Mit Riester zum Ruin der Rentenversicherung

in (22.02.2008)

Zu Recht ist die Riester-Rente wieder in die Kritik geraten. Oskar Lafontaine darf inzwischen weithin unwidersprochen sagen: "Die Riester

-Rente entpuppt sich als Anlagebetrug." Das ARD-Magazin Monitor hatte auf Grundlage interner Zahlen der Deutschen Rentenversicherung vorgerechnet, daß sich für einen Durchschnittsverdiener, der 32 Jahre Beiträge in die Gesetzliche Rentenversicherung einzahlt, die Zusatzbeiträge für die Riester-Rente nicht lohnen. Seine Rentenansprüche werden voraussichtlich derart niedrig ausfallen, daß er auf die Sozialhilfe für Alte, genannt "Grundsicherung", angewiesen sein wird. Wenn er dann im Alter tatsächlich noch 100 Euro monatlich aus seinem mühsam Angesparten in Form der Riester-Rente erhielte, würde das Sozialamt bei der Berechnung der Grundsicherung diese Eigeneinkünfte vorweg abziehen. Monitor machte dem bisher nicht informierten Fernsehpublikum bekannt, was der damalige rot-grüne Gesetzgeber bei Einführung der Riester-Rente ins Gesetz geschrieben hatte. Alle Eingeweihten wissen das, aber nicht einmal die fleißigen Berater für Riester-Sparverträge in den Sparkassen weisen die durch Angst und Hochglanzwerbung Angelockten darauf hin.

Der Protest der Versicherungs- und Finanzwirtschaft ließ nicht lange auf sich warten. Sie schickten ihre "Experten" vor, als ersten den "Altersvorsorgeexperten" Meinhard Miegel. Welt online zitierte ihn mit der Schlagzeile "Die Riester-Rente rechnet sich doch!" Zwar mußte auch Miegel zugeben, daß die "Grundaussagen" in dem Monitor-Beitrag richtig seien: für "all diejenigen, die im Alter auf Grundsicherung angewiesen sind, rechnet sich Riester nicht. Gleichwohl" - und nun wird seine Argumentation kabarettreif - "entlasten die Sparer mit ihrer Vorsorge die Sozialkassen." Und deshalb gibtÂ’s von diesem Experten zusätzlich einen Appell an das Gute, das doch in jedem Menschen zu finden sein muß, abzufordern vorzugsweise bei den Armen: "Zu riestern ist immer eine gute Tat zugunsten der Allgemeinheit." Er vergaß hinzuzufügen, daß sein Begriff von Allgemeinheit vorrangig das Wohl der privaten Banken- und Versicherungsgesellschaften meint, in deren Lobbydiensten er hauptsächlich tätig ist.

Auch Walter Riester selbst, der vor Jahren seinen Namen für die schändliche Sache hergegeben hatte, mußte noch einmal an die Propagandafront. Der Spiegel fand im Interview mit ihm den Satz, den er zur Überschrift machte: "Die Riester-Rente lohnt sich für jeden." Doch im Text gestand der Exminister ein: "Wenn jemand im fortgeschrittenen Alter erkennen sollte, daß er nach der Pensionierung ganz sicher auf die Grundsicherung von 660 Euro im Monat angewiesen ist, dann macht es ökonomisch keinen Sinn, eine Riester-Rente abzuschließen."

Eine Bankrott-Erklärung. Aber der Mann, der immer noch als SPD-Abgeordneter im Bundestag sitzt und vor Banken und Versicherungsgesellschaften Vorträge halten darf (Honorar: über 7000 Euro), redet sich seine Welt bald wieder schön: Auf Grundsicherung angewiesen zu sein, werde "bei der überwiegenden Zahl der Menschen nicht der Fall" sein. Riester hat also die Unteren, die weniger einzahlen können als der Durchschnittsverdiener, längst abgeschrieben und will offenbar auch nicht zur Kenntnis nehmen, was inzwischen fast jede Woche in den Zeitungen zu lesen ist, daß die Altersarmut in Deutschland infolge der von Rot-Grün und Schwarz-Rot beschlossenen vielfachen Rentenkürzungen massiv zunehmen wird - auch weil infolge der neoliberalen Flexibilisierung des Arbeitsmarktes bald kaum noch jemand die für eine auskömmliche gesetzliche Rente erforderlichen 45 Einzahlungsjahre wird erreichen können. Auch nach Einschätzung der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) droht in Deutschland mittelfristig ein massiver Anstieg der Armut im Alter.

