Legalize it!

Themenschwerpunkteditorial zu "Drogen"

»Der globale Krieg gegen die Drogen ist gescheitert, mit verheerenden Folgen für die Individuen und Gesellschaften überall in der Welt.« Diese Worte stammen nicht von einem alternativen Drogenpolitiker oder einer dissidenten Wissenschaftlerin. Formuliert wurden sie von der prominent besetzten Global Commission on Drug Policy (siehe S. 23). Zu ihren Mitgliedern zählt neben vielen anderen der ehemalige UN-Generalsekretär Kofi Annan.

In ihrem Bericht vom Juni 2011 empfiehlt die Kommission, die »Kriminalisierung, Marginalisierung und Stigmatisierung« von DrogennutzerInnen zu beenden. Die verbreiteten Fehlannahmen über Drogenmärkte, -gebrauch und -abhängigkeit sollen hinterfragt statt immer wieder bekräftigt werden, mahnt die Kommission.

Anders als der Mainstream der Drogenpolitik, der die Produktion und den Gebrauch von (illegalisierten) Drogen mit strafrechtlichen und anderen Methoden um nahezu jeden Preis unterbinden will, hat die Kommission einen nüchternen Blick auf den Drogengebrauch geworfen. Sie konstatiert: Überall auf der Welt werden legale und illegale Drogen konsumiert, und zwar mehr denn je.

Die Einnahme von Drogen mit dem Zweck, Rauschzustände zu erreichen oder sich zu stimulieren, scheint offensichtlich einem menschlichen Grundbedürfnis zu entsprechen. Dieses Bedürfnis ist legitim, und es gibt durchaus ein Recht auf Rausch, das es gegen staatliche und religiöse Zugriffe zu verteidigen gilt. Die Zweiteilung »illegale Drogen = gefährlich« und »legale = weniger gefährlich« ist medizinisch ohnehin nicht haltbar. Zwischen Heroin und Nikotin liegen Welten, was die Repression betrifft; nicht aber beim Suchtpotenzial und den gesundheitlichen Folgen.

Gewiss, es gibt mittlerweile synthetische Drogen wie etwa Crystal, deren Einnahme nach bisherigen Erkenntnissen als rundweg gefährlich zu beurteilen ist. Doch gerade indem durch die generelle Illegalisierung der meisten Drogen ein riesiger informeller Markt geschaffen wird, ist die gezielte Bekämpfung einzelner Substanzen erschwert. Diese Schattenwirtschaften entziehen sich dem staatlichen Zugriff und vor allem aber jeglicher demokratischer Einflussnahme. In ihnen gilt ein Recht des Stärkeren, das nicht nur in Ländern wie Mexiko mit mörderischer Gewalt durchgesetzt wird.

Illegalisierung und Prohibition haben den Gebrauch von Drogen zu keinem Zeitpunkt verhindern oder auch nur mindern können. Im Gegenteil ist die Kriminalisierung integraler Bestandteil des Drogenproblems, indem die soziale und gesundheitliche Verelendung der UserInnen regelrecht provoziert wird. Miese Qualität des Stoffes, überhöhte Preise, verunreinigte Spritzen, Beschaffungskriminalität und Prostitution – all das sind direkte Folgen der Kriminalisierung, nicht des Drogengebrauchs an sich.

Dass der nicht selten mit harschen militärischen Methoden geführte Krieg gegen die Drogen erfolglos ist, müssen mittlerweile selbst einige seiner bisherigen Verfechter zugestehen. Dennoch wurde der von US-Präsident Richard Nixon losgetretene »War on drugs« seit 1972 immer wieder neu aufgelegt, etwa im großen Umfang beim »Plan Colombia« nach 1999. Viele Milliarden Dollar wurden und werden für die gewaltsame Unterdrückung der Drogenproduktion und des -handels ausgegeben. Gleichzeitig stiegen damit aber die Profitraten in dem Business. Es liegt also nicht nur an der hohen Nachfrage, dass dieses Geschäft so lukrativ ist.

Die klassische dichotome Sichtweise, laut der im »Süden« Drogen produziert werden, die dann im »Norden« konsumiert werden, ist ebenfalls obsolet geworden – sofern sie nicht schon immer falsch war. Alle empirischen Befunde ergeben: Im globalen Süden ist Drogengebrauch so verbreitet wie andernorts. Er ist auch nicht auf die klassischen agrarischen Drogen (Koka, Cannabis, Opium) beschränkt; synthetische Drogen haben längst auch thailändische oder peruanische Bergdörfer erreicht. Die Drogenbranche ist eine der am meisten globalisierten Branchen überhaupt.

Legalisierungs- oder zumindest Entkriminalisierungspolitiken stehen derzeit weltweit auf der politischen Agenda, im lokalen Rahmen ebenso wie im UNO-Kontext. Dies beruht auf ganz pragmatischen Einsichten, aber auch einer partiellen Entideologisierung der Diskussion über Drogenpolitik, wie sie im erwähnten Bericht der Global Commission on Drug Policy zum Ausdruck kommt.

Allzu viele Hoffnungen darf man sich aber nicht machen, wie in Deutschland zuletzt die Vorkommnisse rund um den Parteitag der LINKEN zeigten. Die Delegierten hatten zunächst mit Hinweis auf die negativen Folgen der Kriminalisierung die Freigabe aller Drogen gefordert. Die Medien fielen sofort über die Linkspartei her, die SPD warf ihr »unverantwortlichen Unsinn« vor. Am nächsten Tag wurde der Beschluss auf Betreiben von Parteichef Gregor Gysi verwässert, nun ist von »kontrollierter Abgabe« die Rede – was die Stammtische nicht daran hindert, die Linke weiterhin zu schmähen. Das Zerrbild von den bösen Drogen, die eine heile Welt zerstören, ist nicht aus den Köpfen zu vertreiben.

Die Bebilderung unseres Themenschwerpunktes spiegelt wider, dass Drogen auch als etwas ganz Normales angesehen werden können: Als Ware, die in einer kapitalistischen Warengesellschaft verkauft werden. Um Verherrlichung von Drogen geht es uns dabei nicht – anders als Reggaestar Peter Tosh, der das von ihm geliebte Cannabis einst so besang: »Legalize it, don’t criticize it«. Ersterem können wir uns anschließen, letzteres behalten wir uns wie bei allen Waren vor.

 

die redaktion