Die deutsche Entwicklungspolitik unter Niebel: Eine handlungslogische Analyse des FDP-geführten BMZ

Der Verband Entwicklungspolitik Deutscher Nichtregierungsorganisationen (VENRO) überschrieb die Bilanz der vier Jahre Entwicklungspolitik unter der schwarz-gelben Regierung 2009‑2013 mit der Überschrift „Verpasste Chancen“ (VENRO 2013). Die Tageszeitungen betonten in ihrer Bewertung sowohl den versuchten Teppichschmuggel des Ministers als auch die zur Gründung der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) führenden Strukturreformen.

Keywords: development policy, development cooperation, BMZ, change of government

Schlagwörter: Entwicklungspolitik, Entwicklungszusammenarbeit, BMZ, Regierungswechsel

Der Verband Entwicklungspolitik Deutscher Nichtregierungsorganisationen (VENRO) überschrieb die Bilanz der vier Jahre Entwicklungspolitik unter der schwarz-gelben Regierung 2009‑2013 mit der Überschrift „Verpasste Chancen“ (VENRO 2013). Die Tageszeitungen betonten in ihrer Bewertung sowohl den versuchten Teppichschmuggel des Ministers als auch die zur Gründung der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) führenden Strukturreformen. Jenseits skandalisierter Einzelaspekte in der Leitung des Ministeriums durch den FDP-Politiker Dirk Niebel soll in diesem Artikel anhand verschiedener Handlungslogiken in der Entwicklungspolitik eine analytische Bilanz dieser Periode gezogen werden, die auch zu einer Theoretisierung des Politikfelds beitragen soll. Gerade im Hinblick auf die Politik seiner Amtsvorgängerin Wieczorek-Zeul soll untersucht werden, in welcher Hinsicht die thematische und strukturelle Ausrichtung der Entwicklungspolitik der BRD von der Leitung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) gesteuert werden kann und in welchen Punkten, beispielsweise aufgrund von Faktoren des internationalen Systems, diese Steuerungsmöglichkeit nur wenig ausgeprägt ist. Dementsprechend soll die Relevanz parteipolitischer Neuausrichtungen für die Ausgestaltung der Entwicklungspolitik im Zeitraum der entsprechenden Regierungsperiode in den Blickpunkt rücken.

Nach einem Abschnitt zur theoretischen Analyse von Entwicklungspolitik soll zunächst ein empiriebasierter Überblick über die spezifischen Akzentsetzungen Niebels im Ministerium auf Grundlage der medialen Auseinandersetzung gegeben werden, bevor die geopolitischen, außenwirtschaftlichen und „genuin entwicklungspolitischen“ Aspekte seiner Amtszeit untersucht werden. Abschließend wird das empirische Material mit den theoretischen Überlegungen zu unterschiedlichen Handlungslogiken aus dem ersten Abschnitt verknüpft, um die Frage nach der spezifischen Rolle des BMZ und seiner jeweils parteipolitisch verorteten Leitung im internationalen Gefüge zu beantworten. Ziel des Artikels ist es also, herauszustellen, welches die Möglichkeitsräume innerhalb der Verzahnung eines spezifischen parteipolitischen Programms mit den Notwendigkeiten der deutschen Entwicklungspolitik sind.

Theorie der Entwicklungspolitik: Konkurrierende Handlungslogiken

Eine wissenschaftliche Analyse der Entwicklungspolitik der BRD steht vor der doppelten Aufgabe, den vorschnellen Schluss von der armutsbekämpfenden Rhetorik auf die tatsächliche Politik (Holtz 2000) ebenso zu vermeiden wie die Reduktion des Politikfelds auf kapitalistische Geberinteressen (Metzger 1999). Allerdings spielen sowohl Armutsbekämpfung wie auch Geberinteressen eine nicht unbedeutende Rolle in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Themenfeld, ebenso wie die bei der Etablierung der „Entwicklungshilfe“ Mitte des 20. Jahrhunderts Pate stehenden geopolitischen Überlegungen. Die Spannungen zwischen diesen drei Motiven der Entwicklungspolitik – dem geopolitischen Motiv der Unterstützung „befreundeter“ Regime und ihrem Entzug bei der Machtübernahme „gegnerischer“ Parteien, dem außenwirtschaftlichen Motiv der Förderung deutscher Unternehmen, und dem oft als genuin entwicklungspolitisch wahrgenommenen Motiv der Armutsbekämpfung und der Verbesserung der Lebensverhältnisse von Menschen in „weniger entwickelten“ Ländern – sind unübersehbar. Denn wenn die „Hilfe“ bestimmte Regime unterstützen soll, darf sie nicht lediglich die eigenen Konzerne alimentieren, und die Verbesserung der Lebensverhältnisse der Bevölkerung steht keineswegs stets im Einklang mit den Interessen der Regierung oder denen der Investor*innen.

