Antimuslimischer Feminismus und Rechtsextremismus

Eine Replik

Wie kommt es, dass feministische „Islamkritikerinnen" immer wieder mit Rechten gemeinsame Sache machen, das fragte ich kürzlich in einem Artikel in der taz (18. Jan. 2010) anläßlich der Zustimmung zum Minarettverbot in der Schweiz zu dem auch prominente Feministinnen aufgerufen hatten. Damit erntete ich neben einiger Zustimmung viel Kritik und eine Flut von Schmähungen und Hassmails.

 

Empört wird dabei behauptet, hier würden wieder einmal die Gutmenschen den mutigen Kämpferinnen für Frauenrechte Rassismus vorwerfen. Es wird „Multikultiseligkeit" ebenso unterstellt wie fachliche Inkompetenz. Fragen nach dem Kontext, in dem Frauenrechte gefordert werden, werden als unzulässig angesehen und darüber hinaus wird mir als Mehrheitsdeutsche das Recht abgesprochen, zu diesen Fragen überhaupt Stellung zu nehmen. Das wird damit begründet, dass Frauen wie Hirsi Ali, Necla Kelek oder Seyran Ates die wahren Zeuginnen seien, hätten sie doch in ihrem Leben unmittelbar Gewalt und Verfolgung erfahren, für die, wie etwa Monika Maron im Spiegel schreibt, man als Außenstehende nicht sprechen könne. Diese Muslima seien authentisch und als Opfer sind sie scheinbar sakrosankt.

 

Überhört werden dabei die vielen muslimischen Publizisten und Wissenschaftler/innen, die sich seit Jahren kritisch gegenüber antimuslimischen Positionen äußern. Sie scheinen nicht authentisch zu sein. Oder wird Authentizität nur denen verliehen, die der eigenen Überzeugung entsprechen? Zum anderen wird die inhaltliche Ebene verlassen und die Auseinandersetzung personalisiert, emotionalisiert und hin bis zum Meinungskampf dramatisiert. Ich hätte Necla Kelek einen Maulkorb verpasst, titelt Regina Mönch in der FAZ, ihr das Recht auf Kritik am Islam verboten. Hier würden mutige Kritikerinnen mundtot gemacht, so der Tenor anderer Artikel.    

 

Tatsächlich geht es um die Frage, ob die Forderung nach Gleichberechtigung von Frauen jede weitere Reflexion auf ihren politischen, sozialen und kulturellen Kontext hin erübrigt. Die Geschichte lehrt uns jedoch, dass Frauen, die diese Forderungen gestellt haben, dies immer auch in ihrer Position als Bürgerinnen oder Proletarierinnen, als Kolonialherrinnen oder Kolonisierte, als Weiße oder Schwarze, Jüdinnen und Christinnen etc. als Frauen mit linken, rechten, konservativen oder liberalen Überzeugungen getan haben. Wie sehr die grundlegende Forderung nach Gleichberechtigung von ihrem Kontext mit-bestimmt wird, zeigt auch die Tatsache, dass heute viele solange es um Musliminnen geht, Gleichberechtigung fordern. Mit dem Feminismus in Bezug auf mehrheitsdeutsche Positionen wollen sie jedoch nichts zu tun haben.

 

Der Feminismus, der sich auf einen antimuslimischen Diskurs stützt, bedient rechte Positionen, indem er „den" Islam pauschal mit dem Patriarchat identifiziert und damit eine Ablehnung „des" Islam legitimiert. Zugleich dient er als eine  Selbstimmunisierungsstrategie: An einer richtigen Forderung kann nichts falsches sein. So rechtfertigt die Forderung nach Gleichberechtigung Essentialisierungen und Kulturalisierungen, die jede ernsthafte sozioökonomische und politische Analysen überflüssig machen.

 

Dasselbe gilt für das Thema Aufklärung. Sie scheint sakrosankt, ein heiliges Gut der westlichen Welt zu sein. Dass diese Aufklärung trotz der Deklaration universaler Menschenrechte zugleich Frauenunterdrückung und Kolonialismus legitimierte passt genauso wenig ins Bild wie die Tatsache, dass die hier postulierte Freiheit und Gleichheit aller Menschen keineswegs hergestellt ist, sondern ständig weiter erkämpft werden muss, wie derzeit in unserer Gesellschaft gerade auch von Seiten ethnischer und religiöser Minderheiten. Solange die Unabgeschlossenheit dieses Prozesses und seine innere Widersprüchlichkeit nicht gesehen wird, kann auch nicht verstanden werden, dass im Namen von Freiheit auch Unfreiheit durchgesetzt werden kann, wie etwa im Fall des Kopftuchverbots, das im Namen der Emanzipation die gesellschaftliche Position und die Erwerbschancen dieser Frauen nachhaltig beeinträchtigt hat.

 

Ein solch kritischer Blick auf die eigenen „westlichen" Positionen ist für die meisten gleichbedeutend mit der Unterstützung „des" Islam. Ja, die ganze Kontroverse wird von den meisten nur zum Anlass genommen um ihre „Standarderzählungen" hervorzuholen und auf all die Verbrechen hinzuweisen, die angeblich im Namen des Islam verübt werden. Die eigentliche Kontroverse interessiert sie nicht.

 

Die Vorwürfe unterstellen auch Deutschen- und Selbsthass. Selbstkritik kann hier nur als Folge psychischer Komplexe und als Ausdruck von Schwäche verstanden werden. Man „knickt ein" vor dem Feind, vor dem mithilfe dramatischer Bedrohungsszenarien gewarnt werden muss. Und hier zeigt sich wieder eine Affinität zum rechten Denken: Es wird klar zwischen Freund und Feind geschieden. Jeder hat hier eindeutige Position zu beziehen, im Kampf ums „kulturelle Überleben". Hierfür rüsten sie sich vorsorglich mit einem Panzer aus Selbstgerechtigkeit und Borniertheit. 

 

 

Birgit Rommelspacher, Prof. em. für Psychologie, Berlin.

 

 

GASTKOMMENTAR

inamo Nr. 61, Frühjahr 2010, Jahrg. 16