„Tod@s somos iguales – tod@s somos diferentes“ – Widerstandsperspektiven von zapatistischen Frauen

„La lucha puede empezar en cualquier punto pero nunca termina.“
„Der Kampf kann an jedem Punkt anfangen, aber er hört nie auf.“
(Zapatistische Redensart auf dem Wandbild an einem kollektiven Dorfladen in einer Unterstützungsgemeinde in Chiapas)

Keywords: Zapatista (social) movement, gender, ethnicity, agency/doing resistance

Schlagwörter: Zapatistische Bewegung, Geschlecht, Ethnizität, agency/doing resistance

Spätestens mit dem Aufstand am 1. Januar 1994 hat die zapatistische Bewegung Grundlagen für ein Leben im Widerstand ohne die Zusammenarbeit mit staatlichen Institutionen und Parteien geschaffen. Bereits ein Jahr vor dem Aufstand hatten Zapatistinnen mit der Formulierung des Ley Revolucionaria de la Mujer eine Artikulation von situierten geschlechtsspezifischen Interessen innerhalb der zapatistischen Bewegung angestoßen. Durch das Revolutionäre Frauengesetz wurden die Partizipation und der Ausbau von Frauenrechten in verschiedenen Lebensbereichen eingefordert. Die prominente Positionierung von Frauen während öffentlicher Auftritte der Ejército Zapatista de Liberación Nacional (EZLN) zeigte, dass es sich hierbei nicht um bloße Worthülsen handelte. Bei der Besetzung der Verwaltung der kolonial geprägten Bezirkshauptstadt San Cristóbal de las Casas am 1. Januar 1994 hatte Majorin Ana María das Kommando inne (vgl. Kampwirth 2003: 83). Comandanta Ramona repräsentierte in den ersten Jahren des Aufstands die spezifisch situierten Perspektiven zapatistischer Frauen bei öffentlichen Großereignissen. Und nicht zuletzt als im Jahr 2001 Comandanta Esther als erste indigene Frau in der mexikanischen Geschichte vor dem Nationalen Kongress sprach, wurde die Bedeutung der Geschlechterkämpfe innerhalb der zapatistischen Bewegung deutlich. Auch auf lokaler Ebene in den zapatistischen Unterstützungsgemeinden und in alltäglichen Lebensbereichen sind zapatistische Frauen aktiv. Doch gestaltet sich die Transformation von Geschlechterverhältnissen als langwieriger und schwieriger Prozess, insbesondere wenn es sich um die Revolutionierung der internen Strukturen handelt.

In unserem Beitrag beschäftigen wir uns mit der Herausbildung eines geschlechtsspezifischen Widerstandskonzeptes im Kontext der zapatistischen basisdemokratischen Autonomie. Bezogen auf das Verhältnis von Selbstverständnis und sozialer Praxis zapatistischer Frauen beschreiben wir, wie Handlungsmacht (agency) als soziale Widerstandspraxis entstehen kann und wirkmächtige Kategorien der Differenz dabei in einem Wechselverhältnis stehen. Handlungsmacht bedeutet hier, dass Individuen sich in herrschenden Strukturen ein Bewusstsein schaffen und gegenhegemoniale strategische Politiken entwickeln können (vgl. Gutiérrez Rodríguez 2010: 241). Anknüpfend an postkoloniale-feministische Theorieansätze zu Agency möchten wir die geschlechtsspezifische Widerstandspraxis der zapatistischen Bewegung in den Blick nehmen und diskutieren, wie situierte Fraueninteressen trotz oder während erschwerter Bedingungen, wie der anhaltenden staatlichen Repression, einer neoliberalen Regierungspolitik und Militarisierung oder gegen den Widerstand der eigenen compañeros, bis heute durchgesetzt werden konnten.

Was wollte das zapatistische Frauengesetz, wie ist der aktuelle Bezug darauf und welche Veränderungen konnten die zapatistischen Frauen auf dieser Grundlage trotz der repressiven Bedingungen des Krieges niederer Intensität in Gang bringen?

Wir verstehen das Gesetz, das aus den Auseinandersetzungen mit spezifischen Ungleichheitsmomenten entlang intersektionaler[1] Differenzkategorien entstand, als Ausgangspunkt für eine geschlechtsspezifische Widerstandspraxis. In einer zapatistischen Gemeinde kann die Subjektposition einer indigenen Frau ganz unterschiedlich bedingt sein: Sie ist zum Beispiel Analphabetin, (schul‑)gebildet, Inhaberin eines Gemeindepostens, lebt verheiratet, ist geschieden oder ist die Frau eines Migranten oder schon einmal selber migriert. Sie hat die Verantwortung für die Versorgung der Familie allein übernommen, sie ist in der ersten oder zweiten Generation in der zapatistischen Bewegung engagiert, sie ist in dem politischen oder militärischen Flügel der EZLN aktiv, lebt in einer Unterstützergemeinde der Guerilla oder organisiert sich gemeinsam mit anderen Frauen in Frauenkollektiven.

Grundlagen unserer Überlegungen sind die Gesetzestexte des zapatistischen Frauengesetzes, akademische Forschungsarbeiten hinsichtlich seiner Auslegung und Auswirkungen und v.a. die Selbstdarstellung der Zapatistas in Kommuniqués und öffentlichen Reden, die anlässlich politischer Interventionen wie der Marcha für indigene Rechte und Kultur 2001, der 2006 angestoßenen Anderen Kampagne[2] oder Großereignissen wie den Eröffnungen der caracoles 2003 gehalten wurden. Darüber hinaus beziehen wir uns auf fraueninterne Reflexionsprozesse wie z.B. während des Zapatistischen Frauentreffens im Dezember 2007 sowie auf Interviews mit den Gremien der zapatistischen Selbstverwaltung, die während einer von uns besuchten Solidaritätsbrigade 2010 in allen fünf caracoles geführt wurden.[3] Das nicht aufzulösende Spannungsverhältnis zwischen Außendarstellung der Bewegung und den tatsächlichen Veränderungsprozessen in den zapatistischen Gemeinden im Widerstand kann im Kontext machtvoller postkolonialer Kontinuitäten und des Krieges niederer Intensität auch als Teil einer gegenhegemonialen Strategie gelesen werden. Zudem stehen Repräsentation und mediale Intervention stets in einem Austauschprozess mit dem Handeln der Bewegungsakteur_innen, weshalb hier der Blick sowohl auf die repräsentativen Reden und die politischen öffentlichen Interventionen von zapatistischen Frauen als auch auf das alltägliche Leben im Widerstand gerichtet wird.