Zur Analyse dieser Diskrepanz ist zu beachten, dass wir Entwicklungspolitik mit Manfred Glagow (1983a: 30) politikwissenschaftlich als „Teil von Außenpolitik und als gesonderte Form zugleich“ begreifen. Als Teil von Außenpolitik unterliegt sie funktionalen Zwängen und muss per definitionem das gegenwärtige politische System mittragen und „deutsche Interessen“ wahren (ebd.: 24). Uwe Schimank drückt dies, systemtheoretisch wie auch marxistisch beeinflusst, wie folgt aus: Die Funktion von Außenpolitik bestünde in der „Optimierung der internationalen Umwelt eines Gesellschaftssystems im Hinblick auf dessen jeweilige konkret-historische[n] Reproduktionsbedingungen“ (Schimank 1983: 59). Dies beinhalte „für ein kapitalistisches Gesellschaftssystem wie das der BRD“ auch die Begünstigung der „Akkumulation des jeweiligen nationalen Kapitals“ (ebd.: 60). Als gesonderte Form von Außenpolitik kommt sie diesen Zwängen aber in einer spezifischen Weise nach, die sich von den Handlungslogiken anderer Politikfelder unterscheidet. Das heißt, sie vertritt zwar nationalstaatliche Interessen im Hinblick auf einen bestimmten Teil des internationalen Systems (die als „weniger entwickelt“ definierten Länder) und agiert mit bestimmten Instrumenten (denen der finanziellen und der technischen Entwicklungszusammenarbeit), allerdings auf andere Art und Weise als klassische Außenpolitik oder Außenwirtschaftsförderung: Entwicklungspolitik nimmt für sich in Anspruch, diese Interessen durch Politiken zu vertreten, die auf die Verbesserung von Lebensverhältnissen von Menschen in den erwähnten Ländern abzielen, wie Erhard Eppler (einer von Niebels Vorgänger*innen, in den Jahren 1968‑1974) bereits vor 45 Jahren betont hat. Und zwar deshalb, weil Armut und Krisen im Süden unweigerlich negative Effekte im Norden nach sich ziehen und ein stabiles und friedliches internationales System nur durch „Entwicklungshilfe“ erreicht werden könne. Das BMZ drückt diese Behauptung heutzutage in sehr ähnlicher Weise aus: „Konflikte in anderen Ländern gefährden auch die Sicherheit der Menschen in Deutschland. [...] Entwicklungszusammenarbeit hilft, Krisen zu verhindern und Konflikte zu bewältigen.“ (BMZ 2013a) Somit sei, in den Worten Niebels, „Entwicklungspolitik … eine lohnende Investition in die Zukunft dieser Erde“ (BMZ 2011a: 3).

Diese Sichtweise von Manfred Glagow und Uwe Schimank soll hier noch dahingehend modifiziert werden, dass die entwicklungspolitische Handlungslogik sich im Politikfeld Entwicklungspolitik mit den anderen beiden erwähnten außenwirtschaftlichen und geopolitischen Handlungslogiken überlagert: es gibt in der konkreten Politik der BRD gegenüber den Ländern des Südens Handlungsmuster, die primär nicht mit einer entwicklungspolitischen Handlungslogik erklärt werden können, sondern auf weitere Logiken zurückzuführen sind. Klassische Beispiele sind die Lieferbindung in der finanziellen Zusammenarbeit (außenwirtschaftliche Handlungslogik) oder die Hallstein-Doktrin (geopolitische Handlungslogik).[1]

Aus einer konstruktivistischen Perspektive ist hinzuzufügen, dass die hier erwähnten nationalen Interessen nicht ohne weiteres objektiv feststellbar, sondern Resultat diskursiver Auseinandersetzungen sind. Vertreter*innen der deutschen Entwicklungspolitik haben seit jeher deren Existenz auf der „genuin entwicklungspolitischen“ Grundlage eines „aufgeklärten Eigeninteresses“ zu rechtfertigen versucht, bisweilen aber auch auf ihre geopolitischen und außenwirtschaftlichen Nutzeneffekte hingewiesen. So auch Minister Niebel, der behauptet, dass „aus jedem Euro, der für die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit ausgegeben wird, 1,80 Euro in die deutsche Wirtschaft zurückfließen“ (Grefe & Lau 2011; Interview in der Zeit, 22. 11. 2011). Beide Arten von Nutzeneffekten wurden bereits in der Antrittsrede von Truman 1949 betont, der die Armut im Süden als „Hindernis“ (für die Expansion der US-Wirtschaft) wie auch als „Bedrohung“ (angesichts der möglichen Ausbreitung des Kommunismus) bezeichnete (Truman 1949). Der diskursive Trick der Entwicklungspolitik besteht nun darin, die Interessen der Investor*innen aus dem Norden als kompatibel mit den Interessen der „Armen im Süden“ darzustellen – und auf diese Weise Widersprüche zwischen entwicklungspolitischer und außenwirtschaftlicher Handlungslogik auszuschließen. Javier Alcalde (1987: 223) verortet hier die primäre Funktion des Entwicklungsdiskurses.

Bei der Analyse von Zielsetzungen der Entwicklungspolitik ist somit das relative Gewicht der drei unterschiedlichen Handlungslogiken relevant, ebenso wie die spezifische Konstruktion der nationalen Interessen. Ein dritter Punkt sind jedoch auch die Bestimmungsfaktoren der geopolitischen und außenwirtschaftlichen Handlungslogiken. Diesbezüglich haben Georg Simonis und Susanne Ludwig (1987) in ihrer Analyse der Auswirkungen der konservativ-liberalen Regierungsübernahme 1982 in der BRD die These vertreten, dass die internationalen Rahmenbedingungen von Entwicklungspolitik einen deutlich stärkeren Einfluss ausüben als parteipolitische Neuorientierungen. Die Anpassung an die politökonomischen Strukturen des Weltsystems verlaufe – auch in der Entwicklungspolitik – unabhängig von der parteipolitischen Ausrichtung der BMZ-Leitung. Eine anders ausgerichtete These vertritt in diesem Kontext Siegfried Pater (1990), der eine neue Dominanz geopolitischer und außenwirtschaftlicher Kriterien in der Entwicklungspolitik der BRD der 1980er Jahre diagnostiziert und kausal mit dem Regierungswechsel von Rot zu Schwarz erklärt. Michaela von Freyhold (1987) und Klaus Bodemer (1985) hingegen schätzen das Ausmaß des tatsächlichen Politikwechsels jenseits einer veränderten Rhetorik als deutlich geringer ein. Für den erneuten Wechsel 2009 hin zu einer konservativ-liberalen Regierung wäre es zur analytischen Beurteilung der konkurrierenden Hypothesen relevant, inwiefern sich die politische Ausrichtung des BMZ im Hinblick auf die drei unterschiedlichen Handlungslogiken tatsächlich von der unter der konservativ-sozialdemokratischen (2005‑2009), oder – als hypothetisch noch stärkerer Kontrast – der unter der sozialdemokratisch-grünen Regierung (1998‑2005) unterscheidet.

