Rechtsruck - Die AfD in den Landtagen und kommunalen Gremien

Mit den im Mai 2014 stattgefundenen Kommunalwahlen in zehn Bundesländern und den darauf folgenden Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg im Herbst schickte die AfD rund 500 MandatsträgerInnen in die Gremien. Zuletzt erlangte die AfD Mandate bei den Bürgerschaftswahlen in Hamburg (Februar) und Bremen (Mai) und entsendete damit 8 (HH) bzw. 4 (HB) Abgeordnete in die Bürgerschaften. Während die Streitigkeiten auf der Führungsebene der Partei immer wieder mediale Erwähnung finden, wird die parlamentarische Praxis, jenseits einzelner Skandale, nur selten beleuchtet. Dieser Leerstelle soll mit dem folgenden Artikel begegnet werden. Der Blick auf die Arbeit der Landesverbände und der MandatsträgerInnen der AfD in Sachsen, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Thüringen und Sachsen-Anhalt verdeutlicht auf lokaler Ebene den Rechtsruck, den die Partei nicht zuletzt aufgrund des erfolgreichen Einzugs der rechtsgerichteten Parteiflügel in die Landtage vollzogen hat.

Sachsen — Flirt mit PEGIDA und flächendeckende Eröffnung von Bürgerbüros

Mit einem Paukenschlag war die sächsische AfD Ende August 2014 in den Sächsischen Landtag und damit erstmals in ein Landesparlament eingezogen. Die erzielten 9,7 Pro­zent der Zweitstimmen lagen deutlich über den Prognosen. Jene rund 160.000 WählerInnen, die sich für die Rechtspartei entschieden haben, sind der stabile Sockel, den die Partei im Freistaat anzusprechen vermag. Mit ihren nunmehr 14 Abgeordneten im Landtag ist die AfD-Fraktion immerhin so stark wie vormals die ausgeschiedene FDP, bildet nun als zweitkleinste Fraktion (vor den Grünen) sogleich die zweitstärkste Oppositionskraft (nach der LINKEN). Im Gegensatz zu Teilen der Brandenburger AfD-Fraktion haben die 14 sächsischen Abgeordneten keine (ultra-)rechte Vergangenheit, sondern rekrutieren sich aus den etablierten bürgerlichen Parteien.

Doch die nominelle Bedeutung verblasst in den Niederungen des Politikbetriebs: Von der AfD kommen die mit Abstand wenigs­ten parlamentarischen Anfragen und Initiativen. Sie sind inhaltlich kaum profiliert und thematisieren vor allem Polizei und Sicherheit auf der einen, das Asylrecht (und dessen Einschränkung) auf der anderen Seite. Von der zwischenzeitlich immensen Medien­­aufmerksamkeit, die dem Flirt mit PEGIDA geschuldet war, ist nichts übrig geblieben: Ob es darum ging, in Sachsen den Volksentscheid auf Bundesebene (!) einzuführen, oder eine Kampagne gegen „Linksextremismus“ zu lancieren — das populistische Pulver verpuffte so schnell, wie es verschossen wurde. Stiller, womöglich aber auch effektiver, sind die Bemühungen um eine örtliche Verankerung der Partei. Zur Kommunalwahl im Mai 2014 hatte die AfD immerhin 46 Mandate in den Kreistagen und 34 weitere in den Stadt- und Gemeinderäten errungen. In fast allen Landkreisen sind mittlerweile Bürgerbüros eröffnet worden. Was akut fehlt, sind politische Achtungserfolge vor Ort. Denn die Zeiten, in denen der Partei neue Mitglieder (aktuell: 800 bis 900) in Scharen zulaufen und Stimmen aus dem Nichts zufallen, sind vorbei.

Die Bedeutung des vergleichsweise kleinen, sächsischen Landesverbandes liegt denn auch weniger in ihrer äußeren Beliebtheit oder dem institutionellen Erfolg, als der Stellung im innerparteilichen Ringen um Programmpositionen und Führungsposten. Für die Rechtsausleger in der Partei ist die Lan­desvorsitzende Frauke Petry die Wunsch­option, und zwar nicht mehr neben, sondern statt Bernd Lucke. So ist Petry von außen weniger angreifbar als ihr polterndes thüringisches Pendant Björn Höcke. Die anfangs durchaus torpedierte Sächsin hat es auch vermocht, ihre Stellung in den eigenen Reihen zu konsolidieren. Ein abweichender, gar „liberaler“ Flügel ist schlicht unauffindbar.