Gemäß der Eigenpositionierung beziehen wir uns im Folgenden auf die Selbstbezeichnung der mujeres indígenas zapatistas, um die in der zapatistischen Bewegung organisierten campesinas als kollektive Akteurinnen in den Blick zu nehmen. Die Zapatistin Elisa, die im caracol Roberto Barrios [einem der fünf politischen Zentren der Zapatistas] lebt, beschreibt dieses Selbstverständnis der kollektiven Identität „Frau“, welches für sie mit der Aneignung von Würde verbunden ist: „Für mich ist Frau-Sein wundervoll, weil ich mich als solche würdevoll fühle und ich als Frau das Recht habe, an allen Arbeiten teilzunehmen.“ (zit. n. Araiza Díaz 2004: 137, eigene Übersetzung)

La Ley Revolucionaria de la Mujer –
Ein Ergebnis, ein Anfang und kein Ende

Mit einer von EZLN-Kommandantinnen vor dem Aufstand durchgeführten consulta im damaligen zapatistischen Gebiet[4] begann ein Prozess des Hinterfragens der tradierten usos y costumbres [Gewohnheiten und Bräuche, Anm. d. Verf.innen]. In einem Diskussions‑ und Analyseprozess stellten Frauenversammlungen in den besuchten Gemeinden und Landkreisen gemeinsam ihre schwierige geschlechtsspezifische Situation als mujeres indígenas heraus (vgl. Rovira 1997: 110f). Zu den sozialen Bedingungen, die eine breite und vielfältige Organisation von Frauen hervorbringen konnte, gehörte der entstehende Kontakt zwischen urbanen mestizischen Frauen aus sozialen Bewegungen und den indigenen Bäuerinnen ab den 1970/80er Jahren (vgl. Garza & Toledo 2008). Die Formulierung des zapatistischen revolutionären Frauengesetzes ist somit als das Ergebnis eines sozialen Prozesses zu verstehen, in dessen Verlauf sich ein spezifisches politisches Bewusstsein gegen die subordinierte Position von Frauen entwickelte. Gleichzeitig ist es aber auch der erste revolutionäre Akt des zapatistischen Aufstandes. Comandanta Susana erntete bei der anwesenden männlichen Audienz viel Verwunderung, als sie auf der Versammlung des Klandestinen Revolutionären Indigenen Komitees [dem obersten Entscheidungsgremium der EZLN, Anm. der Verf.innen] im März 1993, bei welcher es um die Abstimmung von Kommissionsvorschlägen indigener Gesetze z.B. auch zu Agrarfragen, zur Justiz oder zur Kriegssteuer ging, zum ersten Mal die Forderungen des Gesetzeskatalogs verlas (vgl. Subcomandante Marcos 1994a: 93).

Der Inhalt des Frauengesetzes reflektiert zusammengefasst die Forderungen, dass Frauen als vollständige Rechtssubjekte wahrgenommen werden, Land besitzen und an den Entscheidungsstrukturen partizipieren können. Ferner sollen sie Selbstbestimmung über sexuelle und reproduktive Rechte erhalten und ihre physische Integrität anerkannt werden (vgl. EZLN o.J.). Der Gesetzeskatalog kann sodann als ein Spiegel für das Selbstverständnis zapatistischer Frauen gelesen werden. Es verdeutlicht die Aspekte, die aus Perspektive der Lebenswelten zapatistischer Frauen zur Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit notwendig sind. In Bezug auf die patriarchalen Strukturen und Erfahrungen in den Gemeinden analysierten die Frauen, dass der unreflektierte positive Bezug auf die usos y costumbres als einen der Ausgangspunkte für die Konstruktion widerständiger indigener Identitäten nicht frei von patriarchalen Herrschaftsstrukturen und ‑praktiken war. Das Gesetz als ein Ergebnis der Selbstreflexion kann für die Bezugnahme auf Ethnizität und Geschlecht in ein Dilemma münden. Denn gegenüber der Marginalisierung und rassistischen Ausgrenzung von indígenas durch die mexikanische Mehrheitsgesellschaft (vgl. Gall 2004) kann das Festhalten an den eigenen Traditionen als Widerstandsstrategie gesehen werden. Diese wiederum kann Asymmetrien innerhalb der Geschlechterbeziehungen manifestieren (vgl. Falquet 2001). Auf einer Versammlung in Chiapas im Jahre 1994 erklärten die anwesenden indigenen Frauen:

„Wir müssen darüber nachdenken, was an unseren Traditionen und Bräuchen erneuert werden muß. Das Gesetz sollte nur die Traditionen und Bräuche schützen, die von den Gemeinden als gut befunden wurden. Zum Beispiel sind wir gegen den Brauch, dass die Dorfautoritäten untereinander ausklüngeln, wie das Gemeindeland verteilt wird.“ (Protokoll von Chiltak, zit. n. Topitas 1994: 96)

Der formulierte Anspruch eines geschlechtsspezifisch autonomen, selbst definierten Widerstandskonzeptes tritt als Teil des autonomen Widerstandsverständnisses der Bewegung auf. Jenseits von staatlichen Institutionen richtet sich die Etablierung von dezentralen und basisdemokratischen Entscheidungsprozessen auf die Demokratisierung der internen Hierarchien und Machtverhältnisse (vgl. Kastner 2011: 79). Innerhalb der indigenen Autonomie werden Ansprüche – wie das mandar obedeciendo (gehorchend regieren), Gerechtigkeit (zapatistische Justiz), Verbesserung der Produktion, Versorgung und Schulbildung – nicht nur mit Demokratie, Freiheit und Gerechtigkeit (Subcomandante Marcos 1994b) als Forderungen nach außen formuliert, sondern in die alltägliche Praxis als Leben im Widerstand umgesetzt. Dieser Widerstand zielt nicht auf die Übernahme der Staatsmacht ab (vgl. Holloway 2002). Gonzalez-Perez bezeichnet diese Organisationsform, deren Politiken sich unmittelbar auf den Umgang mit Geschlechterdifferenzen auswirken, als domestic guerilla organization. Diese Politiken fordern häusliche Gewalt‑ und Unterdrückungsstrukturen heraus und ermöglichen die aktive und gleichberechtigte Partizipation von Frauen auf allen Ebenen der Guerilla (vgl. Gonzalez-Perez 2006).

Aus dem kombinierten „Widerstand gegen Patriarchat und weiße Eliten“ (Gabbert u.a. 2000) sind weitergehende Prozesse hinsichtlich der Geschlechterverhältnisse innerhalb der indigenen comunidades ermöglicht worden. Die Ansprüche der mujeres zapatistas wurden sichtbar und schließlich in das Selbstverständnis der gesamten Bewegung integriert.[5] Als soziale und politische Akteurinnen beteiligen sich die Frauen in den verschiedenen Organisations‑ und Aktionsformen innerhalb der Bewegung. In der Aneignung von Handlungsmacht indigener zapatistischer Frauen finden hier Verschränkungen von internen und externen Demokratisierungsansprüchen statt.

