Freiheit als soziales Ereignis

Hannah Arendt sozialpädagogisch gelesen

Radikale, liberale und fundamentalistische Überzeugungen

 

„Wo einer sich selbst seinen Posten bestimmt hat, überzeugt, daß es keinen besseren Entschluß gebe, […] da muß er ausharren und der Gefahr Trotz bieten und weder des Todes noch der Gefahr achten gegenüber der Schande.“ (Platon Apologie 28d) Sokrates verkörpert mit dieser Aussage in seinem Gerichtsverfahren den Inbegriff des Überzeugungstäters, der in seiner Reinform immer einen martyros darstellt; denn als Überzeugter trachtet er nicht nur nach der Bewahrung seiner Integrität, der Übereinstimmung zwischen Denken, Reden und Tun, sondern er zeugt in seinem Reden auch öffentlich von seiner Überzeugung mit allen Konsequenzen, die damit verbunden sind. Saul Alinsky, der sich selbst stark an Sokrates orientiert hat (Szynka 2006), entwickelt diese Überzeugungstäterschaft zu einer politischen Haltung, die er als radikal und gleichzeitig demokratisch charakterisiert (Alinsky 1973: 21ff.). Radikale agieren – so Alinsky - als „menschliche Fackeln“ (S.24) in Orientierung an Idealen, für deren Realisierung sie alle ihre Energie einsetzen. Von solchen Radikalen unterscheidet er die Liberalen als „Mister Aber“ (22), die nicht mit ihrem Herzen dabei sind (32), sondern ängstlich lavieren zwischen ihren Idealen auf der einen Seite und der Realität auf der anderen Seite und dabei diese Angst hinter einer Fassade vorgeschobener Toleranz verstecken (22f.). Der Liberale formuliert zwar Ideale, doch die praktische Relevanz dieser ideale wird durch ein Aber sofort wieder zurückgenommen.

Der Liberale weiß immerhin noch, dass die Welt anders sein könnte, wenn er auch zögert, seine Ideale mit seinem Handeln zu verbinden. Der Konservative dagegen orientiert seine Ideale an der Wirklichkeit und empfindet auf diese Weise gar keine Kluft mehr zwischen Ideal und Wirklichkeit. Das Faktische wird normativ. Die Überzeugungen mutieren, wie Freire verdeutlicht, zu Mythen(1981: 118), die die bestehenden Verhältnisse manifestieren nach dem Motto: „Wer sich anstrengt, bringt es zu etwas!“ oder „Es gibt keine Alternative!“ oder „Widerstand führt zu nichts!“ Auch solche Überzeugungen entfalten ihre praktische Wirkung: sie perpetuieren aktuelle gesellschaftliche Verhältnisse und verhindern damit alternative Entwicklungen.

Radikale Überzeugungen lassen die Welt nicht, wie sie ist, sondern setzen sich für eine alternative Wirklichkeit ein. Dabei wird der Gegensatz zwischen aktueller Wirklichkeit und Überzeugungsideal in der Regel auf die Spitze einer Alternative zwischen zwei sich ausschließenden Möglichkeiten getrieben. Zwischen lichtvoller Alternative und verhängnisvoller Gegenwart entsteht eine deutliche Spannung. Damit begibt sich der Radikale offensichtlich in die Nähe des Fundamentalisten bzw. Fanatikers. Allerdings gibt es deutliche Unterschiede zwischen beiden. Der Radikale gewinnt zwar aus seinem Ideal eine Orientierung für Wahrnehmung, Denken und Handeln, aber diese Orientierung funktioniert lediglich als Richtungsweiser. Wie das Ideal realisiert werden kann, entscheidet nicht das Ideal, sondern wird erst in Rücksicht auf die Realität gewonnen. Die radikale Überzeugung vergemeinschaftet sich mit der Liebe zur Welt. Der Fundamentalist dagegen gewinnt aus seinem Ideal einen Plan, der ihm aufzeigt, wie die Idee in der Wirklichkeit durchzusetzen ist ohne Rücksicht auf Verluste (Weber 2014: 17f.; 2016). Er opfert die Welt seinen Idealen.

Hinzu kommt ein weiterer elementarer Unterschied. Die radikale Überzeugung behält immer ihren subjektiven Status. Sie funktioniert als je eigene Überzeugung, die zwar als solche intersubjektiv vertreten wird, aber nicht die Evidenz einer absoluten objektiven Wahrheit erreicht. Zur Überzeugung gehört der Zweifel. Der Zweifel kann zwar eine Überzeugung zerstören, viel öfter wird der Zweifel aber die Überzeugung reinigen, verwandeln und letztlich vertiefen (Peirce 1991a: 5.417; 1991; 5.373; Weber 2014: 11f.). Der Fundamentalist dagegen schließt den Zweifel und damit jede wirkliche Reflexivität aus. Seine Überzeugung beruht auf einer unbezweifelbaren objektiven Wahrheit. Der Fundamentalist ist lediglich das willige Werkzeug in der Realisierung einer unumstößlichen Wahrheit (Weber 2016).

 

Das Wunder der Spontaneität

 

Mit Hannah Arendt ist eine politische Denkerin thematisiert, die in radikal dichotomisierenden Unterscheidungen denkt, durch die sie Orientierung in den politischen Ereignissen ihrer Zeit gewonnen hat. Immer wieder wurden diese Unterscheidungen als anstößig empfunden, insbesondere ihre Unterscheidung zwischen dem politischen und dem sozialen Raum. Doch diese Anstößigkeit relativiert sich, sobald wir realisieren, dass der Sinn ihrer Unterscheidungen in der Gewinnung einer Überzeugung liegt angesichts einer das Politische insgesamt bedrohenden existentiellen Gefahr. Die Vernichtung von Handlungsfreiheit im Ereignis des stalinistischen und nationalsozialistischen Totalitarismus macht die radikale Überzeugung von der politischen Freiheit zur Frage nach dem Überleben unserer Zivilisation. Denn was einmal in der Welt erschienen ist, kann sich immer wiederholen, wenn wir nicht unsere Energie im Widerstand gegen diese Selbstvernichtung unserer Zivilisation bündeln.

Freiheit wiederum ist ein äußerst unscharfer und missverständlicher Begriff, der mit unterschiedlichsten Bedeutungen belegt ist. Hannah Arendt lokalisiert die Freiheit nicht wie das philosophische Denken in der Rationalität oder wie die bürgerliche Gesellschaft im privaten Verfügungsbereich, in den uns keiner hineinreden soll, oder ökonomistisch in der Auswahl zwischen verschiedenen Produkten, sie ist auch nicht identisch mit der befreiungstheoretischen Aufhebung von Herrschaft, sondern bei ihr gründet sich Freiheit auf das Phänomen des radikalen Neuanfangs, insofern dieser lokalisiert ist im zwischenmenschlichen Handeln. Insassen der Konzentrationslager verloren nicht nur ihre bisherigen sozialen Bezüge, sie verloren auch nicht nur im Sinne Goffmans ihren sozialen Status (Goffman 1973), sondern sie büßten auch eine Fähigkeit ein, die sie erst zu Menschen machte: die Fähigkeit zur Spontaneität. Menschliches Handeln ist wie alles Tätigsein reaktiv und wird damit durch Interessen angetrieben. Wir verfolgen mit unseren Handlungen, mit denen wir auf bestimmte situative Konstellationen reagieren, bestimmte ausgesprochene oder unausgesprochene, bewusste oder unbewusste Absichten, und insofern sich diese Absichten aufklären lassen, erfolgen Tätigkeiten vorhersehbar und berechenbar. Das KZ verwandelte als radikale Willkürherrschaft und Mangelwirtschaft höchst wirkungsvoll Menschen in Reiz-Reaktionsbündel (Arendt 1989: 25 u. 29), insofern ihr Tätigsein nur noch von Angst und Hunger angetrieben war, bis sie schließlich als sogenannte Muselmänner sogar das Interesse am eigenen Weiterleben verloren (Agamben 2003: 36ff.).