Davon hatte bereits das Programm zur Landtagswahl gezeugt, dass nach Law-and-Ordner-Masche gestrickt war und das lange zurückgestellte Thema „Islam“ wieder auf die Parteiagenda setzte. Das ist kein Wunder, handelt es sich bei den organisierten Lucke-GegnerInnen in und im Umfeld der „Patriotischen Plattform“ — wichtiges Scharnier nach Rechtsaußen — doch hauptsächlich um sächsische AfD-AnhängerInnen. Sie sehen die Rolle ihrer Partei in der einer „Fundamentalopposition“. Und in der Tat: Die politischen Attacken der Landtagsfraktion gehen zumeist gar nicht in Richtung der Regierung, sondern sind gegen Rot und Grün gewendet. Zumindest in dieser Hinsicht ist die AfD in der Tat eine „Alternative“ — beispielsweise zur NPD.

Brandenburg — „Schutz der Mark Brandenburg vor linksextremer Gewalt, Salafisten und Flüchtlingskindern“

Bereits bei den Kommunalwahlen im Mai 2014 erreichte die AfD den Einzug von insgesamt 82 VertreterInnen in die Kreistage, kreisfreien Städte und Gemeindevertretungen. Im Herbst folgte mit 12,2 Prozent der Einzug von zehn Abgeordneten in den Landtag. Wie schon in den Wahlkampfwochen 2014 setzt die AfD dort auf die Themen Zuwanderung, Asyl und Sicherheit. Mehr als die Hälfte der über 50 Anfragen widmen sich diesen Komplexen. Die Fraktion ist ganz auf die Positionen von Landeschef Alexander Gauland eingeschworen. Im bundesweiten Richtungsstreit argumentiert Gauland seit Monaten gegen den als zu liberal empfundenen Kurs von Bernd Lucke. Die AfD, so Gauland, sollte keine professorale Partei sein, sondern eine „Partei der kleinen Leute“. Schließlich sei der Wahlerfolg in Brandenburg nur zustande gekommen, weil man sich vom Eurothema eher fern gehalten, und sich stattdessen der tatsächlichen „Sorgen“ der Menschen angenommen habe. Als da wären: Flüchtlingsströme, neue Asylunterkünfte, Grenzkriminalität und Personalabbau bei der Landespolizei. So weiter also nun auch im Landtag. Die Bedrohung der Mark Brandenburg durch linksextreme Gewalt, durch Salafisten oder durch Flüchtlingskinder in Grundschulhorteinrichtungen wurden von der AfD-Fraktion im Landtag per Anfragen aufs landespolitische Tableau gehoben.

Im bundesweiten Richtungsstreit mischte Gauland auch durch seine Stellungnahmen für die rassistischen PEGIDA-Aufmärsche in Dresden mit. Die parlamentarische Geschäftsführerin Birgit Bessin ergriff ebenfalls Partei für PEGIDA. Die anderen Brandenburger Abgeordneten tragen diesen Kurs mit. Die Fraktion ist gespickt mit Personen, die eine politische Vergangenheit im Rechtsaußenmilieu haben. Etwa Andreas Kalbitz (Witi­kobund, Republikaner), Rainer van Raemdonck (Die Freiheit), Sven Schröder (Pro Deutschland), Thomas Jung (Die Freiheit), Andreas Galau (Republikaner) oder Steffen Königer (Bund Freier Bürger). Die Brandenburg-AfD veröffentlichte auch ein Papier zu Asyl und Einwanderung. Tenor: Es gäbe seit Jahrzehnten ein Staatsversagen, eine millionenfache, völlig ungesteuerte Einwanderung, die endlich kontrolliert werden müsse. Asylrecht sei bei politischer Verfol­gung zu gewähren, diese läge aber tatsächlich kaum vor. Der Abgeordnete Königer fabu­lierte von minderjährigen Flüchtlingen, die ein Instrument der „Banden­kriminalität“ seien. In einem Interview betonte Gauland wiederum, dass man eine Einwanderung von Menschen verhindern sollte, denen „unsere kulturellen Tradition völlig fremd sind“. Er explizierte auch, wen er damit meinte: Die für ihn besonders problematische „kulturelle Tradition ist im Nahen Osten zu Hause“.