Das Zapatistische Frauengesetz fungiert dabei als Referenzrahmen für die Anerkennung und Durchsetzbarkeit der Frauenrechte. In diesem Kontext verstehen wir das Gesetz als Ergebnis eines Denkprozesses, des Bewusstwerdens und des Sprechens, welches als Ausgangspunkt dafür gilt, dass das, was gesprochen und gedacht werden kann, auch in Handlungen umgesetzt wird. Dieser Artikulationsraum bildet ein zentrales Bezugsmoment im Alltag zapatistischer Frauen, denn er konnte Möglichkeiten für Partizipation und Gleichberechtigung, für die Verbesserung der reproduktiven Gesundheit und sexuellen Selbstbestimmung schaffen und bedingen (vgl. Tuider 2004). Gleichwohl bedeutet seine Existenz nicht, dass Recht und Rechtsprechung in der Wirklichkeit nicht voneinander abweichen und der Lebensalltag indigener Frauen nach wie vor von Belastungen geprägt ist.

Miserable Ungleichheiten als Ausgangspunkt
für die Kämpfe um würdige Lebensverhältnisse

In Chiapas sind etwa 28 Prozent der Bevölkerung als indigen registriert (vgl. Kerkeling 2009: 288f). Zugleich weist der südlichste Bundesstaat Mexikos eine der höchsten Armutsraten Lateinamerikas, verbunden mit einem hohen gesellschaftlichen Gefälle auf. Über 65 Prozent der Bevölkerung lebt in einem Zustand der Armut bzw. extremen Armut. Diese soziale Polarisierung wurde verschärft durch Wirtschaftskrisen und neoliberale Politikreformen, die die Verarmung eines Großteils der Bevölkerung beschleunigte. Im internationalen Vergleich äußert sich dies durch extrem hohe Raten der Mütter‑ und Kindersterblichkeit, der Arbeitslosigkeit und des Analphabetismus.[6] Zudem hatten in Chiapas bis in die 1980er Jahre und darüber hinaus quasi-feudale Verhältnisse geherrscht. Seit 1994 wurden durch die Landnahmen der EZLN und dem beginnenden Aufbau der autonomen Infrastruktur wichtige materielle Grundlagen für die Selbstorganisierung geschaffen. Mit der neoliberalen Agrarreform, die 1992 mit einer Verfassungsänderung die Privatisierung von ejido-Land ermöglichte, verschärften sich die Probleme der von Subsistenzwirtschaft lebenden Bevölkerung (vgl. Kerkeling 2012). In besonderem Maße hatten und haben unter diesen Verhältnissen subalterne indigene Frauen zu leiden. Sie sind aufgrund der Mangelernährung und der vielen Geburten besonders betroffen von Krankheiten oder Müttersterblichkeit (vgl. Rovira 1999; Olivera 2008: 33f; Millán 2000). In Interviews und Reden berichten Zapatistinnen immer wieder von bis heute geläufigen Beschränkungen auf Tätigkeiten und Bewegungen im Rahmen der Reproduktionsarbeit. Ein Arbeitstag umfasst dabei mehrfach belastende Aufgabenfelder, z.B. die Versorgung der Familie, die Betreuung der Kinder und die reproduktiven Tätigkeiten im Haushalt (vgl. Olivera 2001). Aufgrund der patriarchalen Verflechtungen ist der Zugriff auf den weiblichen Körper häufig den männlichen Autoritätspersonen vorbehalten. In vielen Fällen waren (und sind) indigene Frauen durch patrilineare Vererbung nicht nur von Besitz und ökonomischer Teilhabe ausgeschlossen, sondern auch von Möglichkeiten der politischen Partizipation (vgl. Rovira 1997).

Darüber berichtete Esther 2001 in ihrer Rede vor dem mexikanischen Kongress:

„Wir [die indigenen Frauen, Anm. der Verf.innen] leiden auch unter Verachtung und Marginalisierung seit dem Augenblick unserer Geburt […]. Man denkt nämlich, dass wir als Mädchen nichts wert wären. […] Wir können nichts sagen, weil sie uns sagen, wir hätten kein Recht, uns zu wehren. Die Mestizos und die Reichen verspotten uns indigene Frauen wegen unserer Art, uns zu kleiden, zu sprechen, unserer Sprache, unserer Art zu beten und zu heilen, und wegen unsere Farbe, welche die Farbe der Erde ist, die wir bearbeiten. […] Wir, die indigenen Frauen, haben nicht dieselben Möglichkeiten wie die Männer, die alle Rechte haben selbst zu entscheiden. Nur sie haben das Recht auf Land […] Die schlechten Regierungen lehrten uns diese ganze Situation. Wir indigene Frauen haben keine gute Ernährung. Wir haben keine würdigen Behausungen. Wir haben keine medizinische Versorgung oder Bildung.“ (Comandanta Esther 2001)

Die Rede veranschaulicht die heterogenen Verschränkungen von Machtkategorien in den eigenen Reihen und in der mexikanischen Mehrheitsgesellschaft. Zapatistische Frauen konnten aus dieser Situation der mehrfachen Subordination mit dem zapatistischen Frauengesetz als neue kreative politische Kraft ihre Konzeptionen von kultureller Autonomie als doing resistance öffentlich sichtbar machen und im alltäglichen Handeln umsetzen. Comandanta Maribel resümiert für die kämpfenden Frauen, dass sich mit dem Gesetz die Art und Weise zu leben für sie geändert hat: „Es war, als ob wir träumten, denn in all unseren Köpfen steckte drin, dass die Frau immer nur gehorchen muss.“ (zit. n. Siller & Siemers 2009: 48)

Von der Kritik an einer Homogenisierung
zur situierten Perspektive von Subalternen

Die zapatistische Parole „Tod@s somos iguales – tod@s somos diferentes“ zeigt exemplarisch, dass eine Selbstreflexion der zapatistischen Akteure stattfindet, die zugleich die Gemeinsamkeiten und die Differenz der Individuen in der politischen Bewegung hervorhebt. Ein Blick auf die heterogenen Lebensverhältnisse in Chiapas zeigt, dass nicht nur eine Vielzahl gleichzeitiger Bedingungsgefüge für die Formung von Subjektpositionen existiert, sondern auch Verschmelzungen und Veränderungen zwischen diesen stattfinden. Eine Suche nach einer wahren Stimme und Identität von Aufständischen (Spivak 1988) würde an Homogenisierungen von „Frauen aus der dritten Welt“ in der westlichen Wissensproduktion anschließen (vgl. Mohanty 1988).[7] Anstelle einer homogenisierenden Sicht sollen Differenzen und Widersprüche, Segmentierungen und Fragmentierungen sichtbar gemacht werden (vgl. Hall 1994: 70).