Doch bereits ein flüchtiger Blick auf das menschliche Handeln außerhalb eines KZ’s lehrt uns, dass diese Vorhersagbarkeit menschlichen Handelns nicht ohne weiteres funktioniert. Menschen verhalten sich nicht wie triviale Maschinen, bei denen durch einen bestimmten Input ein kausal bedingter Output erzeugt wird (Luhmann/Schorr 1982). Menschliches Handeln ist nicht ausschließlich interessegeleitet in dem Sinne, dass sich aus der Analyse dieser Interessen ihr Handeln vorhersagen ließe, vielmehr ist die Verhaltenskausalität in Form von Interessiertheit durchsetzt von Momenten unerwarteter Reaktionen. Wir können dies damit erklären, dass wir die kausalen Gesetzmäßigkeiten, die uns Menschen bewegen, noch nicht vollständig kennen, um an deren genauerer Erforschung zu arbeiten, oder aber wir können konstatieren, dass Handeln kausale Abläufe immer auch durchbricht. Im Handeln weist die Kausalität dann offensichtlich Lücken auf (Vollrath 1977: 65). Unser Handeln beruht zwar auf Interessen, und diese Interessen wiederum zeigen kausale Muster, doch tritt im handelnden Vollzug zu dieser Interessiertheit immer noch eine weitere Größe hinzu, die der Kausalität entbehrt und allenfalls als Kausalität aus Freiheit gekennzeichnet werden kann (Kant KrV B566ff.). Arendt spricht in diesem Zusammenhang von der Wundertätigkeit des Handelns, insofern spontane Impulse uns immer wieder erscheinen können wie kleine Wunder, mit denen niemand auf diese Weise rechnen konnte(1993: 32).

Wir Menschen zeigen in unserem Handeln gleichzeitig, dass wir an der Gestaltung dieser Lücken ein herausragendes Interesse haben. In unserem Handeln sind wir immer daran interessiert, den Ereignissen unseren eigenwilligen Stempel aufzuprägen und den Dingen eine eigentümliche Richtung zu geben. Menschen sind offensichtlich begabt mit Eigensinn und formen auf der Grundlage dieses Eigensinns je einzigartige Geschichten, in die sie verstrickt sind und von denen her sie sich selbst verstehen bzw. von anderen verstanden werden(Arendt 1999: 227). Allerdings zeigt sich diese menschliche Spontaneität, wie die Erfahrung des Konzentrationslagers zeigt, nicht als stabile Begabung. Das KZ bildet das Umfeld, das Spontaneität vollständig vernichten kann. Spontaneität ist zerstörbar und insofern schutzbedürftig.

Sozialpädagogisch ist diese These von wesentlicher Bedeutung. Denn es bedarf nicht erst eines Konzentrationslagers, um Menschen ihre Spontaneität auszutreiben. Überall, wo Menschen in für sie zentralen Lebensbereichen davon abgehalten werden, Dinge aktiv eigensinnig zu gestalten, zieht sich die menschliche Gabe der Spontaneität mehr oder weniger deutlich zurück, entweder weil sie aufgrund von psychischen oder physischen Nöten auf ihre Bedürfnisse zurückgeworfen werden, oder weil ihnen der Handlungsraum genommen wurde, in dem sie solche Spontaneität entfalten könnten. Spontaneität besteht zwar als formale Möglichkeit weiter, aber die Situation macht ihre Aktualisierung unmöglich, bis irgendwann auch die innere Überzeugung wächst, dass es keinen Sinn macht, das eigene Leben selbst in die Hand zu nehmen[1].

 

Zur Pädagogik des Sozialen

 

Einzigartigkeit hat eine Wirkung auf den, der einen Blick für diese entwickelt hat. Wir können eine Situation als „Fall von“ und damit in der Form des Typischen und Wiederholbaren behandeln und dabei das entsprechende Verweisungswissen nutzen (Müller 1997: 32ff.). Wir können in ihr aber auch die Momente des Einmaligen hervorheben, die auf die Einmaligkeit der beteiligten Akteure verweist. Dann bildet sich um diese herum das, was Walter Benjamin eine Aura nennt, die er definiert als „einmalige Erscheinung einer Ferne, so nah sie sein mag“ (Benjamin 2011: 576). Die Aura verschiebt den Handlungsimpuls vom Verfügenwollen über den Fall hin zu einer wertschätzenden Würdigung, die einlädt, Spontaneität zu entfalten[2]. Es entsteht ein Zwischen als ein Raum, in dem Handeln möglich wird. Tragend dabei ist eine spezifische zugewandte Distanz, die das Gegenteil darstellt zu einem professionell objektivierenden Behandeln, Therapieren oder auch Motivieren, aber auch zu einer aufdringlichen Gefühlsreaktion in Form von Liebe, Mitleid oder Empathie. Helga Cremer-Schäfer und Ellen Bareis benennen die damit verbundene Grundhaltung im Verweis auf Berthold Brecht mit dem Begriff der Freundlichkeit als einer Form von Zuwendung, die anders als emotional gesteuerte Nähe oder Empathie gleichzeitig Distanz wahrt. Gerade Nähe, auch die Nähe der immer wieder beschworenen helfenden Beziehung, kann Spontaneität höchst wirkungsvoll erdrücken. Sie raubt der Spontaneität die Luft zum Atmen bzw. wie Arendt konstatiert, sie verbrennt den Zwischenraum, in dem sich Freiheit unter Menschen erst entfalten kann[3].

In Alternative dazu kann Soziale Arbeit im Kontext der Handlungsfreiheit als Blick für die Spuren eigensinniger Vollzüge in allen vorhersehbaren Verläufen verstanden werden. Gerade wenn Menschen ihr Leben nur noch als fremdbestimmtes Gelebtwerden erleben, in dem Eigensinn keinen Sinn mehr ergibt, sind letzte Spuren von Spontaneität immer noch für diejenigen sichtbar, die einen Blick genau dafür entwickelt haben. Spontaneität entspricht der Geburt des Neuen im Handeln innerhalb einer bestehenden Welt (Arendt 1999: 215). Sozialpädagogisches Handeln kann insofern als Maieutik, also als Geburtshilfe beschrieben werden, die – so Heinz Sünker im Verweis auf Lefebvre – in der Trivialität des Alltagslebens den verborgenen Reichtum der Möglichkeiten wahrnimmt und aufgreift (Sünker 2011: 259; Lefebvre 1977; vgl. Weber 2005). Diese spontanen Impulse sind eng verbunden mit unserer Lebendigkeit. In unseren subjektiven Interessen äußert sich unsere Lebendigkeit, unser élan vital (Bergson 2006: 93ff.),  der unwillkürlich die spontane Variation unseres Verhaltens entfaltet. Eigensinn und Lebendigkeit gehören insofern eng zusammen. Michael May spricht von lebendiger Arbeit als spontanen und kreativen Vollzügen (2014: 19), die über die tote Arbeit des Kapitals, der Maschinen, aber auch der Rituale, Normen und Techniken (21) siegen (30).

Damit sind zentrale Momente einer sozialpädagogischen Maieutik geklärt: erstens die Grundhaltung wertschätzender Freundlichkeit, die eine personale Aura als Entfaltungsraum für Eigensinn erst begründet, zweitens ein besonderer Blick für die Alltäglichkeit, der auch kaum sichtbare Reste spontaner Impulse entdeckt und würdigt, und drittens die Unterstützung subjektiver Interessen als Äußerungen menschlicher Lebendigkeit, die die Entfaltung spontaner Impulse provoziert.

