Ihr redet über unsere Ressourcen!

Die Rechte der Indigenen sind auf dem Verhandlungstisch

Interview mit Lucy Mulenkei, Kittisak Rattanakrajangsri und Minnie Degawan:Indigene, ihre Gemeinschaften und deren Rechte und Interessen sind wesentlicher Teil der Konvention über die Biologische ...

GID, 185 - Dezember 2007, S. 5 - 7

Interview mit Lucy Mulenkei, Kittisak Rattanakrajangsri und Minnie Degawan
Indigene, ihre Gemeinschaften und deren Rechte und Interessen sind wesentlicher Teil der Konvention über die Biologische Vielfalt unter dem Dach der Vereinten Nationen.

Lucy Mulenkei (Koordinatorin), Kittisak Rattanakrajangsri (Generalsekretär) und Minnie Degawan sind VertreterInnen im Internationalen Indigenen-Forum zur Biologischen Vielfalt (International Indigenous Forum on Biodiversity)

Ich möchte Sie bitten, zunächst sich und Ihre Gemeinschaften, ihre Arbeit und Organisationen vorzustellen.

Lucy Mulenkei: Ich komme aus Kenia und arbeite in Westafrika für das Indigenous Information Network mit indigenen Gemeinschaften.

Kittisak Rattanakrajangsri: Ich komme aus Thailand. Die Mehrheit der indigenen Gemeinschaften, mit denen wir im südlichen Asien arbeiten, leben in Wäldern - man kann sie sich nicht getrennt von den Wäldern vorstellen. Alles ist damit verbunden: Das Land, auf dem sie leben, das Land, das sie bewirtschaften und das Land, auf dem sie ihre Nutztiere halten.

Minnie Degawan: Ich arbeite für die Cordillera Peoples Alliance auf den Philippinen. Mein Arbeitsschwerpunkt liegt derzeit in der Vermittlung der Inhalte der Konvention über die Biologische Vielfalt an die indigenen Gemeinschaften auf der lokalen Ebene. International bin ich mit Vernetzung beschäftigt. Es gibt sehr viele gemeinsame Themen für indige Gemeinschaften, nicht nur für die aus Asien und Afrika, sondern ebenso für die aus Lateinamerika und Russland. Dazu gehören die Frage der Nutzung natürlicher Ressourcen und die Landrechte. Wenn die Indigenen kein Kontrolle über ihre Landrechte haben, dann ist automatisch auch ihre Art zu leben gefährdet. Und wenn ihre Art zu leben zerstört wird, ist auch die Biodiversität nicht zu retten. Diesen Prozess wollen wir aufhalten, um so auch zum Schutz und zur Vermehrung der Biologischen Vielfalt beizutragen.

Leben Sie alle drei mit oder in indigenen Gemeinschaften? Oder sind Sie eher eine Art verbindendes Glied zwischen der Konvention auf der einen Seite und den indigenen Gemeinschaften auf der anderen Seite?

Minnie Degawan: Was wir hier tun ist unabhängig davon, wo wir leben - ob wir zum Beispiel im Wald leben oder nicht. Ich selbst bin Teil der Cordillera, die auf den Philippinen ihre Heimat haben. Im Moment lebe und arbeite ich aber in Thailand. Ich bin raus aus meiner indigenen Gemeinschaft, aber trotzdem trage ich meine kulturellen Werte in mir. Ich fühle mich in meinem alltäglichen Leben indigen. Ich fahre von Zeit zu Zeit nach Hause. Aber zum Arbeiten leben wir in der Stadt.

