Pharmaindustrie und globale Krebsbekämpfung

Profitstrategien mit schwerwiegenden Folgen in der Dritten Welt

 

 

 

 

 

 

 

Die angesehene medizinische Zeitschrift «The Lancet» erschien 2007 mit dem provokativen Titel «Die Gesundheit wird zum zentralen Thema der Aussenpolitik» (Nr. 3/2007). Gemeint war, dass globale Gesundheitspolitik international immer wichtiger wird. Die G8 und die G20 besprechen nunmehr fast bei jedem Treffen irgendeine globale Gesundheitsfrage. Neue «Global Players» wie zum Beispiel die Gates-Stiftung haben das Feld kräftig durchgeschüttelt, wobei Public Private Partnership (PPP) als Allheilmittel in der internationalen Gesundheitspolitik gehandelt wird (Streule Maimaitekerimu 2009) und zur Speerspitze des neoliberalen Siegeszuges gegenüber staatlichen Gesundheitssystemen geworden ist, die in der Folge in fast allen Ländern der Dritten Welt geschwächt wurden (Missoni 2009). Dabei nimmt die Krebsbekämpfung einen besonderen Stellenwert ein. Warum dies so ist, wird in diesem Beitrag aufgezeigt. Dabei werde ich auf die entscheidende Rolle der Pharmaindustrie eingehen, deren kurzfristiges, scheinbar fast unersättliches Profitgebaren tödliche Folgen vor allem für die Patientinnen und Patienten der armen Länder hat. Wegen der Komplexität der Materie will ich einleitend einige biologische und epidemiologische Aspekte kurz ansprechen.

Krebs - eine sehr komplexe Krankheit

Krebs ist eine äusserst komplexe Krankheit. Der Sammelbegriff Krebs steht für mehrere, verschiedenartige Krankheiten. Wir kennen heutzutage mehr als 130 verschiedene Tumorarten (Cavalli 2009), die häufig wenig gemein haben. Sie entstehen aber alle durch eine unkontrollierte Proliferation einer bösartigen Zellpopulation, die schliesslich zu einem Tumor anschwillt. Auf Griechisch heisst eben Tumor nichts anderes als Schwellung. Krebs gibt es in jedem Alter, auch wenn die Häufigkeit mit zunehmendem Alter stärker wird, infolge Schwächung unseres Abwehrsystems. Krebs hat es immer gegeben. Die ersten Beschreibungen finden wir schon bei den alten Ägyptern. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts begann sich die mittlere Lebenserwartung, die sich bis dahin bei etwa 35 Jahren bewegte, nach und nach zu erhöhen. Dies ist der wichtigste Grund, warum heutzutage Krebs eine häufigere Krankheit als zum Beispiel vor 200 Jahren ist. Bei uns in Europa nehmen aber gewisse Krebsarten, zum Beispiel Gebärmutterhals- und Magenkrebs laufend ab (Parkin 2005). Einige sind sogar verschwunden. So litten früher Kaminfeger, die oft in sehr engen und heissen Kaminen zu arbeiten hatten, an einer besonderen Hautkrebsart, die heute nicht mehr vorkommt.

Andere Tumorarten nehmen dagegen in den letzten Jahrzehnten bei uns zu: vor allem Brust-, Lungen-, Darm- und Prostatakrebs. Die Häufigkeit der verschiedenen Tumorarten ist auch geographisch ganz unterschiedlich. So ist zum Beispiel in Indien Mundkrebs die häufigste Tumorart, weil dort Tabak gekaut wird. Bei den Mapuches, der Bevölkerung in den Anden, sind mindestens 50 Prozent der Tumore Gallenblasenkrebse, in Mongolien sind zwei Drittel Lebertumoren. In Japan ist Magenkrebs die häufigste Tumorart. Wenn Japaner in die US einwandern, dann tritt ab der zweiten Generation Darmkrebs (wie bei den Amerikanern) deutlich häufiger auf als Magenkrebs. All das weist auf eine sehr enge Korrelation zwischen Umwelt und Lebensgewohnheiten bei der Krebsentstehung hin. Global rechnet man, dass mindestens die Hälfte aller Tumore auf das Einwirken (häufig auf das Zusammenwirken) der bekanntesten Risikofaktoren zurückzuführen ist: gemeint sind Rauchen, Alkoholmissbrauch, falsche Ernährung, ionisierende Strahlen, Fettleibigkeit, viele toxische Substanzen (meist berufsbedingt), Infektionen usw. (Danaei 2005). Zur Ursachenkette gehören aber auch Erbfaktoren, einige noch relativ schlecht definierte Noxen (z.B. der Umwelt); und dann auch der Zufall, wenn irgendwo und irgendwann eine Zellteilung schlecht verlaufen ist. Die meisten Tumore entstehen aber nicht nur aus einer Ursache, sondern sie sind multifaktoriell. Bei den meisten finden wir dementsprechend auch Dutzende von Fehlern in den Chromosomen. Heute weiss man, dass die Tumorbiologie äusserst kompliziert ist, jedenfalls viel komplizierter, als man noch bis vor wenigen Jahren dachte (Cavalli 2009b).

