Wer jagt wen ›um der Kinder willen‹?

Das Präventionsparadigma als Folie für gesellschaftliche Kämpfe um Sexualität

»Ich brauche Liebe – keinen Sex!« und »Lasst uns Kindern die Kindheit!« war auf selbstgebastelten Plakaten zu lesen, mit denen sommerlich bunt gekleidete und hübsch frisierte Kinder am 21. Juni 2014 in der Frankfurter Innenstadt unterwegs waren. Dass die Autor_innenschaft solcher Forderungen bei den Kindern selbst gelegen haben könnte, ist nicht allein deswegen unwahrscheinlich, weil die Trennung von (guter) Liebe und (offensichtlich gefährlichem) Sex ebenso wie das Beharren auf dem Schutzraum der Kindheit eher dem Vokabular bildungspolitischer oder Erziehungsdiskursen entstammt. Begleitet wurden die Kinder in der Tat von zahlreichen empörten Erwachsenen, die sich gegen den schulischen »Sexualisierungszwang« engagierten: »Finger weg von unseren Kindern!« forderte die sich selbst als »Besorgte Eltern« charakterisierende Initiative lauthals, wussten die Marschierenden doch ganz genau Bescheid: »Aufklärung mit 7 - das ist übertrieben!«; ja, schlimmer noch: »obligatorische Sexualerziehung öffnet Pädophilen die Tür!«. Ein Foto, welches die Frankfurter Demonstration auf der offiziellen Webpräsenz der Initiative repräsentiert, dokumentiert eine interessante Szene: Zwei blonde, eher unsicher dreinschauende Mädchen im Grundschulalter in Jeans und rosa Turnschuhen, die gelben Schilder vor der Brust bemalt mit Blumen, Schmetterlingen und Tieren sowie der Aufschrift »Ich will ein Kind sein«, halten sich an jeweils einer Seite einer Frau fest, die mit beiden Händen ein größeres mit »Lasst die Kinder Kinder sein!« beschriftetes Schild hoch hält und wie die sie umgebenden Erwachsenen laut skandiert. Voran gehen zwei etwas ältere Mädchen mit bedruckten Zetteln – »Finger weg von uns Kindern« – auf der Brust, die ein an zwei Holzstangen befestigtes großes Transparent tragen, das darüber Auskunft gibt, dass sie »Kein[en] Zwang – [und keine] Frühsexualisierung« dulden. Hinter ihnen laufen eine weitere erwachsene Demonstrantin und ein skandierender Jugendlicher neben einer Gruppe von Männern mit großen Schildern, deren Aufschriften drohende Sexualverbrechen – »Erst für Kinder dann mit Kindern???« – und Kinder(?)-Pornographie – ein durchgestrichener Playboyhasenkopf mit roten Kinder(?)-Hand-Abdrücken drum herum – insinuieren; und auf einem jener Plakate ist interessanterweise eine Präventionskritik formuliert: »Prävention = Deckmantel«.[1]

 

1. Prävention als Folie für Kämpfe um Sexualpädagogik

 

So schlicht und unkommentiert diese Formel auch bleibt, so ist doch leicht ersichtlich, worüber sich der Herr mit dem Plakat empört: Anprangern möchte er offensichtlich das sexualpädagogische Postulat, durch die sexuelle Aufklärung von Kindern und Jugendlichen gleichzeitig Prävention zu leisten. Tatsächlich gehört die Prävention unerwünschter Schwangerschaften, sexuell übertragbarer Krankheiten sowie die Prävention sexueller Gewalt[2] gegen Kinder zu den erklärten Zielen internationaler wie nationaler sexualpädagogisch arbeitender Träger wie der International Planned Parenthood Federation (IPPF) oder profamilia, wird Prävention als Bestandteil sexualpädagogischer Aufklärung von WHO und BZgA empfohlen[3] und füllt Kapitel einschlägiger Handbücher zur Sexualpädagogik. (Vgl. IPPF 2009, 2010: 4ff.; Sielert 2011: 1266ff.; Tuider et al. 2012: 6; Sielert et al. 2013) Wenngleich die in den 2000er Jahren entwickelte Argumentation der sexuellen und reproduktiven Rechte nicht mehr in erster Linie auf zu verhindernde Probleme der Zukunft, sondern auf die sexuelle Selbstbestimmung von Menschen jeden Alters abheben, bleibt die Prävention fester Bestandteil der Angebote der sexualpädagogischen und Sexualberatungskonzepte. So macht sich der Ansatz zum Ziel, das Individuum vorzubereiten und stark zu machen gegen Situationen, in denen diese Rechte verletzt werden könnten, in denen das Individuum vulnerabel und das heißt gefährdet sein wird.

Freilich ist die Prävention ungewollter Schwangerschaften, sexuell übertragbarer Krankheiten und ganz besonders die Prävention sexueller Gewalt gegen Kinder an sich nicht das Problem, welches der demonstrierende ›besorgte Vater‹ anprangert. Schließlich ist das Hauptanliegen der ›besorgten Eltern‹ ein grundständig präventives, sollen doch die Kinder von unangemessenen sexuellen Inhalten ferngehalten werden, um ungefährdet den offensichtlich asexuellen Raum der Kindheit genießen zu können, um ›Kinder sein‹ zu können: »Kinder sind rein / so soll es sein / wir sagen nein / zur Frühsexualisierung«.[4] Unterstellt wird hier vielmehr, dass Sexualpädagog_innen unter dem Deckmantel der Prävention sexuelle Übergriffe auf Kinder protegierten wenn nicht gar begingen. Während und weil die Sexualpädagog_innen also keine richtige Prävention leisten würden, fordern die ›besorgten Eltern‹ vehement präventive Schutzmaßnahmen für ›unsere Kinder‹ ein.