Dementsprechend soll im Folgenden die Entwicklungspolitik unter der konservativ-liberalen Regierung zunächst hinsichtlich ihrer allgemeinen Ausrichtung und ihrer innenpolitischen Aspekte skizziert und anhand einiger Beispiele aus den Bereichen der geopolitischen, außenwirtschaftlichen und entwicklungspolitischen Handlungslogik illustriert und analysiert werden. Anschließend wird auf der Grundlage eines Vergleichs mit der Ausrichtung des BMZ unter der sozialdemokratisch-grünen Leitung versucht, die Frage nach der Relevanz von parteipolitischen Neuorientierungen und Regierungswechseln in der Entwicklungspolitik beispielhaft zu beantworten. Die Fragestellung, die mittels der folgenden Analyse verschiedener konkreter Vorkommnisse beantwortet werden soll, fokussiert also darauf, ob ein Regierungswechsel und eine andere parteipolitische Ausrichtung zu einer deutlichen Änderung der Entwicklungspolitik führen (Pater1990) oder ob jenseits einer veränderten Rhetorik keine grundlegenden Auswirkungen festzustellen sind, weil die Bestimmungsfaktoren der Entwicklungspolitik eher im internationalen System liegen (Simonis & Ludwig 1987).

Das BMZ unter Niebel: Gebirgsjäger im Vorgarten

Die Entwicklungspolitik der schwarz-gelben Bundesregierung 2009‑2013 betrachtend, ist es nicht leicht, der Versuchung einer Personalisierung zu widerstehen: Zu ungewöhnlich war die Besetzung des Minister*innenpostens mit einer Person, die noch im Wahlkampf aus FDP-Perspektive die Abschaffung des BMZ verlangt hatte (Reuke 2012: 1), die kolonial anmutende Werbeplakate drucken ließ (Bendix 2013) und die auf Dienstreisen in den Süden meist demonstrativ die Gebirgsjägermütze aus der eigenen Zeit als Berufssoldat trug. Zudem hat Niebel in seiner Antrittsrede als Minister klar die wirtschaftliche Zusammenarbeit im Namen des Ministeriums hervorgehoben und die Entwicklungszusammenarbeit (EZ) unter seiner Ägide als „ausdrücklich interessenorientiert“ bezeichnet. Unter anderem betonte er in seiner Antrittsrede im Bundestag: „Es ist in unserem Interesse, in unserem eigenen Vorgarten, in Afrika, dafür zu sorgen, dass die Menschen keine Fluchtgründe geliefert bekommen“ (Niebel 2009: 80). Ohne tiefer in eine Diskursanalyse dieser und ähnlicher Äußerungen einzusteigen, lässt sich an dieser Stelle die Verwendung von Formulierungen mit kolonial erscheinenden Besitzansprüchen festhalten.

Die behauptete Neuorientierung der BMZ-Leitung seit 2009 lässt sich zunächst mit den Schlagworten Renationalisierung und Effizienzsteigerung kennzeichnen. Erstere spiegelt sich in einer gezielten Reduzierung des Anteils multilateraler EZ von 41,2 auf 33,4 % (terre des hommes & Welthungerhilfe 2013: 15) und in einer Abkehr von Budgethilfe zugunsten klassischer bilateraler Projekt‑ und Programmfinanzierung wider. Dies wurde zwar von Niebel (2009: 80) mit einer Erhöhung der „Effizienz“ und der „Schlagkraft“ der EZ in Verbindung gebracht, diese Verknüpfung ist jedoch jenseits von Stereotypen kaum überzeugend. Die Zahl der Projekte und Partnerländer wurde in dieser Periode kaum bzw. nicht reduziert (terre des hommes & Welthungerhilfe 2013: 16).

Der Effizienzsteigerung und „Schlagkrafterhöhung“ sollte auch das Projekt einer Strukturreform der EZ-Institutionen dienen: die 2011 vollzogene Fusion von GTZ, DED und InWEnt zur Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Diese „wichtigste und tiefgreifendste Reform in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit“ sei u.a. vom Development Assistance Committee (DAC) der OECD angeregt worden, schreibt das BMZ (2013b: 5). Dabei bezog sich das DAC jedoch auf die vielfach eingeforderte Vereinigung von technischer (GTZ) und finanzieller Zusammenarbeit (KfW), die aus der Perspektive des DAC der Effizienzsteigerung hätte dienen können. In Antizipation der zu erwartenden Widerstände v.a. vonseiten der GTZ wurde diese jedoch gar nicht erst in Angriff genommen (Reuke 2012: 2). Inwiefern die vorgenommene Fusion der drei in ihren Zielsetzungen heterogenen Organisationen ihre Wirksamkeit steigerte, ist unklar. Der geschäftsführende siebenköpfige Vorstand der neu gegründeten GIZ (vorher fünfköpfig) wurde dabei mit sieben Männern[2] besetzt, was in den Augen der Gleichstellungsbeauftragten der drei fusionierten Organisationen ein „Schlag ins Gesicht“ war (zit. nach Repinski 2010) und Mitarbeiter*innen zu der Bemerkung veranlasste, dass man dies geförderten Nichtregierungsorganisationen (NROen) aus dem Süden nicht hätte durchgehen lassen.

Auch in anderer Hinsicht hat die Personalpolitik der BMZ-Leitung Aufsehen erregt. Zwar ist es nicht ungewöhnlich, dass eine neue Leitung bevorzugt Menschen mit identischem Parteibuch einstellt, dass diese ihren Job ohne große Vorkenntnisse antreten allerdings schon. Nicht nur die Opposition, auch der Personalrat des BMZ und sogar der Bundesrechnungshof sowie Teile der eigenen Partei protestierten gegen Niebels Personalpolitik (Entwicklungspolitik Online 2013). Für besonders brisant hielt die Zeit die Ernennung von Oberst Friedel Eggelmeyer, ehemaliger Kommandeur des Panzerbataillons 33, zum Abteilungsleiter, vor allem weil das Symbol seines Bataillons dem eines Regiments des „Afrikakorps“ der Wehrmacht entlehnt ist (Monath 2010).