Die Krebsbekämpfung stützt sich im Wesentlichen auf drei Pfeiler: Prävention, Frühdiagnose und Behandlung. Je nach Tumorart kann die eine oder andere Massnahme wichtiger sein. Bei manchen Tumoren kommt es vor allem auf die Prävention an, etwa bei Lungentumoren. Bei anderen ist die Frühdiagnose das Entscheidende , wie beim Gebärmutterhalskrebs oder dem Melanom der Haut. Schliesslich ist bei weiteren Tumoren die Behandlung entscheidend, darunter die kindlichen Leukämien oder die Tumore des lymphatischen Systems (Lymphome). Da gibt es weder Frühdiagnose noch Prävention.

Tumorkrankheiten - ein wachsendes Problem

in den Entwicklungsländern

Dass Krebs fast nur eine Krankheit der reichen Länder sei, ist ein Aberglaube, der vor allem von den Medien immer wieder verbreitet wird. Aber auch viele Berufsorganisationen sind sich nicht im Klaren, dass bereits heute mehr Menschen in den Entwicklungsländern an Krebs sterben als bei uns. Die relative Häufigkeit der Tumorkrankheiten (pro Hunderttausend Einwohner) ist natürlich in den reichen Ländern immer noch höher, weil hier die Lebenserwartung deutlich länger ist als in den armen Ländern (Parkin et al. 2005). Eine Ausnahme bilden die Länder, die man früher der Zweiten Welt zuordnete, also der ehemalige Ostblock. Vor allem in den Ländern der früheren Sowjetunion hat die relative Krebshäufigkeit in den letzten 20 Jahren zugenommen, obwohl die Lebenserwartung in den meisten von ihnen stark abgenommen hat (Bulard 2010, Rajaratnam 2010). In vielen Ländern der Dritten Welt nimmt aber die Häufigkeit der Tumorkrankheiten rapide zu, sofern dies überhaupt genauer geschätzt werden kann (Bray und Moller 2006).

Die Datenlage ist jedoch noch dürftig: so wird beispielsweise nur 0,1 Prozent der Bevölkerung in Afrika von einem Tumorregister erfasst! Trotzdem scheinen die Prognosen aufgrund der wenigen gesicherten Daten fundiert zu sein. Global erwartet man in den nächsten Jahrzehnten eine starke Zunahme der Tumorfallzahlen. Wurden im Jahr 2000 11 Millionen neue Krebsfälle weltweit diagnostiziert, schätzt man, dass es 2030 26-27 Millionen sein werden. Diese «Tumorepidemie» ist auf eine Zunahme der Lebenserwartung, auf die Änderung der demographischen Pyramide, aber auch auf eine stärkere Einwirkung von Risikofaktoren zurückzuführen. Man denke nur daran, dass sich in den letzten dreissig Jahren die Häufigkeit der malignen Lymphome in den reichen Ländern verdoppelt hat. Lymphome sind Tumoren des lymphatischen Systems, das Hauptgebilde unseres Abwehrsystems. Dabei spielen sowohl «neue» Viren (HIV, Hepatitis- C-Virus usw.) als auch äusserliche Noxen eine ursächliche Rolle. Bei dieser Zunahme der Stimulation muss unser Abwehrsystem, um den Körper zu schützen, viel mehr neue Zellen produzieren: Dabei steigt jedoch die Gefahr, dass irgendwann einmal eine entartet. Man vermutet, dass Lymphome auch in den Entwicklungsländern stark am Zunehmen sind (Zucca und Cavalli 2010).

Klar ist, dass die oben erwähnte Fallzunahme zwischen 2000 und 2030 zum grössten Teil in den Entwicklungsländern stattfinden wird, u.a. deshalb, weil dort zwei verschiedene Tumorgruppen koexistieren (Cavalli 2006b). Auf der einen Seite sind in den Entwicklungsländern die Tumorarten, die typischerweise armutsbedingt sind (z.B. Gebärmutterhalskrebs, primäre Leberkrebse, Speiseröhrentumoren) immer noch sehr häufig, während sie bei uns klar abnehmen. Andererseits nehmen auch immer mehr Tumorarten, die vor allem durch die westliche Lebensart mitverursacht werden (z.B. Brust-, Lungen- und Dickdarmkrebs) zu. Man hat sogar den Eindruck, dass die sehr schnelle Änderung der Lebensweise (Rauchen, Fastfood-Ernährung usw.) und die rapide Verschlechterung der Umweltbedingungen sich dort besonders drastisch auswirken.