Ich möchte an dieser Stelle keineswegs sexualemanzipatorische Positionen der Sexualpädagogik mit denen der ›besorgten Eltern‹ inhaltlich gleichsetzen; an dem Punkt wird jedoch deutlich, wie sehr sich die Präventionsidee formal eignet, um jedes eigene Projekt – und wie an diesem Fall deutlich wird, sogar einander diametral entgegengesetzte Projekte – als ›Prävention‹ zu deklarieren. Reduziert auf eine vorbeugende Haltung entfalten präventive Maßnahmen ihre per se selbstlegitimierende Kraft: insofern sie stets von der Prognose leben, (vgl. Bröckling 2008: 42f.) sind sie lediglich darauf angewiesen, das Risiko des noch nicht eingetretenen Schlechten – etwa sexuelle Gewalt gegen Kinder – kausal mit einer Handlungsanweisung im Jetzt zu verknüpfen: hier entweder mit Sexualaufklärung, wie von der neo-emanzipatorischen Sexualpädagogik systematisch ausgearbeitet (vgl. Sielert 2004; Tuider et al. 2012), oder dem ressentimentgeladenen Anliegen ›besorgter Eltern‹ nach mit der Wahrung des Elternrechts auf Erziehung und Sexualaufklärung, welche auf die Etablierung eines asexuellen Schonraums für Kinder und Jugendliche hinauslaufen soll. Die diskursive Figur der Forderung präventiver Maßnahmen ermöglicht derart, unterschiedlichste Anliegen in einem Gestus der Unausweichbarkeit darzustellen: »Der starke Überzeugungswille, die Dringlichkeit der Aufforderung, die verallgemeinernde Dramatisierung und die Wiederholung, mit der die Mittel eingefordert werden, beinhaltet ein Präventions-Versprechen, das mit Erfahrungen, mit Lehren aus der Vergangenheit legitimiert wird.« (Kappeler 2012: 33) Das Präventionsparadigma erweist sich somit einmal mehr als eine gewaltige Diskursmaschinerie, anhand derer sich Kämpfe um soziale und gesellschaftliche Fragen ausfechten lassen, während gerade dieser soziale Inhalt der Konflikte auf die technische Frage der Machbarkeit reduziert wird (Vgl. Cremer-Schäfer 1997; Pütter 2007).

 

2. Anstrengungen zur Prävention der erwachsenen Irritation über kindliche Sexualität

 

Die Erkenntnis der Funktion des Präventionsversprechens im Diskurs über Sexualpädagogik ist zunächst sehr allgemein; der Inhalt des verhandelten Konfliktgehalts bleibt recht unbestimmt. Mindestens oberflächlich bleibt, worum in der Debatte eigentlich genau gestritten wird, welche sozialen Dynamiken kaschiert werden mit dem Hinweis auf die falsche oder die richtige Prävention. Dementsprechend bleibt auf dieser Ebene auch normativ unentscheidbar, welche der Positionen aus einer Perspektive zustimmungsfähiger wäre, die den Anspruch erhebt, systematisch auf die Problematik der Präventionslogik zu reflektieren. Diesbezügliche Differenzierungen von Heinz Steinert und Helga Cremer-Schäfer aufgreifend lassen sich präventive Maßnahmen, die an den Personen ansetzen und damit das Problem individualisieren, unterscheiden von solchen, die auf die (Neu-)Konstellierung von Situationen zielen (vgl. Steinert 1995: 13) und Ressourcen unabhängig personengebundener, identifizierbarer und dokumentierter Defizite für Gestaltungen dieser Situationen zur Verfügung stellen (Vgl. Cremer-Schäfer 1997).

Darauf rekurrierend kann für die Präventionsidee neo-emanzipatorischer Sexualpädagogik festgestellt werden, dass sie sich tatsächlich stark an der Bereitstellung von Ressourcen ohne Eingangsschwelle und zudem – im Gegensatz zu den Unterstellungen ihrer Gegner_innen – am Prinzip der Freiwilligkeit orientiert: kein Kind muss an profamilia-Workshops zur Sexualaufklärung in der Schule oder woanders teilnehmen. Ebenso erklären die Herausgeber_innen der in Verruch geratenen Sexualpädagogik der Vielfalt (2012), dass diese Materialsammlung auf der Grundlage langjähriger Berufserfahrungen von Sexualpädagog_innen basiert, die für den Band – eben gerade nicht: obligatorisch zu begreifende – pädagogische Angebote sammelten, die sich aus konkreten Fragen von Kindern und Jugendlichen ergeben haben. (Vgl. Tuider et al 2012: 7; 234) Der Angriff ›besorgter Eltern‹ sowie des konservativen bis linksliberalen Feuilletons hingegen läuft auf Verbote hinaus, welche dem beschworenen sexualpädagogischen Übergriff Einhalt gebieten sollen. Christian Webers Verunglimpfung der Sexualpädagogik der Vielfalt in dem für die Debatte initialen Kommentar in der Süddeutschen Zeitung als »fahrlässige Pseudo-Aufklärung« (Weber 2014) klingt im Hinblick auf die darauf folgende Debatte noch geradezu freundlich. Das hämische Zitieren, ohne auch nur einen einzigen Blick in die Einleitung des Bandes zu werfen und sich zu bemühen, die pädagogische Intention der Materialsammlung nachzuvollziehen, hatte hier in erster Linie eine Funktion: die um komplizierte Konstellationen – von kindlicher Neugier über gesellschaftliche Normierungen des Sexuellen bis zu den Schwierigkeiten des Sprechens mit Kindern und Jugendlichen über ihr sexuelles Halbwissen – wissende Sexualpädagogik in direkter Nähe zur sexuellen Gewalt gegen Kinder zu platzieren.