Während die Brandenburger AfD die PEGIDA-Proteste umarmte, hielt sie sich von den Brandenburger Ablegern betont fern. Zu den Aufmärschen der „Brandenburger für Meinungsfreiheit und Mitbestimmung“ gab es kaum öffentliche Äußerungen. Einzelne AfDler hielt das nicht davon ab, bei den vom Landeschef der „Republikaner“ initiierten und maßgeblich von Neonazis frequentierten Demos mitzulaufen. AfDler Norman Wollenzien etwa präsentierte ein selbstgemaltes Pappschild mit der Aufschrift: „Antirassismus, Weltoffenheit, Vielfalt sind Kennwörter für weißen Genozid — Europa den Europäern“.

Auf dem Landesparteitag in Pritzwalk im April 2014 kramte Gauland für seine Rede in der Zitatekiste und verkündete preußisch-zackig: „Ich kenne keine Flügel, ich kenne keine Strömungen. Ich kenne nur die Brandenburger AfD.“ Mit ähnlichen Worten hatte Kaiser Wilhelm II. anno 1914 den Reichstag auf den Weltkrieg eingeschworen: „Ich kenne keine Parteien mehr. Ich kenne nur noch Deutsche.“ Gauland weiter: „Wir sind für diejenigen da, die nicht ohne gefragt zu werden Asylbewerberheime in der Nachbarschaft wollen.“ Die Basis dankte es und bestätigte Gauland mit 89 Prozent der Stimmen als Landesvorsitzenden. Kein Thema auf dem Parteitag waren hingegen die kurz zuvor erfolgten Abtritte der Funktionäre Lothar Wellmann (Potsdam) und Winfried Dreger (Märkisch-Oderland), die den weiter gehenden Rechtskurs nicht mittragen wollten. Wellmann hatte seinen Austritt mit der „nationalistisch-völkischen Ausrichtung“ der Partei begründet. Neu in den Landesvor­stand wurden unter anderem der Polizist Wilko Möller (Frankfurt/Oder) und der Lehrer Klaus-Peter Kulack (Bernau) gewählt. In Frankfurt/Oder holte die AfD mit dem Thema „Grenzkriminalität“ eines der brandenburgweit besten Ergebnisse. Möllers interne Beschwerde, dass dieser Erfolg zu wenig Anerkennung innerhalb des Landesverbandes erhalten habe, hat nun offenbar gefruchtet. Der Bernauer Kulack trat zuvor für „Die Unabhänigen Bernau“ und die „Freien Wähler Brandenburg“ an, die für ihre rechten Positionen und Akteure bekannt geworden sind.

Nordrhein-Westfalen — Richtungsstreitigkeiten und Spaltungsvorwürfe

Bei den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen am 25. Mai 2014 erreichte die AfD im Landesdurchschnitt 2,6 Prozent. In den Kreistagen und kreisfreien Städten konnte die Partei damit 89 Mandate gewinnen. Zudem erlangte die AfD 47 Sitze in den Räten kreisangehöriger Städte und Gemeinden sowie 55 Mandate in Bezirksvertretungen. Ihren besten Wert erzielte sie in der Stadt Mettmann mit 7,9 Prozent. Obgleich die Kommunalwahlen in NRW für die Partei somit keineswegs zu einem rauschenden Triumph avancierten, bleibt gleichwohl festzuhalten, dass sich die AfD im bevölkerungsreichsten Bundesland deutlich vor der „Bürgerbewegung PRO NRW“, der NPD und den „Republikanern“ als stärkste politische Kraft rechts von der Union etablieren konnte. Die kommunalpolitische Bilanz der selbsternannten „Alternative“ ein Jahr nach den Wahlen kann indessen nur als desaströs bezeichnet werden. Zahllose Querelen, Ausschlussverfahren und Abspaltungen prägten das Bild der Partei in den vergangenen Monaten. Insofern ist es kaum verwunderlich, dass eine spezifische kommunalpolitische Praxis der AfD in den Räten und Kreistagen bislang kaum feststellbar ist.

