Archiv

Fremd gemacht werden

Fatima El-Tayebs Buch Undeutsch ist eine kritische Auseinandersetzung mit rassistischen Machtstrukturen innerhalb der europäischen und insbesondere der deutschen Gesellschaft seit dem Mauerfall 1989. Die Historikerin veranschaulicht anhand von Beispielen aus der jüngeren Vergangenheit wie der Debatte um die Kölner Silvesternacht, um das Humboldt-Forum oder um das Mahnmal für die von den Nazis ermordeten RomNija und SintEzza, wie People of Color zu ,undeutschen‘ Fremden gemacht werden. Dabei kritisiert El-Tayeb das hegemoniale Narrativ von Deutschland und Europa als weißen und christlich sozialisierten Gemeinschaften sowie die ausbleibende Konfrontation mit der kolonialen Vergangenheit. Sie demonstriert, wie MuslimInnen, Schwarze wie auch SintEzza und RomNija als Minorisierte mit langer deutscher Geschichte noch heute in stets gleichen Zyklen als ‚Fremde‘ markiert werden.

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Wenn Konzerne klagen können

Internationale Wirtschaftsabkommen schränken demokratische Rechte ein

Wenn Staaten wie die Philippinen, Ecuador oder Rumänien transnationale Bergbaukonzerne in ökologische und soziale Schranken weisen wollen, sehen sie sich vor ein großes Problem gestellt: Verschiedene Handels- und Investitionsabkommen sichern den Konzernen die Möglichkeit zu, vor nichtstaatlichen Schiedsgerichten gegen unliebsame Auflagen zu klagen und Schadensersatz zu fordern. Entgegen anders lautenden Gerüchten trägt auch CETA zu solcher Lähmung von Umwelt- und Sozialpolitik bei.

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Unsere Trump Card

Hefteditorial iz3w 358 (Januar/Februar 2017)

Es gibt Jahre, in denen vieles gut läuft, und andere, die uns noch lange als schlecht in Erinnerung bleiben werden. So wie das Jahr 2016, das mit dem globalen Aufstieg des Rechtspopulismus verbunden ist. Die Wahl des Grusel-Clowns Donald Trump zum Präsidenten der Weltmacht USA war dabei nur der Höhepunkt einer Entwicklung, die sich schon durchs ganze Jahr gezogen hatte. In Deutschland etablierte sich die AfD gleich bei mehreren Wahlen als politische Kraft, an der keine Talkshow mehr glaubt vorbeikommen zu können. Die Briten verwechselten mehrheitlich EU-Kritik mit dumpfem Nationalismus, und in Kolumbien stimmte die von einem rechten Krieger aufgehetzte Bevölkerung gegen den Friedensvertrag. Das erschütternd gute Abschneiden des Rechtspopulisten Norbert Hofer bei den österreichischen Präsidentschaftswahlen war dann kurz vor Jahresende der nächste Tiefschlag.

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Explosion der Kreativität

Im äthiopischen Pop und Jazz mischt sich das Beste aus verschiedenen Welten

Soul, Funk, Fusion und Jazz erlebten in den 1960er und 70er Jahren in Äthiopien eine Blütezeit. Sie ging erst zu Ende, als das sozialistische Mengistu-Regime die freie Musikszene drangsalierte. Bislang nur unter KennerInnen bekannt, erleben äthiopische Sounds inzwischen ein Revival – durch Wiederveröffentlichungen, Tourneen und neue Bands.

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Afropolitane Kultur und Literatur

Hefteditorial iz3w 357 (Nov./Dez. 2016)

Als die Romanschriftstellerin Taiye Selasi vor über zehn Jahren in einem Essay den Begriff »Afropolitan« kreierte, löste sie eine lebendige Debatte aus.  Der semantische Ursprung ihrer Neuschöpfung liegt in den Wörtern »African« und »Cosmopolitan«. Afropolitan will Schwarze Identitäten dem Kontext von Diskriminierung, Armut und Unterdrückung entreißen und stattdessen jene empowern, die sich nicht darunter subsumieren lassen wollen. So zeichnet Selasi das Bild einer intellektuellen, urbanen Avantgarde: Eine neue Generation afrikanischer AuswanderInnen und ihrer Nachfahren, erfolgreich, gebildet und wohlhabend. AfropolitInnen sind aktive MitgestalterInnen der globalisierten Welt (und damit genau das, was People of Colour Jahrhunderte lang von rassistischer Ideologie abgesprochen wurde). Selasi definiert AfropolitInnen nicht als WeltbürgerInnen, sondern als »WeltafrikanerInnen«, die in Metropolen und zwischen scheinbar bezugslosen Welten zu Hause sind.

