Kriege in Afrika

Themenschwerpunktseditorial

Wenn heutzutage von nicht aufhören wollendem Kriegszustand und von politischem Chaos die Rede ist, fällt der Blick schnell auf Afrika. Der "Krisenkontinent" scheint geradezu einzuladen zur drastischen Schilderung von vermeintlich archaischer Gewalt und zur schnellen Analyse ihrer Ursachen. Zumindest lässt ein Blick auf das Gros der Berichterstattung diesen Schluss zu: Warlordisierung, Tribalismus und Raubökonomie sind die vorherrschenden Begriffe, wenn es um bewaffnete Konflikte und Kriege auf dem afrikanischen Kontinent geht.
Gerne werden von den Medien jene ExpertInnen zitiert, die aufzeigen, dass in Afrika die Menschen schon immer Kriege geführt haben: Beutezüge und Plünderungen an sesshaften Bauern werden ebenso als gesellschaftliche Normalität nomadischer Stämme beschrieben wie Sklaverei als ökonomische Basis lokaler Machthaber. Derlei Informationsfetzen vermischen sich mit einer Bilderflut, die Afrika durch brutalste Gewaltakte und ausgemergelte Opfer repräsentiert. Der Schritt hin zur Deutung der Kriegsgründe als irrational und unbegreiflich, in jedem Falle vormodern und barbarisch, ist schnell getan. Und auch seriösere Analysen stehen dazu kaum im Widerspruch, etwa wenn sie behaupten, Kriegsziele seien nicht politische oder ideologische Anliegen, sondern einzig und allein ökonomische Bereicherung und Sicherung von Macht.

Mit solchen Analysen sind selbst entwicklungspolitische Akteure schnell bei der Hand. Die Welthungerhilfe zum Beispiel macht in einer einfachen Statistik die Armut als Triebfeder aus: breche das Wirtschaftswachstums eines Landes um nur fünf Prozent ein, steige die Wahrscheinlichkeit eines bewaffneten Konfliktes um fünfzig Prozent. Je geringer das durchschnittliche Pro-Kopf Einkommen, desto wahrscheinlicher herrsche Krieg. Logisch also, dass Afrika als besonders arme Region eben besonders kriegerisch ist. Kein Wort von der extrem ungleichen Verteilung der Reichtümer oder den Verwicklungen mit globalen Akteuren, die das Geschäft mit Edelhölzern und Diamanten über den Weltmarkt an den Waffenhandel koppeln.
Doch so gerne liberale und konservative InterpretInnen die Marktweltordnung bei der Ursachenforschung außen vor lassen, so sehr überstrapazieren manche linken KritikerInnen global-ökonomische Aspekte. Wer allein multinationale Unternehmen mit ihrer Gier auf Öl oder Coltan in den Mittelpunkt stellt, verkennt die internen Konfliktdynamiken, die sich antiimperialistischen Deutungsmustern meist entziehen. Nicht minder einfach gestrickt ist die Erklärung eines von Ressourceninteressen geleiteten Konkurrenzkampfes zwischen China und dem Westen. Und auch die viel bemühte Rede von der Privatisierung des Krieges suggeriert bloß, Söldnerunternehmen und lokale Kriegsherren, die jenseits staatlicher Ordnungsstrukturen agieren, seien etwas gänzlich Neues.

Wer bei Kriegen Ursachenanalyse betreibt und die Schuldfrage stellt, tendiert oft dazu, gut und böse oder Täter und Opfer streng auseinanderzudividieren. Auch gibt es die Angewohnheit, Ausbruch und Ende tagesgenau zu datieren. Wer aber begreifen will, warum es Kriege gibt, muss ihre oft widersprüchliche Dynamik erkennen und sich mit ihrer Komplexität auseinander setzen. Dies erlaubt es kaum, einen Tag festzulegen, einen alleinigen Täter zu definieren oder eine spezifische Ursache zu benennen. Und ob Ressourcen genutzt werden, um Kriege zu führen, oder Kriege geführt werden, um Ressourcen ausbeuten zu können, wird sicher nicht globaltheoretisch und allgemeingültig, sondern höchstens am konkreten Fall beantwortet werden können. Doch selbst dann ist ein Krieg in aller Regel noch nicht hinreichend "erklärt".
Das kann auch der vorliegende Themenschwerpunkt nicht leisten. Er will aber allzu schlichten Deutungen und theoretischen Entwürfen begegnen, indem er ins Detail geht. Dazu beschäftigt er sich mit einigen spezifischen Regionen Afrikas, in denen Bürgerkriege herrsch(t)en. Die Mikroperspektive auf lokale Landstreitigkeiten (DR Kongo) ist dabei nicht minder wichtig als die internationalen Kakaomärkte (Côte dÂ’Ivoire), der Diamantenhandel (Sierra Leone), das berüchtigte Öl (Sudan), eine besonders ausgebeutete Akteursgruppe (KindersoldatInnen) oder interne wie externe machtpolitische Kalküle (überall). Denn die Krieg ermöglichenden Gewaltmärkte haben materielle und politische Dimensionen, die "neuen Kriege" in Afrika sind weder vom Weltmarkt abgekoppelt noch sind sie frei von ideologischen Absichten. Und schon gar nicht sind sie vormodern oder irrational.

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