Die parteiinternen Konfliktlinien entzündeten sich vor allem am offenkundig ungeklärten, nicht zuletzt vielfach distanzlosen Verhältnis zum (extrem) rechten Spektrum. In Duisburg, Bochum und Gelsenkirchen paktierten MandatsträgerInnen der AfD im Sommer 2014 bei Abstimmungen in den Ratssitzungen augenscheinlich mit den VertreterInnen von „PRO NRW“ und der NPD, um sich gegenseitig zu Sitzen in städtischen Aufsichtsräten und weiteren kommunalen Gremien zu verhelfen. Dieses Abstimmungsverhalten widersprach freilich den vollmundigen Beteuerungen des AfD-Lan­des­vorstands, der noch unmittelbar nach der Wahl behauptet hatte, dass es „keine Zusammenarbeit mit extremistischen Parteien oder Wählergemeinschaften geben (werde), egal ob von rechts oder links.“ Auch der dem nationalkonservativen Flügel der AfD zuzurechnende Landesvorsitzende Marcus Pretzell dementierte taktische Absprachen und Kooperationen mit dem ultra-rechten Spektrum. Markus Beisicht, Vorsitzender von „PRO NRW“ verkündete hingegen, dass „es in Gelsenkirchen, Duisburg und anderen Städten vor Gremienwahlen gezielte Absprachen zwischen unseren Ratsmitgliedern und Ratsmitgliedern der AfD gegeben“ habe. Aufgrund der Abstimmungsaffäre trat Holger Lücht, bis dahin Fraktionsvorsitzender der AfD im Rat der Stadt Duisburg im Oktober 2014 schließlich von seinem Amt zurück und sitzt nun als Fraktionsloser im Rat. In ruhigeres Fahrwasser geriet die nunmehr nur noch aus zwei MandatsträgerInnen bestehende AfD-Gruppe im Stadtrat freilich nicht, liefert sie sich doch vor dem Duisburger Amtsgericht eine juristische Auseinandersetzung mit ihrem ehemaligen Fraktionsvorsitzenden um den Verbleib eines Laptops und eines Druckers.

Im nur wenige Kilometer entfernten Essen hat sich die ursprünglich ebenfalls dreiköpfige AfD-Ratsfraktion Ende März 2015 vollständig aufgelöst, nachdem Ratsherr Jochen Backes der Partei den Rücken gekehrt hatte. Der Grund: Backes wollte einen „Rechts­ruck in der Essener AfD“ festgestellt haben, nachdem Stefan Keuter zum Vorsitzenden des Stadtverbandes gewählt worden war. Keuter wiederum hatte mehrfach als Redner an den Duisburger PEGIDA-Demonstrationen teilgenommen, weshalb ihm Backes den „Schulterschluss mit Rechtsextremisten“ attestierte. Bereits einige Monate zuvor war Marco Trauten aus der Fraktion ausgeschieden. Gegen den Ratsherren, der mit der Forderung nach einem „sofortigen Verbot der Antifa und aller anderen linksextremen Organisationen in NRW“ den Kommunalwahlkampf bestritten hatte, war vom Landesvorstand wegen der Veruntreuung von Parteigeldern und einer unsägli­chen rhetorischen Entgleisung, in der Trauten die AfD mit den im Nationalsozialis­mus verfolgten JüdInnen verglichen hatte, ein Parteiausschlussverfahren eingeleitet worden.

