Die russische Zivilgesellschaft wird geschlossen

Opfer der russischen NGO-Gesetzgebung: Das "Youth Human Rights Movement"

Opfer der russischen NGO-Gesetzgebung: Das "Youth Human Rights Movement"

Kurz kehrten sich die Machtverhältnisse in Russland wenigstens symbolisch um, als am 28. August die Moskauer Zentrale des Föderalen Registrierungsdienstes, von AktivistInnen des "Youth Human Rights Movements" (YHRM) mit Papierschlössern geschlossen wurde. "Wir haben einen Traum von einer Zivilgesellschaft ohne Barrieren und Verbote" war auf den mitgebrachten Transparenten zu lesen.

Vor kurzem gab es ein böses Erwachen: Seit Januar 2006 sind in Russland ansässige NGOs gesetzlich verpflichtet, sich registrieren zu lassen, sowie ihre von ausländischen Gebern stammenden Finanzmittel detailliert offen zu legen. Zugleich wird für deren Verwendung ebenfalls eine beinah minutiöse Dokumentation verlangt. Die russische Regierung reagierte damit auf die friedlichen Revolutionen in Georgien und der Ukraine. Diese wurden hauptsächlich von zivilgesellschaftlichem Protest getragen, angeleitet durch zum Teil aus dem Ausland finanzierten NGOs.

Zwar scheint ein ähnliches Szenario in Russland aufgrund der hohen Zustimmung zur Putinschen Politik derzeit unwahrscheinlich, dennoch will die Regierung durch eine verstärkte Überwachung von NGOs ihre Machtposition weiter ausbauen. Und dies mit traurigem Erfolg: Der Zeitung "Komersant" zufolge sind im Jahr 2007 über 600 NGOs in Russland akut von ihrer Schließung bedroht.
Mittlerweile zählt auch YHRM zu den Opfern der verschärften "Kontrolle": Am 13. Juni 2007 beschloss das Kreisgericht der Stadt Nishnij Nowgorod die Schließung der NGO. Die Organisation habe es versäumt, eine detaillierte Dokumentation ihrer ausländischen Finanzierung und der von ihr durchgeführten Aktionen ab dem Jahre 2001 beim regionalen Ableger des Föderalen Registrierungsdienstes einzureichen, so die Urteilsbegründung.

Weder die Tatsache, dass YHRM erst seit 2004 als international vernetzte und finanzierte Organisation registriert ist, noch fand der Umstand Beachtung, dass die angeforderten Berichte fristgerecht der zuständigen Zentralstelle des Föderalen Registrierungsdienstes, zugesandt worden waren.

Zu dieser eindeutigen Faktenlage kommt hinzu, dass die NGO diese vor Gericht nicht vorbringen konnte, da dieses keine Anstrengungen unternahm, das Youth Human Rights Mouvement über den Prozess auch nur zu informieren. Diese Praxis scheint mittlerweise gang und gäbe zu sein: "Die Briefe werden einfach in den Postkasten geworfen, manchmal sogar mit einer fehlerhaften Adresse versehen, und kurz darauf tagt das Gericht.", so Olga von der Moskauer Helsinki Gruppe, einer der größten Menschrechtsorganisationen Russlands. Das Urteil über YHRM wurde dementsprechend in vollständiger Abwesenheit der Angeklagten gefällt; die Urteilsverkündung erst Anfang August 2007 an sie weitergeleitet.

Mit YHRM traf diese Praxis nun eine der größten NGOs in Russland. Im Jahre 1998 von einigen politischen AktivistInnen gegründet, umfasst sie heute mehr als 1.000 Mitglieder und viele Partnerorganisationen, u.a. JungdemokratInnen / Junge Linke.

Einen thematischen Schwerpunkt der Arbeit von YHRM bildet die Stärkung von Menschenrechten und Zivilgesellschaft, nicht nur in Russland. AktivistInnen führen u.a. an Schulen Programme gegen Homophobie und Fremdenfeindlichkeit durch, bieten ju-ristische Beratungen für Jugendliche an und geben eine Zeitschrift heraus. Beim G8-Gipfel 2006 in Sankt Petersburg, als auch bei der diesjährigen "Gaypride" in Moskau dokumentierte YHRM Rechtsverletzungen der russischen Polizei gegenüber den Demonstrierenden.

Diese Arbeit ist mehr denn je auf internationale öffentliche Unterstützung angewiesen. Die Zahl polizeilicher Übergriffe steigt: "Fälle, in denen AktivistInnen auf dem Weg zu verschiedensten Aktionen aus dem Zug herausgefischt werden, kommen mittlerweile häufiger vor. Und es gibt auch ständig Situationen, in denen Polizisten ohne irgendeinen Grund die Wohnungen von Aktivis-tInnen betreten, nur um herauszufinden wo der-und-der hingegangen ist oder sich gerade befindet.", so Andrej Jurow, YHRM-Ehrenpräsident. In Russland gebe es hierfür wenig öffentliches Problem-Bewusstsein. Im Gegenteil: In den Massenmedien werde meist ein negatives Bild von Menschrechtsarbeit gezeichnet.

Durch die offizielle Schließung wird die Situation für die Mitglieder von YHRM noch unsicherer. Zwar sind in diesem Fall noch nicht alle Rechtsmittel ausgeschöpft, aber die Zukunft der Organisation ist ungewiss.
Eine aktive, partizipatorische Zivilgesellschaft scheint in Russland vorerst ein Traum zu bleiben.