Das Bild sieht noch dramatischer aus, wenn wir nicht die Fallzahlen, sondern die Krebstodesfälle berücksichtigen (Coleman 2010). Im Jahr 1980 starb etwa die gleiche Anzahl Menschen an Krebs in der entwickelten und in der unterentwickelten Welt (Tanneberger 2004). Heute sind dagegen bereits zwei Drittel der Krebstodesfälle in den armen Ländern zu verzeichnen, wobei es bis 2030 fast vier Fünftel sein könnten (Cavalli 2006). Diese markante Verschiebung entsteht vor allem durch die viel schlechteren Behandlungsergebnisse in den Entwicklungsländern. Besonders anschaulich ist dieser Unterschied bei Tumoren von Kindern: Bei uns beträgt die Heilungsrate etwa 80-85 Prozent, in den Entwicklungsländern 10-15 Prozent. Diese schlechten Ergebnisse erklären sich einerseits daraus, dass mangels Frühdiagnose die meisten Fälle sehr spät erkannt werden, andererseits sind die Therapiemöglichkeiten sehr beschränkt (Sankaranarayanan 2010). So steht fest, dass weltweit mindestens 5000-6000 Bestrahlungsapparate fehlen und dass es mehr als 30 Länder gibt, vor allem in Afrika und Asien, die nicht einen einzigen Bestrahlungsapparat besitzen. Noch dramatischer ist die Lage beim Verbrauch der Antikrebsmittel. Mehr als zwei Drittel des Konsums von Antitumormedikamenten realisiert sich in den USA, etwas mehr als 30 Prozent in Europa und in Japan, weniger als 5 Prozent im Rest der Welt! Wir werden später sehen, wie sich diese Verteilung auf die Preisstrategien der Pharmaindustrie auswirkt.

Krebsbekämpfung und die neoliberale Umstrukturierung der Gesundheitssysteme

Es versteht sich, dass die Bekämpfung einer so komplexen Krankheit wie Krebs nur vielschichtig sein kann. In den reichen Ländern der nördlichen Hemisphäre konzentriert sich Krebsbekämpfung vor allem in den sogenannten «Comprehensive Cancer Centers». In den meisten Ländern der Dritten Welt waren die Strukturen der Gesundheitssysteme von jeher deutlich schwächer ausgebaut als in den Industriestaaten. Dann kam hinzu, dass in jedem dieser Länder, in dem wegen einer Schuldenkrise die brutalen Strukturenanpassungsprogramme der Weltbank und des internationalen Währungsfonds umgesetzt wurden, die vorhandenen medizinischen Infrastrukturen weiter benachteiligt wurden (Missoni 2009). Die erste Massnahme dieser Technokraten bestand tatsächlich immer darin, zuerstmal bei Schulen und Spitälern zu sparen. Später kam noch hinzu, dass im marktorientierten Kontext der Globalisierung der öffentliche Sektor immer stärker vernachlässigt wurde. Die Privatisierung der vormals staatlichen Gesundheitssysteme wurde seit den 1990er Jahren weltweit das Patentrezept der neoliberalen Wirtschaftsstrategen.

Diese Tendenz ist durch die Public Private Partnership (PPP) verstärkt worden (Das Gupta 2009). Der von einem G8-Gipfel im Jahr 2000 initiierte Global Fund oder die sogenannten philanthropischen Stiftungen, wie diejenige von Bill Gates, sind im Prinzip ja nicht da, um mit öffentlichen Partnern zusammenzuarbeiten. Ihre erklärten Ziele bestehen darin, das vorher bestehende Monopol der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu brechen, um dann den Nachweis erbringen zu können, dass private Hände es besser als der Staat richten und dabei mit Gesundheit sogar noch viel Geld verdient werden kann. Die Summen sind beachtlich: In den ersten sieben Jahren seines Bestehens hat der Global Fund mehr als 20 Milliarden Dollar aufgetrieben und die Bill Gates-Stiftung hat jährlich etwa 3 Milliarden zur Verfügung, also deutlich mehr als die Gesamtbilanz der WHO (Kreysler 2010).

Diese globale Ökonomisierung des Gesundheitssektors führt zur Teilung des Gesundheitssystems in einen öffentlichen, oft in schlechtem Zustand sich befindenden und in einen privaten, gutausgestatteten Gesundheitssektor, der entweder nur für eine kleine reiche Minderheit zur Verfügung steht oder dann durch sogenannte vertikale Programme des PPP finanziert wird. Bei diesen vertikalen Programmen geht es um die selektive, medizinische Grundversorgung einiger weniger Krankheiten wie Malaria, Tuberkulose oder AIDS. Diese Programme haben eine eigene Finanzierung und funktionieren parallel zum normalen Gesundheitssystem, wobei sie von diesen Ressourcen u.a. ausgebildetes Personal abziehen. Das schwächt zusehends den öffentlichen Gesundheitssektor. Als ich kürzlich ein Pilotprojekt der UICC (Union Internationale contre le Cancer) in Tansania besuchte, hörte ich ein Bonmot, das die Lage nicht ohne Zynismus zutreffend so beschreibt: „Wenn hier eine Frau schwanger ist, dann muss sie nur hoffen, dass sie HIV-positiv ist. Dann wird sie in diesen Spezialkliniken behandelt und wird wahrscheinlich gefahrlos ein gesundes Baby gebären können. Ist sie hingegen HIV-negativ, geht sie ein recht hohes Risiko ein, bei der Geburt in einem runtergekommenen öffentlichen Spital zu sterben."