Doch Spontaneität bedeutet noch keine Freiheit. Die Thesen zur Spontaneität verführen dazu, das Handeln von den Individuen aus zu denken. Freiheit entsteht jedoch nicht im Menschen, sondern erst zwischen ihnen. Zum Vollzug von Freiheit bildet der Raum für individuelle Spontaneität eine zentrale Voraussetzung, aber keine hinreichende Bedingung. Freiheit liegt damit nicht auf der Ebene menschlicher Bedürfnisse und stellt auch keine Ressource dar. Sie beschreibt vielmehr eine bestimmte Qualität eines sozialen Gefüges. Zur Freiheit wird Spontaneität erst, wenn sie nicht nur normale Abläufe unterbricht, ihnen eine eigensinnige Richtung gibt, sondern auch auf die Spontaneität anderer trifft und dadurch ein freiheitliches Zwischen, ein soziales Bezugsgewebe entsteht[4]. Hier treffen wir auf Arendts eigenwilligen Begriff des Helfens als Zuhilfeeilen gegenüber Akten der Spontaneität, der Sozialer Arbeit einen neuen Sinn verleiht[5]. Die Sozialarbeitswissenschaft behauptet, dass Soziale Arbeit sich dadurch auszeichnet, dass sie mit professionalisierter Hilfetätigkeit auf soziale Probleme antwortet (Sorg 2009). Professionalität beruht dann auf der diagnostischen Ermittlungstätigkeit[6] solcher sozialen Probleme sowie auf dem methodisch versierten Umgang damit, wobei diese Methoden sich wiederum aus dem diesbezüglichen wissenschaftlichen Erklärungswissen transformieren lassen (Staub-Bernasconi 2007: 252ff.). Aus der Perspektive der Freiheit hingegen setzt Soziale Arbeit überhaupt nicht bei sozialen Problemen an, wenn auch nicht in Abrede gestellt wird, dass Soziale Arbeit insbesondere im Kontext sogenannter sozialer Probleme installiert wird. Vielmehr bettet sie diese Probleme in ein zwischenmenschliches Handlungssetting ein und verwandelt sie dadurch. Wir sind gewohnt, Helfen als Antwort auf Hilfebedürftigkeit zu verstehen und dann das Ziel des Helfens als Hilfe zur Selbsthilfe zu bezeichnen (Kunstreich/May 1999). Dann besteht das Ziel sozialpädagogischer Intervention im Überwinden von Hilfebedürftigkeit. Im Kontext eines zwischenmenschlichen Freiheitsbegriffs ist das genaue Gegenteil der Fall. Wenn Freiheit erst zwischen Menschen entsteht, kann das Ziel des Handelns nicht darin bestehen, dass Menschen keine Unterstützung mehr benötigen, sondern im Gegenteil darin, dass sie in Unterstützungssettings gegenseitigen Anknüpfens eingewoben werden. Denn wer sich isoliert, weil er keine Unterstützung möchte, ist nicht mehr frei. Die bürgerliche Ideologie absoluter individueller Unabhängigkeit ist hier überwunden. Selbstbestimmung kann es nie für Einzelne geben in dem reflexiven Sinn, sich selbst zu bestimmen, wie der deutsche Idealismus meinte, sondern nur als transitive Selbstbestimmung, nämlich etwas selbst zu bestimmen, also die gemeinsamen Angelegenheiten zusammen mit anderen (Vollrath 1995: 183).

Arendt konzipiert das Helfen als Antwort auf spontane Vollzüge, die durch dieses helfende Antwortgeben zu Anfängen werden. Spontane Vollzüge verhallen im Nichts, solange Andere mit diesen Impulsen nichts anfangen können. Aber bereits kleinste Handlungsimpulse können ungeahnte Wirkungen entfalten, wenn andere daran anknüpfen und dabei ihre eigenen Ideen einbringen. Michael May macht in diesem Zusammenhang auf die Forschungen von Daniel Stern zu therapeutischen Veränderungsprozessen aufmerksam. Veränderung entsteht nach Stern zwischen Menschen im Durchleben von Gegenwartsmomenten. Die Gegenwart wird diskontinuierlich erlebt, immer wieder bricht Neues in das Bestehende hinein. Das gilt insbesondere für die von ihm so genannten Jetzt-Momente, in denen bisherige Abläufe unterbrochen werden und Unsicherheit entsteht. Auf solche Jetzt-Momente überraschender spontaner Akte kann therapeutisch unterschiedlich reagiert werden. Sie können entweder zurückgewiesen werden und die Flucht zurück in Routinen versucht werden, oder aber sie können in Begegnungsmomente verwandelt werden, indem der spontane Impuls aufgegriffen wird, um ihn mit einem dazu passenden spontanen Impuls zu beantworten (Stern 2012: 33ff. und 63ff.; vgl. May 2014: 40ff.). Dabei erfährt die Beziehung zwischen den Akteuren einen qualitativen Sprung. Durch die spontane Reaktion trägt das vorhergegangene spontane Moment und ermöglicht Neues. Beide Akteure haben sich zum Handeln verbunden.

Die Spontaneität erhält Unterstützung und diese kann wiederum spontan unterstützend beantwortet werden. Solches spontane, antwortende Anknüpfen ist mit Arendt unter Helfen zu verstehen. Wir sind gewohnt, Soziale Arbeit in einer Alternative von Angebot und Eingriff zu verstehen (Müller 1997: 107ff.). Soziale Arbeit entwickelt danach möglichst passgenaue Angebote und wartet darauf, dass Adressaten auf diese Initiative reagieren und sie nutzen. Und oftmals ärgern wir uns, wenn diese Antwort ausbleibt und unsere so gut gemeinten Initiativen ungenutzt verhallen. Wenn unsere Angebote nicht fruchten, greifen wir gerne zu herrschaftskategorialen Eingriffen gegen den Willen der Betroffenen. Doch damit erhält bereits das Angebot den Charakter eines drohenden Eingriffs. Lebensweltorientierte ebenso wie kritische Soziale Arbeit lehrt uns jedoch umgekehrt vorzugehen und Helfen als Anknüpfen zu verstehen an alltägliche Vollzüge, die bereits da sind. Unabdingbare Voraussetzung dafür wiederum ist es, zunächst diese Lebenswelt zu erkunden (Thiersch 2011 u.ö.; Freire 1981) und die eigene Wahrnehmung zu schulen, wie Alltag hier jeweils gelebt wird, um darauf die eigenen Impulse sensibel abzustimmen. Der Alltag ist kein Terrain, auf dem professionelle Angebote platziert werden, sondern vielmehr ein Bezugsgewebe, in dem es lohnt, bestimmte Impulse aufzugreifen und weiterzuführen. Das gilt auch für Alltagskonstellationen, die uns abgründig erscheinen. Helfen erfordert damit gänzlich andere Fähigkeiten von uns in der Sozialen Arbeit, als die meisten Methodenlehrbücher uns vermitteln wollen. Es geht mitnichten um eine zielorientierte, strukturierte und kontrollierte Ausrichtung sozialpädagogischer Intervention, sondern um eine ebenso passgenaue wie initiatorische Handlungsbereitschaft in einem unübersehbaren weil von Überraschungen gekennzeichneten Bezugsgewebe. Seit Aristoteles wird die diesbezüglich erforderliche nicht-technologische Rationalität als Klugheit bezeichnet (Aristoteles NE 1142a 23ff.; vgl. Weber 2012; 2014: 65ff.).

Nietzsche kann mit einigem Recht als Denker gekennzeichnet werden, der die eigensinnige Kreativität von Menschen in das Zentrum seines Denkens gestellt hat und diese mit der menschlichen Lebendigkeit, dem Willen zur Macht, verbunden hat (Weber 2014: 125ff.). Doch bei ihm zeigt sich dieser Eigensinn als radikal individualistisch. Ziel der Verwandlung ist das für sich spielende Kind als „aus sich selbst rollendes Rad“ (Nietzsche KSA4: 31), nicht der Initiator, der eine Idee in einen sozialen Handlungszusammenhang einbringt. Im Gegensatz dazu besteht Freiheit nach Arendt im spontanen Anknüpfen an die spontanen Impulse anderer. Freiheit setzt Begegnung voraus, die sich jedoch nicht im Modus einer Dienstleistung vollzieht. Im Helfen geht es nicht darum, die Wünsche anderer zu bedienen, sondern um eine eigensinnige Äußerung, die ihr anknüpfendes Handeln eigenwillig vollzieht und damit Adressatinnen und Adressaten zumutet, dass ihre spontanen Impulse durch helfende Intervention eine neue Richtung erhalten. Sozialpädagogisches Handeln geht insofern über eine Assistenztätigkeit immer schon hinaus (Kunstreich 1998: 334ff.; 2015: 35ff.). Ein Assistent hält sich mit seinen spontanen Impulsen zurück zugunsten der Spontaneität dessen, dem er assistiert. Damit jedoch verhindert er freiheitliche Begegnung, die darauf angewiesen ist, dass sich plurale spontane Impulse aufeinander beziehen. Eher ist zu denken an eine „gemeinsame Aufgabenbewältigung“, wie Mannschatz sie im Rückgriff auf Makarenko skizziert hat, die ein gemeinsames Handeln im Kontext alltäglicher Lebenstätigkeit beinhaltet (Mannschatz 2003: 33f. u. 52ff.; vgl. Kunstreich 2016: 27).

