ist eine empirisch interessante Frage, an welche – durchaus eben geschlechtsdifferenzierende – Vergesellschaftungsmuster, Erfahrungen und Ressourcen Männer und Frauen in ihren praktischen Stellungen zu gegenwärtigen Umbrüchen anknüpfen und wer hier eigentlich die ‚unglücklichere‘ Ausgangssituation hat.
Zusammenfassend scheint sich die gewandelte Beschaffenheit des Sozialen, scheinen sich die Modi, mittels derer die Gesellschaft sich als Zusammenhang konstituiert, als erheblich uneindeutiger, fragmentierter und inkohärenter, wenngleich nicht unbedingt weniger herrschaftsförmig zu erweisen. Wir bezeichnen die damit verbundenen unterschiedlichen Dynamiken insgesamt als Zunahme sozialer Unbestimmtheit (vgl. auch Trinkaus/Völker 2007). Auf der Ebene der Lebensführungen ist damit zunächst einmal die Anforderung beschrieben, Instabilitäten und Ungewißheiten einzuräumen, mit ihnen zu ‚leben‘ und umzugehen. Es vermehren sich soziale Situationen, die sich einer intelligiblen (Zukunft antizipierenden), sozial anerkannten Verortung widersetzen, in denen also für die einzelnen künftige Entwicklungen zunehmend weniger geplant und beeinflußt werden können. Zugleich erschöpfen sich in diesen Situationen – zumindest partiell – die Ordnungs-, Binde- und Stratifikationskräfte der Sozialordnung und die mit ihnen verbundenen Grenzziehungen. Diese Situationen sozialer Unbestimmtheit stellen in ihrer Zukunftsoffenheit und mit ihren sozial nicht greifbaren Lagen hohe Ansprüche an das alltägliche Handeln, bieten aber auch praktische Gelegenheiten und Möglichkeiten für die Subjekte, modifizierte Strukturen zu generieren, die über das bisher Gegebene hinausgehen.

2.3. Forschungsstrategien: Praxeologische Perspektiven auf Suchbewegungen

Um die Räume sozialer Unbestimmtheit nicht durch oben genannte theoretische Engführungen vorschnell zu schließen, sondern sie explizit zum Ausgangspunkt zu machen, plädieren wir für eine praxeologische Forschungsstrategie. Gesellschaft und soziale Strukturen werden im Handeln, selbstverständlich nicht voraussetzungslos, hervorgebracht. Ist der Zusammenhang zwischen sozialem Handeln und sozialen Strukturen und Institutionen geprägt von Unbestimmtheiten, von – wie gegenwärtig – weitreichenden Nichtübereinstimmungen zwischen den habituellen Ressourcen und Erwartungen der einzelnen an die Gesellschaft einerseits und den praktischen Chancen der Aneignung andererseits (vgl. auch Bourdieu 2001: 301), zeigen sich Spannungen und Krisen, aber auch Suchbewegungen, die das sozial Mögliche und Vorstellbare erweitern können. Eine Rekonstruktion dieses ‚Sozialen‘ als Positionierung im Unbestimmten, als praktische Klassifizierungen und als Kohäsionsvermögen unter den Bedingungen einer zunehmend ‚unsicheren‘ und nicht antizipierbaren Zukunft, gilt es zu leisten. Dabei geht es weniger um das Individuum mit seinen Lebensentwürfen, Orientierungen und (Wert-)Vorstellungen, sondern vor allem um seine praktischen Stellungnahmen zu den Regeln und Dynamiken des sozialen Umfeldes. Praxis ist also nicht deckungsgleich mit den habituellen Dispositionen der Subjekte, sie ist auch nicht die Widerspiegelung der sozialen Welt – sie ist vielmehr die Art und Weise, der Zwang, das Leiden und die Möglichkeit des In-der-Welt-Seins. Insofern ist die Praxis der ‚Welt‘, ihren Veränderungen und Brüchen unmittelbar zugewandt und ausgesetzt, die ‚Interpretationen‘ derselben sind nicht kognitiv, sondern körperlich-praktisch, aus der Sache bzw. der Situation heraus. Durch dieses Gebundensein in der Zeit, dieses Strukturieren im Vollzug hat sich Praxis mit dem Gegebenen zwar zu arrangieren, aber in einer Weise, die auf Unschärfen, lockere Analogien, Kohärenz im Ungefähren baut und somit Spielraum läßt. In diesen nicht autonomen ‚Spielräumen‘ zwischen Routine und Kreativität entfaltet sich das Vermögen der praktischen Logik, Neues hervorzubringen, das sich von den Konstruktionen theoretischer Reflexionen ebenso unterscheidet wie von einem politisch-intentionalen Gestalten. Aufgabe der soziologischen Beschreibung ist es, gerade jene Momente in den Praktiken sichtbar zu machen, die über die Optik des Gewohnten hinausweisen und durch ihre Nichtpassungen und Verfehlungen – wenn auch prekär – andere Entwicklungsmöglichkeiten thematisieren.