Krebs ist aber eine viel kompliziertere Krankheitserscheinung und kann nicht nur mit einer gezielten Impfkampagne oder mit einem selektiven, vertikalen Gesundheitsprogramm angegangen werden. Krebsbekämpfung erfordert die Existenz eines mindestens «halbwegs gut funktionierenden Gesundheitssystems», das auch eine Verantwortung für die gesundheitliche Versorgung der ökonomisch Schwachen übernimmt. Wegen des Abwerbens des ausgebildeten Personals und der Abnahme der Staatsressourcen wurden in den letzten Jahren die Krebsspitäler in den Entwicklungsländern (soweit sie überhaupt existieren) arg in Mitleidenschaft gezogen. Besucht man heute ein solches Krebsspital, zeigt sich meistens ein Bild des Grauens: zwei bis drei Patienten pro Bett, erbärmliche hygienische Verhältnisse, überall Verwesungsgeruch und Uringestank. Nie habe ich auf der Welt etwas anderes gesehen, das mich derart wie diese Krebsspitäler der Dritten Welt an Dantes Hölle erinnert hat!

Gebärmutterhalskrebs: Wie Weltbank und Pharmaindustrie die Lage verschlechtern

In Entwicklungsländern spielen infektionsbedingte Tumore eine weit grössere Rolle als bei uns. Dort machen sie bis zu 30 Prozent aller Krebserkrankungen aus, in den reichen Ländern sind es hingegen nur 6-8 Prozent (Parkin 2005). Das sind Tumore, die auf Infektionen mit Viren und Bakterien zurückzuführen sind. Beim Leberkrebs etwa spielen Hepatitis- Viren eine ursächliche Rolle und beim Gebärmutterhalskrebs das Papilloma- Virus (HPV). Gebärmutterhalskrebs war früher auch bei uns eine recht häufige Tumorart: Dank vor allem der Verbesserung der männlichen Hygiene hat die Häufigkeit in den letzten Jahrzehnten ständig abgenommen. Zudem sichert ein Vaginalabstrich alle 2-3 Jahre fast immer eine Frühdiagnose, was in den weitaus meisten Fällen zur vollständigen Heilung durch einen minimalen chirurgischen Eingriff führt. Heutzutage sterben in der Schweiz somit weniger als 50 Frauen pro Jahr wegen dieses Krebses. Ganz anders ist die Lage in den Entwicklungsländern. Dort erkrankt jährlich fast eine halbe Million Frauen an Gebärmutterhalskrebs. Mehr als 300'000 sterben daran und die Tendenz ist steigend. Das mittlere Alter dieser Frauen ist um die 35, also in einem Alter, in dem sie die wichtigste Stütze der Gesellschaft sind. Gebärmutterhalskrebs ist deswegen dort (mit Ausnahme der islamischen Länder, dank Zirkumzision) nicht nur häufiger, sondern auch sozial wichtiger als Brustkrebs. Die meisten Fälle werden auch viel zu spät entdeckt: Ausser in Kuba funktioniert nämlich die Frühdiagnose dieses Tumors (insofern ein solches Programm überhaupt existiert) in den anderen Entwicklungsländern kaum - ein erneuter Beweis dafür, dass Krebsbekämpfung ein funktionierendes Gesundheitssystem voraussetzt. Im Jahr 1987 bat mich die sandinistische Regierung in Nicaragua, ihnen beim Aufbau eines nationalen Frühdiagnoseprogramms für Gebärmutterhalskrebs behilflich zu sein. Da dazu erst einmal eine Pilotstudie notwendig war, wurde mit Hilfe von AMCA (Aiuto Medico al Centro America - Vereinigung für ärztliche Hilfe in Zentralamerika) eine solche Studie bei etwa 50'000 Frauen am Rande von Managua durchgeführt. Das ganze Projekt basierte auf Ausbildung von Fachpersonal aus verschiedenen Gesundheitsebenen, aber auch auf die Zusammenarbeit mit Frauenorganisationen. Nach etwa zwei Jahren waren die Resultate beachtlich, sodass man darauf ein Nationales Programm hätte aufbauen können (Cavalli 1998). Im Februar 1990 folgte dann aber die Wahlniederlage der Sandinisten. Und die neue Regierung veranlasste auf Anraten von Weltbank und IWF eine rasche Privatisierung der Spitäler und reduzierte drastisch die Finanzierung der ambulanten Gesundheitsstützpunkte, die für die Durchführung jeglicher Vorsorgeuntersuchung unerlässlich waren. Das ganze Programmvorhaben musste aufgegeben werden und während mehr als fünfzehn Jahren kümmerte sich niemand mehr darum. Vor drei Jahren kamen die Sandinisten wieder an die Macht und es entstand ein erneutes Interesse für das öffentliche Gesundheitswesen. Dank der Zusammenarbeit mit der Regierung in Managua, mit der UICC und der amerikanischen NGO PATH hat nun AMCA das Programm wieder aufgenommen, unter einer kleinen besseren Voraussetzung: In der Zwischenzeit gibt es Tests, die das Vorhandensein von denjenigen HPV-Stämmen beweisen können, die beim Sex übertragen werden und über Krebsvorstufen zum Tumor am Gebärmutterhals führen können. Gegen einige dieser Virusstämme gibt es seit ein paar Jahren einen Impfstoff. Dieser ist aber sehr teuer, je nach Land kostet er 600-800 Franken.