Gerade weil die Irrationalität des selektiven Lesens und der Ignoranz des wahrlich nicht gerade ausschweifenden Vorworts des Bandes auch vonseiten der doch eigentlich mindestens zu eingehender Recherche verpflichteten Journalist_innen überrascht, lohnt sich der Blick auf das, was als Inhalt ausgeblendet und im Konflikt über die Gefährlichkeit des Textes übergangen wird. Geht man dem Postulat der drohenden Gefahr durch sexualpädagogische Aufklärung nach, besteht diese in der gewaltförmigen sexuellen Bedrängnis von Kindern mit unangemessenen Informationen und verstörenden Bildern. Sexuelle Interessen-Aktivitäten von Kindern scheinen außerhalb des Akzeptablen zu liegen. Ganz besonders scheint die Thematisierung sexueller Inhalte zwischen Kindern und erwachsenen Pädagog_innen nur als Übergriff vorstellbar zu sein. Diese Konstellation ist durch zwei miteinander zusammenhängende gesellschaftliche Dynamiken bedingt: einerseits wird auf sexuell explizite Aktivitäten vorpubertärer Kinder tendenziell mit Bestürzung und Missbrauchs-Verdacht reagiert, (vgl. Eich 2005: 169ff.) Katharina Rutschky hatte hierzu bereits in den 1990er Jahren die Formel vom ›Missbrauch mit dem Missbrauch‹ geprägt. Gleichzeitig findet andererseits eine starke Erotisierung der Kindheit statt, wie sie sich am Trend zum geschlechtsspezifisch zurechtgestutztem Spielzeug und an der Fetischisierung des vorpubertären Körpers ablesen lässt, der sich in der Kindermode niedergeschlagen hat und noch im Erscheinungsbild erfolgreicher, knabenhafter (erwachsener) Models und spiegelbildlich in der Panik vor faltiger Haut wiederzufinden ist. Schließlich wird diese unausgegorene Spannung seit nunmehr fünfeinhalb Jahren von dem gesellschaftlich unzweifelhaft notwendigen Diskurs über sexuelle Gewalt in pädagogischen Institutionen überschattet, an deren Aufklärung in unterschiedlichen Kommissionen und Institutionen gearbeitet wird.

In dieser Konstellation gerät offensichtlich einiges durcheinander, was sich im Rückgriff auf eine psychoanalytische Perspektive genauer verstehen lässt. Lustvolle Selbstbetätigung von Kindern, die unterschiedliche Dimensionen ihres Körpers erfahren und lustbringende Situationen durch wiederholte Manipulierungen herstellen, wird ebenso wie die zärtlichen und sexuellen[5] Bedürfnisse, mit denen Kinder selbstverständlich auch an erwachsene Bezugspersonen herantreten, oft als eine vage Bedrohung wahrgenommen. Erwachsene vermögen die Vorstellung von dem als unschuldig idealisierten Kind in der Regel nicht mit Sexualität in Verbindung zu bringen, was Freud über die Zweizeitigkeit und das Tabu über der Sexualität erklärt, und was Holger Eich zufolge nicht zuletzt damit zusammenhängt, dass der »Gesamtkomplex Sexualität« (ebd.: 170), den Erwachsene sich im Laufe ihres Lebens angeeignet haben, nicht in jedem Lebensalter als solcher anzunehmen ist. Von Erwachsenen als ›sexuell‹ dem Gesamtkomplex Sexualität untergeordnete einzelne Fragmente dieses Bedeutungs-Komplexes sind bei Vorschulkindern allenfalls assoziativ, nicht aber kausal miteinander verknüpft. Aus der Erwachsenenperspektive erscheint die Verknüpfung von Kind und Sexualität aber mitunter so entsetzlich, dass das tabuisierte sexuelle Erleben der Kinder eher noch als Krankheit oder als Gewalterfahrung problematisiert und dem Kind somit eher eine schwere Krankheit oder eine Opferrolle als eine Sexualität zugestanden wird. Zentral zum Verständnis des Problemkomplexes ist demnach die Anerkennung der Differenz kindlicher sexueller Erlebnisqualität – nämlich tatsächlich ungerichteter bzw. polymorph-perverser – von der postpubertären, in hohem Maße (zu)gerichteten Sexualität. Angesichts dieser Differenz des Erlebens irritiert Erwachsene die infantile Sexualität der Kinder und damit nicht zuletzt die Resonanz, die diese »Kindlichkeit der Sexualität« (Safouran 1997: 154) in ihnen hinterlässt. Als irritierend erweist sich somit die Konfrontation mit Sexuellem in der tatsächlich menschlich ubiquitären Konstellation, deren Asymmetrie Jean Laplanche (1988) als »anthropologische Grundsituation« beschreibt: dass neu geborene Menschen unbedingt auf Hilfe angewiesen sind, und dass es immer wesentlich ältere Menschen sind, die sich mindestens so weit um ihre Bedürfnisse kümmern, dass sie diese Phase der fundamentalen Angewiesenheit auf andere überleben.

