Wer Genmais sät, wird Widerstand ernten

Ein Interview mit dem Feldbefreier Michael Grolm

Seit 2005 werden in Deutschland gentechnisch manipulierte Pflanzen kommerziell angebaut, vor allem in den neuen Bundesländern. Dagegen richten sich die direkten gewaltfreien Aktionen der Initiative Gendreck weg - Freiwillige Feldbefreiung. Michael Grolm (*1972) ist Berufsimker und Agraringenieur. Bundesweit bekannt geworden ist der in Tonndorf bei Weimar lebende Feldbefreier aufgrund seiner Aktionen zivilen Ungehorsams. Am 13. September 2008 wurde er in Berlin als „Held des Alltags" für seine Zivilcourage mit dem Panterpreis der taz geehrt. Zuvor bekam er fast die Hälfte der 4.000 online für die sechs KandidatInnen abgegebenen Stimmen (GWR-Red.).

Graswurzelrevolution (GWR): Micha­el, Du hast 2005 mit anderen gewaltfreien Aktivistinnen und Aktivisten die Initiative Gendreck weg - Freiwillige Feldbefreiung gegründet. Was waren Eure Beweggründe?

Michael Grolm: Wenn wir zu­rückgucken auf die Geschichte der Anti-Gentechnik-Bewegung, dann gab es auf EU-Ebene Anfang der 90er Jahre ein Moratorium für einen fünfjäh­rigen Anbaustopp. Daraufhin sind sämtliche Aktivitäten eingeschlafen. Dann haben die US-Amerikaner über die WTO Druck gemacht auf die Europäische Union, dass die die Genpflanzen zulassen sollen. Das ist noch unter Renate Künast in ein Gesetz gemündet. Einerseits wurde eine Kennzeichnungspflicht eingeführt, sprich, man kann auf der Verpackung lesen, ob dort zum Beispiel gentechnisch verändertes Soja eingesetzt wird oder nicht. Dabei ist es ein Problem, dass das bei tierischen Produkten nicht der Fall ist. Auf der anderen Seite wurde erstmals kommerzieller Genanbau in Deutschland zugelassen. Wir haben im Vorfeld diverse Sachen gemacht, von Unterschriften sammeln bis zur bundesweiten Großdemo in Stutt­gart mit 10.000 Menschen und 300 Treckern. Wir haben Bun­destagsabgeordnete aller Parteien aufgesucht. Schließlich sindwir zu der Erkenntnis gelangt, dass die Politik nicht einlenken möchte. Daraus ist die Initiative Gendreck weg - Freiwillige Feldbefreiung entstanden.

GWR: Was ist denn eine Feldbefrei­ung?

Michael Grolm: Es gibt mehrere Feldbefreiun­gen. Feldbefrei­ung heißt, dass danach keine gentechnisch veränderten Pflanzen mehr auf dem Feld stehen. Die können sich dann auch nicht mehr ausbreiten und die Umwelt verseuchen. Das ist für uns ein Akt der Bewahrung der Umwelt. In der Natur gibt es keine Grenzen, die Natur hält sich nicht an die Gesetze, die der Mensch macht. Als Imker weiß ich, dass eine Biene für den Pollenflug sieben Kilometer in jede Richtung fliegt. Das ist ein Gebiet, un­gefähr so groß wie Köln. Die Bienen haben nichts anderes im Sinn, als Pollen zu ernten, und damit schleppen sie die Pollen von einem herkömmlichen zu einem gentechnisch veränderten Feld. Oder umgekehrt. Dort kommt es zur Auskreuzung. Dieses Ammenmärchen der Konzerne von der Koexistenz, das ist nichts anderes als K.O.-Existenz. Da muss man sich vor­stellen, wir sperren Schaf und Wolf zusammen und schauen mal, was dann übrig bleibt. Weil das jeder Mensch weiß, hat das dazu geführt, dass wir in Stuttgart Strategiegespräche geführt und analysiert haben: „Wie entsteht Geschichte, wie sind die Anti-Atom-Bewegung und die Friedensbewegung groß geworden, was waren Kris­tallisationspunkte?" Bei einer Feldbefreiung läuft das dann so ab, dass man im Vorfeld seine Unterschrift abgibt, dafür, dass man an einem bestimmten Tag, zu einer bestimmten Zeit zu dem Feld kommt und dort friedlich Pflanzen rausreißt.Das Ganze wird begleitet von Solidaritätserklärungen, von Menschen, die sagen, wir wollen diesen Schritt noch nicht gehen, aber wir finden das toll, dass Menschen das machen. Die spenden 5 bis 5.000 Euro und stellen sich öffentlich mit ihrem Namen hinter diese Aktion. Dadurch, dass es bekannt ist, kommen wir jedes Mal mit unseren Aktionen in die bundesweite Medienlandschaft. Es ist immer viel Polizei da, die aber oft nicht so motiviert ist, uns vom Maisacker fern zu halten, weil da auch viele sind, die das Zeug nicht auf ihrem Teller haben wollen. So haben wir es bisher immer wieder geschafft, auf die Felder zu gelangen und dort Pflanzen unschädlich zu machen.