Brüche und Kontinuitäten sozio-kultureller Praktiken formieren sich entlang historisch geprägter Prozesse und neuerer, etwa durch transnationale Bewegungen geprägter Einflüsse. Ein Beispiel sind die culturas híbridas (Canclini 1990), die aus den Migrationserfahrungen aus größeren mexikanischen Städten und aus den USA in indigenen Gemeinden entstanden. Hier kann an die Verwendung neuer technischer Geräte im Haushalt, die Ernährungsweise oder den Musik‑ und Kleidungsstil gedacht werden. Die organisatorische Verbindung der politischen Selbstorganisation der Zapatistas mit den in der Kolonialzeit historisch gewachsenen so genannten Cargo-Systemen, d.h. kollektiven Arbeits‑ und Organisationsformen auf Basis von unbezahlter kollektiver Gemeindearbeit, ist ein weiteres Beispiel für die Verschmelzung von Lebensformen. Vor dem Hintergrund solcher varianten Lebensrealitäten ergibt sich eine spezifische Situierung von Subalternen. Der Bezug auf eine patriarchale, zweigeschlechtliche Ordnung hat zum Beispiel in der Realität von Feminiziden[8] und massiver geschlechtsspezifischer Gewalt, wie sie in Mexiko seit Jahren zu beobachten ist, für illegalisierte Migrierende eine andere Bedeutung als etwa für eine wohlhabende Studierende in Mexiko-Stadt. Das spezifisch zapatistische Selbstverständnis und Kollektivgefühl für Frauen im Widerstand nehmen daher eine immense Bedeutung an, wenn etwa durch staatliche Repression Einschränkungen in der Bewegungs‑ und Handlungsfreiheit von Frauen erfolgen (vgl. Araiza Díaz 2004: 141). So die Zapatistin Irma aus Roberto Barrios:

„Mich hat es sehr betroffen, dass man nicht einmal ins Dorf gehen kann; manchmal, als die Militärposten da waren, [...] konnten wir nicht einmal passieren, wir konnten nicht hier in unsere Region kommen. [...] Sie verlangten eine Identifikation von uns, so als wären wir nicht Einheimische von hier, und deswegen haben wir uns sehr schlecht gefühlt, so als ob wir für das mexikanische Militär schlechte Menschen wären, [...] aber im Gegenteil, unserer Auffassung nach sind wir keine schlechten Menschen, sondern wir tun, was wir können.“ (Irma zit. n. Araiza Díaz 2004: 141, eigene Übersetzung)

Subalterne Zapatistinnen und Handlungsmacht

Neben der Kritik an der Homogenisierung der Subalternen und der Betonung der Situiertheit von Perspektiven stellen der black feminism oder der Chicana-Feminismus in ihrer „Konzeption des postkolonialen Moments“ (Gutiérrez Rodríguez 2010: 241) die Handlungsmacht von Subjekten heraus. Ausgehend von der spezifischen Objektivität eines „situierten Wissens“ (vgl. Haraway 1995) als Vielfalt partieller Perspektiven und begrenzter Verortung ist eine universale Suche nach allgemeingültigen Antworten und Strategien gegenüber einem als übermächtig wahrgenommenen Patriarchat passé. Die Bezugnahme zapatistischer Frauen auf ihre mehrfache Subordination, wie sie in der Rede Esthers beschrieben wurden, ist vor diesem Hintergrund weniger im Sinne von eindimensional traditionellen Zugehörigkeiten denn als konstruktiver Handlungsprozess zu verstehen. Prozesshafte Bezugnahmen der „Frauen“ auf ihr „Frau‑ und Indigen-Sein“ reflektieren die Mehrfachzugehörigkeit der eigenen Position im Sinne eines preguntando caminanos [zapatistisches Selbstverständnis: „Fragend schreiten wir voran“, Anm. d. Verf.innen], in der Tradition und Ethnizität nicht als starre Komponenten verhandelt werden. Dies wird durch die Entstehung des zapatistischen Frauengesetzes und die Kritik an den schlechten usos y costumbres zum Ausdruck gebracht. Die selbstbestimmte Artikulation von spezifisch situierten Geschlechterinteressen im zapatistischen Frauengesetz verweist in Verbindung mit der Entstehung eines neuen Selbstbewusstseins auf die Aneignung von Handlungsmacht. Diese öffnet Räume für die Entstehung neuer Subjektpositionen indigener zapatistischer Frauen, in denen nachhaltige Veränderungen in Gang gesetzt werden können.

20 Jahre zapatistisches Frauengesetz

Seit dem „Aufstand vor dem Aufstand“ und dem Beginn des „Kampfes innerhalb des Kampfes“ (Topitas 1994) politisierten die Zapatist_innen die repressiven Verhältnisse und begannen, praktische Bedingungen zur Verbesserung ihrer Lebenssituation zu erschaffen. Der Aufbau von autonomen Gesundheitsstrukturen, Z.B. der autonomen Frauenklinik „Comandanta Ramona“ in La Garrucha, konnte den zu großen Teilen unentgeltlichen Zugang zu medizinischer Versorgung und medikamentöser Behandlung sichern. In einem Interview im Juli 2010 erzählen die dort tätigen fünf Gesundheitspromotorinnen, dass die gesundheitsbedingten Sterbefälle von werdenden Müttern und Kindern seit dem zapatistischen Aufstand stetig gesenkt werden konnten. Sie berichten von ihrer Aufklärungsarbeit über sexuelle und reproduktive Rechte und die Verwendung verschiedener Verhütungsmittel wie der Pille, dem Kondom oder dem Diaphragma. Dies stelle nicht immer eine einfache Aufgabe dar, da es nicht allen compañeros gefalle, wenn dieses Thema angesprochen werde, aber „wir Frauen kennen mittlerweile unsere Rechte“ (vgl. Bericht der Europäischen Solidaritätsbrigade 2010). Auch die Klinik „La Guadalupana“ in Oventik verfügt über einen eigenen gynäkologischen Bereich. In La Realidad existiert seit 2008 die Populäre Autonome Zapatistische Bank (BANPAZ), die Einzelkredite bis zu 10.000 Pesos für die Behandlung von schweren Krankheitsfällen vergibt, welche von der autonomen Infrastruktur nicht getragen werden können (vgl. ebd.).

Als eine signifikante Errungenschaft des Gesetzes kann das absolute Alkohol‑ und Drogenverbot in den autonomen Gemeinden im Widerstand gelten. So war der Konsum von Alkohol, unter dem das Familieneinkommen litt und der in einem direkten Zusammenhang mit geschlechtsspezifischer Gewalt stand, eines der Mittel gewesen, mit denen Großgrundbesitzer Männer gefügig gemacht hatten. Wird gegen dieses Gesetz verstoßen, gibt es Ausnüchterungszellen in vielen Gemeinden und in den caracoles, die dann die Funktion einer sozialen Kontrolle einnehmen. Die im zapatistischen Frauengesetz formulierten Rechte auf körperliche Unversehrtheit, auf freie Partnerwahl und die eigene Entscheidung über die Kinderzahl bedeutete einen Zugang zu Selbstbestimmung und Verfügung über den eigenen Körper, die wesentliche Grundlagen für die Erlangung eines Subjekt-Status bilden. In diesem Kontext konnten Unterdrückungs‑ und Gewalterfahrungen aus dem Bereich der privaten Sphäre zu öffentlichen Anliegen politisiert werden.

