Asylbewerber*innen als Nachbarn? Arglistige Täuschung!

In Traunstein wurde ein Haus verkauft. Die Verkäuferin, die selbst auf dem Grundstück nebenan wohnt, wünschte sich eine ruhige  Nachbarschaft. Sie erklärte vor dem Verkauf, dass das Haus entweder für kleinere Wohnungen umgebaut oder an eine Familie mit Kindern vermietet werden sollte. Die spätere Käuferin gestaltete das Haus dann aber in eine Unterkunft für bis zu 30 Asylbewerber*innen um. Die Verkäuferin klagte und machte im Prozess geltend, dass Nachbar*innen sie für Unordnung vor der Unterkunft verantwortlich machen würden. Zudem hätte ihr eigenes benachbartes Haus, nun an Wert verloren. Sie fühlte sich von der Käuferin arglistig getäuscht. Das Landgericht Traunstein sah jedoch keinen Unterschied darin, ob Flüchtlinge oder deutsche Mieter*innen in das Haus einzögen und verneinte die Täuschung.

Die nächsthöhere Instanz hingegen sah das anders. Das Oberlandesgericht (OLG) München hob das erstinstanzliche Urteil auf und ordnete die Rückabwicklung des Kaufvertrags an (Az. 3 U 2586/14). Das OLG war der Ansicht, dass es für die Verkäuferin bei Vertragsschluss auf die zukünftigen Bewohner*innen ankam. Asylbewerber*innen sollten dies nicht sein. Das Gericht erläuterte weiter, dass die Beklagte von Anfang an mit dem Landkreis Traunstein, welcher händeringend nach Unterkünften für Flüchtlinge suchte, in Kontakt gestanden habe. Es warf der Beklagten vor, die Verkäuferin aktiv über die geplante Nutzung getäuscht zu haben. Auch vorvertragliche Auf klärungspflichten habe sie verletzt, da sie nicht alle Umstände, die für die Willensbildung des anderen Teils von ausschlaggebender Bedeutung sind, offenbart habe. Das OLG erklärte, dass es nicht darauf ankomme, ob und inwieweit es tatsächlich zu Belästigungen von den neuen Bewohner*innen kommen würde und ob dadurch ein Wertverlust am eigenen Haus entstanden ist. Der BGH schloss sich am 25.11.2015 dieser Auffassung an. Das Urteil ist damit rechtskräftig. Auch wenn das Gericht explizit offenließ, ob Asylbewerber*innen im Nachbarhaus einen wertmindernden Faktor darstellen, verfestigt dieses Urteil eine Rechtsprechung, die es klagewütigen Anwohner*innen möglich macht, ihre Wohnviertel „sauber“ zu halten. Diese Rechtsprechung klärt dabei nicht die Frage, ob die rassistischen Vorstellungen der Verkäuferin auch unter normativen Gesichtspunkten beachtlich sind. So könnte – in Anlehnung an Fälle, in denen der*die potenzielle Arbeitgeber*in nach einer Schwangerschaft fragt – ein „Recht zur Lüge“ angenommen werden, wenn nur so rassistische Diskriminierung verhindert werden kann.