Spontaneität unterbricht nicht nur kausale Naturabläufe, sondern immer auch die interessegeleiteten Intentionen und Ziele von Akteuren. Sie birgt unweigerlich immer auch ein destruktives Potential. Die Ermöglichung von Freiheit bedeutet zuzulassen, dass bestehende Routinen und Abläufe durchbrochen werden. Wer seine Intentionen so realisieren möchte, dass möglichst niemand ihm dazwischen kommt, dem bleibt nur die Möglichkeit, sich aus dem Sozialen zurückzuziehen und seinen Willen entweder unabhängig von anderen oder in Unterwerfung anderer durchzusetzen. In beiden Fällen geht die Freiheit und mit ihr das Zwischen verloren. Freiheit impliziert somit die Fähigkeit, zu erdulden, dass auch andere über eigenwillige Intentionen verfügen, die fast unwillkürlich dazu führen, dass die eigenen Intentionen im Verlauf der Realisierung von neuen Impulsen durchbrochen werden (Arendt 1999: 236). „Wir fangen etwas an;“ so Arendt, „wir schlagen unseren Faden in ein Netz der Beziehungen, was daraus wird, wissen wir nie“ (1997: 70).

Aufgrund des destruktiven Potentials ist der Freiheit immer auch ein kritisches Moment eigen. Wenn immer wieder Neues in das Bestehende einbricht, stehen die bisherigen Abläufe unweigerlich zur Disposition und erzeugen Diskurse darüber, ob, warum und wie das Bestehende weitergeführt und damit konserviert werden sollte. Andererseits können gerade bestehende Rituale, Normen und Abläufe der instabilen Anfänglichkeit Stabilität verleihen. Lebendige Arbeit in Form von Initiativität und tote Arbeit in Form automatisierter und verfestigter Abläufe verweisen so permanent aufeinander (May 2004: 143 u. 291; 2014: 20f.). Damit wird schließlich auch der letzte grundlegende Unterschied zwischen dem klassischen und dem freiheitlichen Hilfeverständnis deutlich. Freiheit verhält sich somit kritisch zu den Grenzen, die sie umgeben. Handeln, so Arendt, ist schrankenlos und stellt die bestehenden Grenzen des Freiheitsraumes in Frage. Das Arbeiten an den Grenzen und damit das Verhältnis von sicherndem Schutzraum und ermöglichendem Freiheitsraum bedarf der ständigen Bearbeitung[7].

Freiheit verhält sich schließlich kritisch gegenüber festgelegten Zielen. Im Kontext der Freiheit sind Ziele nur dann legitim, wenn wir davon ausgehen, dass unsere Ziele keinesfalls erreicht werden (Arendt 1999: 226). Wer zwischenmenschliche Praxis nutzt, um Ziele zu verwirklichen, folgt einer technologischen Logik, missbraucht Praxis und gefährdet Initiativität. Wo Praxis lebendig ist und Initiativität auf verschiedensten Seiten entfaltet wird, führt dies dazu, dass im Anknüpfen an Initiativen diese permanent abgewandelt werden. Wer seine Ziele in praktischen Kontext nahtlos umgesetzt hat, zeigt damit, dass sich hier Freiheit nicht entfalten konnte.

Der destruktiv-kritischen Seite der Freiheit steht die konstruktive gegenüber. Freiheit reguliert sich selbst (May 2004). Spontaneität wird durch nichts so stark initiiert wie durch realisierte Initiativität. Freiheit provoziert Freiheit und steigert sich damit kontinuierlich selbst. Freiheitliches Handeln als lebendige Arbeit funktioniert nach Michael May eben nicht warenförmig (20) aus einem doppelten Grund. Zum einen lässt sich das Freiheitsmoment nicht objektivieren, nicht einmal explizieren (23; vgl. Polanyi 1985: 13ff.). Vor der Realisierung von Freiheit hat sie oftmals den Charakter eines undeutlichen, allenfalls auf Ahnung beruhenden impliziten Wissens (Stern 2012: 52ff.), im Nachhinein verschwindet das freiheitliche Moment ganz und das Handeln erscheint vollständig kausal determiniert (Arendt 1989a: 33). Zum anderen verausgaben wir Freiheit nicht, indem wir sie realisieren. Freiheit ist kein knappes Gut, mit dem wir sparsam umgehen sollten (May 2014: 20). Das Gegenteil ist der Fall. Wie bei anderen sozialen Phänomenen wie der Liebe auch entfaltet sich Freiheit erst in dem Maße, indem wir sie realisieren (Aristoteles NE 1103b6ff.). Wenn in einen sozialen Raum unaufhörlich Initiativen hineinströmen und die spontanen Impulse sich immer wieder aufeinander beziehen und sich damit gegenseitig verstärken, werden die Beteiligten selbst unwillkürlich ermutigt, weitere Impulse in ein solches lebendiges Miteinander einzubringen, um andere Impulse zu unterstützen und gleichzeitig in den eigenen Impulsen Unterstützung zu erfahren. Immer mehr Möglichkeiten können so entdeckt und realisiert werden, zu denen kein einzelner jemals in der Lage gewesen wäre. Das Soziale wirkt als freiheitliches selbst maieutisch. Denn die soziale Erfahrung von Handlungsfreiheit ermöglicht weitere Entfaltungen von Freiheit und lädt zu weiteren Initiativen ein. Die sozialpädagogische Aufgabe besteht zunächst darin, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass die freiheitliche Lebendigkeit nicht erlischt, metaphorisch gesprochen eine Bühne errichtet wird, auf der Initiativen sichtbar werden können und dafür gesorgt ist, dass Anknüpfen geschieht. Freiheit bedarf der Institutionalisierung, die selbst wiederum nichts anderes als geronnene Freiheit darstellt, aber nur solange eine Institutionalisierung der Freiheit beinhaltet, wie sie Neuanfänge eröffnen kann, statt sie im Verweis auf soziale Strukturen zu verhindern.

 

Von der Pädagogik des Sozialen zur Politik des Sozialen

 

Die helfende Beziehung ist klassischerweise immer als Einzelkontakt gedacht zwischen dem einen, der Unterstützung benötigt, auf der einen Seite und dem anderen, der Unterstützung gibt, auf der anderen Seite[8]. Das freiheitliche Hilfeverständnis kennt solch eine Rollenaufteilung jedoch nicht. Wer einen spontanen Impuls in einen sozialen Zusammenhang einbringt, unterstützt damit diejenigen Impulse, an die er oder sie anknüpft, und wird mit seinem eigenen Impuls wiederum unterstützungsbedürftig. Die klassische Denkfigur der helfenden Beziehung geht zudem immer von einer Zweierbeziehung aus, die aufgrund der rechtlichen Regulierung Sozialer Arbeit als Gewährleistung individueller Ansprüche tatsächlich in vielen Arbeitsfeldern der Sozialen Arbeit immer noch den Regelfall darstellt. Soziale Arbeit fokussiert dann nicht das Soziale, sondern das Individuum als unteilbares, sich selbst bestimmendes und über seine privaten Angelegenheiten vollständig verfügendes Wesen (Falck 2015: 14f.). Das individuelle Selbst soll so behandelt werden, dass es dies ganz allein zu leisten vermag. Dazu ist eine Exploration[9] des „tiefen, komplizierten Selbst“ erforderlich (Fraser 1994: 276). Soziale Arbeit vergisst dabei, dass eine solche „Feier des Ich“ (Bourdieu 1987: 579) allenfalls für bestimmte „soziale Spitzensportler“ (Kunstreich 2009: 71f.) unserer Gesellschaft erstrebenswert erscheint. Sie vergisst insbesondere, dass es solche Individuen als in sich abgeschlossene Einheiten, die sekundär zeitweise irgendwelche sozialen Beziehungen eingehen, gar nicht gibt. Personalität lässt sich nur dann verstehen, wenn wir anerkennen, dass sich diese erst in sozialer Zugehörigkeit entfaltet und wir Menschen uns lebenslang in unterschiedlichster Weise als Mitglied bzw. Member und im Verweis auf dieses Membership verstehen (Falck 1997). Umso mehr ist es Aufgabe einer sich freiheitlich verstehenden Sozialen Arbeit, individuelle Ansprüche in soziale Ereignisse zu verwandeln und Menschen in Handlungszusammenhänge zu verstricken. Wer jemand ist, beantwortet sich in dem, was er oder sie tut bzw. erleidet (Arendt 1999: 216ff.). Damit wird unsere Persönlichkeit ständig modelliert, indem wir sie in soziale Kontexte einbringen und diese Kontexte uns prägen. Personsein wird uns sozial zugeschrieben, sie ist weder als wo auch immer innerlich verankerter individueller Kern fertig vorhanden, noch sind wir erst dann wirklich wir selbst, wenn wir uns von allen anderen möglichst unabhängig machen.