GWR: Gegen wen konkret richten sich Eure Aktionen Zivilen Ungehorsams?

Michael Grolm: Einer­seits gegen Konzerne wie Monsanto, Syngenta Bayer CropScience und KWS, die Patente auf Leben angemeldet ha­ben, die Lizenzen verlangen, die mit aller Gewalt diese Technik weltweit einführen. Die schrecken auch nicht davor zurück, Leute einzuschüchtern oder Beamte zu bestechen. In Indo­nesien ist Monsanto zu einer Geldstrafe von 1,5 Millionen Dollar verurteilt worden wegen Beamtenbestechung. Das ist ein Bestechungsfall, wo das rausgekommen ist. In den USA ist bekannt geworden, dass dort Monsanto-Mitarbeiter für drei Monate in den Staatsdienst gehen, dann Gentechnikgeset­ze machen, bevor sie wieder zu den Konzernen wechseln. Es gibt jetzt auch einen Film über Monsanto, der zeigt das gut.

In Deutschland ist es auch nicht viel an­ders. Monitor hat vor ein paar Jahren herausgefunden, dass der oberste Mensch, der in Deutschland die Freisetzungs­versuche genehmigt auf Kongressen der Gen­tech­nikfirmen die neuen Pflanzen angepriesen hat. Soviel zur „Neutralität". Und Horst See­hofer, seit 2005 Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, ist auch so ein Kandidat, den können wir eigentlich nur noch GENhofer nennen. Der reist dann im Wahlkampf durch Bayern und sagt, man könne die Regionen selber abstimmen lassen, und auf Bundestagsebene, wo die SPD genau das eingebracht hat, blockiert er. Das ist hanebüchen. Da ist soviel Ungerechtigkeit, so dass es viele Menschen gibt, die sagen, wenn hier die Grenze überschritten wird, dass es in Zukunft keine Lebensmittel mehr gibt, die gentechnikfrei sind, dann achten sie auch nicht mehr die Grenze und gehen auf die Felder, was eine Straftat ist. Und die Prozesse, die nutzen wir dann wieder. Es gibt wunderschöne Prozesse, wenn dann die Richterinnen und Richter ins Schleudern kommen und einem Berufsimker erzählen, er könne ja mit jedem Bauern Gespräche führen, damit sie es nicht anbauen. Die stottern dann eigentlich nur noch rum und kommen irgendwann dazu, dass sie sagen: „Wir sind auch gegen Gentechnik, aber wir müssen den Staat vertreten und sie jetzt verurteilen."

Dazu muss man sagen, dass die Abgeordneten ein Gentechnikgesetz verabschiedet haben, in dem explizit steht, dass man ge­gen dieses Gesetz nicht klagen darf. Und das nennt sich dann Demokratie.

GWR: Du hast gerade schon Monsanto erwähnt. Der Konzern hat erklärt, in Nordrhein-Westfalen keine Frei­landversuche machen zu wollen, weil der Widerstand dagegen zu groß sei. Wie sieht denn die Politik dieses Gentechnikkonzerns generell aus?