In den eigenen Kommunikations‑ und Medienbereichen haben sich zapatistische Frauen technische Fähigkeiten angeeignet. So etwa im Kollektiv der Videoaktivist_innen von Morelia, als Dokumentatorinnen während des zapatistischen Frauentreffens oder in den verschiedenen bewegungsinternen Radios, die die Einwohner_innen zapatistischer Gemeinden regelmäßig über die „Rechte der Frauen“ im autonomen Radioformat Radio de la Mujer informieren.

Die Einforderung der stimmberechtigten Partizipation der Zapatistinnen in den kommunalen Gremien und der Guerilla verschaffte ihnen Zugang zu politischen Positionen, die zuvor allein den Männern vorbehalten waren. Mit einem Anteil von ca. 45 Prozent Kämpferinnen (Jung 2004) stellt die EZLN einen Raum dar, in dem der Umgang zwischen Guerilleras und Guerilleros zunehmend gleichberechtigt ist. Während in früheren Analysen festgestellt wurde, dass wichtige politische Ämter in den Gemeinden vielerorts zunächst verschlossen blieben (vgl. Solas 1995), ist der Zugang für Frauen insbesondere in die überregionalen Selbstverwaltungsgremien verbessert worden. In den rotierenden juntas de buen gobierno herrscht oftmals ein paritätisches Geschlechterverhältnis vor. In La Realidad ist die gleiche Zusammensetzung von Männern und Frauen während der Benennung der Vertreter_innen für den dreijährigen junta-Turnus ein zentrales Berufungskriterium (vgl. Bericht der Europäischen Solidaritätsbrigade 2010). Ab dem Alter von 14-16 Jahren können Frauen sich von ihren Gemeinden für diese politischen Ämter auf eine begrenzte Zeit von drei Jahren wählen lassen und damit wichtige Machtpositionen innerhalb der Bewegung einnehmen.

Dass es sich bei der Bewältigung von unbezahlter Gemeindearbeit und der Versorgung der Familie oftmals um eine Doppelbelastung handelt, die von Frauen getragen wird, stellt eines der zentralen Probleme dar. An vielerlei Orten gestalte sich die Übernahme von reproduktiven Tätigkeiten durch die männlichen compañeros weiterhin als schwierig, wie die zapatistischen Frauen u.a. während des Frauentreffens 2007 deutlich machten, als sie die geschlechtsspezifische Aufgabenverteilung gewissermaßen auf den Kopf stellten:

„Auf diesem Treffen dürfen die Männer weder als Redner, Übersetzer, Antragsteller oder Sprecher teilnehmen, noch sich auf den Plenarien […] darstellen. Am 1. Januar [nach Beendigung des Treffens, Anm. d. Verf.innen] kehrt alles zum Normalen zurück. Die Männer dürfen nur: Essen kochen, das Caracol fegen und aufräumen, die Latrinen säubern und auf die Kinder aufpassen.“ (Plakat auf dem zapatistischen Frauentreffen, zit. n. Siller & Siemers 2009: 27)

In La Realidad wurde daher eine eigene Frauen-asamblea eingerichtet, die einen Raum bietet, um diese Probleme zu besprechen. Währenddessen sind die Männer zur Betreuung der Kinder verpflichtet. In Oventik kritisierten die weiblichen junta-Mitglieder zudem, dass auch von einigen Frauen mehr Initiative bei der Erlangung von neuen Positionen ausgehen könnte (vgl. Bericht der Europäischen Solidaritätsbrigade 2010).

Der Zuwachs des Frauenanteils in den Entscheidungsgremien bedeutet das ständige Hereintragen von Geschlechterperspektiven in die politische Praxis der Bewegung. Für geschlechtsspezifische Delikte sind Rechtspraktiken gemäß des zapatistischen Frauengesetzes etabliert worden.[9] Die gemeindeinterne Rechtsprechung wird von gewählten und rotierenden Kommissionen ausgeübt, wobei komplizierte oder überregionale Fälle an die juntas übergeben werden. Diese werden z.T. auch von Nicht-Zapatistas als unabhängige Rechtsinstanzen aufgesucht. Das hier praktizierte Rechtsverständnis beläuft sich häufig auf den Ausgleich des entstandenen Schadens durch den „Gesetzesabtrünnigen“ für die benachteiligte Person. Dies geschieht im Sinne der Wiederherstellung von Gerechtigkeit, welche durch den Rechtsbruch verletzt wurde (vgl. Cubells Aguila 2012).

Die autonomen Schulen haben den hohen Analphabetismus, besonders unter Frauen, reduziert und thematisieren bereits ab der Grundschule die zapatistischen Frauengesetze. Grundlagen für Wissen und Bildung zu Geschlechtergerechtigkeit werden schon den jüngsten Generationen vermittelt (vgl. Baronnet 2008). Diese Veränderungen wurden auch während des zapatistischen Frauentreffen 2007 angesprochen. So verdankt eine zapatistische Schülerin der dritten Generation den Kämpfen ihrer Vorgänger_innen, dass sie studieren kann und ihre Eltern sie nicht einschränken: „Denn heute ist es nicht mehr so wie in den vergangenen Jahren. Meine Rechte sind die wichtigste Waffe, mit der ich mein Leben verteidigen und unseren Kampf fortführen kann.“ (Maria-Linda, zit. n. Siller & Siemers 2009: 91)

Schließlich konnten mit dem Aufbau eigener kooperativer Erwerbsstrukturen zapatistische Frauen auch ökonomische Eigenständigkeit erreichen. In vielen Dörfern gibt es von Frauen betriebene Restaurants oder Läden, die Kunsthandwerk verkaufen. Mit der Infrastruktur in den caracoles und in einigen comunidades sind Partizipationsmöglichkeiten geschaffen worden. In Regionen, in denen weniger frauenspezifische Infrastrukturen vorhanden sind, ist es für Frauen schwieriger, sich dauerhaft zu organisieren.

Einschränkungen von Handlungsmacht

Dass sich diese beschriebenen Prozesse der Selbstermächtigung nicht auf widerspruchsfreiem Terrain bewegen, liegt auf der Hand. Sie unterliegen vielmehr der täglichen Verhandlung mit patriarchal verwobenen Herrschaftsstrukturen und Praktiken. Das Geschlechterverhältnis in Chiapas ist nach wie vor von einer „Hypermaskulinität“ geprägt, in deren Klima sich misogyne Strukturen ausbreiten (vgl. Figueroa Mier 2008: 203ff). Etablierte und hegemoniale Formen von Männlichkeit nutzten auch hier bestimmte Mechanismen, um alternative Praktiken und Verhaltensmuster aus dem legitimen Bereich der Kultur und Politik auszuschließen (vgl. Zapata Galindo 2006: 88). Neben der durch symbolische Gewalt (Bourdieu 1997) legitimierten Ungleichheit der Geschlechter verdichten sich Ausgrenzungsmechanismen zu faktischen Benachteiligungen.