Lucy Mulenkei: Ich lebe in Nairobi, wo unser Büro ist. Aber ich bin sehr oft unterwegs bei den indigenen Gemeinschaften. Die Gruppen, die wir vertreten, leben oft unter sehr marginalisierten Umständen. Natürlich ist es sehr wichtig, den Kontakt mit ihnen zu halten. Wir müssen dafür sorgen, dass das, was wir auf den verschiedenen Ebenen der Verhandlungen - auf der lokalen, der regionalen und der internationalen Ebene - an Informationen bekommen haben, zurückkommt zu unseren lokalen Gemeinschaften.
Die Konvention über die Biologische Vielfalt beachtet wie kein anderes internationales Abkommen die Interessen der Indigenen. Das Internationale Forum der Indigenen Gemeinschaften ist ein Beratungsgremium der Konvention, und die Menschen des Forums sichern, dass die lokalen Gemeinschaften die Informationen der Konvention auch bekommen. Damit fängt alles an. Die biologischen Ressourcen sind dort. Und genau diese Ressourcen sind ja die, um die es geht, wenn in den CBD-Verhandlungen(1) von dem Zugang zu genetischen Ressourcen und dem fairen Aufteilen der daraus entstehenden Erträge, vom so genannten access and benefit sharing gesprochen wird.( 2)

Minnie Degawan: Sie dürfen bei den Gedanken an indigene Gemeinschaften nicht automatisch an Menschen denken, die im Wald oder auf den Bäumen leben. Indigene Gemeinschaften entwickeln sich. Nicht alle sind Jäger und Sammler. Und selbst von denen, die Jäger sind, tragen manche LeviÂ’s Jeans.

Haben diese dann alltäglichen Zugang zu Telefon oder elektrischem Strom?

Minnie Degawan: Nein, viele haben genau das nicht.

Lucy Mulenkei: Das kann aber von Region zu Region auf der Welt sehr unterschiedlich sein. Der Zugang kann in Lateinamerika sehr viel besser sein, als zum Beispiel in Afrika, wo die Bedingungen sehr schlecht sein können.
Das gilt auch für die Erreichbarkeit. Wenn ich zum Beispiel bestimmte Gruppen in Uganda besuchen will, dann kann das heißen, dass ich für eine Strecke 13 Stunden unterwegs bin.

Kittisak Rattanakrajangsri: Ich würde gerne vorschlagen, von drei Arten der indigenen Gemeinschaften zu sprechen. Die erste Gruppe lebt noch heute sehr traditionell, ohne Telefon und ohne elektrischen Strom. Die zweite Gruppe lebt ihr traditionelles Leben, startet aber langsam mit der Integration moderner Elemente in den eigenen Lebensstil. Und, last but not least, gibt es die dritte Gruppe, die praktisch in einer offenen Gesellschaft leben. Ich denke, so können wir die indigenen Gemeinschaften grob einteilen.

Was sind für Sie die wichtigsten Punkte in der nächsten Runde der Verhandlungen im Rahmen der Biodiversitäts-Konvention?

Minnie Degawan: Die wichtigsten Verhandlungen drehen sich um den Zugang zu genetischen Ressourcen und den gerechten Vorteilsausgleich, das so genannte ABS. Die Konvention spricht von dem ausgewogenen und gerechten Teilen - fair and equitable sharing - des Vorteils oder des Ertrages aus der nachhaltigen Nutzung der Biodiversität. Wenn die indigenen Gemeinschaften nicht als diejenigen anerkannt werden, die die Rechte an der Biodiversität innehaben, dann kann es keinen gerechten Vorteilsausgleich geben. So viele unserer Ressourcen sind schon genommen worden, ohne dass es irgendeinen Ausgleich, irgendeinen Anteil für unsere Gemeinschaften gegeben hätte. Ich glaube, dass dies der wichtigste Punkt ist, mit dem wir es in den anstehenden Verhandlungen zu tun haben werden. Es gibt eine gewisse Anerkennung für die Interessen der indigenen Gemeinschaften in der Konvention - und wir müssen diese Anerkennung weiter voran bringen. Außerdem gibt es Beschlüsse der letzten Vertragsstaatenkonferenz, nicht zuletzt über Unterstützung monetärer und nicht monetärer Art, deren Erfüllung wir prüfen müssen.