Trotzdem und unter dem massiven Druck der Pharmaindustrie haben bei uns die Behörden recht schnell entschieden, dass die Krankenkassen diese Impfung bezahlen müssen. Ob diese Impfung bei uns überhaupt notwendig ist und dabei Frauen und Behörden nicht zu summarisch informiert wurden, wird zurzeit sehr heftig diskutiert (Lüthi 2010, Frei 2010). Zurzeit wissen wir nämlich nur, dass dieser Impfstoff die Häufigkeit der Krebsvorstufen stark vermindert; wie die Langzeitresultate aussehen, ist aber noch offen. Kommt hinzu, dass der Impfstoff nicht gegen alle HPVStämme schützt, und es also sein könnte, dass mit der Impfung eine falsche Sicherheit entsteht und die Frauen nicht mehr zur jährlichen Kontrolle gehen. Ganz anders stellt sich dagegen die Frage in den Entwicklungsländern, in denen die Fallzahl viel höher liegt und von Frühdiagnose kaum die Rede sein kann. Dort würde der Impfstoff sicher zu einer gewaltigen Abnahme der Krebsvorstufen führen, was sich auch auf die Todesrate auswirken müsste. Dort wäre deswegen der Impfstoff unbedingt notwendig, ist aber nur von einer verschwindend kleinen Minderheit finanzierbar. Da viele dieser Länder 50-100 Franken pro Jahr pro Einwohner für die Gesundheit ausgeben (zum Vergleich in der Schweiz fast 8‘000 Franken pro Person), wird dieser Impfstoff für den Staat unerschwinglich.

Bei uns führte die Pharmaindustrie eine äusserst intensive Propagandakampagne durch: Alle jungen Mädchen zwischen 10 und 15 Jahren seien zu impfen. Die Profitstrategie der Pharmaindustrie war dabei klar: Lieber den Impfstoff sehr teuer an etwa 5 Prozent der möglichen «Kundinnen» zu verkaufen, als zwanzigmal weniger teuer an alle Mädchen weltweit verabreichen zu lassen, die davon hätten einen Nutzen haben können. Finanziell wird diese Strategie bei uns die Krankenkassen noch stärker belasten und sie vielleicht davon abhalten, andere, möglicherweise wichtigere Behandlungen zu übernehmen. Gesundheitlich gesehen dürfte dies aber bei uns kaum sehr relevante Folgen haben. Dagegen wird diese Strategie in den Entwicklungsländern tödliche Folgen haben. Nicht nur weil der Impfstoff dort noch lange nicht zur Verfügung stehen wird, sondern auch weil die Machteliten, sobald sie die eigenen Töchtern werden geimpft haben lassen, jegliches Interesse an der Frühdiagnosekampagne für die arme Bevölkerung verlieren werden.

Die allgemeinen Regeln der Profitstrategien der Pharmaindustrie

Das gerade erwähnte Beispiel des HPV-Impfstoffs ist beileibe kein Einzelfall, sondern es entspricht weitgehend den allgemeinen Regeln der Profitstrategien der Pharmaindustrie, die das kurzfristige Ziel haben, jährlich 10-20 Prozent Gewinn zu erwirtschaften - auch um die horrenden Gehälter der CEOs (Vasella!) «rechtfertigen» zu können. Das Schlüsselelement dieser Strategie ist die Patentierung von neuen Medikamenten, wozu in der WTO-Runde von 1994 die sogenannten Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights (TRIPS) gewaltige Vorteile der Industrie der entwickelten Ländern sicherte. In der Droha-Runde von 2001 versuchten dann die Entwicklungsländer, die äusserst rigide Struktur von TRIPS etwas aufzuweichen, indem den ärmeren Staaten erlaubt wurde, unter Art. 8 «die nötigen Massnahmen zu treffen, um die Gesundheit und die Ernährung der Bevölkerung zu schützen». Ausser in zwei Fällen (einmal gegen Novartis, einmal gegen Roche) ist es den Entwicklungsländern aber nie gelungen, diese schwammig definierte Ausnahmeregel geltend zu machen, um die Patentrechte aufweichen zu können. Es gibt bereits recht viele wissenschaftliche Studien, die beweisen, dass die TRIPS-Regeln eine sehr klare Verschlechterung der Lage der Entwicklungsländer bezüglich Medikamentenverbrauch und -kosten verursacht haben (Smith 2009).