Mit Blick auf den Konflikt über die Gefährlichkeit der Sexualpädagogik lässt sich nun erkennen, dass es diese Irritation über kindliche Sexualität und (früh)pubertäre Neugier ist, die sich auch in der Empörung der ›besorgten Eltern‹ affektiv so gut mobilisieren lässt. Dass sich Kinder von alleine für sexuelle Themen interessieren könnten, die ihr Leben schließlich von Anfang an durchziehen, wird als absurd verworfen – da kann auch die noch so verständlich formulierte Erläuterung in der Sexualpädagogik der Vielfalt nicht helfen, dass die Methoden auf der Grundlage von Kinderfragen entwickelt wurden, und dass die Aufklärung immer solchen konkreten Fragen folgen soll, anstatt sie irgendwelchen Kinder curricular unter die Nase zu reiben. Auf dieser Basis kann die Irritation über die kindliche Sexualität erfolgreich auf ein anderes Konfliktfeld übertragen werden. Die zunächst lediglich naiv klingende Forderung von »Liebe statt Sex« hilft über den Export der Irritation schablonenhaft das im Grunde LGBT*feindliche Anliegen artikulieren, die lieben Kinderlein bloß nicht mit dieser ›perversen Sexualpraxis‹ zu konfrontieren.

Die Präventionsforderung als Artikulationsraum jenes Unbehagens bietet sich an dieser Stelle aus mehreren Gründen an: Weil alles zu ihrem Gegenstand werden kann, (vgl. Lüders 2011: 4) und weil sie eine Sicherheit verspricht und zur Kontingenzbewältigung beiträgt, die angesichts der irritierenden Verunsicherung eine hohe Attraktivität besitzt. (Vgl. Bröckling 2008: 39) Zudem bietet sie die Perspektive der Machbarkeit: Präventionsmaßnamen gegen das Unangenehme sind auch deswegen attraktiv, weil sie versprechen, dass dann ›etwas dagegen getan‹ werden kann. Die Verbreitung einer regelrechten Präventionshysterie im Bezug auf das Thema kindliche Sexualität und sexuelle Gewalt ist seit einigen Jahren beispielsweise in Kindertagesstätten zu beobachten, in denen besonders das männliche Personal unter Generalverdacht steht und dementsprechend verunsichert ein irrwitziges Präventionsprogramm installiert wird: So wird längst nicht mehr nur diskutiert, ob männliche Erzieher vielleicht lieber gar nicht mehr mit den Kleinkindern aufs Klo gehen und noch kleinere wickeln sollten. Das Modell der permanent geöffneten Tür zur Verhinderung eventuell unangemessener Intimität bei der Toilette ist zudem nicht die letzte Idee zur präventiven Transparenz – längst hat auch das dänische Modell der Wickelkommode hinter Glas (vgl. Gamillscheg 2013) Einzug in einige deutsche Kindertagesstätten gefunden. Die Geschlechterrollen, welche Kleinkindern auf diesem Wege vermittelt werden, führen jedenfalls nicht dazu, dass Kinder einen unproblematischen körperlichen Umgang mit Männern kennenlernen, den sie dann gegebenenfalls tatsächlich von einem unangenehmen und unangemessenen unterscheiden könnten: tendenziell bedeutet der Kontakt mit Männerkörpern so nach wie vor ein gefahrenreiches Unterfangen. In dieser Weise lesen sich auch die allerdings geschlechtsneutralen Empfehlungen des Stuttgarter Jugendamts, die Kindergärtner_innen hinsichtlich der »Besonderheiten im Umgang mit Berührungen« empfehlen, dass

  • »Berührungen des Kindes […] nur mit seinem Einverständnis erfolgen [sollten]. Kleinste Anzeichen von Widerstand gegen Berührungen müssen sofort respektiert werden.
  • Es soll darauf geachtet werden, dass Brust, Gesäß und Intimbereich des Kindes nicht – auch nicht versehentlich – berührt werden.
  • Eine Ausnahmesituation stellt das Wickeln von Kindern dar. Hier haben die verbalen und nonverbalen Signale der Kinder größte Bedeutsamkeit. Ihnen ist mit einer erhöhten Aufmerksamkeit zu begegnen.« (Landeshauptstadt Stuttgart, Jugendamt 2013: 17)

 