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#rouhaninotwelcome

Editorial zum Themenschwerpunkt der iz3w 357 (November/Dezember 2016)

Der Besuch eines iranischen Staatsoberhauptes in Berlin ist immer ein Politikum. Als am 2. Juni 1967 Schah Pahlevi seine »Jubelperser« DemonstrantInnen niederknüppeln ließ, war dies ein wichtiges Moment bei der Formierung der Außerparlamentarischen Opposition in der BRD. Eine neue APO ist zwar kaum zu erwarten, wenn der Präsident der Islamischen Republik, Hassan Rouhani, demnächst in Berlin für gute Beziehungen zwischen Deutschland und Iran wirbt. Aber Proteste gegen den noch nicht genau terminierten Besuch sind bereits angekündigt: Iran-kritische Initiativen wie Stop the Bomb rufen für den Tag X zu einer Kundgebung auf. »Kein Roter Teppich für Rouhani« fordern sie, denn er sei »das grinsende Gesicht des Terrors«.

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Brasilianische »Laudatio sí«

Kommentar

In Mexiko seufzen sie gern »zu weit von Gott, zu nah an den USA«. Ganz anders in Brasilien: Dort frohlockte man in den 2000er Jahren links wie rechts ungeniert »Gott ist Brasilianer«. Zurück geht das Bonmot auf den Präsident gewordenen Gewerkschafter Inácio »Lula« da Silva. Die gewaltigen Ölfunde vor der Küste ließen 2007 nicht nur die geschätzten Vorkommen des Landes anschwellen, auch das nationale Ego ging durch die Decke. Internationalismus hin oder her, im Konzert der ganz Großen mitzuspielen sei bei allen natürlichen und humanen Ressourcen einfach unvermeidlich und, nun ja, höheren Kräften geschuldet.

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Grenzenlos beschämend

Homophobie treibt LGBT-Personen in die Flucht

In 73 Ländern weltweit ist Homosexualität unter Strafe gestellt. Demgegenüber gewähren nur 42 Länder Asyl, wenn ein begründeter Verdacht vorliegt, dass eine Person aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder ihres sozialen Geschlechtes verfolgt wird. Bis heute ist Homophobie nur selten ein anerkannter Fluchtgrund – obwohl die Gewalt gegen LGBT-Personen (Lesbian, Gay, Bi, Transsexual) zunimmt.

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Warum sie fliehen mussten

Editorial zum Dossier der iz3w 356 (Sept./Okt. 2016)

»Flucht geht uns alle an. Sie ist ein Spiegel der Welt, in der wir leben. Wir sind im Jahr 2016, in einer hoch technologisierten Ära der menschlichen Zivilisation. Aber mehr als 65 Millionen Menschen sind auf der Flucht. Was für eine Art von Entwicklung haben wir erreicht?« Mit diesen Worten verdeutlicht der aus Sri Lanka geflohene Aktivist Krishan Rajapakshe, warum es auch im sicheren Deutschland vonnöten ist, sich mit Fluchtursachen zu befassen.

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Katastrophen und kernige Kerle

Hefteditorial iz3w 356 (Sept./Okt. 2016)

Terroranschläge, Kriege und Krisen: Im Jahr 2016 treten sie in beängstigender Weise gehäuft auf. Sie hinterlassen ein immer stärker werdendes Gefühl der Bedrohung und der Unsicherheit. Es gesellt sich zum Unbehagen, das viele Menschen ohnehin gegenüber der kapitalistischen (Post-)Moderne und ihren Umbrüchen empfinden. Zwar sind die Auswirkungen der Krisen von Land zu Land und von Kontinent zu Kontinent unterschiedlich gravierend. Aber es gibt weltweit eine ähnliche Reaktion darauf: Der immer lauter werdende Ruf nach dem starken Mann.

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»So wird ein Stück Südafrika in die Welt getragen«

Interview mit dem Ausstellungsmacher Reto Ulrich über afrikanische Comics

Reto Ulrich, Mitarbeiter des Dokumentationszentrums Basler Afrika Bibliographien (BAB), hat zusammen mit Corinne Lüthy, Antonio Uribe und einer Gruppe Studierender der Universität Basel eine Ausstellung über Comics aus dem südlichen Afrika kuratiert (siehe iz3w 354). Neben einem Querschnitt über zeitgenössische Comic-Kunst aus afrikanischen Ländern, die von westlichen Verlagen weitgehend ignoriert werden, zeigte die Ausstellung »Kaboom! Afrikanische Comics im Fokus« auch Beispiele jener visuellen Klischees und Stereotype, mit denen westliche Comics Afrikanerinnen und Afrikaner dargestellt haben – und es in vielen Fällen bis heute tun. Alexander Sancho-Rauschel hat mit dem Kurator Reto Ulrich in Basel in den Räumen der Basler Afrika Bibliographien über die kaum bekannte Vielfalt afrikanischer Comic-KünstlerInnen gesprochen.

