Kritische Allianzen

Warum die Rechten inzwischen so gerne vom Patriarchat reden.

in (23.04.2009)

„Es gibt kein Bleiberecht in Österreich. Es gibt eine Novelle zur Erteilung von Aufenthaltstiteln aus humanitären Gründen.“ 

Sprach ÖVP-Innenministerin Maria Fekter Mitte März, als die Neuregelung des sogenannten humanitären Aufenthalts im Parlament debattiert und mit den Stimmen der Regierungsparteien angenommen wurde. Grund für die Änderung des Gesetzes war die Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes im Juni letzten Jahres, dass es für Betroffene in Österreich keine geregelte Antragsmöglichkeit für ein humanitäres Bleiberecht gibt. Stattdessen wurde ein Aufenthaltsrecht aus humanitären Gründen bislang nur „von Amts wegen“, das heißt quasi als „Gnadenakt“ der Behörden gewährt. Abgeleitet wird das Bleiberecht aus der Europäischen Menschenrechtskonvention, die in Österreich im Verfassungsrang steht. Um dieses in Österreich zu erhalten, müssen nach der Neuregelung, die mit 1. April in Kraft tritt, bestimmte Kriterien erfüllt sein, wie etwa Grad der Integration, Unbescholtenheit, das „tatsächliche Bestehen“ eines Familienlebens, Ausbildung, Deutschkenntnisse oder Selbsterhaltungsfähigkeit. Können z.B. Unterhalt, Unterkunft oder Krankenversicherung nicht vorgelegt werden, gibt es die Möglichkeit, „diese Mängel“ durch eine „Patenschaftserklärung“ (durch Einzelpersonen oder Organisationen) zu ersetzen. Solche „PatInnen“ haften für drei Jahre: „Damit sollen Kosten, die der Gebietskörperschaft und dem Steuerzahler entstehen könnten, vermieden werden“,verlautbarte das Innenministerium im Entwurf zur Gesetzesnovelle. 
Die Kritik an der Neuregelung, wie sie von antirassistischen NGOs und Medien formuliert wurde, reicht von der Problematisierung der Unterscheidung der Bleiberechtsfälle in zwei unterschiedliche Gruppen („Altfälle“ vs. Personen,die nach dem 1. Mai 2004 nach Österreich gekommen sind) über den Hinweis, dass die Letztentscheidung über einen „humanitären Aufenthaltstitel“ weiterhin beim Innenministerium liegt, bis hin zur Beanstandung des nach wie vor fehlenden Zugangs für Asylsuchende zum Arbeitsmarkt (die Aufnahme einer Arbeit ist „nur nach Erteilung eines Aufenthaltsvisums möglich“). Auch der erwähnte Kriterienkatalog und das Modell der Patenschaft verdeutlichen, was die Innenministerin bereits selbst in aller Klarheit formulierte: Für „Fremde“ gibt es in Österreich kein Recht zu bleiben. Wir erinnern uns: Von Fekter kam auch die Wortschöpfung des „Kulturdelikts“ – vor dem Hintergrund einer öffentlichen Diskussion über Zuwanderung, in der die ungleichen Machtverhältnisse zwischen den Geschlechtern immer häufiger als Erklärung für die Schwierigkeit oder das Scheitern einer „erfolgreichen Integration“ herangezogen werden. Dabei geht es stets um eine angeblich rückständige Geschlechterideologie innerhalb der migrantischen (insbesonders muslimischen) Familien und Communities – und nicht etwa um die Strukturen in der Einwanderungsgesellschaft, die Migrantinnen weitgehend entmachtet.
Ursprünglich war das „Patriarchat“ ein in der Soziologie und Anthropologie entwickeltes Denkmodell, das während der 1970er von der Zweiten Frauenbewegung in den westlichen Industriestaaten reformuliert und von radikalen, marxistischen und psychoanalytisch orientierten feministischen Theoretikerinnen als zentrale Kategorie zur politischen Gesellschaftsanalyse eingesetzt wurde. Heute schlägt sich die Rede vom Patriarchat zunehmend als Abgrenzungsmerkmal zwischen MigrantInnen und Mehrheitsgesellschaft in Medien und Politik nieder. Entscheidend dabei ist, dass bestimmte Formen der Unterdrückung und Diskriminierung von Frauen kausal mit „Kultur“ verknüpft werden.
Letztlich dienen das empörte Aufdecken „patriarchaler Strukturen“ und „überkommener Traditionen“ hinsichtlich des Geschlechterarrangements im migrantischen Kontext auch immer dazu, Zuwanderung generell zu delegitimieren. Nicht von ungefähr stehen daher auch Themen wie Zwangsheirat und sogenannte Ehrenmorde seit einiger Zeit verstärkt auf den Agenden von PolitikerInnen und im Mittelpunkt der Berichterstattung, wenn es um „Integration“ geht.
Sobald sogenannte traditionsbedingte Gewalt an Migrantinnen ins Spiel kommt, wird mit ungewöhnlicher Leidenschaft über weibliche Emanzipation und die Gleichstellung der Geschlechter debattiert – auch unter den Rechten. Unter der herrschenden Logik, in der sich kultureller Rassismus und Sexismus ineinander verschränken, werden die Stimmen von Migrantinnen selbst nur mehr in einem prekären Gegensatzvon „für“ oder „gegen Tradition“ hörbar. Und gerade weil aktuelle Politiken die Geschlechterverhältnisse zu einem zentralen Thema in den hiesigen Migrations-und Integrationsdiskursen machen, bleiben Allianzen zwischen feministischen und antirassistischen Bewegungen weiterhin unerlässlich.

 

Dieser Artikel erschien in: an.schläge, das feministische Magazin,  www.anschlaege.at