Nicht nur die Individualität, auch die Dualität einer Zweierbeziehung bildet nicht den Ausgangspunkt der Freiheit, sondern stellt lediglich eine unvollständige Äußerung des Sozialen dar. Es geht im freiheitlichen Helfen nicht um die Begegnung eines individuellen Ichs mit einem Du[10]. Erst die Triade realisiert im eigentlichen Sinn so etwas wie soziale Freiheit. Während die Zweierbeziehung schnell dahin tendiert, das Soziale zu privatisieren, bedarf die Freiheit ständig des Zustroms neuer Impulse und damit einer spezifischen sozialen Offenheit. Soziale Arbeit als Pädagogik des Sozialen geht nicht auf in der Unterstützung Einzelner in einem Einzelkontakt, sondern beabsichtigt, Adressatinnen und Adressaten in vielfältige soziale Kontexte zu verstricken. Ihre Sorge gilt der Etablierung und Realisierung eines sozialen Raumes, in dem Unterstützung geschieht. Soziale Arbeit sorgt dafür, dass der soziale Raum nicht die Fähigkeit verliert, eigenwillige Impulse hervorzurufen und miteinander zu vernetzen. Sie nutzt soziale Probleme, um sie in soziale Ereignisse zu verwandeln und über diese Themen Menschen miteinander zu verbinden. Weil niemand ganz allein unter einem bestimmten Problem leidet, gilt es solche Probleme zum Anlass zu nehmen, damit sich um diese Probleme herum ein Soziales bildet und die Probleme gemeinschaftlich gelöst werden können. Dies bildet, wie Timm Kunstreich und Michael May entfalten, seit Beginn der Sozialen Arbeit insbesondere im Kontext der Settlement-Bewegung ein zentrales Anliegen Sozialer Arbeit als sozialer Pädagogik bzw. Pädagogik des Sozialen[11].

Freiheitliche Sozialität zeigt dabei einen spezifischen, herrschaftskategoriale Strukturen transzendierenden Charakter. Stern analysiert den Begegnungsmoment an der Interaktion zwischen Mutter und Baby, also einer hochgradig asymmetrischen Beziehung. Doch über die asymmetrische Positionierung hinweg stellen beide Partner unwillkürlich Jetzt-Momente der Spontaneität her (May 2014; Stern 2012, 35ff.), die sie gegenseitig in der Begegnung beantworten und damit ein Stück Freiheit zur Entfaltung bringen. So asymmetrisch ihr Verhältnis auch sein mag, in ihrer Fähigkeit der Variation von Prozessen im Jetzt, die aktuell erwartete Prozesse unterbricht und dennoch vom Gegenüber beantwortet werden können, zeigen sie sich symmetrisch, weil jeder von beiden in gleicher Weise darauf angewiesen ist, dass seine spontanen Impulse aufgegriffen werden. In ganz anderer Weise aber dennoch ebenso asymmetrisch zeigt sich das Verhältnis zwischen Professionellen und Adressatinnen und Adressaten, insbesondere im Kontext der Einzelfallhilfe. Dieses Gefälle bedeutet jedoch nicht, dass Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen dazu verurteilt sind, herrschaftskategorial zu agieren. Vielmehr kann das Setting der Begegnung auch so gestaltet werden, dass Professionelle sich nicht auf ihre überlegene Position zurückziehen und dabei lediglich tote Soziale Arbeit reproduzieren, sondern Begegnung zulassen und damit die sozialen Positionierungen transzendieren, sich auf das Interagieren in freiheitlichen Vollzügen einlassen (Kunstreich 2015). Wer unterstützt, macht sich unweigerlich davon abhängig, dass die Adressatinnen und Adressaten irgendetwas mit diesen Unterstützungsimpulsen anfangen können. Im Kontext der zwischenmenschlichen Freiheit können wir uns nicht auf die Position professioneller Überlegenheit zurückziehen. Herrschaft geht aus dieser Perspektive in dem Versuch auf, die Fähigkeit, Neues zu beginnen, zu monopolisieren, während alle anderen in die Position der gehorsamen Erfüllung hegemonialer Vorgaben gedrängt werden. Doch dies bedeutet für die Herrschaft eine höchst einsame Position. Nicht nur die Beherrschten, auch die Herrschenden werden unfrei, weil das Bezugsgewebe des Handelns zerstört wird. Herrschende bleiben mit ihren Ideen allein und gewinnen keine Unterstützung, allenfalls verfügen sie über Abhängige, die darauf reduziert sind, dass sie einseitige und damit mehr oder weniger armselige Vorstellungen eines Einzelnen verwirklichen (Arendt 1999: 236).

In der Sozialen Arbeit stehen wir vor einer grundlegenden Alternative. Auf der einen Seite steht das herrschaftskategoriale Handlungsmuster, das sich auf individuelle bzw. professionelle Kompetenzen, institutionell gesicherte Folgebereitschaft anderer, auf die Anwendung entweder unmittelbarer Gewaltmittel oder aber finanzieller Anreize stützt[12] und diese Entscheidung mit der eigenen Vereinsamung erkauft. Auf der anderen Seite steht die politisch qualifizierte Macht. Macht ist für Arendt in höchstem Maße emphatisch verstanden. Macht kommt nicht von „Machen“, sondern verweist auf das Können[13] in Form von Handlungsmöglichkeiten, die wir haben, wenn wir uns mit anderen zum Handeln verbinden. Macht gründet auf freiwilliger Zustimmungsbereitschaft. Doch diese Zustimmungsbereitschaft beruht keinesfalls allein auf rationalen Motiven und ist somit niemals stabil, um ihre Kontinuität muss immer neu gerungen werden. Die Stabilisierung politischer Freiheit bzw. Macht ist eines der zentralen Anliegen politischer Verfassungen und Institutionen.

Macht hat dabei eine destruktive ebenso wie eine konstruktive Seite. Sofern Arendts Machtverständnis mit gemeinsamem Handeln übersetzt wird, beruht dies auf einem harmonistischen Missverständnis. Natürlicherweise differieren Menschen in ihren Meinungen (Vollrath 1976). Zustimmung und damit Macht steht immer wieder zur Disposition. Alles Handeln beruht auf Gegenhandeln (1984: 56), gegen etablierte Machtverbände ebenso wie gegen institutionelle Verfestigungen. Handeln bzw. Macht verhält sich immer – so Timm Kunstreich – transversal zu etablierten sozialen Strukturen (Kunstreich 2013). Gleichzeitig entsteht Macht nur, insofern sich Akteure mit ihren Handlungsimpulsen aufeinander beziehen. Macht realisiert sich insofern in einem ungreifbaren und pluralen Bezugsgewebe. Sie geht nie auf in der Opposition weniger oder sogar nur zweier monolithischer Machtblöcke, sondern diese Machtblöcke sind wiederum mit einer Fülle von kleineren sozialen und politischen Machtverbänden durchzogen. Die Virtuosen des Sozialen in der Geschichte der Sozialpädagogik wie Korczak, Bernfeld oder Makarenko aber auch das Ehepaar Barnett sowie Addams in der Settlement-Bewegung bis hin zu Alinsky und Chambers im Community Organizing hatten genau dies geleistet, nämlich Adressatinnen und Adressaten dazu anzustiften, eine Vielfalt sozialer Handlungsgemeinschaften zu gründen und zu bewahren, die wiederum in größere Handlungsgemeinschaften eingewoben waren und auf diese Weise mindestens punktuell weithin sichtbare Macht bilden konnten.

Doch die Bildung solcher Machtverbände steht vor der Schwierigkeit, dass der Ort, an dem sie sich politisch einschalten, bereits besetzt ist und ein Interesse bestimmter gesellschaftlicher Akteure daran besteht, solche Gruppierungen aus dem politischen Geschehen auszuschließen (Cremer-Schäfer/Steinert 2000: 44ff.). Das Politische bewegt sich in einer kapitalistischen Konkurrenzgesellschaft, die sich durch den Versuch der Monopolisierung bestimmter Interessen auszeichnet und dazu weite Teile der Bürgerschaft marginalisiert. Sozialpädagogik bedarf für die Realisierung von Macht der Entwicklung wiederständiger Strategien, die die Dynamik dieser Konkurrenzgesellschaft aufbricht und damit erst wieder eine Ermächtigung derer erwirkt, die ins soziale Dunkel der Gesellschaft gestoßen sind. Nur so kann der Begriff Empowerment jenseits methodischer Verkürzungen wieder einen politischen Sinn gewinnen (Weber 2009).