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Teile und herrsche

Warum Separatismus zwiespältig ist

Dem Wunsch von Bevölkerungsgruppen, sich von einem Zentralstaat loszusagen, wird von links wie rechts mit viel Verständnis begegnet. Dafür gibt es nachvollziehbare Gründe, wie etwa die Unterdrückung von Minderheiten. Doch eine kritische Bilanz separatistischer Bestrebungen zeigt: Gewonnen ist mit den Abspaltungen meist nichts.

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Separatismus

Editorial zum Themenschwerpunkt der iz3w 355 (Juli/August 2016)

»Unendlicher Spaß« von David Foster Wallace ist einer der stärksten dystopischen Romane der letzten Dekaden. Die kaputte Konkurrenzgesellschaft der zukünftigen Organisation Nordamerikanischer Nationen ONAN (USA, Mexiko und Kanada) ist sozial gespalten. Die Eliten halten dem Leistungsdruck nur mithilfe illegaler leistungssteigernder Drogen stand, und die abgehängten Unterschichten managen ihre Ausgrenzung mithilfe von Billigdrogen.

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Ein großes Übel

Hefteditorial iz3w 354 (Mai/Juni 2016)

Vor einigen Wochen bei einem Wahlkampfauftritt von Angela Merkel in Freiburg: DemonstrantInnen versammeln sich, um lautstark ihre Meinung kund zu tun: »Haut ab, haut ab!« Noch vor einem Jahr wäre davon auszugehen gewesen, dass sich der Protest gegen die Kanzlerin richtet: Gegen ihre knallharte Austeritätspolitik samt Demütigung der GriechInnen, gegen Bundeswehreinsätze im Ausland, gegen die Aufrüstung von Frontex und vieles mehr.

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Inszenierte Partystimmung

Eine Exkursion in die Olympiastadt Rio de Janeiro

Rio de Janeiro nutzt die Olympischen Spiele, um grundlegende stadtpolitische Weichenstellungen durchzuführen. Die Stadt tut alles für ihren Auftritt als touristisch attraktive Megacity. In dem hier präsentierten Reisetagebuch geht es um Begegnungen mit Menschen, die sich gegen die damit einhergehende Vertreibung zur Wehr setzen.

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Spiele von oben - Olympia in Rio de Janeiro

Editorial zum Dossier der iz3w 353 (März/April 2016)

Nein danke“ hieß es in Hamburg und München, als die dortige Bevölkerung über die Olympiabewerbungen abstimmte. Die EinwohnerInnen von Rio de Janeiro hätten vielleicht auch dankend abgelehnt, wenn sie denn je gefragt worden wären. Die olympischen Sommerspiele 2016 werden in Rio stattfinden, aber wie schon die Männer-Fußball-WM 2014 nicht auf allgemeine Zustimmung stoßen. Mehr und mehr macht sich auch in Brasilien die Erkenntnis breit, dass die Zeit der euphorisch gefeierten Megaprojekte vorbei sein könnte. Zu viele Nebenwirkungen wie Vertreibung, Verschuldung und Verschwendung wurden bisher ausgeblendet.

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Die Macht des Todes

Warum die Gewalt in Mexiko endemisch geworden ist

Seit Jahren erregt die grassierende mörderische Gewalt in Mexiko internationales Aufsehen. Morde werden nicht nur demonstrativ an Frauen und Oppositionellen, sondern auch von Kriminellen untereinander begangen. Wie konnte es dazu kommen, dass die Gewalt so eskalierte? Welche Rolle spielt der Staat dabei? Und welcher Widerstand regt sich gegen die Herrschaft dieser Nekropolitik?

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Es gibt Lernbedarf

Editorial iz3w 353 (März/April 2016)

Es muss ein hartes Wochenende gewesen sein, mit langen Nachtschichten, vor allem aber unerfreulichen Vorfällen. Jedenfalls lagen die Nerven blank bei den BetreiberInnen des Freiburger Szene-Clubs White Rabbit. Anders ist nicht zu erklären, warum das Kollektiv wenige Tage später in einer internen Email ankündigte, »dass wir vorerst keine Menschen mehr in das White Rabbit reinlassen werden, die nur eine Aufenthaltsgestattung besitzen.«

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