Diese ganze Tendenz gewinnt ein noch groteskeres Ausmass im Falle der onkologischen Medikamente, wobei alle Analysten voraussagen, dass die Ausgaben für Krebsmittel innert höchstens fünf Jahren den Markt für kardiovaskuläre Medikamente als grösste Scheibe im Kuchen der weltweiten Medikamentenausgaben übertreffen werden. Der globale pharmazeutische Markt betrug 2006 650 Milliarden Dollar und wird auf mindestens 900 Milliarden im Jahr 2011 geschätzt. Der überproportionale Zuwachs des Krebsmittelanteils im Rahmen dieses globalen Marktes ist auf die enorme Preisexplosion der onkologischen Medikamente zurückzuführen.1 Wie ist dies zu erklären? Bestimmt nicht nur deshalb, weil Krebs eine besonders komplexe Krankheit ist.

Schauen wir uns die geschichtliche Entwicklung einmal an. Bis vor etwa fünfzehn Jahren kostete eine medikamentöse Krebsbehandlung, wenn sie besonders teuer war, im Schnitt 400-500 Franken pro Monat. Um die Jahrtausendwende kam dann der Durchbruch mit dem ersten «intelligenten» Krebsmedikament namens Glivec. Das Medikament Glivec wird zweifelsohne in die Geschichte der Medizin eingehen, einerseits weil es die Behandlung einer bestimmten Leukämieform grundsätzlich geändert hat, andererseits aber auch aus der eben erwähnten Sprengung des Preisgefüges. Bei Glivec hat man zum ersten Mal mit dem Computer ein Medikament entwickelt, mit dem man ein krebsauslösendes Gen, ein sogenanntes Onkogen, gezielt blockiert. Dadurch hat man die Lebenserwartung, aber vor allem die Lebensqualität der Patienten mit dieser speziellen Leukämieform deutlich verbessern können. Novartis, dem dieser wissenschaftliche Durchbruch gelungen war, nutzte die Gelegenheit aus, um im Zuge dieses Erfolges einen unglaublichen Preissprung auf dem Medikamentenmarkt zu erzwingen: Glivec wurde für etwa 3000 Franken pro Monat verkauft (heute in der Schweiz: 3935 Franken). Danach haben alle anderen Pharmakonzerne bei jedem neuen Krebsmittel nachgezogen. Von nun an war der Verkaufspreis immer mindestens 3000 Franken pro Monat. Danach kam es zu zwei weiteren Preissprüngen. Vor etwa fünf Jahren schlug eine Pharmafirma zum ersten Mal einen Preis von etwas 6000 Franken pro Monat vor. Nachdem dieser Preis akzeptiert wurde, zogen alle anderen nach. Letzthin sind wir bei 9000 Franken pro Monat angelangt! Es sind vor allem zwei Gründe, die zu dieser Eskalierung in der Preisentwicklung geführt haben. Erstens stellt Krebs trotz deutlicher Verbesserung der Behandlungsergebnisse immer noch eine solche existenzielle Bedrohung dar, dass die meisten betroffenen Personen bereit sind, alles - auch finanziell - in Kauf zu nehmen, um immer noch einen Hoffnungsschimmer zu behalten. Diese Tatsache wird von der Pharmaindustrie schamlos ausgenutzt. Dank gezielter Medienkampagnen werden vorläufige Ergebnisse (die nicht immer ganz stichhaltig sind) so aufgebauscht, dass bei Patienten und ihren Familien unberechtigte Hoffnungen geschürt werden. Häufig spielen bei dieser Stimmungsmache auch Patientengruppen, die direkt oder indirekt von der Pharmaindustrie gesponsert werden, eine entscheidende Rolle. Die Behörden werden so unter einen enormen Druck gesetzt, was dann zur Bewilligung des Medikaments und später zu dessen Aufnahme im Leistungskatalog sozialer Versicherungen führt. Öfters ist es dann so, dass sich nach einigen Jahren aufgrund endgültiger Resultate zeigt, dass das «Wundermittel» doch weniger wirksam war, als vorher behauptet wurde. In der Zwischenzeit wurde aber das Heu schon in die Scheune getragen. Was zum Beispiel derzeit mit Avastin passiert, ein vielgepriesenes neues Medikament gegen Darm-, Brust-, Lungen- und Nierenkrebs von Roche, das 2009 weltweit einen Umsatz von rund 4,2 Milliarden Euro gebracht hat. Ein Gutachten der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft weist jetzt darauf hin, dass dabei die Verlängerung der Überlebenschancen nur minim ist (Hofmann 2010). Ich hatte dies übrigens bereits in einem Interview mit der Sozialen Medizin vorausgesagt (Cavalli 2006).

