Viva Chávez? -Viva Democracia!

"Sozialismus des 21. Jahrhunderts"

Bleibt der "Sozialismus des 21. Jahrhunderts" ein demokratisches Projekt?

Als Hugo Chávez 1998 zur Präsidentschaftswahl in Venezuela antritt, rechnet zunächst niemand mit dem Erfolg des Kandidaten der venezolanischen Linken. Man geht davon aus, dass eine der beiden Parteien, die sich seit 40 Jahren die Macht im Staat teilen, einen Wahlsieg davon tragen kann: Entweder die sozialdemokratische partei (AD) oder die konservative Partei (COPEI). Doch die venezolanische Bevölkerung entscheidet anders und wählt den Militärführer Hugo Chávez, der schon 1992 gewaltsam versucht hatte, einen Regierungswechsel herbeizuführen.

Hugo Chávez steht für radikale Reformen: Er will Armut und Korruption bekämpfen, er will wirtschaftliche Unabhängigkeit für sein Land und er will die Bevölkerung stärker an der Demokratie beteiligen. Erstes Ziel der Regierung ist deshalb die Ausarbeitung einer neuen Verfassung unter Beteiligung der Bevölkerung. Die Kernstücke dieser Verfassung sind größere Partizipationsmöglichkeiten in demokratischen Prozessen, sowie direkter Einfluss in Entscheidungen der Administrative. Außerdem werden Positionen gegen den neoliberalen Mainstream festgeschrieben, wie das Verbot der Privatisierung der Bodenschätze und die Absichtserklärung, den Großgrundbesitz abzuschaffen. Die Verfassung wird 1999 in einer Volksabstimmung mit großer Mehrheit verabschiedet.
Auch die Bekämpfung der Armut treibt Chávez seit seiner Wahl stetig voran. Die steigenden Ölpreise sorgen für hohe Deviseneinnahmen des Landes, die wiederum umfangreiche Infrastruktur-, Bildungs- und Sozialmaßnahmen ermöglichen - die so genannten "misiones", die den Lebensstandard der Bevölkerung spürbar verbessern.

Im Dezember 2006 wird Chávez mit einer deutlichen Mehrheit von 63% in seinem Amt bestätigt und damit auch in seinem Projekt, dem "Sozialismus des 21. Jahrhunderts". Doch zunehmend wird deutlich, dass Verfassungstext und Regierungspraxis auseinander laufen: Die autokratischen Tendenzen der Chávez-Regierung lassen sich nicht länger bestreiten. Zum großen Teil vom Militär getragen, dehnt das Staatsoberhaupt seine Macht in die verschiedenen Gesellschaftsbereiche aus. Ende Januar diesen Jahres beschließt die Nationalversammlung, dass es dem Präsidenten für 18 Monate erlaubt ist, per Dekret in weitreichende Politikbereiche einzugreifen. Zudem hat der Präsident angekündigt, die Sozialistische Einheitspartei Venezuelas zu gründen und eine Verfassungsreform durchzuführen, die seine unbegrenzte Wiederwahl ermöglicht. All dies lässt vermuten, dass es ihm um eine weitgehende Machtkonzentration in seinen Händen geht.

Da bei hätte Chávez dies gar nicht nötig, steht doch der Großteil derBevölkerung hinter ihm und seiner Politik. Stattdessen sorgen solche Pläne dafür, dass sich auch in seinen eigenen Reihen Kritik breit macht. So bleibt abzuwarten, ob dieser "Sozialismus des 21. Jahrhunderts" ein demokratisches Projekt bleibt, in dem die venezolanische Bevölkerung die wesentliche Rolle spielt, oder ob die Wiederwahl des Präsidenten die letzte verfassungsmäßige Beteiligung der Bevölkerung am Projekt war.