Die patriarchale Strukturen in zapatistischen Gemeinden bringen trotz erheblicher Verbesserungen für die Situationen der Frauen nach wie vor Schwierigkeiten mit sich. Zum Beispiel wurde das erweiterte Revolutionäre Frauengesetz von 1996, welches erneut im Kontext eines breiten basisdemokratischen Abstimmungsprozesses von der Mehrheit der befragten Frauen angenommen worden ist und den Katalog um wesentliche Rechte auf Land und Bewegungsfreiheit erweiterte, offiziell nie als verbindliches Gesetz von der EZLN anerkannt. Auch aus der öffentlichen Selbstreflexion der zapatistischen Frauen geht hervor, dass neben den erreichten Zielen noch viele Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern vorhanden sind: „Oft stammen die Misshandlungen, die wir als Frauen erleiden, nicht nur von den reichen Ausbeutern. Sie werden auch von den Männern verübt, die genauso arm sind wie wir, und das wissen wir sehr gut, niemand kann das leugnen.“ (Comandanta Esther für die EZLN bei den Protesten gegen die WTO 2003 in Cancún, eigene Übersetzung) Und weiter heißt es in der Sechsten Erklärung aus dem lakandonischen Urwald: „Es fehlt aber immer an Respekt gegenüber den compañeras und davor, dass sie [die compañeros, Anm. d.Verf.innen] mehr am Kampf und den damit verbundenen Aufgaben teilhaben.“ (Colectivo Situaciones 2005: 333, eigene Übersetzung)

Diese Strukturen innerhalb der zapatistischer Gemeinden werden darüber hinaus von externen Rahmenbedingungen flankiert, die das selbstorganisierte Leben zapatistischer Frauen im Widerstand erschweren. So tragen die starke Militarisierung, die alltäglichen Bedrohungen durch paramilitärische Organisationen und die Repressionen durch den Krieg niederer Intensität dazu bei, dass die Handlungs‑ und Bewegungsfreiheit von Frauen eingeschränkt wird. Der Kampf gegen die schlechten usos y costumbres wurde zudem durch die Politiken des indigenismo[10] gegenüber der indigenen Bevölkerung seitens des mexikanischen Staates beeinflusst.

Insgesamt werden die entstandenen Handlungsspielräume und erkämpften Errungenschaften der zapatistischen Frauen täglich durch die mexikanischen Eliten einerseits und die tradierten patriarchalen Machtverhältnisse innerhalb der comunidades andererseits herausgefordert.

Die situierte Macht des Widerstandes

Der Kampf der zapatistischen Frauen für eigene Rechte und die konkrete Verbesserung ihrer Lebenssituation wird mit Forderungen nach politischen Transformationen für die gesamte Gesellschaft verbunden. Im Gegensatz zu anderen lateinamerikanischen Befreiungsbewegungen, in denen die Frage der Geschlechtergerechtigkeit meist zu einem Nebenwiderspruch degradiert wurde, obwohl die feministische Motivation der teilnehmenden Guerilleras ähnlich gelagert waren (vgl. Kampwirth 2003), konnten die zapatistischen Frauen ihre subordinierten Positionierungen auf die politische Agenda der Bewegung setzen.

Die skizzierte Herausbildung von Bewusstsein, verbunden mit der Herausbildung von Widerstandspraktiken entlang von „Differenzen, die nicht verschwinden“ (Hall 1994), bilden die eine Seite des Repräsentationsprozesses ab. Auf der anderen Seite ist es für die Wirkmächtigkeit von Repräsentation substantiell, dass subalterne Darstellungsweisen von Welt sichtbar gemacht werden, ohne durch den offiziellen Diskurs vereinnahmt zu werden (vgl. Gutiérrez Rodríguez 2001: 37). Welt darzustellen, heißt in einer Dynamik von Wissen und Macht verstrickt zu sein, in der Repräsentation nicht einfach unschuldige Abziehbilder von Wirklichkeit sind. Vielmehr vermitteln sie Ausschnitte eines herrschenden gesellschaftlichen Kräfteverhältnisses (ebd.). Walter Mignolo konstatiert für die zapatistische Bewegung, dass diejenigen, die in der Zeit des Kolonialismus nicht sprechen sollten, heute nicht nur gesprochen haben, sondern es auch erreichen konnten, gehört zu werden. Den Grund sieht er in der Erschaffung einer theoretischen Revolution, die eine Mediation zwischen indigenen und westlichen Weltanschauungen ermöglicht hat (vgl. Mignolo 2002: 245ff). Denn die Erhebung und der Ruf „ya basta“ waren sowohl Ausdruck für den Widerstand gegen neoliberale und neokoloniale Herrschaftsformen als auch Referenzpunkt und Katalysator innerhalb einer zugleich lokal und global organisierten intergalaktischen Bewegung. Auch im kürzlich publizierten, jüngsten Kommuniqué der EZLN macht sich die politische Führung der Zapatistas Gedanken zu ihrer Darstellung und Sichtbarkeit in Politik und Öffentlichkeit:

„Unsere Botschaft handelt von Kampf und Widerstand. […] Sie [die politische Führungsriege des Landes, Anm. d. Verf.innen] brauchen uns nicht, um zu versagen. Wir brauchen sie nicht, um zu überleben. Wir, die nie verschwunden sind, auch wenn die Medien des gesamten Spektrums sich bemüht haben, das glauben zu lassen, erheben uns wieder als indigene Zapatistas.“ (vgl. Subcomandante Marcos 2012)