Der zweite Grund, warum diese Preisexplosion überhaupt möglich ist, hat mit der US-amerikanischen Politik zu tun. Die Pharmamonopole sind dort die wichtigsten Sponsoren der republikanischen Kandidaten fürs Präsidentenamt in den letzten Jahrzehnten gewesen. Im Gegengeschäft haben sie erreicht, dass in den USA die Medikamentenpreise völlig unkontrolliert bleiben, das heisst, die Pharmaindustrie kann nach Belieben den Preis fixieren. Da aber der US-Markt bei Krebsmitteln zwei Drittel des gesamten Umsatzes ausmacht, wird der amerikanische Preis zum Richtpreis, dem sich kleinere Märkte fügen müssen. Tun sie das nicht, bekommen sie das Medikament einfach nicht. Für die Pharmaindustrie lohnt es sich nämlich vielmehr, in den USA einen sehr hohen Preis zu erzielen und dafür vielleicht einen kleineren Markt zu verlieren (Grossbritannien macht z.B. nur 3 Prozent des Umsatzes aus), als alle Märkte zu beherrschen, dafür aber einen tieferen Richtpreis fixieren zu müssen. Während der Wahlkampagne hatte Obama versprochen, endlich eine staatliche Regulierung für die Fixierung der Medikamentenpreise einzuführen. Dieser Teil ist aber im Paket der Reform des Gesundheitssystems, das kürzlich durch den Kongress akzeptiert wurde, gestrichen worden. Keine Überraschung, wenn man bedenkt, dass in den letzten fünf Jahren allein Novartis und Roche etwa 100 Millionen Dollar für Lobbyarbeit bei amerikanischen Parlamentariern eingesetzt haben (Le Temps, August 2009). Gleichzeitig stellt die Pharmaindustrie die Produktion von altgedienten Krebsmedikamenten, die nun sehr billig geworden sind, nach und nach ein und nicht immer gelingt der Ersatz via Generika. All das erklärt, warum der Umsatz von Krebsmedikamenten ausserhalb der Länder vom Trikont weniger als 5 Prozent beträgt. Mit anderen Worten: Der überwältigenden Mehrheit der Krebspatienten in den armen Ländern stehen Krebsmedikamente gar nicht zur Verfügung. Der HPV-Impfstoff ist also wirklich nicht die Ausnahme, so abscheulich diese Geschichte sich auch anhört. Indem die Resultate, die mit der medikamentösen Krebsbehandlung erzielt werden, sich laufend verbessern, wird die Lage hier immer derjenigen ähnlicher, die wir mit den Anti-HIV-Medikamenten erlebt haben. Das heisst: Millionen von Patienten müssen auf diese teuren Medikamente verzichten, wobei wohlgemerkt die Preise in keinem proportionalen Verhältnis zu den Produktionskosten stehen, sondern nur wegen der Monopolstellung der Pharmaindustrie zustandekommen können. In der jetzigen globalen Finanzkrise wurden die Entwicklungsländer zusätzlich sehr hart getroffen. Deswegen ist für die meisten dieser Länder die Existenz eines gut funktionierenden, staatlichen Gesundheitswesens ganz einfach ein «in die Ferne gerückter Wunschtraum geworden» (Lancet, 18.4.2009).

Nach Alternativen Ausschau halten

Obwohl es seit 1964 ein international verbrieftes Recht auf Gesundheit gibt, gehen jedoch die Vorstellungen, wie es umzusetzen wäre, weit auseinander. Dieses Recht wird vor allem von neoliberalen Regierungen ganz einfach negiert. Als ich in meiner Funktion als Präsident der UICC (International Union Against Cancer) in einem Papier über Preise der Krebsmedikamente ergänzend den Satz hinzufügen wollte, «jeder Krebspatient hat ein Anrecht auf eine angemessene medikamentöse Behandlung», scheiterte ich am Vetorecht des Vertreters des amerikanischen National Cancer Institute. Es geht also in Zukunft erst einmal darum, die Forderung nach der Umsetzung des Menschenrechtes auf Gesundheit wieder ins Zentrum der Debatte zu stellen. Dabei darf man sich nicht allzuviel von den Vorschlägen erhoffen, die nach einer Demokratisierung von internationalen Organisationen wie der WHO rufen. Die WHO ist zu bürokratisch und wird zu stark von den politischen Interessen der Grossmächte und den finanziellen Interessen der Pharmaindustrie beherrscht, wie die Geschehnisse um die Schweinegrippe gezeigt haben. Schon eher kann man sich einiges von zumindest einzelnen nationalen Entwicklungsagenturen wie der DEZA in der Schweiz erhoffen, obwohl sich die Verantwortlichen in der Vergangenheit relativ wenig um Gesundheit und noch weniger um Krebsbekämpfung gekümmert haben. Da zurzeit Gesundheit, wie gesagt, zu einem immer wichtigeren Bestandteil der Aussenpolitik wird, findet nun ein gewisser Paradigmawechsel statt, den man unter Umständen nutzen sollte. So hat die DEZA hier eine Vorreiterrolle gespielt, indem sie als erste nationale Entwicklungsagentur kürzlich ein Pilotprojekt für die Entwicklung der Frühdiagnose bei Gebärmutterhalskrebs in Tansania mitfinanziert hat. Damals, bei der Doha-Runde, waren es vor allem die USA und die Schweiz gewesen, die gnadenlos die Vorrechte der Patentierung für die Pharmaindustrie vertreten hatten. In der seit jeher schizophrenen Aussenpolitik der Schweiz könnte man hier in Anbetracht zunehmender humanitärer Hilfe eine gewisse Kompensation fordern für die Schäden, die durch die TRIPS-Regeln entstanden sind. Einen weiteren Reformansatz versucht man momentan mit dem sogenannten Advance Market Commitment (AMC) umzusetzen, worunter man die Subventionierung durch Staatsgelder versteht, die der Pharmaindustrie erlauben sollte, Medikamente für den Markt der Entwicklungsländer preisgünstig zu produzieren.2