Michael Grolm: Es ist eine Politik der schleichenden Verunreinigung. Man weiß, dass diese Pflanzen sich auskreuzen. Da braucht man nur nach Kanada gucken. Dort gibt es kein genfreies Soja mehr, keinen genfreien Raps und der Mais ist kurz davor. Auch in Deutschland tauchen jetzt im­mer mehr Proben auf. Gerade beim Mais, der hier im Anbau ist, wo herkömmlicher Mais untersucht wird und wo auf einmal dann festgestellt wird, dass da Gentechnik drin ist, teilweise dann auch von Freisetzungsversuchen, die überhaupt nicht bis zur Zulassung gekommen sind. Das wissen die genau und darauf setzen die. Irgendwann wird man uns dann sagen: „Na ja, dann müssen wir halt die Grenzwerte hoch setzen." Im Moment liegt der Grenzwert bei 0,9 %. Das muss man sich mal vorstellen, auf dem Acker darf dann jede 100. Pflanze gentechnisch verändert sein und trotzdem gilt das dann noch als genfrei. Irgendwann wird man dann diesen Grenzwert erhöhen und sagen: „Das haben wir nicht gewusst und jetzt ist es halt so, aber nicht so schlimm, wir haben ja so schöne Turbosorten, dann baut die mal schön an und zahlt uns die Lizenz." Das ist die Politik der Konzerne. Es hilft nichts, zu sagen: „Ich kauf jetzt nur im Bioladen ein oder bau mir das Zeug selber an, dann wird das schon nicht kommen." Erstens werden wir nicht alle Verbraucherinnen und Verbraucher dazu kriegen, nur gentechnikfreie Produkte zu kaufen, die es im Moment auch noch nicht auf dem Markt gibt, außer in Form von tierischen Produkten, wo das dann über die Futtermittel in die Tiere gelangt und damit auf den Teller. Zu glauben, wenn wir alle gentechnikfrei essen, dass wir dann keine Gentechnik bekommen, das haut nicht hin, weil es schon Gesetze gibt, dass der Raps oder der Mais dann in Diesel zugefüllt wird. Da kann ich dann gar nicht mehr entscheiden, ob ich das haben will oder nicht. So gibt es eine schleichende Verunreinigung. Und irgendwann kann man nicht mehr zurück.

GWR: Im Rahmen der Kampagne Gendreck weg - Freiwillige Feldbefreiung habt Ihr in den letzten Jahren Aufsehen erregende Aktionen gemacht. Kannst Du die beschreiben und dabei darauf eingehen, wie genau Ihr dabei vorgeht?

Michael Grolm: Wir haben jetzt vier öffentlich angekündigte Feldbefreiungen durchgeführt, wo dann jedes Mal bis zu 700 Menschen gekommen sind. Das Ganze ist eingebunden in ein gentechnikfreies Wochenende, das ist ein Camp, in dem es gentechnikfreies Essen gibt, wo es viele Vorträge zum Thema gibt, Podiumsdiskussionen, Filme, einen Austausch, eine Möglichkeit, sich mit dem Thema vertraut zu machen. Da gibt es auch ein Handreichen an die örtliche Bevölkerung, um zu zei­gen, dass wir Menschen sind, die wissen, was sie tun. Viele Leute kommen wie ich aus der Landwirtschaft, Imker, Bauern und Gärtnerinnen. Das machen wir sichtbar. Darüber hinaus gibt es Aktionen, die die Gerichtsprozesse begleiten, wo wir z.B. mal eine Klagemauer aufgebaut haben aus Bienenkästen und Monsanto anklagen, wo wir den Spieß umdrehen, wo ich selber z.B. mal Bienen mit in den Pro­zesssaal genommen oder eine Honigprobe im Gerichtssaal ge­macht habe. Dann gibt es Aktionen, bei denen wir in Düssel­dorf vor der Monsanto-Zentrale schon mal einen Fuder Mist abgekippt haben. 2008 gab es auch eine große Aktion zur Genbank in Gaders­leben. Das ist die weltgrößte Genbank für Weizen, dort wird Weizen aufbewahrt, den Bauern in Jahrhunderten gezüchtet haben. Diesen kann man nur aufbewahren, indem man ihn alle paar Jahre wieder neu aussät, um dann wieder Saatgut zu haben, das konserviert und in den nächsten drei Jahren wieder ausgesät wird. Ausgerechnet dort ist ein Frei­setzungsversuch gemacht worden mit genmanipuliertem Weizen im Abstand von 500 Metern. Neben einem kulturellem Schatz der Menschheit macht man einen Genversuch, also meiner Meinung nach ist das ein Frontalangriff gegen die Menschheit. Diesen Versuch haben wir zunichte gemacht. Dort werden im kommenden Jahr große Prozesse geführt. Das waren sechs Menschen, die das gemacht und sich auch gestellt haben. Wir von der Freiwilligen Feldbefreiung stehen zu unseren Taten. Wir stellen uns. Wir begrüßen aber auch jede andere Feldbefreiung, die es gibt, bei Nacht und Nebel, weil das Resultat das gleiche ist, dass die Pflanzen unschädlich gemacht werden.

