Die Bank Sal. Oppenheim und die Süddeutsche Zeitung

Wer lässt sich dümmer einseifen als die SZ?

Die Qualitätszeitung aus München zelebriert den Banker-Baron Christopher von Oppenheim und will einen kritischen Leserbrief nicht drucken. Dieser wird hier nachgereicht.

Die Süddeutsche Zeitung, die bei Nostalgikern mit einem irgendwie kritischen Image behaftet ist, brachte am 21.7.2008 ein ganzseitiges Interview unter dem Titel Für uns spielen Steueroasen keine Rolle – Privatbankier Baron Christopher von Oppenheim über Liechtenstein, altes und neues Geld und warum Deutsche weniger spenden als Amerikaner“.

Ich schrieb einen Leserbrief. Darin sind in aller Kürze einige Informationen aufgeführt, die der Interviewer Caspar Dohmen sich als journalistische Grunddaten eigentlich selbst hätte verschaffen müssen, wenn er denn vorgehabt hätte, sich vom angehimmelten Baron nicht kalt abservieren zu lassen. Aber er hat sich einseifen lassen – sehenden Auges, ungewollt-naiv, bestellt, angeordnet oder wie auch immer, das ist im Ergebnis gleichgültig.

Die von mir angeführten Informationen sind nichts Geheimes, sondern sind in Geschäftsberichten der Bank, ihrer Tochterfirmen und im Handelsregister von Luxemburg für jeden Laien, der ein paar Minuten im Internet surft, ohne jeglichen Rechercheaufwand zu finden.

Angst nur ein Vorwand?

Der Leserbrief beschränkt sich auf die Frage, wie die Bank Oppenheim in Steuer- und Finanzoasen im allgemeinen tätig ist. Die vom SZ-Interviewer zustimmend aufgenommenen Antworten des Barons etwa, der es im Interesse der „Wettbewerbsfähigkeit von Deutschland“ als sehr hilfreich ansieht, dass Löhne und Gehälter weniger gestiegen sind als Kapitaleinkommen, bleiben hier unkommentiert.

Als ich drei Wochen nach der Veröffentlichung des Interviews bei der SZ anfragte, ob sie denn nicht den Mut habe, den Leserbrief zu veröffentlichen, antwortete Redakteur Sowein mit der Befürchtung, dies könne zu einer „Millionenklage“ führen. Auf einen Nachweis der Fakten, den ich ihm anbot, ging er aber nicht ein.

Der Leserbrief im Wortlaut, den die SZ nicht veröffentlichte:

Christopher von Oppenheim behauptet, dass Steueroasen für die größte Privatbank Europas „überhaupt keine Rolle spielen“. Damit will er die Öffentlichkeit offensichtlich auf dreiste Art für dumm verkaufen. Der Staat Luxemburg, wohin die Bank Oppenheim 2007 von Köln ihren juristischen Sitz verlegt hat, ist selbst eine typische und zudem sehr bedeutsame Steueroase. Sie ist es etwa durch die Ausnahmen, die der EU-Vorbildstaat wie die Schweiz und Belgien bei der Europäischen Richtlinie zur Besteuerung von Zinseinkünften herausgehandelt hat, wozu übrigens auch der deutsche Finanzminister seine Zustimmung gab. Zu diesen Ausnahmeregelungen gehört z.B., dass Luxemburger Finanzakteure den Heimatfinanzämtern nicht die Namen der Steuerpflichtigen zu nennen brauchen. Auch die lasche Finanzaufsicht, das gesetzlich verankerte Bankgeheimnis sind typische Merkmale einer Steuer- bzw. Finanzoase.

Eine Vorstufe zur Sitzverlagerung der Bank Oppenheim nach Luxemburg war der 2005 getätigte Kauf des Luxemburger Finanzdienstleisters Services Généraux de Gestion S.A. (SGG). Dieses nun 100-prozentige Tochterunternehmen, spezialisiert auf das so geannte „Domizilierungsgeschäft“ (Einrichtung und Verwaltung von Unternehmensmänteln), bietet Oppenheim-Kunden „massgeschneiderte Finanzlösungen zur Vermögensstrukturierung“.