Zusammenfassend: Es geht uns um eine praxeologische Ausrichtung der Forschung, die die Soziologie von dem mitunter wenig hilfreichen Ballast ihrer vorauseilenden, objektivierenden Deutung gegenwärtiger Pro-zesse mit den begrifflichen ‚Überresten‘ sich auflösender Konstellationen entlastet. Es geht uns nicht um eine Abstinenz hinsichtlich der Kriterien für eine ‚gute‘ Gesellschaft, aber sehr wohl um eine offenere Wechselseitigkeit zwischen wissenschaftlichem Klassifizieren von Umbrucherfahrungen und der Rekonstruktion der praktischen Logik dieser Erfahrungen.

An einem Fallbeispiel möchten wir zeigen, inwieweit praktische Verschiebungen in den Lebensführungen das Fassungsvermögen geläufiger (in diesem Fall geschlechtersoziologischer) Interpretationen fragwürdig machen und wir es damit auch mit Suchbewegungen nach angemessenen theoretischen Beschreibungen zu tun bekommen. Die Interviews mit einer jungen Filialleiterin stammen aus einer qualitativen Studie zu Arbeits- und Geschlechterarrangements von Beschäftigten im ostdeutschen Einzelhandel.13 Die junge Frau – sie ist Mitte zwanzig – lebt seit einem knappen Jahr mit ihrem Partner, einem gelernten und Vollzeit arbeitenden Handwerker, zusammen. Das Paar hat aktuell das Ende ihrer nur drei Monate währenden Schwangerschaft zu verkraften. Die Befragte leitet seit eineinhalb Jahren ein Outletcenter mit fünf 400 Euro-Kräften und einer von ihr hartnäckig erkämpften 30-Stunden-Kraft im ländlichen Brandenburg. Ihr Beschäftigungsverhältnis zeigt, daß mit ‚Prekarisierung‘ bei weitem nicht nur die Ausweitung geringfügiger Beschäftigung zugunsten vermeintlich sicherer Vollzeitverhältnisse gemeint ist. Ihre Position als Filialleiterin ist in mehrfacher Hinsicht prekär: Die Stelle ist jeweils auf ein Jahr befristet, die Arbeitszeiten sind maximal flexibilisiert, Überstunden der 50- bis 60-Stunden-Woche werden kaum vergütet, das Nettoeinkommen von 1.030 Euro ist für eine Familie nicht existenzsichernd und erfordert Nebenjobs.
Zwei Themen durchziehen die Interviews mit der Befragten.