GWR: Die Einschüchterungsver­suche von staatlicher Seite sind offensichtlich. Wer selbst gentechnisch veränderte Pflanzen ausreißt, wird mit mindestens zehn Tagessätzen Gefängnis bedroht.

Michael Grolm: Ja, zehn Tagessätze, das heißt, wenn man das nicht bezahlt, dann muss man zehn Tage ins Gefängnis. Die Tagessätze schwanken von 5 bis 35 Euro. Jemand, der studiert, ist viel­leicht mit 10 bis 15 Euro dabei, das sind dann bei zehn Tagessätzen 150 Euro. Das ist nicht die Welt. Wir haben eine Rechtshilfegruppe, die sich um die Prozesse kümmert, die Prozesstrai­nings anbietet, wo man das durchspielt, um die Angst vor einem Richter zu verlieren. Das ist ja auch nur ein Mensch, der sich mit dieser Materie in der Regel überhaupt nicht auskennt, sonst würde er nicht so urteilen. Die Leute, die das durchgestanden haben, sind da gestärkt herausgegangen und freuen sich auf die nächste Feldbefreiung.

GWR: Du zum Beispiel auch. Wie war das bei Dir konkret?

Michael Grolm: Ich habe schon diverse Verfahren, weil ich Mitbegründer und auch ein Sprecher bin. Da versucht man mich natürlich mundtot zu machen auf verschiedene Art und Weise. Einmal, indem mir vorgeworfen wird, dass ich zu Straftaten aufrufe. Ein Verfahren ist jetzt vom Oberlandesgericht bestätigt worden. Da habe ich zehn Tagessätze bekommen. Dann gibt es einstweilige Verfügungen, das heißt, dass der Firmenanwalt von Monsanto, der immer die jeweiligen Anbauer vertritt, mir eine einstweilige Verfügung reindrückt. Mir wird dann angedroht, dass ich, wenn ich auf den Acker gehe, bis zu 250.000 Euro zahlen oder ein halbes Jahr ins Gefängnis gehen soll. Vor zwei Jahren war ich dann auf dem Acker. Das kann man sich bei uns auf der Internet­seite angucken. Daraus ist dann geworden, dass ich 1.000 Euro Strafe zahlen oder zwei Tage ins Gefängnis gehen soll. Ich hatte mit mehr gerechnet. Dann gibt es noch ein Verfahren, da habe ich 20 Tagessätze gekriegt. Da geht man dann da­von aus, das ist der Rädelsführer und der kriegt dann gleich mehr. Ich bereite mich jetzt darauf vor, dass ich demnächst diese zwei Tagessätze im Gefängnis absitzen werde. Das Ganze werden wir dann begleiten. Diesmal wollen wir eine große Demo machen, auch mit Treckern, Imkerfahrzeugen, Imkern und Promis. Darüber versuchen wir wieder Druck aufzubauen, dass jeder sich fragt, wieso geht denn ein Berufsimker dafür ins Gefängnis, dass er ein paar Maiskolben abbricht.