Stellt man sich Erzieher_innen vor, die im Umgang mit Kleinkindern versuchen, sie beim Herauf- und Herunterheben, beim An- und Ausziehen, im Spiel und im Morgenkreis auf dem Schoß bloß nicht an Brust, Gesäß oder Intimbereich zu berühren, ergibt sich ein durch Berührungsängste dominiertes Bild. In dieser Szenerie, welche besonders drastisch pointiert wird durch die Vorstellung einer immer offenen Toilettentür aus Angst vor Übergriffen und einem Wickeltisch, der vorsichtshalber hinter Glas jederzeit für alle einsichtig ist, wird der Umschlag der vernünftigen und nachvollziehbaren Sorge um das grundsätzliche Wohlergehen der Kinder in ein durch instrumentelle Vernunft dominiertes Kontroll-Szenario unübersehbar. »Prevention also is an effort to dominante the future by planning it –with the consequence that an uncertain future and the hopes and fears we have for it dominante the present.« (Steinert 1995: 11)

 

3. Jagd auf die Bestie

 

Auch diese Präventionsanstrengungen sind jedoch schlussendlich angewiesen auf die jede Form von Prävention immer einschließende Exklusion des absolut Verwerflichen; zum Ausdruck kommt dieses hier im hochprojektiv aufgeladenen Bild der Bestie ›Kinderschänder‹. (Vgl. Becker 1997; Witte 2014: 14) Um diese Dynamik zu konkretisieren, möchte ich auf eine Analyse Volkmar Siguschs Bezug nehmen, der in seiner Rekonstruktion der Geschichte der Perversionen zu dem Ergebnis kommt, dass die gnadenlose Hatz auf die ›Kinderschänder‹ eine affektive Grundierung in abgewehrten, da unangenehmen eigenen Gefühlen findet.

So wurden paradoxerweise im Zuge der »neosexuellen Revolution« (Sigusch 2005: 7) – dem unspektakulär verlaufenden, kulturell jedoch tiefgreifenden Wandel der Sexual-, Intim- und Geschlechtsformen seit den späten 1970er Jahren – sexuelle und geschlechtliche Freiräume umso größer, je brutaler ökonomische Sicherheiten und soziale Gerechtigkeit beseitigt wurden. (Vgl. ebd.) Vormals verpönte und verfolgte sexuelle Identitäten, Orientierungen und Praktiken wie etwa BDSM oder Objektophilien fanden so Nischen, in denen sie verhältnismäßig ungestört konsumiert und praktiziert werden können, wodurch sie auch ihrer Verfolgungswürdigkeit und Therapiebedürftigkeit enthoben wurden. Dies jedoch gilt in keiner Weise für die Pädosexualität,[6] die Sigusch als »eines der letzten sexuellen Tabus« erkennt: »Der letzte Grund, warum wir Pädophilie als bedrohlich wahrnehmen, sind unsere Vorstellungen von Kindheit als dem letzten Refugium von Vertrauen, Sicherheit und unschuldiger Liebe.« (Sigusch 2012: 213) Vor dem Hintergrund, dass sexuelle Perversionen historisch immer dann besonders unnachgiebig verfolgt wurden, wenn sie kurz davor waren, als eine Form sexueller Präferenz oder Identität akzeptiert zu werden, bestimmt Sigusch die Pädosexualität die letzte ›wirkliche‹ Perversion. (Vgl. Sigusch 2005: 143) Dies wiederum deutet darauf hin, dass die erotische Anziehung von Kinderkörpern viele Menschen zur Zeit auf einer latenten Ebene beschäftigt. Durchaus lässt sich angesichts der bereits besprochenen Phänomene, in denen eine starke Fetischisierung des vorpubertären Kinderkörpers anklingt, konstatieren, dass der erotische Reiz des Vorpubertären gesellschaftlich omnipräsent ist. Dass dieser Reiz jedoch aufgrund des gleichzeitig wirksamen Tabus und der Irritation über die kindliche Sexualität nicht sozial artikulationsfähig ist, bildet hier die Basis für eine mächtige Projektion. In der Jagd auf die an Schlechtigkeit alles konzentrierende Figur des Bösen, des ›Kinderschänders‹, können so eigene sexuelle Impulse aggressiv gelebt und genossen werden, während sie gleichzeitig dadurch unsichtbar werden, dass sie von den Verfolger_innen selbst abgelenkt, mit diesen scheinbar nichts zu tun haben. Aus der Perspektive experimenteller Sexualforschung ist die kaschierende Stellvertreter-Funktion hier unübersehbar: »Der perennierende Hass auf die Pädophilen ist bei Männern verdächtig, weil experimentell nachgewiesen worden ist, dass normale Männer auf kleine nackte Mädchen mit einer messbaren körperlichen sexuellen Erregung reagieren, die ihnen gar nicht bewusst zu werden braucht.« (Vgl. ebd.: 193)

