Wider die Bellizisten!

Zweifel kennen Bellizisten nicht. Die hatten sie weder in der Vergangenheit – ob bei der „Befreiung der Kubaner“ 1898 oder bei „der Verhinderung eines neuen Auschwitz“ im Kosovo 1998 – noch heute, wenn es um Bombardements in Libyen geht. Im Gegenteil! Jeder, der nicht ihrem Kriegskurs folgt, stellt sich „auf die Seite des Henkers“. Ihre Moralität ist unerträglich, weil egoistisch, totalitär und letztlich menschenverachtend, denn wenn die jetzigen Bomben nicht ausreichen, müsse ebenmehr gebombt werden oder müssten gar Bodentruppen einge- setzt werden. Dann wird es noch mehr Opfer geben.

An der Spitze der Bellizisten, vulgo Kriegstreiber, schreiten selten Militärs, sondern meist Intellektuelle. Heute kommen sie vor allem aus Paris. In ihren wechselhaften Biografien standen die französischen Moralisten stets auf der „richtigen Seite“ und sie nahmen sich auch jedes Mal das Recht, die andere Seite als „feige“ und „unmoralisch“ zu denunzieren. Hierzulande rührt eine Allianz aus gesinnungsethischen Leitartiklern, atlantischen Sicherheitsexperten und sensationshungrigen Talkmasterinnen weiterhin die Kriegstrommeln. Sie können es nicht verwinden, dass Deutschland wieder mal ein militärisches Abenteuer verpasst. Und ein fast vergessener Ex-Politiker, dessen Partei zwar nichts mehr von ihm wissen will, der aber als Lobbyist für jeden zu haben ist, versuchte sich in gespreizten Sprüchen über eine „skandalöse deutsche Außenpolitik“ und fantasierte über „europäische Großstrategien an der Südflanke“. But we are not convinced, Mr Fischer!

Wie im Leben, so geht es auch in der Politik nicht ohne Moral. Aber dies gilt immer und nicht nur in einzelnen Momenten, wenn es – aus innenpolitischen Gründen – opportun erscheint. Das nennt man dann Doppelmoral oder gar Heuchelei. Eine verfehlte Nordafrika-Politik des Westens generell und Frankreichs speziell, das über Jahrzehnte auf die autoritären Regierungen, auch auf das Gaddafi-Regime, als enge Partner setzte, lässt sich jetzt nicht mit Bomben aus der Welt schaffen. Dazu bedarf es eines neuen, eines politischen Ansatzes. Deutsche Außenpolitik hat hier eine Chance, die couragiert wahrgenommen werden sollte. Wie auch immer der Außenminister heißen mag.

Prof. Raimund Krämer, Chefredakteur WeltTrends
Potsdam, im April 2011

Aus: WeltTrends 78 (Mai/Juni 2011)