GWR: Die tagezeitung hat Dich als „Vorkämpfer für eine Welt, in der Bienen weiterhin die Chance haben, gesunden Honig zu produzieren" beschrieben: „Michael Grolm würde für seine Bienen ins Gefängnis gehen, wenn er sie damit vor genmanipulierten Honigpflanzen bewahren könnte." Für Dein Engagement hat die taz Dir nun den mit 5.000 Euro dotierten Panter-Preis verliehen. Herzlichen Glückwunsch!

Michael Grolm: Danke. Ich muss dazu sagen, dass ich diesen Preis nur stellvertretend für die Bewegung Freiwillige Feldbefreiung - Gendreck weg in Empfang genommen habe. Das Geld geht komplett wieder in den Widerstand. Ich bin nur ein Gesicht nach außen, eins von vielen.

GWR: Meinst Du, dass diese Auszeichnung auch einen gewissen Schutz vor der Repression bedeuten könnte?

Michael Grolm: Das weiß ich noch nicht. Aber ich freue mich auf die nächsten Gerichtsverfahren, wo ich dem Richter oder der Richterin dann um die Ohren hauen kann, dass man mit Feldbefreiungen sogar Preise gewinnen kann. Wir haben noch mehr solche Schutzmechanismen, auf unserer Internetseite finden sich viele alternative Nobelpreisträger und Prominente, die sich solidarisieren, z.B. Vandana Shiva aus Indien, Jose Bove aus Frankreich und Percey Schmei­ser aus Kanada. Damit wollen wir verhindern, in die kriminelle Ecke gedrückt zu werden. Das machen wir auch deutlich bei den Aktionen, wo es immer bunt zugeht und wo wir uns nicht verstecken vor der Polizei. Somit ist es für die Gegenseite schwierig, uns zu kriminalisieren. Da kommt dieser Preis gerade recht.

GWR: Würdest Du die bisherige Arbeit von Gendreck weg als erfolgreich einschätzen?

Michael Grolm: Ich halte sie für erfolgreich, weil es vorher überhaupt keine Bewegung in dem Sinne wie Gendreck weg gab. Wir sind eine Bewegung von vielen, die zu dem Thema arbeiten. Natürlich gibt es immer noch Gentechnik, aber wenn man sich an das Gerede der Konzerne vor 15 Jahren erinnert, da hieß es dann, dass in 10 Jahren das Zeug über­all steht. Auch Herr Seehofer wollte es zu seinem Antritt als Verbrau­cherminister 2005 einführen und das ist ihm nicht gelungen. Unter anderem auch aufgrund der vielen anderen Initiativen, die zu diesem Thema arbeiten. Aber wir sind ein Teil davon und wir hoffen, dass wir uns in Zukunft noch mehr mit anderen gesellschaftlichen Gruppen vernetzen, so dass es eine breite Bewegung wird, die es der Politik schwer macht, Gendreck durchzusetzen.

GWR: Anders als etwa die Anti-Atom-Bewegung ist die Anti-Gentech­nik-Bewegung noch relativ klein. Welche Perspektiven des gewaltfreien Widerstands im Allgemeinen und im konkreten Fall gegen die Gentechnik-Industrie siehst Du?

Michael Grolm: Na ja, das konnte man in diesem Jahr schon sehr schön sehen, dass es sozusagen wie beim Schneeballeffekt weiter rollt, dass sich Leute gefunden haben, die sagen: „Ja, das Thema ist wichtig, wir wollen das machen." Es gab 2008 viele Besetzungen, also, bevor das Zeug ausgesät worden ist, was dazu geführt hat, dass Hessen gentechnikfrei geworden ist. Es gab viele Feldbefreiungen, die bei Nacht und Nebel stattgefunden haben. Also, es geht darüber hinaus und es gibt anscheinend viele Leute, unabhängig von uns, die jetzt dieses Thema aufgegriffen haben und zu ihrem machen und mit ihren Mitteln vorgehen. Das finde ich begrüßenswert und ich hoffe, dass das nächstes Jahr dann noch mehr wird.

