Bildung für alle?

Probleme beim Schulzugang von Kindern ohne Aufenthaltsstatus

in (13.08.2010)

In Deutschland leben derzeit bis zu 30.000 Kinder, die keinen Aufenthaltsstatus haben, d.h. sie werden vom Staat als Illegale betrachtet und sind von Abschiebung bedroht. Diese Kinder haben ein Recht auf Bildung, denn Bildung ist ein Menschenrecht, das jedem unabhängig vom Aufenthaltsstatus zusteht. Das bedeutet: Statuslose Kinder müssen unter den gleichen rechtlichen Bedingungen zur Schule gehen können, wie deutsche Kinder. Die Realität sieht aber für viele Kinder in Deutschland nach wie vor anders aus.

Das Recht auf Zugang zu Bildung ist ein Menschenrecht (Art. 28 der UN-Kinderrechtskonvention), welches auch für Deutschland rechtlich bindend ist. Der Staat darf es weder den eigenen Staatsangehörigen vorbehalten, noch es von einem Aufenthaltstitel abhängig machen.

In Deutschland gilt eine allgemeine Schulpflicht, d.h. grundsätzlich sind alle Kinder zum Schulbesuch nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet. Für die rechtlichen Regelung der (schulischen) Bildung sind die einzelnen Bundesländer zuständig. . Für statuslose Kinder stellen sich die Situation allerdings anders dar: Erstens kann ihnen der Schulbesuch verweigert werden, denn in einigen Bundesländern streiten sich Schulbehörden und Ministerien darüber, ob diese Kinder überhaupt unter die Schulpflicht fallen. Zweitens besteht nach § 87 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes die vage Verpflichtung für Schulleitungen und Schulbehörden , die Existenz von statuslosen Kindern an die Ausländerbehörden zu übermitteln. In diesem Fall droht den Kindern und ihren Familien, dass ihr Aufenthalt entdeckt wird und sie abgeschoben werden, da sie ja kein Recht zum Aufenthalt haben. Aus Angst davor versuchen viele Eltern ohne Aufenthaltsstaus erst gar nicht, ihre Kinder in einer Schule anzumelden.

(K)eine Politische Lösung in Sicht?

Für diese Schwierigkeiten wurden in den letzten Jahren verschiedene politische Lösungen diskutiert. Das Thema genießt inzwischen eine hohe politische Aufmerksamkeit. Sogar im Koalitionsvertrag von CDU und FDP gibt es das Ziel, die Übermittlungspflicht einzuschränken. Trotzdem ist bislang keine Änderung der Rechtslagen in diesem Punkt erfolgt: Alle „öffentlichen Stellen" sind verpflichtet, die Daten von Statuslosen an die Ausländerbehörden weiterzugeben. Allerdings gibt es einen Vorschlag der SPD-Fraktion im Bundestag zur Änderung von § 87 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes. Demnach sollen nur noch „Polizei- und Ordnungsbehörden sowie öffentliche Stellen mit der Aufgabe der Strafverfolgung oder -vollstreckung" verpflichtet sein Statuslose zu melden. Mit einer solchen Gesetzesänderung wäre für statuslosen Kinder viel erreicht, denn sie würde klarstellen, dass weder Schulleitungen noch Schulbehörden verpflichtet sind, ihre Daten weiterzugeben. Bisher hängt die Frage, ob Schulleitungen und Schulbehörden „öffentliche Stellen" im Sinne der Übermittlungspflicht sind davon ab, ob nach dem jeweiligen Landesrecht die Feststellung des Aufenthaltsstatus zu den Aufgaben der Schulleitung oder der Schulbehörde gehört. Das ist z.B. der Fall, wenn die Vorlage einer Meldebescheinigung Voraussetzung für den Schulbesuch ist. Sstatuslose Kinder sind regelmäßig nicht gemeldet und können diese Bescheinigung daher nicht vorlegen. So erfahren die Schulen vom fehlenden Aufenthaltsstatus. Eine gesetzliche Klarstellung auf Bundesebene ist dringend nötig.

Bei der Frage nach der Schulpflicht statusloser Kinder ist mehr Bewegung zu beobachten: In manchen Bundesländern z.B. im Saarland ist inzwischen gesetzlich geregelt, dass statuslose Kinder unter die allgemeine Schulpflicht fallen. Andere Bundesländer z.B. Hessen, Berlin und Rheinland-Pfalz haben durch Verordnungen oder Ausführungsvorschriften zu den Schulgesetzen klargestellt, dass statuslose Kinder zumindest ein Recht auf Schulzugang haben..

Unterricht auch ohne StatusIst es sinnvoll statuslosen Kindern eine Pflicht zum Schulbesuch aufzuerlegen? Zwingt man sie damit nicht, ihren Aufenthalt öffentlich zu machen und von den Ausländerbehörden aufgespürt zu werden?

Die Schulpflicht ist aus radikaldemokratischer Sicht ein Fortschritt, weil sie sicherstellt, dass der Zugang zur öffentlichen Bildung nicht vom Wunsch der Eltern abhängt. Prinzipiell spricht alles dafür, in diese allgemeine Regelung auch statuslose Kinder einzubeziehen, allerdings kann und darf ihnen gegenüber die Schulpflicht nicht zwangsweise durchgesetzt werden. Das heißt z.B. im Fall von Schülerregistern, wie sie in Hamburg oder Berlin vorgesehen sind, dass statuslose Kinder nicht erfasst werden dürfen und den Ausländerbehörden jeder Zugriff verweigert werden muss. Durch die Einbeziehung in die allgemeine Schulpflicht erhalten statuslose Kindern die gleichen Bedingungen um am Schulunterricht teilnehmen können wie alle anderen Kinder. Im Falle eines bloßen Schulzugangsrechts müssen diese dagegen explizit rechtlich zu gesichert werden.. Vor allem muss auch für statuslose Kinder die Lehrmittelfreiheit gelten und es muss gewährleistet sein, dass sie während ihres Schulbesuchs versichert sind. Wie auch immer man zur der Frage Schulpflicht oder Schulzugangsrecht steht, wichtig sind klare und unmissverständliche Regelungen - die am besten durch ein Gesetz erfolgen. Erlasse und Ausführungsverordnung lassen sich viel leichter wieder ändern, wenn die politischen Mehrheiten wechseln. Dauerhafte Rechtssicherheit für die betroffenen Schüler, Eltern und Lehrerinnen bietet dagegen nur eine gesetzliche Regelung.

Statuslosen Kindern muss in Deutschland der Schulbesuch zu gleichen Bedingungen wie für Deutsche ermöglicht werden. Die Übermittlungspflicht für Schulleitungen und Schulbehörden gehört so schnell wie möglich abgeschafft.