Auf den ersten Blick etwas vorsichtiger und cleverer ließ sich Professor Bert Rürup, Vorsitzender des von der Bundesregierung eingesetzten Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung sowie Vorsitzender der Kommission zur nachhaltigen Finanzierung der Sozialversicherungssysteme vernehmen. Rürup will prüfen lassen und unter Umständen den Politikern empfehlen, die Erträge aus der Riester-Rente bei der Festsetzung der Grundsicherung nicht anzurechnen.

Hat der Mann plötzlich seine soziale Ader entdeckt? Wohl kaum. Wie könnte er vergessen, daß sein eigentlicher Auftrag- und Honorargeber die Banken- und Versicherungswirtschaft ist? Rürup (neben seinem Professorenamt und den Regierungsaufträgen unter anderem als Aufsichtsratsvorsitzender der AXA Pensionskasse tätig, geschätztes Jahreseinkommen 6,4 Millionen Euro) sieht die Gelegenheit, mit der Freistellung der Riester-Rente auch alle anderen Formen der Privatrente noch mehr vom Staat fördern zu lassen als bisher schon, zu Lasten der Gesetzlichen Rente. Wer heute "riestert", erhält vom Staat erhebliche Zuschüsse in Form von Steuer- und Sozialabgabenbefreiung bis zu vier Prozent vom Bruttolohn. Das ist ein gutes Geschäft für Vielverdiener. Ungefähr zehn Millionen, ein Viertel aller Beschäftigten, haben inzwischen Riester-Verträge abgeschlossen. Damit endlich auch die kleinen Leute in großer Zahl Beiträge in die private Finanz- und Versicherungswirtschaft zahlen, müßte man ihnen das schmackhaft machen: Jeder bekommt im Alter eine Grundsicherung und obendrein seine Privatrente!

Denn das ist der Trick des Herrn Rürup und sein eigentlicher Plan: Die bisherige Gesetzliche Rente soll nach wie vor im Alter auf die Grundsicherung angerechnet werden, nicht aber die Privatrenten. Hätte er Erfolg, wäre die heute noch weit überwiegende Gesetzliche Solidarrente bald tot. Die Arbeitnehmer und ihre Gewerkschaften würden für die Streichung aller Beiträge zur Gesetzliche Rente eintreten müssen, um nicht weiter einen Topf zu füllen, der hauptsächlich zur sozialen Grundabsicherung aller dienen soll, und diese wiederum müßte anschließend durch allgemeine Steuern finanziert werden. Die Grundsicherung im Alter würde so zu einer Art Sockelbetrag für alle Privatrenten. Die heute noch vom Lohn zu zahlenden Sozialbeiträge für die Gesetzliche Rentenversicherung sollen ja nach Meinung der marktradikalen Systemveränderer vom Schlage Rürups möglichst zur Gänze auf die Konten der privaten Rentenfonds geleitet werden, Riester öffnete dafür den Einstieg. Das neoliberale Trendblatt Der Spiegel nennt das einen möglichen und wohl bald nötigen "echten Systemwechsel", denn dadurch "würde die Allgemeinheit für die Basisversorgung aufkommen, für den Rest müßte jeder selbst sorgen". Leider seien dazu bisher weder CDU noch SPD bereit. - Aber man kann sie ja dazu bringen Â…

Genau darum geht es auch in den anderen Bereichen der sozialen Sicherungssysteme: Wo heute noch der schon arg geschredderte Sozialstaat ist, soll morgen das allein selig machende Kapital herrschen und Profite machen - das seine eigenen Risiken weiterhin dem nachsorgenden Staat aufbürden wird.