Zum einen werden Strategien einer respektablen sozialen Positionierung und Einbindung thematisiert. In Abgrenzung zur Elterngeneration geht es der Befragten weniger darum, die Unbestimmtheit ihrer beruflichen Entwicklung einzudämmen, als darum, diese zu nutzen. Dabei hat Qualifikation keinen Eigenwert an sich, quasi als Laufbahngarantie, vielmehr geht es um strategische Qualifikationsbereitschaft, die nur dann eingelöst wird, wenn sie auch wirklich abgefordert wird. Die Haltung der jungen Frau ist eine des Auf-dem-Sprung-Seins, des Wartens auf die sich zufällig ergebende, unplanbare und unspezifische Chance, die spontan genutzt werden will. Ihr Arbeitshandeln zielt auf das Offenhalten vielfältiger Optionen durch die Übernahme von verschiedenen gleichzeitigen, auch ungelernten Jobs. In Abgrenzung zu ihrer Mutter, die ihr Handeln mit großer Skepsis verfolgt, bezeichnet sie diese Haltung, diese Achtsamkeit und Umtriebigkeit als Ergebnis einer langwierigen Entwicklung des ‚eigenen Stils‘. Das Umgehen mit Unsicherheit wird zur entscheidenden Ressource, die sie auch an die nächste Generation weitervermitteln will: Die Welt ist eben nicht eine ‚heile‘, und die Positionen und Laufbahnen sind nicht bestimmt – eine schwere Hypothek und eine große Herausforderung. Auf die Frage, was sie ihren potentiellen Kindern vermitteln möchte, antwortet sie: Wenn, dann druff vorbereiten, daß die Welt nicht so ist, wie einem dit immer erzählt wird. Weil dit is nicht so. (...) Und ’nem Kind nun vorzumachen, du kriegst ’ne Lehrstelle (–) ist für mich unrealistisch. (II, 42)
Hier deutet sich eine Handlungsstrategie an, die eher für soziale Milieus unterhalb der Respektabilitätsgrenze als Ausdruck ihrer gelegenheitsorientierten Habitus diskutiert wurde (vgl. Vester u.a. 2001: 28). Sie kann unter den veränderten Bedingungen jedoch für breitere Gruppen als ‚neue‘ oder erneut verfügbare Fähigkeit betrachtet werden, eine Zukunft, die nicht antizipierbar ist, ins Ungefähre zu gestalten, also handlungsfähig zu bleiben. Anders gesagt: Es geht um das Vermögen, die Veränderung des Sozialen auch biographisch, im Handeln sich ereignen zu lassen. Dies provoziert die (Forschungs-)Frage, inwieweit dem Argument, Bedingung für Handlungsfähigkeit sei die Antizipierbarkeit von Zukunft(-schancen) (so Bourdieu 2001: 283; Castel 2000; oder auch im Bericht 2006: 52), uneingeschränkt zuzustimmen ist. Wäre nicht eher als eine wesentliche Grundlage für Handlungsfähigkeit die rückhaltlose (materiell gesicherte) Zuerkennung von Würde und Zugehörigkeit innerhalb und jenseits der Erwerbsstrukturen, mit und ohne ‚Arbeit‘ zu nennen? Werden wir es künftig nicht eher mit Praktiken zu tun bekommen, deren Ressource weniger in ihrem Antizipationsvermögen als in dem Aushalten von Unbestimmtheiten beruht? Und weiter gefragt: Welche Funktion übernimmt in diesen Situationen sozialer Unbestimmtheit die Kategorie ‚Geschlecht‘ als eine mächtige Ressource sozialer Ordnung und Klassifikation und/oder als Ressource, um die Diskontinuitäten in prekären Vergesellschaftungen handhabbar zu machen?
Damit wären wir beim zweiten Thema der Interviews, den Vorstellungen zu Partnerschaft und Familienplanung und den Verknüpfungen von Arbeit und Leben, die – so meinen wir – auf jene Dynamik verweisen, die wir als Erschöpfung ‚selbstverständlicher‘ Geschlechterarrangements bezeichnen. Diese Erschöpfung vergeschlechtlichter Formate zeigt sich in einer Suchbewegung zwischen unbefragter Zweigeschlechtlichkeit und der Krise der vergeschlechtlichten Erwerbsintegration, die geschlechtsdifferenzierende Zuschreibungen unterläuft.