Ebenfalls großen Unmut erregten die Versuche des BMZ, geförderten NROen inhaltliche Vorschriften zu machen. Bekannt wurde der Fall des Inkota-Netzwerks, in dessen Publikation ein Artikel über die fragwürdigen Praktiken des Greenwashings durch Konzerne vom BMZ als zu kritisch befunden und ein Entzug der Förderung angedroht wurde. Daraufhin erschien die Broschüre mit zwei leeren Seiten, aber die Organisation legte den Artikel als (auf eigene Kosten gedrucktes) Flugblatt bei.

Von entwicklungspolitischen NROen oft thematisiert wird auch die „deutliche Verfehlung“ des europäischen Stufenplans zur Erreichung des schon 1970 angekündigten und 2010 von Merkel bekräftigten Ziels, 0,7 % des Bruttoinlandsprodukts für Entwicklungshilfe auszugeben (VENRO 2013: 5). Die ODA-Quote (Anteil der Entwicklungshilfe am Bruttoinlandsprodukt) schwankte, nachdem sie zwischen 1998 und 2009 um 0,1 % zugelegt hatte, unter der schwarz-gelben Regierung zwischen 0,35 und 0,39 %, ein Aufwärtstrend war nicht erkennbar (terre des hommes & Welthungerhilfe 2014: 29). Dabei betonte die neue Leitung einerseits immer wieder, dass es nicht allein auf die Quantität der Gelder ankomme, andererseits rechnete sie die Quote hoch, beispielsweise durch die Einbeziehung der zunehmenden Verwendung von Mischfinanzierung.[3]

Erwähnenswert ist auch Niebels Gründung einer Servicestelle für bürgerschaftliches und kommunales Engagement mit dem Namen „Engagement Global“. Nichtregierungsorganisationen kritisierten diese jedoch mit den Worten, sie übernehme Aufgaben, die zuvor erfolgreich von zivilgesellschaftlicher Seite wahrgenommen worden waren und stelle somit eine Ausweitung staatlicher Einflussnahme dar (VENRO 2013: 2).

Geopolitische Motive:
Afghanistan-Fazilität und Unterstützung für Putschisten

Der Versuch einer stärkeren Kontrolle zivilgesellschaftlicher Organisationen und eine sicherheitspolitische Umorientierung des BMZ manifestierten sich auch im außenpolitischen Bereich. Mithilfe der 2010 neu geschaffenen und mit 10 Mio. Euro ausgestatteten Afghanistan-Fazilität sollten projekttragende Organisationen nicht nur den regionalen Schwerpunktsetzungen des BMZ folgen, sondern sich auch dem Konzept der „vernetzten Sicherheit“ anpassen und so in militärische Strategien der Bundesregierung integriert werden. Zwar wurde diese Anforderung vom entwicklungspolitischen Dachverband VENRO empört zurückgewiesen, doch die gemeinsame Front bröckelte bald angesichts der prekären Finanzsituation, so dass sich einige Organisationen wie die Welthungerhilfe doch auf die zivil-militärische Kooperation einließen (Schultz 2011).

Weitere geopolitische Akzentsetzungen der konservativ-liberalen Entwicklungspolitik finden sich v.a. in Lateinamerika, wo linksgerichtete Regierungen durch das BMZ unterminiert und rechtsgerichtete Regierungen unterstützt wurden. Als Beispiel kann Paraguay herangezogen werden, wo Präsident Fernando Lugo seit seinem Amtsantritt im Jahr 2008 im Rahmen seiner eingeschränkten Möglichkeiten eine Politik zugunsten der verarmten Bevölkerungsmehrheit unternommen hatte. Im Jahr 2012 wurde er rechtswidrig durch die konservative Parlamentsmehrheit abgesetzt, woraufhin das Land international isoliert war. Niebel jedoch signalisierte als erster ausländischer Staatsgast seine Anerkennung für das neue Regime und legitimierte so den Putsch einer Allianz von konservativer Oligarchie, internationalen Konzernen und kriminellen Gruppen (Dilger 2012).

Ein weiteres Beispiel ist Honduras: Bereits beim Sturz des demokratisch gewählten, linksreformistischen Präsidenten Manuel Zelaya im Jahr 2009 überraschte das Verhalten der BMZ-Leitung: zwar unterstützte das BMZ den Putsch nicht explizit, allerdings berief Niebel später den Putschbefürworter Christian Lüth, Vertreter der Friedrich-Naumann-Stiftung in Honduras, als Referent ins BMZ. Lüth hatte den Putsch trotz einhelliger internationaler Ächtung (UNO, OAS, USA, EU und Bundesregierung verurteilten ihn als illegitim) als Rückkehr zu Rechtsstaat und Verfassungsmäßigkeit begrüßt (Neuber 2011).

Der sich selbst als sandinistisch bezeichnenden Regierung unter Ortega in Nicaragua (in der Regel trotz antifeministischer (Abtreibungs‑)Politik als links wahrgenommen) hingegen wurde, wie schon unter der schwarz-gelben Regierung in den 1980ern, die finanzielle Unterstützung entzogen. Die Aufkündigung der EZ wurde von Niebel mit demokratischen Defiziten und insbesondere Unregelmäßigkeiten bei der Präsidentschaftswahl 2011 begründet. Dieser Vorwurf ist nicht aus der Luft gegriffen, träfe aber genauso auf Wahlen in anderen Partnerländern des BMZ wie der DR Kongo 2011 zu – von den deutlich weniger demokratisch legitimierten Regierungswechseln in Paraguay und Honduras ganz abgesehen (Ling 2012).