GWR: Das hoffe ich auch. Zur internationalen Vernetzung: Es gibt ja auch in anderen Ländern Bewegungen gegen die Gentechnikindustrie. Wie seid Ihr vernetzt?

Michael Grolm: Wir haben von Anfang an die internationale Vernetzung gesucht und auch gefunden. Es gibt eine Partnerorganisation von uns in Frankreich, die heißt übersetzt „Die Freiwilligen mehr", was eine starke Bewegung ist, die da auch große Flächen befreit. Auch bei unseren Aktionen gibt es immer eine internationale Beteiligung, wo wir Leute haben, die dann berichten, was bei ihnen stattfindet. Und umgekehrt waren wir auch schon bei Aktionen in anderen Ländern dabei und haben dort von unseren Aktionen berichtet. Diese Vernetzung gibt es, und wir wollen das noch stärker ausbauen. Wir hatten z.B. 2007 den Treck von „nature" zu unserer Feldbefreiung. Dort sind dann Bauern und Bäuerinnen von Straß­burg losgefahren mit ihren Treckern und haben eine Art Staffellauf gemacht von Station zu Station durch Baden-Württem­berg, wo dann bis zu 100 Trecker zusammengekommen sind. Das war eine länderübergreifen­de Treckerdemonstration.

GWR: Was wünscht Du Dir für die Zukunft?

Michael Grolm: Ich wünsche mir für die Zukunft, dass ich noch Honig verkaufen darf. Ein Kollege von mir, der direkt neben einem Freisetzungsver­such des Freistaats Bayern seine Bienenvölker hat, der ist dagegen vorgegangen. Dem wurde dann gesagt, er solle mit seinen Bienen wegwandern. Weil, wenn er diese genmanipulierten Pollen „Mon 810" in seinem Honig hat, dann ist das Sondermüll. Der ist dann wegge­wandert. Danach wurden Proben genommen und man hat trotzdem genmanipulierte Pollen in seinem Honig gefunden. Da fragt man sich dann, wie die da reinkommen. Also fliegen Bienen wohl sehr weit und die lagern ja auch die Pollen in den Waben. Der hat seine gesamte Ernte dann zur Müllverbren­nungsanlage gebracht. Jetzt weiß kein Mensch, ob er Schadensersatz bekommt oder nicht. Fakt ist, wenn jetzt demnächst überall Gendreck steht, wohin sollen wir dann noch ausweichen? Das ist existenzbedrohend für Tausende von Imkern. Das wird dann seine Kreise ziehen, dahin gehend, dass es weniger Bienen geben wird, weniger Bestäubungen. Und das wird den ganzen Naturhaushalt durcheinander bringen. Das ist eine Katastrophe. Das ist ein konkretes Ding, was mir massiv an den Kragen geht, weil ich dann meinen Honig nicht mehr verkaufen kann. Darüber hinaus wünsche ich mir, dass die Menschen, die einen gesunden Menschenverstand haben, ihren Arsch hoch kriegen und handeln. Das wünsche ich mir in der Politik und auch in der Zivilgesellschaft.

GWR: Herzlichen Dank.

Interview: Bernd Drücke

Das Gespräch zwischen GWR-Redakteur Bernd Drücke und dem telefonisch aus Tonndorf zugeschalteten Michael Grolm wurde am 8. Oktober 2008 im Studio des medienforum münster von Klaus Blödow aufgezeichnet und anschließend als Graswurzelrevolution-Radio-Sendung im Bürgerfunk ausgestrahlt. Die Sendung ist hörbar auf: www.freie-radios.net

Spendenaufruf: Zur Deckung von Anwalts- und Prozesskosten spendet bitte auf das Konto der Rechtshilfe Gendreck weg!, Konto: 4016871300, BLZ 43060967, GLS-Bank Bochum, Stichwort „Graswurzel"

Weitere Infos und Kontakte: www.gendreck-weg.de

www.schlossimkerei.de

Artikel aus: Graswurzelrevolution Nr. 333, Monatszeitung für eine gewaltfreie, herrschaftslose Gesellschaft, 37. Jahrgang, November 2008, www.graswurzel.net