In der Praxis der jungen Frau sieht das so aus: Ihre Partnerschaft ist geprägt von der Vorstellung zweier komplementärer (Geschlechter-)Naturen mit unterschiedlichen Befähigungen, die sich auf Fragen der Lebensorganisation beziehen; der Freund ist genußfähig, großzügig und verwöhnt sie mit spektakulärem Kochen, die Befragte steht für die Haushaltsorganisation und eine straffe Lebensführung. Als das Paar sich ein Kind wünscht, nimmt die Befragte widerstrebend zur Kenntnis, daß sie eine aktive Mutterschaft und ihre Tätigkeit als Filialleiterin nicht wird verbinden können – in ihren Vorstellungen entkoppelt sie Familienzeit und Arbeitsambitionen. Für die nächste Zukunft findet dabei ein zögerlicher Umwertungsprozeß statt, der der Familiengründung Priorität einräumt. Die Befragte plausibilisiert diese neue Prioritätensetzung als Ausdruck eines ‚biographischen Reifungsprozesses‘. Die adoleszente, unbestimmte Aufbruchphase, die vor allem mit dem Erwerbsbereich verbunden war, ist beendet. Nun folgt als ‚Reifung‘ das Einmünden in die Phase des Aufbaus und der Entwicklung des ‚Privaten‘. Wie ist dies zu deuten? Haben wir es hier vornehmlich mit dem Einfinden in die notwendige, weil ordnende Geschlechterdifferenz zu tun? In der sozialwissenschaftlichen Frauen- und Geschlechterforschung treffen wir nicht selten auf Argumentationen, die solche Umorientierungen nach dem Muster einer kritischen Fordismusanalyse als ‚Retraditionalisierung‘, also als Präferenz für ein Familien- und Erwerbsarbeitsmodell mit hierarchischen und binär organisierten Geschlechterstereotypen klassifizieren. Dies wird u.E. der Komplexität dieser praktischen Erwägungen – zumal unter den veränderten Bedingungen – nicht gerecht. Das ‚Private‘ bedeutet hier eben nicht zwingend das gleiche wie in einem ‚fordistischen Geschlechterregime‘, in dem es einen durchweg weiblich konnotierten Raum mit männlicher Vormachtstellung, geschlechtshierarchischer Arbeitsteilung und damit verknüpften Konsequenzen für eine vergeschlechtlichte Integration in der Erwerbssphäre charakterisiert. Vielmehr ginge es darum zu beschreiben, wofür gegenwärtig das ‚Private‘ in Abgrenzung zu anderen Lebenssphären für die einzelnen steht, wie dies korrespondiert mit den strukturellen Verhältnissetzungen und Entgrenzungen und worauf vor diesem Hintergrund – möglicherweise nicht eindeutig geschlechterdifferenzierende – Handlungsstrategien zielen. In unserem ‚Fall‘ geht die Umwertung zugunsten des Privaten eben gerade nicht in ein vorgestelltes institutionalisiertes Modell mit männlichem Familienernährer und weiblicher Familienerhalterin ein – und zwar deshalb nicht, weil diese Konstellation (und ‚Geschlecht‘ als striktes Ordnungsraster zwischen Öffentlichem und Privatem) aufgrund der Instabilität der Lebens- und Erwerbsverhältnisse nicht verfügbar ist. Vielmehr drehen sich die Vorstellungen der Befragten um die Schaffung eines entsprechenden ‚Raumes‘ und Zeitfensters für eine Lebensphase, in der die Möglichkeiten für das Aufziehen von Kindern überhaupt erst gegeben sein könnten. Vorgestellt wird ein Konglomerat von Eigenheim, ländlichem Umfeld und Arbeitsbedingungen, die ein offeneres, harmonischeres, integriertes Verhältnis zwischen ‚Arbeit‘ und Leben jenseits der flexibilisierten Dauerumtriebigkeit ermöglichen. Ein solcher Neuanfang wird für beide Partner und beide Geschlechter vorgestellt, er konstelliert ein Nacheinander und Entkoppeln von arbeitsambitionierten Lebensphasen und gemeinsamen Phasen der Familienpriorität. An dieser Stelle geht es nicht um die unmittelbare Realisierbarkeit dieser Vorstellungen. Vielmehr werfen sie Fragen hinsichtlich ihrer Interpretation auf: etwa danach, (1) wie solche Vorstellungen des ‚Privaten‘ zu charakterisieren sind, die nicht in der Klassifizierung als ‚Retraditionalisierung‘ aufgehen, (2) welche (widerständige) Bedeutung sie in der immer engmaschigeren Ökonomisierung des Privaten für die Individuen haben (können), (3) welche uneindeutigen Entwicklungen sich hier für die Relevanz von ‚Geschlecht‘ abzeichnen und (4) inwieweit sich hier in Handlungspraktiken ‚neu generierte‘ Umgehensweisen mit sozialer Unbestimmtheit und Instabilität zeigen. So setzt die Befragte auf künftige, mit der Elternschaft verbundene Netzwerke und ‚Gelegenheiten‘, die aus der neuen Lebenssituation für sie und ihren Partner erwachsen:
Aber so, wenn du dann Familie hast, dann sieht die Welt ja schon wieder anders aus. Kannst du dich da ja schon wieder auf andere Sachen konzentrieren. Lernst wieder andere Leute kennen. Und knüpfst vielleicht wieder andere Connections zu irgend ’nem Beruf oder sonst irgendwie. Is ja immer so. Dit ganze Leben verstrickt sich ja irgendwie ineinander, ja. (…) Und weeßt du, ob der nächste Nachbar nicht irgendein Café hat, der dann sagt, na willst du hier nicht für drei Stunden am Tag, willst du nicht bei mir arbeiten. (II, 55)
Sowohl für die Befragte als auch für ihren Partner scheinen diese immer neuen Verortungen und die biographischen Diskontinuitäten ein durchaus tragfähiges ‚Lebenskonzept‘ auch unabhängig von der geplanten Elternschaft zu bieten:
Und eigentlich ist dit auch so, daß wir wirklich auch immer gesagt haben, weil ja nun Umzug wirklich ein dolles Thema ist, daß wir wirklich gesagt haben, ey, wir hätten wirklich nicht übelst Lust, wirklich ganz woanders ganz neu anzufangen. Wo du so sagst, da kennt dich keiner. Da kannst du vielleicht wirklich noch mal in ’ne ganz andere Richtung gehen oder. (II, 55)
Das empirische Beispiel am Schluß unseres Beitrags sollte die ganze Mehrdeutigkeit, das Heikle, Riskante und Unbestimmte der Umbruchprozesse und ihrer praktischen Aneignungen erhellen. Aufgabe einer praxeologischen Soziologie, die den sozialen Suchbewegungen in den Transformationen nachgeht, wäre es, genau dieser Schwebe sozialer Ungewißheit und Offenheit in der ‚Welt‘ und den ‚praktischen Stellungnahmen‘ (vgl. Bourdieu 2001: 302) Ausdruck zu verleihen.

Anmerkungen

1     Für die wissenschaftliche Denkrichtung, die ‚Geschlecht‘ als einen mächtigen, soziale Hierarchien und Ungleichheiten (mit-)erzeugenden Modus versteht und in die – disziplinär ausdifferenzierte – Analyse sozialer Wirklichkeit einbringt, werden gegenwärtig hierzulande Termini wie Frauen- und Geschlechterforschung, Genderforschung, Gender Studies verwendet. Sie verweisen sowohl auf die Wissenschaftsgeschichte feministischen Denkens als auch auf unterschiedliche, teils divergierende Konzepte. Unseren Ausführungen liegt ein konzeptioneller Ansatz zugrunde, der eine gesellschaftstheoretische Dimension (‚Geschlecht‘ als Bestandteil gesellschaftlicher Produktions- und Austauschprozesse) und eine akteurszentrierte, ‚praxeologische‘ Dimension (‚Geschlecht‘ als Modus praktischen, kontext- und situationsabhängigen Handelns) miteinander verbindet.
2     In der Frauen- und Geschlechterforschung wird dies als ‚Umschrift der Differenz‘ bezeichnet, also als der beständige, dynamische Prozeß, in dem die Konnotationen ‚männlich‘ bzw. ‚weiblich‘ wechseln (können), ohne daß das ‚sameness-taboo‘ verletzt wird, welches besagt, daß in diesen ‚Umschriften‘ die Differenz (und Hierarchie) zwischen ‚männlich‘ und ‚weiblich‘ klar erhalten bleiben muß.
3     Dies steht allerdings in einem gewissen, im Bericht nicht aufgelösten Widerspruch zum Festhalten an der Erwerbsarbeit als zentralem Vergesellschaftungs- und Teilhabemodus.
4     Im Teil 4 des Berichtes erwähnen die Autoren die „für moderne Gesellschaften typische Differenzierung des Wirtschaftens vom Leben in privaten Haushalten“ (Bericht 2006: 46), gehen aber lediglich auf ‚Funktionalität‘ ihrer Institutionalisierungen im Fordismus ein und lassen sowohl außer acht, daß diese Differenzierung mit einer Hierarchisierung und Vergeschlechtlichung einhergeht, als auch, daß damit ungleiche Möglichkeiten zu Teilhabe für diejenigen verbunden sind, die normativ und praktisch im ‚privaten Haushalt‘ verortet sind und am Erwerbsleben entweder nur vermittelt (über den – mehrheitlich männlichen - ‚Haushaltsvorstand‘) oder, in der Regel, in den unteren Rängen der Arbeitsmarkthierarchien teilhaben.