Eine richtige Alternative sind diese Versuche aber gewiss nicht. Diese ist vielmehr darin zu suchen, wichtige Ziele der Gesundheitspolitik wie Solidarität und gleichberechtigter, freier Zugang der ganzen Bevölkerung zu einer hochstehenden Gesundheitsversorgung wieder ins Zentrum der täglichen und politischen Arbeit zu rücken. Dabei spielen Organisationen wie Medico International Schweiz, Medicuba-Schweiz, AMCA und viele ähnliche eine entscheidende Vorreiterrolle. Alle diese Organisationen begnügen sich nicht damit, zur internationalen Solidarität aufzurufen, sondern haben lokale Lösungsansätze erarbeitet und realisiert.

Bei der Krebsbekämpfung und insbesondere hinsichtlich der Entwicklung der Behandlung von Kinderkrebs hat zum Beispiel AMCA zusammen mit einigen italienischen NGO's das Konzept des «Twinnings» entwickelt. In diesem verbrüdern sich Institutionen im Norden und im Süden, sodass es laufend zum Austausch von Know-how, von Ausbildungsmöglichkeiten und Ressourcen kommt, wobei die Umsetzung des Menschenrechtes auf eine angemessene Behandlung im Zentrum der Bestrebungen steht (Lancet, Twinningmodell). Das Twinningmodell sieht insbesondere vor, dass westliches Know-how nicht einfach weitervermittelt wird, sondern dass gemeinsam das beste Rezept herausgefunden wird, welches unter den gegebenen lokalen Umständen eine optimale Behandlung erlaubt. Bei diesem Modell werden häufig zum Beispiel bis zu einem Drittel der Res sourcen für eine finanzielle Unterstützung der Familien der Patienten eingesetzt. Nur so liess sich zum Beispiel das Problem des Abandonments (des Verschwindens der Patienten nach einer gewissen Zeit) weitgehend lösen. Aufgrund der wenigen Informationen, die man zur Verfügung hat, scheint es in den sehr reichlich dotierten vertikalen Programmen des Global Funds für AIDS-Patienten bis zu 50 Prozent «Verluste» zu geben. Dies zeigt einmal mehr, wie wichtig unabhängige Netzwerke und enge Kontakte mit der lokalen Bevölkerung und mit fortschrittlichen Basisgruppen sind, um das Recht auf Gesundheit gegen ökonomische Interessen der Pharmaindustrie verwirklichen zu können.

 

Anmerkungen

1 Selbst die sehr gemässigte Krebsliga Schweiz (KLS) hat sich in den letzten Jahren zunehmend empört über die Höhe der Preise der Antitumormedikamente geäussert. In einem Artikel (SonntagsBlick v. 30. 5. 2010) sagt der scheidende Präsident der KLS, Prof. Thomas Cerny: «Die Medikamente sind viel zu teuer». Und er fordert resolut, dass die Preise heruntergesetzt werden, «sonst riskiert die Pharmaindustrie, dass die Grundversicherung die Präparate nicht mehr zahlt». Diese hohen Preise würden deswegen folglich zu einer Zweiklassen-Medizin führen. In diesem Artikel werden die monatlichen Preise verschiedener Krebsmittel mit der damit bewirkten Lebensverlängerung verglichen. Für Avastin wird m.E. die erzielte Lebensverlängerung deutlich zu lang eingestuft.

2 Der erste Versuch mit diesem AMC wurde erst mit einem Impfstoff gegen Pneumokokken gemacht, bei dem einige Staaten und die Gates-Stiftung 1,5 Milliarden Dollar einbezahlen würden, damit die Industrie den Impfstoff so preiswert verkauft, dass er in den Entwicklungsländern erschwinglich wird. Dabei sind sehr viele Schwierigkeiten entstanden. Zurzeit sieht es so aus, als ob dieses Vorhaben scheitern würde (Lancet, 5. Dezember 2009, S. 1879).

 

Literatur

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Cavalli, Franco / Armitage, Jim / Hansen, Heine / Kaye, Stan / Piccart, Martine, 2009b: Textbook

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Hofmann, Siegfried / Neller, Marc / Thelen, Peter, 2010: Blockbuster-Arzneimittel im Visier.

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