Die geopolitischen Prioritäten und die sicherheitspolitische Ausrichtung der neuen BMZ-Leitung wurden auch im Hinblick auf Panzerlieferungen der BRD nach Saudi-Arabien deutlich. Der Zeit sagte Niebel zu dieser Frage: „Die Stabilisierung einer Region trägt durchaus dazu bei, die Menschenrechte zu wahren – vielleicht nicht in dem Land, in dem man tätig ist, aber in den Nachbarländern“. Auch in Zeiten des Kalten Krieges habe „die militärische Abschreckung dazu beigetragen, dass der Krieg nicht stattfand“, erläuterte der Minister (Zeit online 2011). Aus dieser Perspektive dienen Waffenexporte an Diktaturen dem Frieden.[4]

Außenwirtschaftliche Motive:
Wirtschaftspartnerschaften auf Kosten der Kleinbäuer*innen

Die Betonung bilateraler EZ und insbesondere deutscher Wirtschaftsinteressen war explizites Ziel der liberal-konservativen Entwicklungspolitik. Dies zeigte sich auf unterschiedlichen Ebenen, so z.B. in der Schaffung von Verbindungsreferent*innen zwischen BMZ und Handelskammern („EZ‑Scouts“), einer Servicestelle für die Wirtschaft im Ministerium oder in der Erhöhung der Gelder für „Entwicklungspartnerschaften mit der Privatwirtschaft“ um rund 80 % (von 47,39 auf 79,8 Mio. € zwischen 2009 und 2013) (VENRO 2013: 2). Drei weitere Initiativen Niebels möchten wir in diesem Kontext hervorheben: die German Food Partnership (GFP), den Africa Agriculture and Trade Investment Fund (AATIF) sowie die Intervention des Ministers in den Konflikt um die Kaweri-Kaffeeplantage in Uganda.

Das wesentlich von Unternehmen getragene Bündnis GFP (www.germanfoodpartnership.de) hieß bei seiner Gründung unter Schirmherrschaft des BMZ 2012 noch Deutsche Initiative für Agrarwirtschaft und Ernährung in Schwellen‑ und Entwicklungsländern (DIAE) und wurde Anfang 2013 umbenannt. Als Ziel benennt es, in Zusammenarbeit von privaten und öffentlichen Akteuren durch Projekte zur landwirtschaftlichen Ertragssteigerung und für verbesserte Wertschöpfungsketten die Ernährungssituation der Menschen in Schwellen‑ und Entwicklungsländern zu verbessern (www.germanfoodpartnership.de/ueber-die-gfp/ziele/). Getreu der bereits die Genese der Entwicklungspolitik prägenden Maxime, dass zwischen nördlichen Investor*innen und südlichen Kleinbäuer*innen eine Interessenharmonie bestünde (Alcalde 1987), sollen so Hunger und Armut bekämpft werden. Analysen der GFP-Projekte seitens deutscher NROen kommen jedoch zu dem Schluss, dass das Geschäftsinteresse der Agrar‑ und Chemieunternehmen (u.a. Bayer Crop Science, BASF und Syngenta) im Vordergrund steht, Kleinbäuer*innen kaum in die Projekte eingebunden sind und bestenfalls ein kleiner Teil von ihnen profitiert, die Situation der ärmeren Landbevölkerung aber verschlimmert wird (AG Landwirtschaft & Ernährung 2013: 3; Inkota-Netzwerk 2014: 2f, s. auch Fraktion Bündnis 90/Die Grünen 2014). Der entwicklungspolitische Nutzen der mit 6 Mio. € aus BMZ-Mitteln geförderten GFP ist entsprechend zu hinterfragen.

Eine ähnliche Stoßrichtung hat der ebenfalls als „Entwicklungspartnerschaft“ geltende AATIF. Dieser von BMZ und KfW in Kooperation mit der Deutschen Bank 2011 ins Leben gerufene Fonds soll laut Niebel „Afrikas landwirtschaftliches Potenzial nachhaltig realisieren“, „Lebensverhältnisse ländlicher Haushalte verbessern“ und „landwirtschaftliche Investitionen zum Wohle der lokalen Bevölkerung“ fördern, um so „Hunger und Armut in ländlichen Ökonomien [zu] eliminieren“ (Niebel in AATIF 2011: 3, Übers. d. Verf.). Der vom BMZ mit rund 45 Mio. € unterstützte Fonds soll Kredite, Garantien und Beteiligungen für kleinere und mittlere landwirtschaftliche Betriebe bereitstellen und gleichzeitig mindestens 30 % seines Volumens auch an Finanzintermediäre wie in Afrika tätige Banken und Mikrofinanzinstitutionen vergeben (Linksfraktion 2012: 1). BMZ-Gelder dienen als Eigenkapital, wohingegen diejenigen der Deutschen Bank bei Verlusten erst nachgelagert in Anspruch genommen werden. Bei anfallenden Gewinnen ist die Reihenfolge umgekehrt (Bundesregierung 2012: 4). Ein Kredit der AATIF über 10 Mio. US$ ging beispielsweise über ein Tochterunternehmen an die Investmentfirma Chayton Africa, die aktuell 17.000 Hektar Land in Sambia aufgekauft hat und in industrieller Landwirtschaft Weizen, Mais und Soja anbaut (AATIF 2011: 11). Arbeitsplätze hingegen hat die Firma abgebaut, statt neue zu schaffen (Forum Umwelt & Entwicklung 2014: 19). NROen folgern, die „entwicklungspolitische Orientierung“ sei bei AATIF „noch geringer ausgeprägt als bei der GFP“ (ebd.).

