... und du so?

Auswertung einer nicht repräsentativen Umfrage über die Porno-Vorlieben Linker

Ich habe keine Erfahrungen mit qualitativen Studien. Doch ich habe behauptet, eine machen zu wollen. Und das war nicht geflunkert. Denn ich wollte es wissen: Wie reagieren die Mitglieder der reflect-Mailingliste, einem Mailverteiler mit 3.000 Abonent_innen, die sich aus den verschiedenen Ecken der Berliner Linken zusammensetzen, darauf, wenn man sie nach ihren Porno-Vorlieben fragt? Deshalb schrieb ich:

„Im Rahmen einer qualitativen Studie wollen wir die Porno-Vorlieben in der links-alternativen Szene erforschen. Wir möchten euch deshalb bitten, uns Zugang zu euren favorisierten Filmen zu ermöglichen. Dabei spielt es keine Rolle, ob ihr uns einen Link schickt oder wir uns ein altes VHS-Band ausborgen dürfen. Möglicherweise steht ihr ja auch zu einem Gespräch zur Verfügung. Selbstverständlich erfolgt die Auswertung anonymisiert.“

Ich habe auf meine Mail insgesamt acht Antworten erhalten. Den Namen der Absender zufolge handelte es sich hierbei um drei männlich und vier weiblich Sozialisierte, eine Person ließ sich geschlechtlich nicht eindeutig zuordnen. Ich muss gestehen, ich hatte keine konkreten Vorstellungen oder gar einen Plan, wie mit den Reaktionen umzugehen sei. Ich muss gar gestehen, ich habe erwartet, vor allem deutlich ablehnende Reaktionen zu erhalten. Immerhin gilt die Zurschaustellung (weiblicher) Sexualität gegen Geld auch in vielen sich als emanzipatorisch verstehenden Zusammenhängen als menschenverachtend. Möglicherweise schwächt es aber die Gegner_innenschaft, dass sie eine Google-Suche nach „PorNo“ direkt in die Untiefen des virtuellen Fick-Paradieses katapultiert. Zumindest blieben wüste Beschimpfungen auf meine Mail aus.

Die Vorlieben der Akademiker_innen

Was – sicherlich vollkommen zu recht – kritisiert wurde, war die mangelnde Wissenschaftlichkeit der Umfrage. Zunächst wurde von einer Zuschrift bezweifelt, die Anonymität könne gewahrt bleiben. Deshalb wolle sie nichts preisgeben, zumal nicht auszuschließen sei, dass wir uns einmal in einem anderen Zusammenhang über den Weg laufen werden. Daran hatte ich tatsächlich nicht gedacht: Selbst Berlin ist klein. Stellt euch vor, wir träfen uns zufällig bei der Konferenz XY wieder: Ich überbrücke einen Workshop mit der Lektüre der letzten Jungle World, während sich die einst von mir interviewte Person gerade beim junge Welt-Stand eingedeckt hat. Da wir uns einst schon unter Gürtellinie befunden haben, wäre ein vertrauensvoller Streit zur Nahostfrage beispielsweise nicht mehr möglich.

Von zwei Personen erhielt ich Reaktionen, die durchaus an meinem Vorhaben interessiert waren. Weniger ging es allerdings darum, sich selbst zu offenbaren, sondern darum, mehr über die Studie zu erfahren. Die Motivationen, mir zu antworten, waren gegensätzlich: Die eine scheint sich selbst mit dem Thema zu befassen und wollte gerne mehr zu meinem Vorgehen wissen. Der anderen war die Studie ein „bisschen abstrus“, was sie nicht davon abhielt, mal mehr Informationen abzufragen. Mit deutlicher Verzögerung wurde eine Antwort auf meine Mail nicht an mich privat, sondern über den gesamten Verteiler geschickt, in der sich über meinen „Appell“ lustig gemacht wurde. In der Mail heißt es: „Worauf soll das denn hinauslaufen? Dass die Studie vielleicht ergibt, dass Zecken und Hippies sich lieber Pornos kollektiv im Gemeinschaftszimmer anschauen und dann auch nur welche mit Handlungen, aus denen ersichtlich wird, dass alle Protagonist_innen im Porno demokratisches Mitbestimmungsrecht haben und so? Hahahaha!“ Ja, vielleicht. Vielleicht aber auch nicht.

Von Redtube bis PornYes

Einer Zuschrift, die mir ihre Vorlieben offenbarte, war diese Frage – um es etwas platt auszudrücken – herzlich egal. Diese Person schrieb, dass sie sich Videoclips aus dem Internet lädt und sie in Reihe abspielen lässt. Dabei greift sie auf Plattformen wie redtube.com zurück. RedTube und YouPorn, die beiden größten kommerziellen, aber kostenfreien Pornofilmplattformen, verfügen über unüberblickbare Sexvideotheken. Hier ist für jede Vorliebe etwas dabei: Du stehst besonders auf Rothaarige? Kein Problem! Analsex ist deine Welt? Such dir was aus! Die Kategorie „emanzipierter Sex“ (was auch immer das sein soll) wirst du hier aber vergeblich suchen.

„Grundsätzlich ist mir wichtig, dass Pornos sexpositiv sind und feministisch und es ethische Arbeitsbedingungen für die Darsteller_innen gibt.“ schrieb mir eine andere Person. Für sie ist damit YouPorn und Äquivalente uninteressant. Es erstaunt mich fast, dass ich mit dieser Reaktion auf meinen Aufruf nur eine queere Rückmeldung bekommen habe. Diese war dann aber auch wunderbar konkret: Zum Einen verwies die Person auf den Film „One Night Stand“ von Emilie Jouvet, der 2006 den lesbischen Jury-Preis beim Pornfilmfestival Berlin erhielt. In dem Film werden nur lesbischer und transgender Sex gezeigt. Zum Anderen war in der Mail an mich crashpadseries.com verlinkt. Hierbei handelt es sich um eine Filmreihe, welche die facettenreichen Bedürfnisse nach queeren Pornos befriedigen möchte. Hier wird vor der Kamera nicht für den heterosexuellen Mann gefickt, der eine cleane und auf das wesentliche reduzierte Kurzgeschichte erzählt bekommen will. Hier geht es ordentlich zur Sache, doch nach anderen Regeln.

Zu guter Letzt sind die verbleibenden beiden Zuschriften zu erwähnen, die gemein haben, dass sich die Personen wohl für Pornographie interessieren, jedoch nicht – wie ich wie selbstverständlich angenommen hatte – mit Filmen dienen konnten. Diese Personen bevorzugen wohl andere Medien, um ihren pornographischen Bedürfnissen zu genügen. So fragte mich eine der beiden, ob ich für die Studie auch mit Fotos etwas anfangen könnte. Ich habe leider wie bei allen anderen Rückmeldungen auch nicht weiter nachgefragt, doch insgeheim interessiert es mich am meisten an den nun offenen gebliebenen Fragen, um was für Bilder es sich handeln könnte.

Was können wir also zusammenfassend feststellen? Mir wurde auf meine Mail nicht die Bude eingerannt, doch zumindest gab es konstruktive Rückmeldungen. Offenbart haben sich dennoch nur zwei Personen. Die anderen sehen in linken Pornovorlieben ein interessantes Feld, gehen die Sache dann doch lieber akademisch an. Ist das nun ein Zeichen für Prüderie? Oder gerade nicht? Wahrscheinlich wie immer: Beides!