5     Der Bericht bleibt hier insofern unentschieden, als einerseits aus der Analyse der in Ostdeutschland ablaufenden Transformationen Konturen eines neuen Wirtschafts- und Sozialmodells gezeichnet werden sollen (was Überlegungen zu einer Um- bzw. Neubewertung gesellschaftlicher Tätigkeiten erfordert), andererseits „kurz- und mittelfristig angelegte Vorschläge“ (Bericht 2006: 15) vorgelegt werden, wie Ostdeutschland aus der Krise kommen könnte (was das Festhalten an der Erwerbsarbeit als zentralem Modus zumindest tendenziell rechtfertigen würde). Eine Vermittlung beider Dimensionen leistet der Bericht nur ansatzweise.
6     Peter Wagner etwa arbeitet in seinem soziologischen Versuch einer Rekonstruktion der (bisher) drei Phasen der Moderne heraus, daß die Regulierungsformen bzw. Institutionalisierungen einen jeweils phasenspezifischen Kompromiß zwischen der Logik kapitalistischen Wirtschaftens und der Eindämmung des tendenziell grenzenlosen, auf der Egalität der Menschen fußenden ‚Projektes der Moderne‘ darstellen. Die Herausbildung von Sozial- bzw. Wohlfahrtssystemen in jahrzehntelangen Aushandlungen eines ‚sozialliberalen Kompromisses‘, mit ihren Höhepunkten in den ersten Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg, führte zu an Staatsbürgerrechte gebundenen In- und Exklusionen, zu Teilhabeformen am ‚Sozialeigentum‘ (vgl. Castel 2000), die zwar wesentlich über die Position im Erwerbssystem vermittelt waren, sich aber keineswegs ‚funktional‘ auf Erfordernisse des Wirtschaftssystems reduzieren lassen. Sie sicherten auch soziale Kohäsion, ermöglichten Teilhabe am demokratisch verfaßten Gemeinwesen. Außer acht bleibt bei einer solcherart ‚funktionalen‘ Betrachtungsweise auch die ‚subjektive Dimension‘ der Lebensführung, die ‚Stellungnahmen‘ von AkteurInnen zu diesen institutionell vermittelten Bedingungen und Anforderungen (wir kommen darauf im zweiten Teil unserer Ausführungen zurück).
7     Das hat Ulrich Beck bereits Mitte der 1980er Jahre in seiner „Risikogesellschaft“ herausgearbeitet.
8     Interessanterweise beschränken die Autoren ihren Blick auf die Institutionen bzw. Institutionalisierungen, die ihrer Meinung nach zentral sind für Problemlösungen in einer „sich verändernden (entwickelnden) fordistischen Wirtschafts- und Lebensweise“ (Bericht 2006: 46) auf die raum-gegenständliche Ordnung, die sozialstrukturelle Gliederung und die Institutionen, die Kommunikation und Information regulieren. Die Institution des ‚privaten Haushalts‘ gehört für sie nicht zu den zentralen Zusammenhängen, auf die sich ein wissenschaftliches Modell von „Kohärenz und Umbruch in der fordistischen Ökonomie“ konzentrieren müßte (vgl. ebd.).
9     Daß die Autoren bei ihrer Beschreibung von „sozialen Problemlagen und institutionellen Bearbeitungsformen im Modell einer (idealisierten) fordistischen Ökonomie“ (Bericht 2006: 49) konzeptionell zu kurz greifen, zeigt sich z.B. daran, daß sie „auch in einem (idealtypisch) funktionierenden Fordismus“ (ebd.: 50) Probleme ausmachen, die als „Restgröße“ in den Bereich von Sozialfürsorge und Sozialhilfe fallen. Ihrer Meinung nach handelt es „sich hier in der Regel um Probleme, in die Menschen durch Zufall, Schicksal oder aufgrund individueller Mitgegebenheiten geraten, um Probleme, die eine den Standards der kapitalistischen Erwerbsarbeitsgesellschaft entsprechende Lebensführung, vor allem eine Erwerbsbeteiligung, ganz oder teilweise ausschließen“ (ebd.). Typisches Beispiel wären „alleinerziehende Mütter“, die, geschieden oder unverheiratet, für einige Zeit auf Sozialhilfe angewiesen seien, bevor sie in der Regel wieder ins Erwerbsleben zurückkehrten (vgl. ebd.). Abgesehen davon, daß hier unter der Hand normativ das ‚männliche‘ Normalarbeitsmodell wirksam ist und Familie nicht nur zeitweilig und nicht nur für alleinerziehende Mütter als ‚strukturloser Strukturgeber‘ (vgl. Krüger 1995) für erwerbstätige Frauen fungiert, funktionierte das fordistische Erwerbsarbeitsmodell ja gerade dadurch, daß die (männliche) Arbeitskraft weitgehend von reproduktiven Tätigkeiten durch die rechtliche (und steuerliche) Förderung des Ernährer-Hausfrau-Modells entlastet und das Vollzeit-Erwerbssystem durch das Fernhalten von Frauen vom Arbeitsmarkt abgesichert wurde.