Als drittes Beispiel einer außenwirtschaftlichen Handlungslogik des BMZ soll hier der Streit um die Kaweri-Kaffeeplantage in Uganda dargestellt werden. Diese Plantage des deutschen Investors Neumann Kaffee Gruppe wurde 2001 im Bezirk Mubende auf von der Uganda Investment Authority gepachtetem Land errichtet, kurz nachdem die ugandische Armee die rund 4.000 Bewohner*innen des Landes mit Bulldozern und Waffen vertrieben hatte (Falk u.a. 2013: 6f). Die Grundschule eines der geräumten Dörfer diente als Geschäftsstelle der Plantage. Kaweri zahlte der örtlichen Diözese 2.000 € zur Versorgung der Flüchtlinge und berief sich auf die Zusicherung der Regierung, dass alle rechtmäßigen Bewohner*innen entschädigt werden müssten. Die Vertriebenen organisierten sich in der Gruppe „Wake Up and Fight for Your Rights, Madudu Group“, die mit Unterstützung seitens einiger NROen die ugandische Regierung und Kaweri beim Hohen Gericht in Kampala verklagten. Das Verfahren wurde über viele Jahre verschleppt und erst mit Unterstützung von FIAN reichten die Vertriebenen 2009 auch bei der Nationalen Kontaktstelle der OECD Klage wegen Verletzung der Richtlinien für Multinationale Unternehmen ein – allerdings erfolglos. Minister Niebel forderte 2013 (nachdem das Gericht in Kampala überraschend zu Ungunsten von Kaweri geurteilt hat) in einem Brief an FIAN die Organisation auf, die „unangemessene und unberechtigte“ Kampagne gegen die „größte deutsche Investition in Uganda“ zu beenden, um den „ugandischen Kaffee“ nicht in „dauernden Verruf“ zu bringen und so den Kleinbäuer*innen zu schaden. Aus „entwicklungspolitischer Sicht“ solle die Situation nicht weiter verschärft werden (Falk u.a. 2013, ActionAid 2008; Niebel 2013). Hier wird von Seiten des BMZ den Interessen des deutschen Investors gegenüber den Interessen der vertriebenen Kleinbäuer*innen Vorrang eingeräumt. Das außenwirtschaftliche Motiv verbindet sich mit dem (in diesem Fall wenig erfolgreichen) erneuten Versuch einer stärkeren Kontrolle der Zivilgesellschaft. Das „genuin entwicklungspolitische“ Handlungsmotiv der Entwicklungspolitik tritt in den dargestellten Fällen klar in den Hintergrund.

Entwicklungspolitische Motive: Stärkung
von kleinbäuerlicher Landwirtschaft und Menschenrechten

Eine gezielte Suche nach medial beachteten Handlungen, in denen die Vorgehensweise der konservativ-liberalen BMZ-Leitung eindeutig an diesem und nicht an den anderen beiden Motiven ausgerichtet war, gestaltet sich schwierig. In drei Bereichen konnten wir dennoch fündig werden: im Hinblick auf kleinbäuerliche Landwirtschaft, Menschenrechte allgemein und die Rechte Homosexueller im Besonderen. Im ersten Bereich ist erwähnenswert, dass das BMZ in zentralen Papieren die Bedeutung kleinbäuerlicher Investitionen hervorgehoben und die Finanzmittel für „ländliche Entwicklung“ um 700 Mio. € erhöht hat (VENRO 2013: 4).[5]

Ebenfalls auf Lob in der entwicklungspolitischen Szene stieß das Menschenrechtskonzept des BMZ (BMZ 2011b), in dessen Erarbeitung die NROen nach eigenen Angaben „intensiv eingebunden“ waren (VENRO 2013: 1). Es enthält „verbindliche, entscheidungsrelevante Vorgaben für die Gestaltung der deutschen Entwicklungspolitik“ (BMZ 2011b: 4). Anknüpfend wurde ein Leitfaden zur Berücksichtigung von Menschenrechten in der EZ entworfen (BMZ 2013c), ein entsprechender Beschwerdemechanismus wurde angekündigt, bisher jedoch noch nicht umgesetzt (Kämpf 2013).

Möglicherweise als Folge auf das Insistieren einiger grüner Abgeordneter (Fraktion Bündnis 90/Die Grünen 2010) und explizit als Reaktion auf einen Gesetzesentwurf Ugandas, der für homosexuelles Verhalten die Todesstrafe vorsah, hat das BMZ unter Niebel im Januar 2013 die Budgethilfe für Uganda eingefroren. Nachdem das Strafmaß auf ‘lebenslänglich’ reduziert worden war, lockerte Niebel die Sanktionen und wandelte die Gelder in projektbezogene Hilfen für Rechnungshof und Finanzministerium um (Sandner 2014).

In diesen Bereichen, wie auch in vielen vom BMZ geschilderten Beispielen für Projekte zur Stärkung unterschiedlicher Arten von Menschenrechten (BMZ 2012) lassen sich (auf den ersten Blick) weder geopolitische noch außenwirtschaftliche Motive erkennen. Die Unterstützung einer Landreform in Namibia und des Kampfes um Arbeitsrechte von Textilarbeiter*innen in Bangladesch folgen deutlich einer entwicklungspolitischen Handlungslogik, in der es darum geht, die Lebensverhältnisse der Menschen in vermeintlich weniger „entwickelten“ Ländern zu verbessern – und auf diese Weise, so die Argumentation – Stabilität und Frieden auch im Norden zu sichern. Dabei ist der Bezug auf Menschenrechte auch ein beliebtes Mittel, Kritiker*innen zu beschwichtigen.

Vergleich und Analyse: Politischer
Handlungsspielraum im Politikfeld Entwicklungspolitik

Wenn wir das empirische Material nun zur Beurteilung der unterschiedlichen theoretischen Ansätze zur Entwicklungszusammenarbeit nutzen wollen, ist es sinnvoll, einen historischen Vergleichsmaßstab heranzuziehen. Die Frage, welche Änderungen in der Politik jeweils auf einen Regierungswechsel zurückzuführen sind und inwiefern grundlegende Strukturen maßgeblicher sind als personelle Änderungen im Ministerium, lässt sich nur auf diese Weise fundiert beantworten. Methodisch passend erscheint dabei, die Ausgestaltung der Entwicklungspolitik unter einer möglichst anders ausgerichteten Leitung zu untersuchen. Um zu begründeten Aussagen über die theoretischen Ansätze aus dem ersten Abschnitt zu gelangen und den Kontrast zu maximieren, soll die liberal-konservative Entwicklungspolitik unter Niebel 2009‑2013 mit der sozialdemokratisch-grünen Entwicklungspolitik unter Wieczorek-Zeul 1998‑2005 verglichen werden. Zur Erinnerung: kontrovers ist vor allem die eingangs formulierte Frage, ob beispielweise ein Regierungswechsel die jeweils aktuelle entwicklungspolitische Ausrichtung maßgeblich beeinflussen kann oder ob sich lediglich rhetorische Veränderungen ergeben, da Entwicklungspolitik an internationale Bestimmungsfaktoren geknüpft ist.