Doch auch in anderen Räten und Kreistagen zeigen sich Erosionserscheinungen bei der AfD. Durch Austritte aufgrund von Richtungsstreitigkeiten und gegenseitigen Spaltungsvorwürfen hat die Partei im März 2015 etwa in Siegen ihren Fraktionsstatus ebenso verloren, wie im Kreistag von Siegen-Wittgenstein. Im Rat der Stadt Münster wiederum zerbrach die aus zwei Mandatsträgern bestehende AfD-Gruppe bereits im September 2014. Nach einer „wirren Vorstellung“ (Westfälische Nachrichten) in einer Ratssitzung, in der er den Bau von Kindergärten als „Angriff auf die Verfassung“ bezeichnet hatte, war AfD-Ratsherr Richard Mol auch für die eigene Partei offenkundig nicht mehr tragbar und fristet nunmehr als Parteiloser ein Schattendasein im Rat. Doch auch der verbliebene AfD-Ratsherr scheint mit den Mühen der Kommunalpolitik überfordert zu sein. Seine bisherige Bilanz fällt dementsprechend ernüchternd aus. Anfragen und Anträge hat er bislang nicht gestellt, seine Wortmeldungen beschränken sich im Wesentlichen auf Polemiken gegen die Unterbringung von Geflüchteten.

Gleichwohl kann diese Haltung als charakteristisch für die kommunalpolitischen Aktivitäten der AfD in weiten Teilen Nordrhein-Westfalens gelten, die wesentlich durch interne Querelen, Inkompetenz, aber auch immer wieder durch rechtspopulistische Rhetorik gekennzeichnet sind — etwa dann, wenn Christian Blex, Vorsitzender der AfD-Fraktion im Kreistag von Warendorf, den Antrag stellt, künftig bei Kreistagssitzungen die Europaflagge aus dem Saal zu entfernen oder in einer Haushaltsdebatte gegen „Denk- und Sprechverbote durch grüne Gutmenschen und Gutmenschinnen“ wettert, denen er eine „ökoreligiöse Ideologie“ unterstellt. Polemisiert wird freilich auch gegen Geflüchtete und die vermeintlichen Gefahren durch „Linksextremismus“.

Thüringen — „Fraktion des gesunden Menschenverstands“

Zu den Kommunalwahlen im Mai 2014 war die „Alternative für Deutschland“ in Thüringen zunächst nur in Erfurt und dem Weimarer Land angetreten, wo sie mit jeweils zwei Mandaten einzog. Am 14. September 2014 schaffte sie mit 10,6 Prozent den Einzug in den Thüringer Landtag. Elf Abgeordnete zogen ein und offenbarten von Anbeginn an rechtspopulistische und teils offen nationalistische Positionen. Äußerungen wie: „Wir werden die Herrschaft der politischen Korrektheit brechen“ oder: „Diese Partei wird zu einer blauen Bewegung werden, zu einer blauen Bewegung, die unser gesamtes Vater­land in eine bessere Zukunft führen wird“, gehörten zum Sprachgebrauch des Fraktionsvorsitzenden Björn Höcke, der mit Interviews in rechten und ultra-rechten Publikationen wie „Sezession“, „ZUERST!“, „Blaue Narzisse“ etc. vertreten war.

Durch die Interviews zeigte sich, dass Höcke bereits über mehrere Jahre an rechte Kreise angebunden ist und beispielsweise an Veranstaltungen des „Instituts für Staatspolitik“ (IfS), der „Denkfabrik“ der „Neuen Rechten“ teilnahm. Am 15. März 2015 wurde die „Erfurter Resolution“, eine maßgeblich von Björn Höcke initiierte Positionierung des rechtsoffenen Flügels in der AfD veröffentlicht, die von knapp 2000 Mitgliedern der Partei unterzeichnet wurde, u.a. auch von acht der elf Abgeordneten im Thüringer Landtag. Der Richtungsstreit innerhalb der AfD eskalierte in Thüringen. Kritik an den drei Nicht-Unterzeichnern Siegfried Gentele, Oskar Helmerich und Jens Krumpe wurde laut. Im April 2015 wurde Siegfried Gentele nach offen geäußerter Kritik an Björn Höcke aus der Fraktion ausgeschlossen. Wenige Wochen später, im Mai 2015, verließen Oskar Helmerich und Jens Krumpe die AfD-Fraktion, nachdem zuvor bereits öffentlichkeitswirksam Strafmaßnahmen gegen sie verhängt worden waren. Zurück bleiben acht Abgeordnete mit eindeutigen Rechtsaußen-Posi­tionen, die sich selber als „Fraktion des gesunden Menschenverstandes“ verstehen.