Hier ist zu betonen: Dies bedeutet gerade nicht, dass alle Männer ›potenzielle Vergewaltiger (von kleinen Mädchen)‹ sind, sondern vielmehr, dass die erwachsene Sexualität »nicht abgeschaltet ist in der Beziehung zum Baby« (Becker 2011: 9) bzw. zum Kind und in einer wie Sophinette Becker hervorhebt »nicht-pathologischen« (ebd.) Weise anklingt in der Resonanz auf die sich konstituierende infantile Sexualität. Entscheidend ist die Anerkennung der Differenz zwischen der kindlichen und der erwachsenen Sexualität auf Seiten der Erwachsenen, die dann impliziert, als Erwachsene_r nicht sexuell zu agieren. Für zentral halte ich daher die Erkenntnis, dass die strukturell immer wieder entstehende erwachsene Irritation über die kindliche Sexualität nicht zu vermeiden ist – es gibt keine Prävention, die hier Abhilfe leisten könnte, da das erwachsene sexuelle Erleben im Verlaufe der jeweiligen Biographie bereits in einer Weise strukturiert ist, welche ganz anders funktioniert und organisiert ist als die kindliche Lust. Ein unaufgeregter Umgang und die Anerkennung dieser Differenz würde allerdings ermöglichen, auf sexuelle Aktivitäten und Wünsche von Kindern nicht sofort mit Panik zu reagieren und sie entweder zu übersehen oder die Kinder mit dem Verdacht zu bedrängen, sie seien sexuell überwältigt worden. Ein unaufgeregter Umgang und die Anerkennung dieser Differenz würde weiterhin implizieren, dass von erwachsener Seite kein Bestrafungsimpuls ausagiert werden muss – weder gegen das Kind selbst in Form von Bestrafungen und rigiden Verboten, noch gegen die vermeintlich immer draußen auf das unschuldige Kind lauernde Bestie. Diese Dynamik ist hier an sich als projektiv zu erkennen – unabhängig davon, ob es sich um Menschen handelt, denen pädosexuelle Kontakte, der Besitz von pornographischen Kinderbildern oder sexuelle Gewalt gegen Kinder unterstellt oder nachgewiesen werden konnte. Die Jagd ist affektiv so attraktiv, weil sie durch die Projektion eigener unangenehmer Gefühle auf die gejagte Bestie eine leidenschaftliche Opferidentifikation mit der imaginierten ›kindlichen Unschuld‹ ermöglicht. (Vgl. Witte 2014: 14) Nichts anderes als das so geschaffene Klima der permanent notwendigen Verteidigung ›unserer‹ gefährdeten Kinder gegen die Bestien kann die affektive Grundlage sein für Fälle wie den von dem 50jährigen Vater, der im Juli 2015 beim Spaziergang mit seiner 10jährigen Tochter in einem Park in Freising von jungen Männern angegriffen wurde, die ihn als Pädophilen beschimpften und schlugen.[7]

 

Auch auf diesem Gebiet triumphieren Präventionsprogramme, die sich zumeist an die potenziellen Opfer, an die Kinder selbst richten, welche ›stark gemacht‹ werden und ›lernen‹ sollen, ›nein zu sagen‹ und sich gegenüber potenziellen Angreifer_innen zur Wehr zu setzen. Gleichzeitig richten sich viele Programme an Eltern und Pädagog_innen, um ihnen zu helfen eventuelle Angriffe auf ihre Schutzbefohlenen verhindern zu können.[8] Nicht zuletzt angesichts der Problematik, dass solche Zuschnitte die Verantwortung für die Verhinderung sexueller Übergriffe bei den Gefährdeten selbst und bei ihren Vormündern anlegen, wendet sich das an der Berliner Charité entwickelte Präventionsprojekt Dunkelfeld explizit an potenzielle und an Dunkelfeldtäter_innen. (Vgl. Beier et al. 2014) Das seit 2010 zum überregionalen Präventionsprojekt Kein Täter werden erweiterte Programm ist angelegt auf die anonyme und vertrauliche, (psycho)pharmakologische, sexualmedizinische sowie verhaltenstherapeutische Behandlung potenzieller sowie von Täter_innen im Dunkelfeld. Zwar gab es auch vorher durchaus langjährig bewährte sexualmedizinische und therapeutische Behandlungsschwerpunkte in der Arbeit mit Pädosexuellen etwa an den Instituten für Sexualforschung an den Unikliniken Frankfurt und Hamburg; deren Verschweigen unterstützt allerdings das für ein erfolgreiches Präventionsprogramm notwendige Postulat, ein zuvor gänzlich ignoriertes Problem in Angriff zu nehmen. Trotzdem es in diesem Programm erklärtermaßen darum geht, die Programmteilnehmer_innen nicht zu stigmatisieren, weist auch dieses Programm typische Merkmale einer individualisierenden Präventionsmaßnahme auf. Wenngleich die Eingangsschwelle niedrig und durch die ärztliche Schweigepflicht geschützt ist – insofern werden ja zunächst einmal Ressourcen zur Verfügung gestellt, ohne an Strafverfolgung gekoppelt zu sein –, erfolgt doch eine im Vergleich zu den bislang bestehenden genannten Behandlungstraditionen rasche und endgültige Zuordnung zum Störungsbild Pädo- oder Hebephilie (Störungen der Sexualpräferenz) bzw. zur diesbezüglichen Dissexualität (Störung des sexuellen Verhaltens): Nach einem ausführlichen, semi-strukturierten klinischen Interview, sowie einer Einschätzung anhand von Fragebögen nach den psychiatrischen Klassifikationssystemen ICD-10 und DSM-5 (vgl. Grundmann et al. 2015) werden die derart Klassifizierten programmgemäß unmittelbar mit der Aussicht beglückt, ihre Sexualität niemals befriedigend leben zu können. Da hier eher wenig Raum gelassen wird für eine längere und offenere Anamnese und für eine psychodynamische Analyse des Leidens[9] und seiner Genese, welche möglicherweise auch Aufschluss darüber geben könnte, ob die Präferenz einen anderen Konflikt verstellt, lassen sich stark vereinfachende Tendenzen in der Behandlung auf Kosten der Behandelten ausmachen. Im Editorial eines Sonderhefts der Zeitschrift Sexuologie zum 10jährigen Bestehen des Programms klingt denn auch leises Unbehagen an: »Kritiker werden am Horizont eine Präventionsgesellschaft aufziehen sehen, doch die Alternative ist ein Warten auf die Feuerwehr.« (Alisch 2015: 115) Angesichts der Konstruktion genau dieser beiden Alternativen bleibt an die Steinerts (1995) und Cremer-Schäfers (1997) Differenzierungen hinsichtlich präventiver Maßnahmen zu erinnern, die personalisieren und individualisieren und solchen, die auf die (Neu)Konstellierung von Situationen zielen und dazu Ressourcen zur Verfügung stellen. Dass gesellschaftlich dafür Sorge getragen werden muss, sexuelle Gewalt gegen Kinder zu verhindern, ist ohne Zweifel so notwendig wie vernünftig in der Orientierung an der Maxime, ein besseres Leben und weniger Leiden für alle zu fordern und zu ermöglichen. Die Alternative ›Präventionsgesellschaft oder Warten auf die Feuerwehr‹ eröffnet unpräzisiert jedoch vielfache Simplifizierungen, die ohne weiteres in individualisierende Präventionsprogramme, weit schlimmer aber noch in die projektiv aufgeladene Hatz auf die auserkorenen Bestien münden kann.