Natürlich kann hier nur selektiv auf die Entwicklungspolitik der rot-grünen Regierung eingegangen werden (ausführlicher: Betz 2001; Messner 2011; v.a. Ziai 2007), aber folgende Punkte können im Hinblick auf die drei untersuchten Motive und Bereiche festgehalten werden:

In Bezug auf die geopolitischen Motive der Entwicklungspolitik können wir zwischen 1998 und 2005, also bereits vor 09/11, die Annäherung des Politikfelds an sicherheitspolitische Strategien feststellen. Im Rahmen zivil-militärischer Kooperationen (CIMIC) wurden im Kosovo, in einigen Ländern Afrikas und dann auch in Afghanistan BMZ-Gelder für Militäreinsätze verwendet. Andererseits ist auch auf die Gründung der Deutschen Stiftung Friedensforschung (DSF) und besonders des Zivilen Friedensdienstes (ZFD) sowie auf den Einsatz des BMZ gegen Kleinwaffenhandel im Allgemeinen und Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien und in die Türkei im Besonderen hinzuweisen (Ziai 2007: 211‑216, 227‑231; allgemein: Baumann u.a. 2014). Es entsteht der Eindruck, dass vor dem Hintergrund der „Neuen Weltordnung“ und des „Kriegs gegen den Terror“ ab 2001 auch das rot-grün geführte BMZ sich dem internationalen Trend zur Versicherheitlichung nicht verschließen konnte, aber dennoch friedenspolitische Akzente zu setzen versuchte, die klar an einer entwicklungspolitischen Handlungslogik („Frieden durch Entwicklungspolitik“) orientiert waren. Hier ist ein deutlicher Unterschied zu der konservativ-liberalen Linie einer untergeordneten Einbindung der EZ in sicherheitspolitische Strategien feststellbar.

Bezüglich außenwirtschaftlicher Motive ist zu konstatieren, dass die „Entwicklungspartnerschaften mit der Privatwirtschaft“ bereits unter Wieczorek-Zeul als wichtiger Teil der EZ etabliert und sogar von ihr selbst als neues Paradigma bezeichnet wurden. 1999 wurde eine Public-Private-Partnership-Fazilität eingerichtet, die über 1000 kleine Projekte unterstützte und deren Abgrenzung von der Außenwirtschaftsförderung durch bestimmte Kriterien gesichert werden sollte. Eine vom BMZ in Auftrag gegebene Evaluation konnte jedoch keinen entwicklungspolitischen Nutzen nachweisen (Demtschück 2004). Auch im Bereich der Exportkreditversicherungen („Hermes-Bürgschaften“) konnten kaum „genuin entwicklungspolitische“ Elemente als Konsequenz der neuen Leitung festgestellt werden (Kanzleramt und Wirtschaftsministerium setzten sich über Einwände des BMZ hinweg). Bei den Verhandlungen der EU mit den AKP-Staaten (den ehemaligen Kolonien Afrikas, der Karibik und des Pazifik), für die das BMZ die Federführung bekam, folgte das Ministerium jedoch klar den liberalen Grundsätzen des Freihandels, die im Einklang mit außenwirtschaftlichen Motiven des damaligen „Exportweltmeisters“ BRD stehen. Hier versuchte die EU (mit dem BMZ als einflussreichem Akteur) nicht nur, Marktzugang für die eigenen Unternehmen, Banken und Versicherungen zu erreichen, sondern auch, durch Verhandlungen mit regionalen Gruppierungen die Position der Akteure aus dem Süden zu schwächen (Ziai 2007: 219‑227, 231‑235). In diesem Bereich ist angesichts einer globalen neoliberalen Hegemonie trotz einer gänzlich anderen parteipolitischen Ausrichtung kein grundlegender Unterschied zwischen rot-grünem und schwarz-gelbem BMZ zu erkennen, auch wenn Niebel die Förderung der deutschen Wirtschaft deutlich offensiver betrieben und auch rhetorisch in den Vordergrund gerückt hat.

Was die allgemeine entwicklungspolitische Ausrichtung betrifft, so formulierte Wieczorek-Zeul den Grundsatz, Entwicklungspolitik als globale Strukturpolitik zu betreiben. Dies impliziert einen multilateralen Fokus, dem Niebels Politik einer Renationalisierung der EZ diametral entgegengesetzt ist. Während die BMZ-Leitung 1998‑2005 aufgrund dieser Positionierung oftmals heftige Auseinandersetzungen mit anderen Ministerien hatte, beispielsweise wenn sie versuchte, entwicklungspolitische Motive in der Agrar‑ oder Außenhandelspolitik einzubringen, sind solche Konflikte im Zeitraum 2009‑2013 so gut wie nicht zu verzeichnen. Dies deutet auf einen Verzicht solcher Versuche seitens der schwarz-gelben Leitung hin. Gegensätzlich war auch das Verhalten der beiden Minister*innen gegenüber der klima‑ und entwicklungspolitisch höchst innovativen Yasuní-Initiative der ecuadorianischen Regierung. 2007 schlug Präsident Rafael Correa der internationalen Staatengemeinschaft einen Handel vor: Seine Regierung werde vor dem Hintergrund von Klimawandel und ökologischer Krise darauf verzichten, die Ölquellen im Biosphärenreseverat Yasuní im Amazonasregenwald auszubeuten, wenn zumindest die Hälfte der entgangenen Einnahmen kompensiert würde. Wieczorek-Zeul unterstützte die Initiative nachdrücklich und stellte jährlich 50 Mio. US$ in Aussicht, Niebel machte die Zusage trotz eines befürwortenden Parlamentsbeschlusses rückgängig – mit der Begründung: „Ich [!] zahle doch nicht, damit ein anderes Land etwas unterlässt“ (Dilger 2010; Blasberg & Blasberg 2011; Reuke 2012: 2).[6] In diesem Zitat wird deutlich, dass das entwicklungspolitische Motiv für Minister Niebel nur eine untergeordnete Rolle neben den finanziellen Interessen spielt und darüber hinaus eine grundsätzlichere Umorientierung in der Entwicklungspolitik, auch unter ökologischen Vorzeichen, ohne einen unmittelbaren ökonomischen Nutzen für die Bundesrepublik nicht angestrebt wird.