Neben Björn Höcke gehört dazu Stephan Brandner, Anwalt aus Gera und Vorsitzender des Justizausschusses. Brandners Immunität wurde aufgehoben, um Ermittlungen gegen ihn wegen der angezeigten Veröffentlichung eines privaten Sex-Videos, welches ohne Einwilligung der Frau auf ein Bezahlportal gestellt wurde, einzuleiten.

Weiterhin zur Fraktion zählen Thomas Rudy, der bei einem Hakenkreuz-Foto auf Facebook einen „Like“ setzte, „LEGIDA-Fan“ Olaf Kießling und der Abgeordnete Jörg Henke, sowie Corinna Herold und Wiebke Muhsal, die zum Jahrestag der Reichspogromnacht im November 2014 auf einer Demonstration gegen eine rot-rot-grüne Regierungsbildung brennende Fackeln trugen. Als letzte Person wäre noch Fraktionsgeschäftsführer Stefan Möller zu nennen, dem laut „Thüringer Allgemeine“ fraktionsintern vorgeworfen wurde, seinen AfD-Kollegen Oskar Helmerich gezielt gedemütigt zu haben. Letztlich zeigt sich anhand der noch verbliebenen Abgeordneten der AfD-Fraktion im Thüringer Landtag, dass die „Alternative für Deutschland“ ein neues Forum für Kräfte des rechtskonservativen, rechtsoffenen bis hin zum Rechtsaußen Spektrum bildet. Dafür sorgt nicht zuletzt auch Björn Höcke, welcher nicht nur NPD-nahe Positionen vertrat, sondern auch als Bekannter des Neonazi-Kaders Thorsten Heise gilt. NPD-Mitgliedern stellte er eine Art  „Höcke-Persilschein“ aus, indem er bezweifelte, dass NPD-Mitglieder per se „extremistisch“, also neonazistisch seien.

Sachsen-Anhalt — Interne Querelen und Kooperation mit der „Neuen Rechten“

Die gut zwei Jahre seit Gründung des AfD-Landesverbandes Sachsen-Anhalt im April 2013 sind auf allen Ebenen vor allem durch parteiinterne Querelen, Rück- und Austritte sowie Skandale geprägt. Inhaltliche, politische Arbeit zeigt die offiziell flächendeckend organisierte Partei dagegen bisher kaum. Der erste Landesvorsitzende, Michael Heendorf (Magdeburg), trat schon im Dezember 2013 zurück. Der frühere PDS- und CDU-Stadtrat gehörte zum Sprecherrat der im Herbst 2012 als AfD-Vorläufer gegründeten „Wahlalternative 2013“ um Bernd Lucke. Heute betreibt er mit dem früheren AfD-Landesvorständler Martin Renner (NRW) den rechten Nachrichten-Blog „Derfflinger“, der wohlwollend über die Jahrestagung der extrem rechten „Gesellschaft für freie Publizistik“ (GfP) berichtete. Neuer Landesvorsitzender wurde Arndt Klapproth (Dessau). Es folgten Auseinandersetzungen, die die AfD bis heute lähmen, so etwa in Dessau-Roßlau. Hier existieren ein Stadt- und ein Kreisverband, die sich gegenseitig nicht anerkennen. Vorwürfe wie Spendenbetrug oder die willkürliche Nicht-/Anerkennung von Mitgliedern stehen im Raum. Klapproth wurde als Landeschef abgesägt, und nach einer Interimsperiode unter Tobias Rausch (Staßfurt/Salzland) im Juni 2014 durch André Poggenburg (Stößen/Burgenlandkreis) ersetzt. Der im Machtgerangel unterlegene, „gemäßigte“ Flügel beklagt Intrigen und rechtswidrige Methoden seitens des neuen Landesvorstandes. Poggenburg und Co hätten — „inquisitorisch“ assistiert durch die sächsische AfD-Fraktionschefin Frauke Petry — eine „Parteireinigung“ betrieben.