Lucy Mulenkei: Wenn wir über ABS sprechen, dann ist eine Schlüsselfrage, ob es gelingen wird, ein internationales Regime zum Schutz dieser Ressourcen zu entwickeln. Ergänzend dazu gibt es die Verhandlungen über den Artikel 8(j) der Konvention, der das traditionelle Wissen der indigenen Gemeinschaften schützen soll. Der Artikel 8(j) ist einer der wichtigsten für die indigenen Gemeinschaften in der gesamten Konvention. Die Verhandlungen über diese Punkte - ABS und der Schutz des traditionellen Wissens - lassen sich nicht voneinander trennen. Dabei ist das internationale Regime auch innerhalb der indigenen Gemeinschaften nicht unumstritten, und nicht alle Regierungen machen Druck, um dieses Regime zu erreichen. Aber wenn wir zum Beispiel über Hoodia und die San sprechen - und es gibt natürlich weitere Fälle - dann geht es genau um die Frage, wer von der Nutzung dieser Ressourcen profitiert.(3)
Weitere Punkte in den Verhandlungen sind der Herkunftsnachweis für die genetischen und biologischen Resssourcen, die Frage der geschützten Gebiete und der Einfluss des Klimawandels auf die biologischen Ressourcen.
Aber wie es Minnie Degawan eben schon gesagt hat, sehr wichtig ist eben auch, dass die indigenen Gemeinschaften ernst genommen werden und dass die Themen, die von ihnen auf den Tisch gebracht werden, in Betracht gezogen werden. Für die indigenen Gemeinschaften ist es immer sehr schwierig gewesen, die eigenen Themen in die Verhandlungen zu bringen. Gleiches gilt für die Regierungen, die die Punkte der Indigenen aufgenommen haben. In dieser Sache vertrauen wir auf die deutsche Regierung als Gastgeber und Vorsitz der Verhandlungen.

Kittisak Rattanakrajangsri: Ich möchte noch einen Punkt ergänzen: Wir haben die Artikel, die sich explizit mit dem Schutz des traditionellen Wissens befassen. Was uns aber nach wie vor fehlt, ist ein Regime zum Schutz der Ressourcen.

Was wäre für Sie das beste Ergebnis der Verhandlungen in Bonn? Was ist das Ziel für Sie?

Lucy Mulenkei: Für uns ist es von immenser Bedeutung, dass unsere Stimme gehört wird.

Kittisak Rattanakrajangsri: Es hat uns immerhin zwei oder drei Jahrzehnte gekostet, die Tür der Vereinten Nationen für die indigenen Gemeinschaften zu öffnen.(4)

Minnie Degawan: Es wäre wunderbar, wenn die CBD ihre Sprache ändern würde und von indigenous peoples und nicht von indigenous und local communities sprechen könnte. Aber das ist sicher ein langfristiges Ziel. (Alle drei lachen).
Ein anderes Ziel ist natürlich das ABS-Regime. Es steht nicht im Vordergrund, ob es dann ein rechtlich verbindliches oder ein nicht verbindliches System wird. Wie wichtig diese Frage ist, hängt von den unterschiedlichen Lebenskontexten ab. Es gibt keine strikte Trennlinie, die zwischen den verschiedenen indigenen Gruppen verläuft, hier die einen, die das rechtlich bindende System wollen, und dort die anderen, die es nicht wollen. Das hängt von den unterschiedlichen Kontexten ab, in denen wir uns bewegen. Wenn wir uns zum Beispiel indigene Gemeinschaften aus Birma anschauen und solche aus Schweden für einen Vergleich heranziehen, dann wird es klar, dass die Indigenen keine homogene Gruppe sind. Es ist auch selbstverständlich, dass die indigenen Gemeinschaften, die im Rahmen der Biodiversitäts-Konvention eine gewisse Koordination ihrer Interessen anstreben, sich nicht immer verstehen.
In Birma können wir, selbst wenn die Regierung einen Vertrag für ein rechtlich verbindliches Instrument unterschrieben hat, nicht davon ausgehen, dass es auch in nationales Recht implementiert wird. Wenn wir dann diese Implementierung einfordern, ist es sehr wahrscheinlich, dass wir nicht gehört, vermutlich nicht einmal wahrgenommen werden. Demgegenüber haben die Samen das Gefühl, stark genug für solche Forderungen zu sein, da sie es mit einer demokratisch gewählten Regierung in einem demokratischen Staatsgefüge zu tun haben. Und man muss sagen, sie haben das Gefühl zurecht.
Damit kommen wir an einen Punkt, der auch zwischen den verschiedenen Gruppen, zwischen den verschiedenen indigenen Gemeinschaften, offener diskutiert werden müsste. Ich glaube, wenn wir mehr über die Rahmenbedingungen wüssten, unter denen die verschiedenen Gemeinschaften leben, das heißt, wenn wir mehr voneinander wüssten, könnten wir leichter eine gemeinsame Positon erreichen.