10     So zeigt gerade das Beispiel der DDR, in der Frauen ‚massenhaft‘ in die Erwerbsarbeit einbezogen waren und ausreichend Kinderbetreuung gesichert war, daß damit die strukturelle Trennung von ‚Arbeit und Leben‘ mit den daraus resultierenden Geschlechterungleichheiten keineswegs beseitigt wurde (vgl. Dölling 2003; Trappe 1995; Helwig/Nickel 1993).
11     Auf die Gefahren einer ‚negativen Klassifikation‘, Personalisierung und Essentialisierung sozialer – und hier im engeren Sinn ökonomischer – Prozesse hat Sabine Hark (2005) hingewiesen und zugleich klar gestellt, daß es dringliche Aufgabe der Soziologie ist, die mit den Umbrüchen verknüpften großen sozialen Zumutungen und Leiden, die erfahrenen Abwertungen von Lebenslagen und -situationen und das Zusammenziehen von Handlungsräumen angemessen zu beschreiben. Von den gesellschaftlichen Gefährdungen und Verwundbarkeiten soll also nicht geschwiegen werden; aber ihnen kann man nicht mit einem Repertoire beikommen, das die Hierarchisierungen, Ordnungsvorstellungen, Zuschreibungen von Sinnhaftigkeit, von Legitimität und Illegitimität in den Begriffen mit sich führt, die lediglich historisch-spezifische Klassifikationen und Übereinkünfte sind, wie dies etwa durch die Begriffsbildungen aus einer Fordismus- oder Marktperspektive geschieht.
12     Der Begriff des Geschlechtervertrages zielt darauf, daß es „in allen modernen Gesellschaften einen historisch gewachsenen sozio-kulturellen Konsens über die jeweilige Ausprägung der Verkehrsformen der Geschlechter, ein gemeinsam von Männern und Frauen getragenes Leitbild und Lebensmuster über die ‚richtige‘ Form der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung, die Familienform und die Art und Weise der Integration der beiden Geschlechter in die Gesellschaft über den Arbeitsmarkt und/oder über die Familie gibt“ (Schenk 1995: 478). Zur historisch spezifischen Ausprägung des Geschlechtervertrages in der DDR vgl. Andresen u.a. 2003: 123-138.
13     An dieser Stelle kann eine ausführliche Fallanalyse nicht entfaltet werden, es geht uns eher generell um die theoretische ‚Herausforderung‘. So soll skizziert werden, wie Orientierungen, die an geschlechtsdifferenzierende und -hierarchisierende Zuschreibungen andocken, unter den Bedingungen sozialer Transformationen Praxen generieren können, die verschobene, neu konfigurierte Geschlechteranordnungen und Verknüpfungen zwischen Arbeit und Leben vorstellbar machen. In gewisser Weise ist der hier grob skizzierte Fall ‚beliebig‘ aus dem Sample entnommen worden – Verschiebungen in den Geschlechterarrangements und Friktionen zwischen Leitbildern und gelebten Praktiken lassen sich vielfach aufzeigen (vgl. dazu Völker 2006; 2007; Trinkaus/Völker 2007). Das Sample der Untersuchung umfaßt insgesamt 25 Männer und Frauen. Vier Befragte, so auch die Filialleiterin, sind in einem Abstand von eineinhalb Jahren zweimal (in diesem Fall im August 2004 und März 2006) interviewt worden.

Literatur

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Prof. Dr. Irene Dölling, Soziologin, Universität Potsdam
Dr. Susanne Völker, Soziologin, Universität Potsdam

aus: Berliner Debatte INITIAL 18 (2007) 4/5, S. 105-120