Unmenschlich: Nackte Unterbringung in Gefängniszelle

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat einem ehemaligen Strafgefangenen eine Entschädigung in Höhe von 10.000 Euro zugesprochen, weil er eine Woche lang nackt in einer Sicherheitszelle eingesperrt worden war, was einen Verstoß gegen Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention darstellt. Der Beschwerdeführer sollte von einer Einzelzelle in eine Gruppenzelle mit offener Toilette verlegt werden. Dagegen stellte er einen Antrag bei Gericht, da in einem anderen Fall entschieden worden war, dass eine solche Verlegung rechtswidrig ist. Trotzdem wurde davon kein Abstand genommen. Aufgrund seiner Weigerung, in einer Gruppenzelle untergebracht zu werden, kam es zu einem Gerangel zwischen ihm und den VollzugsbeamtInnen. Bei dieser Auseinandersetzung soll er auch von den BeamtInnen geschlagen und getreten worden sein. Daraufhin wurde er in eine Isolationszelle verbracht – ohne Kleidung. Erst nach sieben Tagen durfte er diese Zelle verlassen.

Gegen die Anwendung von unmittelbarem Zwang und die Verbringung in die Isolationszelle klagte sich der Beschwerdeführer durch alle Instanzen. Der EGMR führt in seiner Entscheidung aus, dass die Anwendung von unmittelbarem Zwang nicht zu beanstanden ist, im Gegensatz zur nackten Unterbringung in einer Sicherheitszelle. Die Entziehung der Kleidung könne bei einem Menschen „Gefühle der Angst, Qual und Unterlegenheit hervorrufen, die geeignet sind, ihn zu demütigen und zu entwürdigen“. Obwohl die Unterbringung und ihre Art nur dem Schutz vor Selbstverletzungen dienen sollte, hätten weniger einschneidende Maßnahmen, wie reißfeste Kleidung, in Erwägung gezogen werden müssen. Bemerkenswert ist auch das Vorbringen der Bundesregierung, dass es gängige Praxis sei, Gefangene zum Schutz vor Selbstverletzungen unbekleidet in derartigen Hafträumen unterzubringen, solange der Erregungszustand anhalte.

Der EGMR charakterisierte die Maßnahme als unmenschlich und machte so deutlich, dass diese Art der Behandlung über das mit der Bestrafung zwangsläufig verbundene Maß an Leid und Demütigung hinausgeht – was bei Gefängnisstrafen häufig der Fall ist. An keinem anderen Ort wird so deutlich wie im Gefängnis, dass der Staat zur Durchsetzung seiner Ziele in den intimsten Bereich eines Menschen eindringen kann, um diesen zu disziplinieren. Auch wenn es sich angeblich um eine Selbstschutzmaßnahme gehandelt haben soll, wird hier unter dem Deckmantel des staatlichen Paternalismus das Bestehen auf eigenen Rechten durch Disziplinierungs- und Anpassungsmaßnahmen unmöglich gemacht.

Sophie Rotino, Berlin