Ich würde gerne zum Schluß noch auf das Geld zu sprechen kommen...

Lucy Mulenkei: Das ist meiner Einschätzung nach einer der wichtigsten Gründe, warum die Indigenen so lange aus den Verhandlungen herausgehalten wurden. Dabei sind die indigenen Gemeinschaften an diesem Punkt meines Erachtens immer sehr klar gewesen. Wenn wir über Access and Benefit Sharing sprechen, dann sprechen wir nicht in erster Linie über Geld. Für uns geht es dann um Anerkennung, um die Anerkennung unserer Rechte. Dieses Wissen kommt von uns.

Indigene sind im Rahmen der CBD sowohl Objekte als auch Subjekte der Verhandlungen. Wie ist das, wenn man, als jemand der am Verhandlungstisch sitzt, selber mit seinen Interessen und Lebensweisen zum Thema gemacht wird?

Minnie Degawan: Für mich steht im Vordergrund, dass wir in diesem Prozess sind, dass wir hier sind und über die Fragen der Biologischen Vielfalt, über ihren Schutz diskutieren. Und ich bin der festen Überzeugung, dass es richtig ist, dass wir hier sind.

Lucy Mulenkei: Wir waren von Beginn der Verhandlungen an immer präsent. Auch wenn wir nicht unsere Stimme in die Verhandlungen direkt einbringen konnten, so waren wir doch da und haben das auch gegenüber den Regierungen deutlich gemacht: "Hey! Ihr redet über unsere Ressourcen! Wir sind hier!"

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Christof Potthof

Fussnoten
1) CBD - Convention on Biological Diversity = Konvention über die Biologische Vielfalt.
2) Access and Benefit Sharing (ABS): Die Vertragsstaatenkonferenz in Kuala Lupur (2004) gab - einem Aufruf der Regierungen auf dem Weltgipfel zur Nachhaltigen Entwicklung in Johannesburg folgend - der ABS-Arbeitsgruppe ein neues Mandat zur Verhandlung eines internationalen Regime für den die ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus der Nutzung der genetischen Ressourcen ergebenden Vorteile ("to negotiate an international regime for the fair and equitable sharing of benefits arising out of the utilization of genetic resources", www.biodiv.org > Working Group on Access & Benefit Sharing).
3) Zu Hoodia siehe den Kasten im Artikel "Zuerst: Respekt!" von Andreas Riekeberg in diesem Schwerpunkt.
4) Seit dem ersten Treffen des "Permanent Forum on Indigenous Issues" vom 13. bis 24. Mai 2002 haben Indigene unter dem Dach der Vereinten Nationen eine eigene Stimme. Bis zu diesem Tag waren sie - wenn überhaupt - immer von Staaten und Regierungen repräsentiert. Im Netz unter: www.un.org/esa/socdev/unpfii/index.html.