Politische Macht kommt also nicht ohne Konflikt aus, doch ein politisch qualifizierter Konflikt realisiert sich nicht zwangsläufig über Ausschließungsprozesse. Das Politische beruht auf dem agonalen Wettstreit der Meinungen und den diese begründenden Interessen. Anders als die kapitalistische Konkurrenzgesellschaft will der politische Wettstreit gegnerische Interessen nicht ausschalten, sondern vielmehr zur Sprache bringen, um in einem Wettstreit der Standpunkte und Ideen, einen multiperspektivischen Blick zu gewinnen und auf dieser Basis nach der besten Lösung zu suchen. Die politische Pluralität der Perspektiven und die sich daraus ergebende Vielfalt an Ideen und Möglichkeiten zeigt den Reichtum des Zwischenmenschlichen auf im Gegensatz zur Uniformierung der Konkurrenzgesellschaft, in der nur der Stärkste am Markt überlebt.

 

Sozial-administrative versus freiheitlich-politische Soziale Arbeit

 

Um Unterscheidungen zu treffen, bedarf es der Urteilskraft. Hannah Arendt hat in ihrem Denken wesentliche Unterscheidungen denkend auf die Spitze getrieben, so zwischen vita contemplativa und vita activa, zwischen Arbeiten, Herstellen und Handeln, zwischen privat, gesellschaftlich und politisch, zwischen Denken, Wollen und Urteilen, zwischen Macht und Gewalt. Der Sinn dieser Unterscheidungen liegt in der Bewahrung der politischen Freiheit angesichts vielfältiger Bedrohungen, die letztlich in der einen radikalen Bedrohung münden: dem Totalitarismus. Die Unterscheidungen führen sie zu einer eigenen Denkposition, zu einer theoretischen Überzeugung, die Orientierung anbietet im Handeln, Denken und Urteilen. Der Gefahr, die darin liegt, solche Unterscheidungen zu essentialisieren und für die Wirklichkeit selbst zu nehmen, statt sie als intersubjektive Überzeugungen mit der Wirklichkeit in Dialog treten zu lassen, dieser Gefahr ist Hannah Arendt nicht immer entgangen. Dafür bildet ihre Konzeption des Sozialen ein besonders auffälliges Beispiel (Benhabib 1998: 199ff.). Sie hat nicht gesehen, dass auch scheinbar kausal festgelegte Prozesse der Lebensnotwendigkeit Handlungsmöglichkeiten bergen können. Unsere menschliche Bedürfnisstruktur zwingt uns, der Versorgung dieser Bedürfnisse nachzukommen. Wir können unserer vielschichtigen menschlichen Bedürftigkeit nicht entkommen. Und wenn Bedürfnisse dauerhaft nicht gestillt werden, dann bedroht solcher Hunger – auf welcher Ebene auch immer – unmittelbar die Freiheit.

Aber die Bedürfnisse selbst haben nur scheinbar einen natürlich eindeutigen Charakter. Sie können, so zeigen uns vielfältige soziale Bewegungen, unterschiedlich interpretiert[14] und damit politisiert (Jaeggi 2007) werden. Wie das Bedürfnis von Frauen nach staatlichem Schutz vor Gewalt auch innerhalb einer Ehe zu einem öffentlichen Diskurs führte über ein bis dahin als privat verstandenes Tabu, der die Verabschiedung eines entsprechenden Gewaltschutzgesetzes zur Folge hatte, so führt aktuell das in den Menschrechten verankerte Recht von geistig behinderten Bürgerinnen und Bürgern auf Gründung von Familien zum Diskurs über entsprechende sozialpädagogische Konzepte, die dieses garantierte Menschenrecht endlich umsetzen. An vielen Stellen der Sozialen Arbeit führen politische Diskurse, angestoßen von entsprechenden sozialen Bewegungen dazu, dass Alternativen zu scheinbar natürlichen Bedürfnisinterpretationen aufscheinen und neue Umgangsweisen mit solchen Bedürfnissen sichtbar werden. Sie verwandeln sich damit in politische Themen (Fraser 1994: 253ff.).

Vor diesem Hintergrund steht die Soziale Arbeit im Kontext des Denkens von Hannah Arendt vor einer grundlegenden Alternative. Sie kann ihren Auftrag entweder kategorial freiheitlich-politisch oder kategorial sozial-administrativ wahrnehmen. Diese Gegenüberstellung entspricht weitgehend Timm Kunstreichs Gegenüberstellung von Relationsmustern der Verbindlichkeit auf der einen Seite und der Verlässlichkeit auf der anderen Seite (Kunstreich 2012; 2013 u.ö.; Hußmann 2011). Eine Soziale Arbeit in kategorial sozialer Ausrichtung folgt einem, wie Nancy Fraser es nennt, Mandat des juristisch-administrativ-therapeutischen Staatsapparates. Ein solches Mandat reagiert auf juristische Sachverhalte, übersetzt diese in generalisierte administrative Verfahren (1994: 270), die dann wiederum derart individualisiert umgesetzt werden, dass die individualisierten Abweichungen durch vielfältige Behandlungsverfahren an den Individuen normalisiert werden (239f.). Mit einem solchen kategorial sozial-administrativen Selbstverständnis folgt Soziale Arbeit dem modernen unpolitischen Individualismus und wird schließlich unweigerlich zum zentralen Akteur der von Tocqueville so genannten modernen Despotie, die sich gleichermaßen auszeichnet durch entmündigende Fürsorglichkeit, Scheinpartizipation, Entpolitisierung sowie administrative Normalisierung (Tocqueville 1987 II: 423ff.; vgl. Weber 2014: 231ff.).

Dem gegenüber steht ein alternatives, kategorial freiheitlich-politisches Verständnis Sozialer Arbeit im Anschluss an Arendts Verständnis politischer Freiheit. Soziale Arbeit stellt sich dann dar als Handeln in Freiheit, indem sie innerhalb bestehender Initiativen agiert, als Handeln für Freiheit, indem ihr vorrangiges Ziel darin besteht, die Handlungsoptionen von Einzelnen, sozialen Gruppierungen oder auch in sozialen Bewegungen insgesamt zu erweitern, insbesondere dort, wo Akteure marginalisiert sind; sie versteht sich schließlich als Handeln durch Freiheit, insofern Soziale Arbeit sich selbst freiheitlich und damit eigenwillig und initiativ vollzieht.

 

Literatur

 

Agamben, Giorgio 2003: Was von Auschwitz bleibt. Das Archiv und der Zeuge (Homo sacer III). 1. Aufl. Frankfurt am Main

Alinsky, Saul D. 1973: Leidenschaft für den Nächsten. Strategien und Methoden der Gemeinwesenarbeit. Gelnhausen/Berlin

Anhorn, Roland 2012: Wie alles anfing… und kein Ende findet. Traditionelle und kritische Soziale Arbeit im Vergleich von Mary E. Richmond und Jane Addams. In: Roland Anhorn, Frank Bettinger, Cornelis Horlacher und Kerstin Rathgeb (Hg.): Kritik der sozialen Arbeit, kritische soziale Arbeit (Perspektiven kritischer sozialer Arbeit, 12), S. 225–269

Arendt, Hannah 1989a: Vom Leben des Geistes. Band 2: Das Wollen. 2. Aufl. München [u.a.]