Vor diesem Hintergrund können mögliche Probleme des Konzeptes einer Aneignung von Handlungsmacht diskutiert werden. Ein positiver Bezug auf die Möglichkeiten der Ergreifung von Handlungsmacht läuft im Kontext neoliberaler Anforderungen an ein „geschicktes Selbstmanagement“ Gefahr, mögliche Exklusionsprozesse zu rechtfertigen. In der Lesart des Neoliberalismus könnten sich Theoreme der Handlungsermächtigung in den Diskurs des sogenannten victim blaming einordnen lassen, wonach niemand mehr den gesellschaftlichen Verhältnissen die Schuld für das eigene Versagen zuschreiben solle. Aus der Option, sich nicht nur als Opfer, sondern auch als Handelnde zu definieren, könnte ein „Zwang zur individuellen Selbstverantwortung“ entstehen (vgl. u.a. Lang 2002: 16). Ein zweites mögliches Problem könnten das Fehlen von Bedingungen für eine selbstbewusste Subjektwerdung sein. Diese Bedingungen müssen für Subjektivierungsprozesse erst gegeben sein. Die Ressourcen und Möglichkeiten zur Aneignung von Handlungsmacht unterscheiden sich je nach gesellschaftlicher Disposition und Situierung. Gegenüber mestizischen bzw. weißen Mittelschichtsfrauen mit akademischem Bildungsgrad bezahlt etwa die aus einer indigenen Gemeinde migrierte Hausangestellte mit einer sozio-politischen Marginalität, die ihr praktische Interventionen erschwert. bell hooks wendet ihre Kritik in Bezug auf das Konzept von Handlungsmacht für die Situationen von people of colour gegen kontingente Subjektkonzeptionen: „Mich überrascht es nicht, wenn Schwarze auf die Kritik des Essentialismus, besonders, wenn sie die Richtigkeit der Identitätspolitik bestreitet, mit den Worten reagieren: ‘Klar, Identität aufgeben ist ganz leicht – wenn man eine hat.’“ (bell hooks 1996: 45) Je marginaler eine Subjektposition erscheint, umso wichtiger bleibt die Möglichkeit der Aneignung einer widerständigen Identität. Die Frage nach dem Gehört-Werden muss demnach auf Grund einer möglichen Vereinnahmung durch neoliberale Politiken und jeweils aktuell hervorgebrachte Differenzen stets neu gestellt werden. Die zapatistische Bewegung selbst wendet sich seit Beginn des Aufstandes gegen eine neoliberale Hegemonie, die sie in ihren Lebenssituationen, in ihren marginalisierten, subalternen Positionen weitgehend festschreiben möchte (Colectivo Situaciones 2005; Muñoz Ramirez 2004). Gerade deshalb findet aus der Perspektive der indigenen Frauen in Chiapas keine Versöhnung mit neoliberalen Interventionen statt (vgl. Stahler-Sholk 2007). In diesem Sinne ist die Identitätskonstruktionen der mujeres zapatistas als ein Mittel und bindendes Glied in der Subjektivierung und Herausbildung einer widerständischen Praxis zu sehen.

Fazit und Ausblick: „Wir sind die, die wir sind“

Das zapatistische revolutionäre Frauengesetz konnte über Generationen hinweg frauenspezifischen Widerstandspraktiken innerhalb der zapatistischen Bewegung in Chiapas Raum geben. Dabei ergeben sich in der Konstituierung einer widerständigen Praxis Widersprüche weniger zwischen Konstruktions‑ und Zuweisungsprozessen von Ethnizität und Geschlecht als in der Frage der inneren und äußeren Demokratisierungserfolge. Während die Lebensrealität für Frauen und Mädchen innerhalb der zapatistischen Gemeinden wesentlich verbessert werden konnte, bilden kontinuierliche Herrschaftsstrukturen wie patriarchale Geschlechterverhältnisse weiterhin große Hindernisse auf dem Weg des doing resistance zapatistischer Frauen. Im Zuge des zapatistischen Aufstandes haben sich indigene Frauen dennoch neue Positionen erobert. Diese Identitätsbildung ist Ergebnis eines sozio-politischen Aushandlungsprozesses zwischen der Herausbildung kollektiver Interessen subalterner Individuen und den Handlungsmöglichkeiten und Bedingungen, diese zu repräsentieren und gegenüber herrschenden Diskursen und Eliten geltend machen zu können. Das spezifische politische Selbstverständnis der Zapatistas sowie die Strukturen, die die Organisation für die Artikulation geschlechtsspezifischer Interessen bietet, sind zentrale Faktoren für die Entwicklungsmöglichkeiten von Handlungsmacht in den autonomen Gemeinden im Widerstand.

Die Entwicklung einer autonomen Verwaltungs‑ und Infrastruktur hat nicht nur zu einer Verbesserung der Lebenssituation geführt, sondern ein in den Alltag eingebetteter Widerstand hat auch eine Transformation der Geschlechterverhältnisse in Gang gesetzt. Das doing resistance zapatistischer Frauen gegen sexistische und rassistische Ausgrenzung ist Teil einer dekolonialisierenden Strategie, bei der gleichzeitig die schlechten usos y costumbres kritisch reflektiert werden. Zapatistische Frauen betonen dabei die Prozesshaftigkeit der Transformation des Geschlechterverhältnisses. Während an einigen Stellen schon viel erreicht ist, mangelt es vielen compañeros weiterhin an Einsicht und Sensibilität.

Bezüglich der Demokratisierungs‑ und Transformationserfolge auf nationaler Ebene ist ein Ende der Hegemonie des Neoliberalismus und der die allgegenwärtige Gewalt hervorbringenden Strukturen nicht in Sicht. Am 1. Dezember 2012 nahm die Partido Revolucionario Institucional (PRI), die erst im Jahr 2001 nach über 70 Jahren Alleinherrschaft abgewählt worden war, mit Präsident Peña Nieto erneut die Regierungsgeschäfte in Mexiko auf. Die von den Ex-Präsidenten Fox begonnene und von Calderón massiv fortgesetzte Militäroffensive gegen Drogenkartelle, die Anwendung systematischer Gewalt gegen die zivilgesellschaftlich organisierte Bevölkerung und die in (extremer) Armut Lebenden führte bis heute zur traurigen Bilanz von über 60.000 Toten und zu unzähligen Menschenrechtsverletzungen (vgl. Human Rights Watch 2011). Legitimiert wird die Gewalt durch einen immer stärker werdenden Sicherheitsdiskurs – auch ein Grund für die Zapatistas, eine Botschaft an den neuen Präsidenten zu verfassen und Aktionen des zivilen Widerstands in der nächsten Zeit anzukündigen. Bei einer öffentlichen Massenmobilisierung am 21. Dezember 2012 – mit 40.000 Menschen der größten seit dem Aufstand 1994 – , demonstrierten zapatistische Frauen Seite an Seite mit den compañeros anlässlich des medial umwitterten „Endes des Mayakalenders“, das für sie den Beginn einer neuen Phase symbolisiert, in einem Marsch des Schweigens.[11] In einer kurz darauf folgenden Erklärung ziehen sie ein Fazit der Früchte ihres bisherigen Kampfes:

„In diesen Jahren haben wir uns gestärkt und haben unsere Lebensbedingungen bedeutend verbessert. Unser Lebensstandard ist höher als in den regierungshörigen indigenen Gemeinden, die Almosen erhalten und mit Alkohol und nutzlosen Artikeln überschüttet werden. […] Wir regieren und wir regieren uns selbst, indem wir stets zuerst die Einigung vor der Konfrontation anstreben. All dies wurde nicht nur ohne die Regierung, die politische Klasse und die Medien, die sie begleiten, bewerkstelligt, sondern während wir auch gleichzeitig ihren Angriffen aller Art Widerstand leisten mussten. Wir haben wieder einmal bewiesen, dass wir die sind, die wir sind.“ (Subcomandante Marcos 2012)

Die Worte der Zapatistin Judith fassen die Errungenschaften aus Perspektive der Frauen zusammen:

„Jetzt leben wir schon ein bisschen besser, weil wir jetzt zwischenzeitlich gelernt haben, uns als Frauen mehr wertzuschätzen, mittlerweile ist es schon anders als vorher. Inzwischen haben wir gelernt, uns wertzuschätzen, zu sprechen, zuzuhören, uns aufzuopfern, unsere Zeit zu geben und zu diskutieren. Wir haben gelernt, im Kollektiv zu arbeiten, wir haben gelernt, dass Wenige, das wir haben, zu verwalten, wir haben mittlerweile ein bisschen lesen und schreiben gelernt. Dabei unterstützt immer jeweils die Eine die Andere.“ (Compañera Judith 2011)

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Anschriften der Autorinnen:

Miriam Trzeciak
m.trzeciak@uni-kassel.de

Anna-Maria Meuth
anna.meuth@uni-muenster.de

Peripherie Nr. 129, 33. Jg. 2013, Verlag Westfälisches Dampfboot, Münster, S. 58-78
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[1]       In den theoretischen Debatten um Intersektionalität, die hervorgegangen sind aus dem black feminism, wird auf das Wechselverhältnis verschiedener Kategorien der Differenz wie Geschlecht, Ethnizität, Klasse, Begehren, Alter oder Körper verwiesen (vgl. Combahee River Collective 1982; Klinger & Knapp 2005). Lynn Stephen argumentiert in Anlehnung an Stuart Hall, dass auch nach der Absage an essentialistische Denkweisen Differenzkategorien in der Konstruktion des Identifikationsprozesses weiterhin eine Rolle spielen, da Identifikation bedingt sei und trotz dieser Erkenntnis Differenz nicht ausgelöscht werde (vgl. Stephen 2001: 54).

[2]       Die Andere Kampagne ist eine im Jahr 2006 entstandene landesweite Initiative zur Ausarbeitung einer neuen Verfassung für Mexiko von links unten.

[3]       Im internationalen Kontext sind zahlreiche Publikationen, in welchen die Identitätsbildungsprozesse indigener zapatistischer Frauen diskutiert werden, verfasst worden (vgl. Rovira 1997; Millán 2000; Falquet 2001; Stephen 2001; Olivera 2001; Olivera 2008; Jung 2003; Araiza Díaz 2004; Olivera u.a. 2004; Speed u.a. 2006; Nash 2010). Zur Perspektive verschränkter Differenzpositionen ist im deutschsprachigen Raum bisher weniger gearbeitet worden (vgl. u.a. Jung 2004; Tuider 2004; Siller & Siemers 2009). Zur Entstehung und für den Verlauf des zapatistischen Aufstands beziehen wir uns auf Topitas 1994; Muñoz Ramirez 2004; Ehlers 2009; Zimmering 2010; Kerkeling 2012.

[4]       Heute umfasst das zapatistische Gebiet territoriale und sozialräumliche Einheiten, bestehend aus autonomen municipios mit den fünf autonomen politischen Verwaltungszentren La Realidad, Roberto Barrios, La Garrucha, Oventik und Morelia [die caracoles] und den Menschen, die sich in diesem Gebiet der zapatistischen Bewegung zugehörig fühlen.

[5]       Neben den Rechten auf indigene Kultur standen 1995 die Felder Demokratie, Wirtschaft und Frauenrechte auf der Agenda der Verhandlungen von San Andrés. Wurden erstere 1996 in einem Abkommen für die „indigenen Rechte und Kultur“ umgesetzt, scheiterten alle weiteren Verhandlungen an der Verweigerungshaltung der Regierung. Die EZLN brach daraufhin den Dialog mit der Regierung ab.

[6]       In Chiapas leben laut nationaler Statistik 4,5 Millionen Einwohner_innen. Im Jahre 2000 verfügten 40,7 Prozent der ökonomisch aktiven Bevölkerung über kein regelmäßiges Einkommen. 2007 lag die Kindersterblichkeit bei 21,7 pro 1.000 Geburten. Die Müttersterblichkeit bei den gesamten Geburten liegt zwischen den Jahren 2006-2009 bei einem jährlichen Durchschnitt von 81 Frauen. 21 Prozent der Bevölkerung über 15 Jahren sind Analphabet_innen, 42,76 Prozent verfügen nicht über einen abgeschlossenen Grundschulabschluss (vgl. SIPAZ o.J.).

[7]       Mit dem Einwand, dass die Subalternen innerhalb des hegemonialen Diskurses keine Stimme haben, hat Gayatri C. Spivak in diesem Zusammenhang auf die verschiedenen privilegierten Sprecher_innen-Positionen und die hegemonial filternden Mechanismen des Hörens aufmerksam gemacht. Spivak zufolge werden die Stimmen der Anderen, der Armen und Ausgebeuteten, Sexualisierten und Ohnmächtigen von den durch die herrschenden Diskurse strukturierten Ohren einfach nicht gehört.

[8]       Marcela Lagarde versteht violencia feminicida als Ausdruck eines gesamtgesellschaftlichen Herrschaftsverhältnisses: Es geht dabei „nicht nur [um] die Mordtat an der einzelnen Frau, sondern den gegen das weibliche Geschlecht gerichteten Gewaltzusammenhang [...], der im Extremfall in der Auslöschung einzelner Frauen mündet“ (zit. n. Huffschmid 2006: 78).

[9]       Zu der Durchsetzungspraxis des Frauengesetzes in der konkreten indigenen Rechtsprechung liegen keine Zahlen vor. Das Gesetz gilt für die Personen, die sich politisch als zapatistisch verstehen und im zapatistischen Gebiet leben.

[10]      Seit der mexikanischen Unabhängigkeit 1810 hat das Konzept des indigenismo unterschiedliche Varianten durchlaufen. Von der Abschaffung indigener „Lebensweisen“ über die Integration in das Konstrukt der Nation bis hin zur Anerkennung der „unterschiedlichen indigenen Bräuche“. Allen zugrunde liegen dichotome Betrachtungsweisen von einer (wilden) traditionellen, „indianischen“ Kultur und einer (zivilen) modernen Kultur (vgl. Korsbaek u.a. 2007). In diesem Zusammenhang ist das Konzept indigener Autonomie als gegenhegemoniale Strategie zu verstehen. Die EZLN stellt sich nicht gegen das Konzept der Nation, da eine umgreifende Veränderung der gesamten mexikanischen Gesellschaft angestrebt wird.

[11]      Die Zapatistas hatten sich in den letzten sechs Jahren in der Öffentlichkeit sehr zurück gehalten. Im aktuellen Kommuniqué knüpfen sie an ihre Traditionen und Kämpfe an. Erklärtes Ziel in der neuen Mitteilung ist die Distanzierung von der etablierten schlechten Politik. So bekräftigen sie noch einmal ihre Zugehörigkeit zum Nationalen Indigenen Kongress und kündigen an, die Vernetzung mit anderen Akteuren sozialer Bewegungen, wie sie in der Anderen Kampagne angestrebt war, wieder zu verstärken.