Auch im Kommunalwahlkampf 2014 machte die Partei vor allem durch Skandale von sich reden. So waren einige der Kandidierenden zuvor kriminell und/oder neonazistisch aufgefallen (AIB online berichtete). Trotzdem brachte es die AfD bei den Kommunalwahlen 2014 auf 16 Sitze auf Kreisebene und weitere 34 in den Gemeinden und Ortschaften. Die frisch gewählten Fraktionen in Halle und Magdeburg zerfielen nach wenigen Wochen, die in Dessau-Roßlau ist weitgehend inaktiv. Nennenswerte, kommunalpolitische Aktivitäten sind bis auf Ausnahmen in Staßfurt oder Zeitz nur im Landkreis Anhalt-Bitterfeld zu verzeichnen. Im Altkreis Bitterfeld ist die AfD flächendeckend in den Gemeinderäten vertreten und versucht sich als Vertreterin der (deutschen) Bevölkerung zu gerieren. Dabei kommt ihr entgegen, dass sie wie eine normale Partei behandelt wird. Das zeigt sich auch in den verschiedenen Fraktionsbildungen mit AfD-Beteiligung im Bundesland: von Freien Wählergemeinschaften und Einzelbewerber_innen über die von ehemaligen „Offensive D“-Leuten gegründete „Allianz der Bürger“ (AdB), die „STATT-Partei“ und die CDU bis hin zu über die offene Liste der LINKEN Gewählte.

Derweil reißt die Kette äußerst rechter Vorfälle nicht ab. Im Herbst 2014 kam es zu antisemitischen Ausfällen von Jobst von Harlessem (Magdeburg) und Dirk Hoffmann (Wittenberg). Aktuell thematisieren Antifaschist_innen die teilweise Zusammenarbeit von Reichsbürgern und AfD-lern in Bitterfeld. Als die Lokalzeitung jüngst die Stadtratsfraktionschefs zur dortigen neonazistischen Gewaltwelle interviewte, durfte sich Daniel Roi für die AfD trotzdem über „Extremisten von links“ auslassen.

Spätestens seit der Mitte März von Poggenburg und Björn Höcke initiierten „Erfurter Erklärung“ des „Flügels“ ist klar, dass sich der Landesverband ganz rechts verortet. Schon im Februar wurde bekannt, dass mit Ellen Kositza und Götz Kubitschek (beide Schnellroda) zwei wichtige VertreterInnen der „Neuen Rechten“ die AfD-Mitgliedschaft beantragt hatten.
Der Bundesvorstand widersprach dem Beitritt und erkannte die schon erhaltenen Mitgliedsausweise wieder ab, was Anlass der „Flügel“-Gründung gewesen sein soll. Höcke und Kubitschek sollen sich laut einem Bericht von „blick nach rechts“ seit längerem kennen. Zuletzt berichtete „Frontal 21“ über die Aussagen eines Ex-AfD-Funktionärs, dass die thüringische AfD-Fraktion bei einem Arbeitstreffen bei Kubitschek über Zuschüsse zu dessen Verlag Antaios beraten hätte, was Kubitschek bestreitet. Kositza war im April beim Landesparteitag als Rednerin geladen und soll anscheinend bei der Erstellung des Landeswahlprogramms helfen.

Zuletzt sah sich Poggenburg Vorwürfen ausgesetzt, er hätte der laut Parteibeschluss unzulässigen Mitgliedschaft eines ehemaligen DVU-Landtagsabgeordneten nicht wider­sprochen. Mirko Mokrys AfD-Engagement war im März von „Der rechte Rand“ und im Mai durch den MDR problematisiert worden. Rücktrittsforderungen bekam Poggenburg u.a. vom Harzer Kreisvorsitzenden Michael Möller zu hören, der allerdings selbst zu den Unterzeichnern der Erfurter Erklärung gehört. Der Landesverband Baden-Württemberg beantragte die Amtsenthebung.

Bei den Landtagswahlen im März 2016 will die Partei mit aktuell gerade einmal 300 Mitgliedern an die Erfolge in den Nachbarländern anknüpfen. Angesichts des eher desolaten Zustands und der rasanten Entwicklungen im Bund erscheint dies derzeit eher fraglich.