-1989: Die vollendete Sinnlosigkeit (VS). In: Hannah Arendt: Nach Auschwitz. herausgeg. von Geisel, Eike und Bittermann, Klaus. Berlin, S. 7–30

-1989: Nach Auschwitz. herausgeg. von Geisel, Eike und Bittermann, Klaus. Berlin: Edition Tiamat. Online verfügbar unter http://www.worldcat.org/oclc/611137747

-1993: Was ist Politik? (WiP). Fragmente aus dem Nachlass. München

-1997: Fernsehgespräch mit Günter Gaus. In: Hannah Arendt: Ich will verstehen. Selbstauskünfte zu Leben und Werk. 2. Aufl. Hg. v. Ursula Ludz. München, S. 44–70

-1997: Ich will verstehen. Selbstauskünfte zu Leben und Werk. 2. Aufl. Hg. v. Ursula Ludz. München. Online verfügbar unter http://www.worldcat.org/oclc/742602892

-1999: Vita activa oder Vom tätigen Leben (VA). Ungekürzte Taschenbuchausg., 11. München [u.a.]. Online verfügbar unter http://www.worldcat.org/oclc/245789758

Aristoteles 1969: Nikomachische Ethik (EN). Unter Mitarbeit von Franz Dirlmeier und Ernst A. Schmidt. Stuttgart

Bareis, Ellen; Cremer-Schäfer, Helga 2013: Haushalt und Soziale Infrastruktur: komplizierte Vermittlungen. In: Joachim Hirsch, Oliver Brüchert und Eva-Maria Krampe (Hg.): Sozialpolitik anders gedacht. Soziale Infrastruktur. Hamburg, S. 161–184

Benhabib, Seyla 1998: Hannah Arendt - die melancholische Denkerin der Moderne. 2. Aufl. Hamburg

Benjamin, Walter 2011: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. In: Walter Benjamin (Hg.): Gesammelte Werke II. Lizenzausg. Frankfurt am Main, S. 569–599

Bergson, Henri 2006: Schöpferische Entwicklung. [S.l.]

Bernauer, James William (Hg.) 1987: Amor mundi. Explorations in the faith and thought of Hannah Arendt. Boston, Hingham, MA

Bloch, Ernst ©1959, 1977 printing: Das Prinzip Hoffnung. Erster Band. 4. Aufl. Frankfurt am Main

Bourdieu, Pierre 1992: Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft. 5. Aufl. Frankfurt am Main

Buber, Martin 1999: Ich und Du. Stuttgart

Cremer-Schäfer, Helga; Steinert, Heinz 2000: Soziale Ausschließung und Ausschließungs-Theorien: Schwierige Verhältnisse. In: Helge Peters (Hg.): Soziale Kontrolle. Zum Problem der Normkonformität in der Gesellschaft. Opladen, S. 43–64

Falck, Hans S. 1997: Membership. Eine Theorie der Sozialen Arbeit. Stuttgart

-2015: Das Individuum und die Soziale Arbeit: Ethik und Wissenschaft. In: Marcus Hußmann und Timm Kunstreich (Hg.): Membership und soziale Gerechtigkeit. Der Hans-Falck-Reader. 1. Aufl. Weinheim, S. 12–23

Fraser, Nancy 1994: Widerspenstige Praktiken. Macht, Diskurs, Geschlecht. 1. Aufl. Frankfurt am Main

Freire, Paulo; Lange, Ernst 1981: Pädagogik der Unterdrückten. Bildung als Praxis der Freiheit. 64.-70.Taus. Reinbek bei Hamburg

Goffman, Erving 1973: Asyle. Über die soziale Situation psychiatrischer Patienten und anderer Insassen. 1. Aufl. Frankfurt am Main

Guattari, Félix; Osterwald, Grete 1976: Psychotherapie, Politik und die Aufgaben der institutionellen Analyse. Frankfurt a.M.

Jaeggi, Rahel 2007: Die im Dunkeln sieht man nicht: Hannah Arendts Theorie der Politisierung. In: Heinrich-Böll-Stiftung (Hg.): Hannah Arendt: Verborgene Tradition - unzeitgemässe Aktualität? Unter Mitarbeit von Stefanie Rosenmüller. Berlin: Akad.-Verl. (Deutsche Zeitschrift für Philosophie / Sonderband, 16), S. 241–250

Kant, Immanuel 1990: Kritik der reinen Vernunft (KrV). Hamburg. Online verfügbar unter http://www.worldcat.org/oclc/668945628

Kunstreich, Timm 1997-1998: Grundkurs Soziale Arbeit. Sieben Blicke auf Geschichte und Gegenwart Sozialer Arbeit. Hamburg

-2009: Kritik der Strafpolitik und die Suche nach Alternativen. In: Yorck Förster, Joachim Weber und Arne Winkelmann (Hg.): Leben unter Strafe. Kritische Kriminologie von der Gefängnisarchitektur bis zum Haftalltag am Beispiel der Vollzugsanstalt Mannheim. Aachen, S. 63–74

-2013: Transversale Relationsmuster - ein Vorschlag zur Bereicherung der kritischen Institutionenforschung. In: Ellen Bareis, Christian Kolbe, Marion Ott, Kerstin Rathgeb und Christian Schütte-Bäumner (Hg.): Episoden sozialer Ausschliessung. Definitionskämpfe und widerständige Praxen. Münster, S. 92–105

-2015: Membership und Dialogisches Prinzip als Basis einer partizipativen Sozialen Arbeit. In: Marcus Hußmann und Timm Kunstreich (Hg.): Membership und soziale Gerechtigkeit. Der Hans-Falck-Reader. 1. Aufl. Weinheim, S. 24–38

-2016: "Vorwärts - und nicht vergessen: die Politische Produktivität". In: neue praxis 46 (1), S. 20–32

Kunstreich, Timm; May, Michael 1999: Soziale Arbeit als Bildung des Sozialen und Bildung am Sozialen. In: WIDERSPRÜCHE 19 (73), S. 35–52

Langhanky, Michael; Frieß, Cornelia; Hußmann, Marcus; Kunstreich, Timm 2004: Erfolgreich sozial-räumlich handeln. Die Evaluation der Hamburger Kinder- und Familienhilfezentren. Bielefeld

Lefebvre, Henri 1977: Kritik des Alltagslebens. Mit e. Vorw. zur dt. Ausg. Kronberg/Ts

Luhmann, Niklas; Schorr, Karl-Eberhard 1982: Zwischen Technologie und Selbstreferenz. Fragen an die Pädagogik. 1. Aufl. Frankfurt am Main

Mannschatz, Eberhard 2003: Gemeinsame Aufgabenbewältigung als Medium sozialpädagogischer Tätigkeit. Denkanstösse für die Wiedergewinnung des Pädagogischen aus der Makarenko-Rezeption. 1. Aufl. Berlin

May, Michael 2004: Selbstregulierung. Eine neue Sicht auf die Sozialisation. Orig.-Ausg. Gießen

-2014: Auf dem Weg zu einem dialektisch-materialistischen Care-Begriff. In: WIDERSPRÜCHE 34 (134), S. 11–52

Müller, Burkhard 1997: Sozialpädagogisches Können. Ein Lehrbuch zur multiperspektivischen Fallarbeit. 3. Aufl. Freiburg im Breisgau

Negt, O.; Kluge, A. 1981: Geschichte und Eigensinn

Nietzsche, Friedrich 2005: Also sprach Zarathustra I-IV. Kritische Studienausgabe (KSA) Bd. 4. Neuausg. 2005 der 2., durchges. Aufl. München

Palmier, Jean-Michel 2009: Walter Benjamin. Lumpensammler, Engel und bucklicht Männlein : Ästhetik und Politik bei Walter Benjamin. Frankfurt am Main

Peirce, Charles S. 1991: Die Festlegung einer Überzeugung. In: Charles S. Peirce und Karl-Otto Apel (Hg.): Schriften zum Pragmatismus und Pragmatizismus. 1. Aufl. Frankfurt am Main, S. 149–181

-1991: Was heißt Pragmatismus? In: Charles S. Peirce und Karl-Otto Apel (Hg.): Schriften zum Pragmatismus und Pragmatizismus. 1. Aufl. Frankfurt am Main, S. 427–453

Peirce, Charles S.; Apel, Karl-Otto (Hg.) 1991: Schriften zum Pragmatismus und Pragmatizismus. 1. Aufl. Frankfurt am Main. Online verfügbar unter http://www.worldcat.org/oclc/34704495

Platon 1988: Apologie des Sokrates (Apol.). In: Plato, Kurt Hildebrandt, Constantin Ritter, Gustav Schneider und Otto Apelt: Sämtliche Dialoge, Bd. 1. Hamburg

Polanyi, Michael 1985: Implizites Wissen. 1. Aufl. Frankfurt am Main

Rogers, Carl R. 2012: Die klientenzentrierte Gesprächspsychotherapie. 19. Aufl. Frankfurt am Main

Rogers, Carl R.; Giere, Jacqueline 1973: Entwicklung der Persönlichkeit. Psychotherapie aus d. Sicht e. Therapeuten. Stuttgart

Sandel, Michael J. 2012: Was man für Geld nicht kaufen kann. Die moralischen Grenzen des Marktes. 5. Aufl. Berlin

Sorg, Richard 2009: Welches Wissenschaftsverständnis braucht die Sozialarbeitswissenschaft? . In: Bernd Birgmeier und Eric Mührel (Hg.): Die Sozialarbeitswissenschaft und ihre Theorie(n). Positionen, Kontroversen, Perspektiven. Wiesbaden, S. 29–40

Staub-Bernasconi, Silvia 2007: Soziale Arbeit als Handlungswissenschaft. Systemtheoretische Grundlagen und professionelle Praxis - ein Lehrbuch. 1. Aufl. Bern [u.a.]