 

Literatur

 

Alisch, Rainer 2015: »Warten bis es brennt«. In: Sexuologie 22(1–2), S. 115

Becker, Sophinette 1997: Pädophilie zwischen Dämonisierung und Verharmlosung. In: Werkblatt - Zeitschrift für Psychoanalyse und Gesellschaftskritik 38(1) S. 5–21

Becker, Sophinette 2011: Sexueller Missbrauch und Sexualität. In: Deutscher Arbeitskreis für Jugend- Ehe- und Familienberatung (Hg.): Psychosoziale Beratung von Erwachsenen und Paaren im Kontext sexueller Grenzverletzungen und sexualisierter Gewalt. Dokumentation des Fachgesprächs, 5. Oktober 2011 in Frankfurt am Main, S. 5–13

Beier Klaus M./ Grundmann, Dorit /Kuhle, Laura F. /Scherner, Gerold /Konrad, Anna, & Amelung, Till 2014: The German Dunkelfeld Project: A Pilot Study to Prevent Child Sexual Abuse and the Use of Child Abusive Images. The Journal of Sexual Medicine 12(2), 529-542

Bröckling, Ulrich 2008: Vorbeugen ist besser … Zur Soziologie der Prävention. In: Behemoth. A Journal on Civilisation, 1, S. 38-48

Cremer-Schäfer, Helga 1997: Konfliktregelung und Prävention. Welche »Prävention«? In: Hassemer, Elke/ Marks, Erich/ Meyer, Klaus (Hg.): Zehn Jahre Täter-Opfer-Ausgleich und Konfliktschlichtung Bonn

Eich, Holger 2005: Es geht kein Weg zurück. Wie der Diskurs über sexuellen Missbrauch zur Verdrängung der kindlichen Sexualität beiträgt. In: Burian-Langegger, Barbara (Hg.), Doktorspiele. Die Sexualität des Kindes. Wien, S. 167-192

Gamillscheg, Hannes 2013: Keine Umarmung, kein Schmusen. In: Frankfurter Rundschau vom 8. Januar 2013, online: http://www.fr-online.de/politik/angst-vor-paedophilie-keine-umarmung--kein-schmusen,1472596,21404752.html

Grundmann, Dorit/ Konrad, Anna/ Scherner, Gerold 2015: Diagnostik im Präventionsprojekt Dunkelfeld. In: Sexuologie 22(3–4), S. 155–164

IPPF 2010: IPPF Framework for Comprehensive Sexuality Education (CSE). Online: http://www.ippf.org/system/files/ippf_framework_for_comprehensive_sexuality_education.pdf

IPPF 2009, Sexuelle Rechte – eine IPPF-Erklärung. Online: http://www.profamilia.de/fileadmin/publikationen/profamilia/IPPF_Deklaration_Sexuelle_Rechte-dt2.pdf

Kappeler, Manfred 2012: Im Namen der Zukunft. Prävention als tyrannisches Zeitregiment der Gegenwart. In: Boers, Klaus (Hg.): Kriminologische Perspektiven. Wissenschaftliches Symposium zum 70. Geburtstag von Klaus Sessar. Münster, S. 33–50

König, Julia 2015: Szenen sexueller Verletzlichkeit als intergenerationelles Problem. In: Andresen, Sabine / Koch, Claus / König, Julia (Hg): Vulnerable Kinder. Interdisziplinäre Annäherungen. Wiesbaden, S. 191–207

Landeshauptstadt Stuttgart, Jugendamt 2013: Fachkräfte in der besonderen Verantwortung. Verbindlicher Leitfaden zur Prävention von und Umgang mit sexualisierter Gewalt und Grenzverletzungen durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Jugendamtes. Stuttgart

Lorenzer, Alfred 1984: Intimität und Soziales Leid. Archäologie der Psychoanalyse. Frankfurt/M.