Fazit

Auf der Grundlage dieser Erörterung einiger Ähnlichkeiten und Unterschiede in der Entwicklungspolitik unter den parteipolitisch verschieden ausgerichteten Leitungen lassen sich nun folgende Schlussfolgerungen ziehen: In Abgrenzung zur anhand der konservativ-liberalen Wende der frühen 1980er von Simonis und Ludwig (1987) entwickelten These einer geringfügigen Bedeutung von Regierungswechseln können in der Amtszeit von Minister Niebel durchaus signifikante Änderungen in der Entwicklungspolitik der BRD und spezifisch in der Gewichtung der drei Motive (geopolitisch, außenwirtschaftlich, entwicklungspolitisch) festgestellt werden, die partei‑ bzw. personalpolitisch bedingt sind. Geopolitische und außenwirtschaftliche Motive haben in dieser Phase deutlich an Bedeutung gewonnen. Die in der These hervorgehobenen internationalen Bestimmungsfaktoren sind jedoch ebenfalls zweifelsohne einflussreich. Der Vergleich zwischen schwarz-gelb‑ und rot-grün-geführtem BMZ lässt den Schluss zu, dass der politische Handlungsspielraum der jeweiligen Leitungen sich je nach Politikbereich deutlich unterscheidet. Während in der Sicherheitspolitik der internationale Trend zu Versicherheitlichung und zivil-militärischer Kooperation sowohl von Wieczorek-Zeul als auch von Niebel mitgetragen wurde, geschah dies auf durchaus unterschiedliche Arten: begleitet von der Abfederung des Trends durch Unterstützung friedenspolitischer Initiativen und Rüstungsbeschränkungen auf der einen, von der Verteidigung von Rüstungsexporten und der Rekrutierung von NROen zur Unterstützung der Bundeswehrstrategien (Afghanistan-Fazilität) auf der anderen Seite. In der allgemeinen entwicklungspolitischen Akzentsetzung (multi‑ vs. bilateral), im Hinblick auf einzelne Initiativen wie Yasuní einerseits und Kaweri andererseits sowie in dem Ausmaß entwicklungspolitische Handlungslogiken auf andere Ministerien zu verallgemeinern, scheinen große Handlungsspielräume vorhanden zu sein. Allerdings muss einschränkend darauf hingewiesen werden, dass das rot-grüne BMZ in den Auseinandersetzungen zwischen den Ressorts meist den Kürzeren gezogen hat. Am kleinsten erscheinen die Handlungsspielräume im wirtschaftspolitischen Bereich: Auch wenn das BMZ unter Niebel hier deutlich offensiver die Förderung der deutschen Wirtschaft vorangetrieben hat, ist die Ausrichtung an Privatwirtschaftsförderung und Marktöffnung unter Wieczorek-Zeul im Grundsatz sehr ähnlich. Dies spricht für eine Bestätigung der These von Schimank (1983): Entwicklungspolitik kommt als gesonderte Form von Außenpolitik dem Primat nationaler Interessen zwar auf eine sehr eigentümliche Art und Weise nach (Stabilisierung des internationalen Systems durch Verbesserung von Lebensverhältnissen der Menschen in „weniger entwickelten“ Ländern), muss jedoch auch die Akkumulation des nationalen Kapitals sicherstellen. Inwiefern sich dies unter den Bedingungen anderer hegemonialer Konstellationen oder durch andere Konstruktionen des „nationalen Interesses“ ändern ließe, ist eine Frage, die hier noch offen gelassen werden muss.

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[1]       Bei der Lieferbindung sind die EZ-Gelder an die Auftragsvergabe an Unternehmen aus dem Geberland gebunden. Die Hallstein-Doktrin beschränkte die Entwicklungshilfe der BRD von Mitte der 1950er bis Anfang der 1970er Jahre auf Länder, die der DDR die diplomatische Anerkennung verweigerten.

[2]       Es verwundert kaum, dass allen sieben eine biodeutsche Identität zugeschrieben werden kann.

[3]       Dadurch werden zinsverbilligte Darlehen zunächst zu 100% auf die ODA-Quote angerechnet, die später anfallenden Tilgungsraten bei Rückzahlung werden wieder von der ODA abgezogen. Kritiker*innen sprechen von „phantasievoller Buchführung“, die die „tatsächliche Hilfsbereitschaft“ „verfälsche“ (terre des hommes & Welthungerhilfe 2013: 23).

[4]       Ein interessantes Detail in diesem Kontext ist, dass Niebel nach Ende seiner Amtszeit als Berater des Konzernvorstands im Rüstungsunternehmen Rheinmetall tätig ist (Boldt 2014).

[5]       Dies kann durchaus widersprüchlich gelesen werden. Wie aus dem vorherigen Absatz deutlich wird, führt die Unterstützung transnationaler Konzerne zu Interessenkonflikten mit lokalen, kleinbäuerlichen Strukturen. Gleichzeitig wurden Kleinbäuer*innen aber unter Niebel besonders in den Blickpunkt von Publikationen gerückt.

[6]       Da im Emissionshandel die Aufforstung von Wäldern monetär vergütet wird, ist der Gedanke einer Belohnung des Verzichts auf eine rentable Abholzung und Rohstoffausbeutung jedoch aus Sicht der Autor*innen keineswegs absurd.