Stern, Daniel N. et al 2012: Veränderungsprozesse. Ein integratives Paradigma. 1. Aufl. Frankfurt am Main

Sünker, Heinz 2011: Soziale Arbeit und Bildung. In: Werner Thole (Hg.): Grundriss Soziale Arbeit: Wiesbaden, S. 249–266

Szynka, Peter 2006: Theoretische und empirische Grundlagen des Community Organizing bei Saul D. Alinsky 1909-1972. [eine Rekonstruktion]. Bremen

Thiersch, Hans; Grundwald, Klaus; Köngeter, Stefan 2011: Lebensweltorientierte Soziale Arbeit. In: Werner Thole (Hg.): Grundriss Soziale Arbeit: Wiesbaden, S. 175–196

Tocqueville, Alexis de 1987: Über die Demokratie in Amerika. 2 Bde. Zürich

Vollrath, Ernst 1976: "That all Governments Rest on Opinion". In: Social Research (43), S. 46–61

-1977: Die Rekonstruktion der politischen Urteilskraft. 1. Aufl. Stuttgart

-1984: "Neue Wege der Klugheit". Zum methodischen Prinzip der Theorie des Handelns bei Clausewitz. In: zeitschrift für Politikwissenschaft 31, S. 52–76

-1995: Zwei Begriffe des Politischen? Jürgen Habermas und die störrische Faktizität des Politischen. In: Volker Gerhardt, Henning Ottmann und Martyn P. Thompson (Hg.): Politisches Denken Jahrbuch 1994. Stuttgart, S. 175–192

Weber, Joachim 2005: Maieutisch statt klinisch. Plädoyer für eine nicht-klinische Sozialarbeit. WIDERSPRÜCHE Heft 98. Online verfügbar unter http://weberj.twoday.net/topics/Ver%C3%B6ffentlichungen/, zuletzt geprüft am 29.04.2016

-2009: Begeisterung für die Macht als politische Grundhaltung. Ein Gegenentwurf zur deutschen Rezeption von Empowerment. In: WIDERSPRÜCHE 30 (112), S. 7–22

-2009: Respekt vor dem Unverwechselbaren. Diakonische Haltung des Staunens jenseits von Nächstenliebe und Expertentum. In: Matthias Nauerth, Marcus Hussmann und Michael Lindenberg (Hg.): Schon lange unterwegs! Und jetzt: wohin? Reflexionen zu Geschichte, Gegenwart und Zukunft der Diakonie anlässlich des Wichernjahres 2008. München, 16), S. 159–174

-2012: Sich einlassen auf Praxis. Grundzüge einer Grammatik des klugen Taktes jenseits professioneller Methodenkompetenz. In: WIDERSPRÜCHE (125), S. im Erscheinen

-2014: Soziale Arbeit aus Überzeugung. Ethische Perspektiven auf sozialpädagogische Praxis. Opladen [u.a.]

-2016: Religionslosigkeit, Fundamentalismus und radikale Weltliebe. In: WIDERSPRÜCHE 36 (140), im Erscheinen

-2016: Sich nicht dumm machen lassen! Ebenen der Reflexivität in der Erziehungswissenschaft. In: neue praxis, S. im Erscheinen



[1] Vgl. dazu Blochs (1980) Unterscheidung zwischen dem formal bzw. sachlich-objektiv Möglichen (258ff.), dem sachhaft-objektgemäß Möglichen (264) insbesondere der dortigen Unterscheidung zwischen inneren und äußeren Bedingungen (267) sowie dem objektiv-real Möglichen (271ff.)

[2] Nach Palmier 2009: 1044 zeichnet sich die Aura bei Benjamin zunächst durch unverwechselbare Gegenwärtigkeit aus, die uns überraschend ergreift, unseren unmittelbaren Handlungsimpuls anhält und uns auf diese Weise in ein spezifisches Verhältnis von Nähe und Distanz bringt. Die Haltung gegenüber der Aura kann als Staunen (Weber 2008) beschrieben werden. Ebenso wie die Aura eines Gegenstandes unsichtbar ist, so wird der Gegenstand mittels der Aura auf das Unsichtbare an ihm hin transzendiert. Dazu gehört auch das Eingebettetsein des Gegenstandes in sein Umfeld, von dem wir mit ergriffen werden, das derart ausstrahlt, dass wir mit ihm verschmelzen. Benjamin thematisiert die Aura im Zusammenhang mit dem Kunstwerk, sieht aber dabei gerade das Menschengesicht als Winken der Aura (Benjamin 2011: 581), während die Reproduktion die Aura zertrümmert und Gegenstände in massenhafte Materie verwandelt (574).

[3] „In der Leidenschaft, mit der die Liebe nur das Wer des Anderen ergreift, geht der weltliche Zwischenraum, durch den wir mit anderen verbunden und zugleich von ihnen getrennt sind, gleichsam in Flammen auf. Was die Liebenden von der Mitwelt trennt, ist, daß sie weltlos sind, daß die Welt zwischen den Liebenden verbrannt ist.“ 1999, S.309

[4] „Handeln und Sprechen bewegen sich in dem Bereich, der zwischen Menschen qua Menschen liegt, sie richten sich unmittelbar an die Mitwelt, in der sie die jeweils Handelnden und Sprechenden auch dann zum Vorschein und ins Spiel bringen, wenn ihr eigentlicher Inhalt ganz und gar ‚objektiv‘ ist, wenn es sich um Dinge handelt, welche die Welt angehen, also den Zwischenraum, in dem Menschen sich bewegen und ihren jeweiligen, objektiv-weltlichen Interessen nachgehen. Diese Interessen sind im ursprünglichen Wortsinn das, was ‚inter-est‘, was dazwischen liegt und die Bezüge herstellt und zugleich voneinander scheiden.“ Arendt 1999: 224

[5] So schreibt Arendt im Rückgriff auf die jeweils zweifache Wortbelegung im Griechischen für Handeln (archein – prattein bzw. agere – gerere): „etwas wird begonnen oder in Bewegung gesetzt von einem einzelnen, der anführt, woraufhin ihm viele gleichsam zu Hilfe eilen, um das Begonnene weiter zu betreiben und zu vollenden.“ 1999: 235

[6] Zur kritischen Analyse der Begriffswahl „Ermittlungstätigkeit“ bei Richmond vgl. Anhorn 2012: 235f. Anm.8

[7] Dies gilt insbesondere dann, wenn diese Grenzen durch gesellschaftliche Mythen verschleiert sind, damit bestimmte Gruppen ihre Möglichkeiten tunlichst nicht zur Entfaltung bringen (vgl. Freire 1981: 84f.)

[8] Seit der Entstehung der Sozialen Arbeit im Kontext ihrer Professionalisierung spielen Überlegungen zur helfenden Beziehung eine besondere Rolle vgl. Anhorn 2012: 233

[9] Zum Begriff der Selbstexploration vgl. Rogers (1973; 2012), dessen Ansatz klientenzentrierter Gesprächsführung eine zentrale Bedeutung für die sozialpädagogische Gesprächsführung hat.

[10] Zur dyadischen Theorie menschlicher Beziehung vgl. insb. Buber 2014

[11] Kunstreich 2016; vgl. zur Adaption der Settlement-Idee auf die Kinder- und Jugendhilfe in der Gegenwart: Langhanky u.a. 2004

[12] Zum Mechanismus der Verwandlung von sozialen Situationen in Privatisierungsmuster durch die Implementierung von Anreizsystemen vgl. Sandel 2012

[13] Vgl. die etymologische Wurzel von Macht von möglich, pouvoir, power potentia von posse, dynamis – also Können (vgl. Arendt 1999: 252)

[14] Zur Politisierung scheinbar natürlicher Bedürfnisinterpretationen vgl. Fraser 1994: 243 und 253ff.