Pohl, Rolf 2004: Feindbild Frau. Männliche Sexualität, Gewalt und die Abwehr des Weiblichen. Hannover

Pütter, Norbert 2007: Prävention – Spielarten und Abgründe einer populären Überzeugung. In: Cilip; online: http//cilip.de/2007/02/09/praevention-spielarbeiten-und-abgruende-einer

Safouan, Moustafa 1997: Die Übertragung und das Begehren des Analytikers. Würzburg

Sielert, Uwe 2004: Sexualpädagogik weiter denken. Postmoderne Entgrenzungen und pädagogische Orientierungsversuche. Weinheim

Sielert, Uwe 2011: Sexualpädagogik. In: Otto, Hans-Uwe / Thiersch, Hans (Hg.): Handbuch Soziale Arbeit. 4, völlig neu bearbeitete Auflage. München, Basel, S. 1263-1271

Sielert, Uwe 2013: Handbuch Sexualpädagogik und Sexuelle Bildung. Weinheim

Sigusch, Volkmar 2005: Neosexuelle Revolution. Frankfurt/M.

Sigusch Volkmar 2012: Sexualwissenschaftliche Thesen zur Missbrauchsdebatte. In: Brumlik, Micha/ Quindeau, Ilka (Hg.): Kindliche Sexualität. Weinheim, S. 209–221

Steinert, Heinz 1995: The Idea of Prevention and the Critique of Instrumental Reason. In: Albrecht, Günter/ Ludwig-Mayerhofer, Wolfgang (Hg.): Diversion and Informal Social Control. Berlin, S. 5–16

Tuider, Elisabeth/ Müller, Mario/ Timermanns, Stefan 2012: Sexualpädagogik der Vielfalt. Praxismethoden zu Identitäten, Beziehungen, Körper und Prävention für Schule und Jugendarbeit. Weinheim

Weber, Christian 2014: Was sie noch nie über Sex wissen wollten. Süddeutsche Zeitung, Donnerstag, den 24.04.2014, S. 9

WHO-Regionalbüro für Europa und Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung 2011: Standards für die Sexualaufklärung in Europa. Köln; online: http://www.bzga-whocc.de/pdf.php?id=000254efcd83a4158f57c86c386c4fad

Witte, Sonja 2014: Vom Wandel der Unschuld. Sexualität und Postnazismus. In: Extrablatt 9, S. 8–15

 



[2] Ich verwende grundsätzlich den Begriff der ›sexuellen Gewalt‹ im Unterschied zu der verbreiteten Rede von der ›sexualisierten Gewalt‹, welche insinuiert, die Gewalt bediene sich lediglich der Sexualität als einem Medium, das prinzipiell austauschbar wäre. Zur Kritik des Mythos vom nicht-sexuellen Charakter sexueller Gewalt vgl. Pohl 2004: 508ff.

[3] So heißt es in den Standards für Sexualaufklärung in Europa (2011): »Die Sexualaufklärung ist Teil der allgemeinen Erziehung und beeinflusst somit die Entwicklung der kindlichen Persönlichkeit. Aufgrund ihres präventiven Charakters ermöglicht sie, negative Folgen von Sexualität zu vermeiden; zugleich trägt sie zu einer Verbesserung der Lebensqualität, der Gesundheit und des allgemeinen Wohlbefindens bei.« (WHO und BZgA 2011: 7)

[4] So zu lesen auf einem weiteren Transparent beim Frankfurter Aufmarsch.

[5] ›Sexuell‹ verwende ich im Sinne der Freudschen Konzeption, in der ›Sexualität‹ erstens ein theoretischer Begriff ist und zweitens immer ›Psychosexualität‹ als psychophysische Einheit meint; in einer glücklichen Formulierung bestimmt Alfred Lorenzer Sexualität als »lebensbestimmende, verhaltenswirksame Sinnstruktur« (Lorenzer 1984: 195). Zur komplizierten sexuellen Dimension intergenerationeller Beziehungen vgl. König 2015.

[6] Zur Begrifflichkeit vgl. Dannecker 1996, S. 266 ff. Der sexualwissenschaftliche Begriff der Pädosexualität bezeichnet Menschen, deren sexuelle Präferenz ausschließlich auf vorpubertierenden Kindern liegt. Nicht gemeint ist damit die verhältnismäßig weit größere Gruppe aus anderen Gründen gegenüber Kindern sexuell Gewalttätiger (etwa weil Kinder im Familienumkreis erreichbar oder leicht zu überwältigen und zu manipulieren sind).

[7] Vgl. Spiegel Online vom 12.07.2015: »Angriff auf Vater mit Tochter: ›Eine völlig absurde Idee‹.« Online: http://www.spiegel.de/panorama/justiz/vater-bei-spaziergang-angegriffen-polizei-steht-vor-raetsel-a-1043291.html.

[8] Beides wird etwa in der vom BMFSFJ und der BZgA verantworteten und finanzierten Bundesinitiative »Trau dich!« anvisiert, deren Onlinepräsenz unter http://www.multiplikatoren.trau-dich.de zugänglich ist.

[9] Da alle diese Behandlungen durch die Initiative der Patient_innen zur Vorstellung in einer der sexualmedizinischen Ambulanzen zustande kommen, kann von einem Leidensdruck wie auch von einer grundsätzlichen Kooperationsbereitschaft ausgegangen werden.