Jeder und jede kann im zuletzt erschienenen Geschäftsbericht der Bank Oppenheim nachlesen, dass die Bank inzwischen weitere SGG-Filialen unterhält, und zwar vorzugsweise in weiteren Steuer- und Finanzoasen: so z.B. in Vaduz/Liechtenstein, Genf/Schweiz, Nicosia/Zypern, Tortola, Port Louis/Mauritius und Panama City.

(Die folgenden fettgedruckten Sätze und Satzteile sollten zunächst gestrichen Werden, doch hier hat die Bank nach der ersten juristischen Runde einen Rückzieher gemacht:) Weitere Tochterunternehmen in Finanzoasen unterhält die Bank z.B. auf den Cayman Islands (Pramerica Alpha Fixed Income Opportunity Fund Cayman I; Azimuth Capital Preservation Fund II), in Wilmington/Delaware (Sal. Oppenheim Corporate Finance North America Holding LLC), zahlreiche etwa in Dublin.

Lügenbaron?

In Liechtenstein hält die Bank über die Cavall AG eine Bankbeteiligung usw. Es geht selbstverständlich nicht nur um Steuern, das Dienstleistungsangebot von Finanzoasen ist wesentlich breiter. Das sieht man etwa an der Bankbeteiligung über Liechtenstein oder an der Holding in Delaware, in der Oppenheim ihre US-Beteiligungen bündelt. Der Baron sagt, dass die vom Interviewer angesprochene Niederlassung der Oppenheim-Tochter BHF-Bank in der Finanzoase Jersey (englische Kanalinsel) in diesem Jahr aufgelöst wurde. Das mag zutreffen. Allerdings hat die Bank ihre Präsenz in Jersey anderweitig kräftig ausgeweitet. So kaufte etwa die Oppenheim-Tochtergesellschaft Triton, spezialisiert auf den Private Equity-Aufkauf lukrativer Mittelstandsunternehmen, die größte Fensterbaufirma in Deutschland, WERU. Zu deren Verwaltung und Gewinnabschöpfung unterhält Triton in Luxemburg die WERU Luxco S.a.r.l., die wiederum – das gehört zu diesem ebenso professionellen wie infantilen Versteckspiel – von der Briefkastenfirma Triton Managers Limited mit Sitz in St. Hélier in der Finanzoase Jersey verwaltet wird; Triton Managers tritt wiederum als General Partner der 11 (elf!) Briefkastenfirmen The Triton Fund L.P. No. 1 bis Triton Fund No. 11 mit Sitz ebenfalls in Jersey auf und handelt schließlich im Namen der Briefkastenfirma Brederode International S.a.r.l., die ihren Sitz in Luxemburg hat.

„Für uns spielen Steueroasen keine Rolle“? Wer kann schöner die Wahrheit verdrehen? Und wer läßt sich dümmer einseifen als die Süddeutsche Zeitung?

Der Baron, einer der vier persönlich haftenden Gesellschafter der Bank, läßt sich in dem Interview noch mit der feinfühligen Bemerkung zitieren: „Mit dem Begriff Steueroasen kann ich eigentlich nichts anfangen. Es gibt einen Wettbewerb zwischen Ländern um Investitionen.“ Das bedeutet: Steuer- und Finanzoasen werden einfach nicht als solche bezeichnet, sondern nur als solche genutzt. Welcher Staat bietet mehr Geheimhaltung, niedrigere Steuersätze, eine kapitalfreundlichere Justiz, weniger Amts- und Rechtshilfe bei Wirtschaftskriminalität?

Dieser „Wettbewerb“ um das niedrigste Rechts- und Steuerniveau wird von der Bank so intensiv genutzt wie möglich. Das bedeutet wiederum: je intensiver sie es tut und je mehr andere Banken das natürlich auch tun und je mehr Kleinstaaten wie Luxemburg das unterstützen, desto mehr höhlen sie den Rechts- und Steuerstandard der klassischen Demokratien aus.

So trägt die Bank Oppenheim in besonderem Maße dazu bei, dass das Niveau der Finanzoasen zum allgemeinen, globalen Standard wird. Und die Süddeutsche Zeitung hilft mit, um dieser Moral, die gewiss mit der infantiler Diebe und gewissenloser Hehler konkurrieren kann, liebedienerisch und dumm zur Normalität zu verhelfen.