Das Internet und die Medienriesen

Redaktionelle Vorbemerkung

Robert McChesneys 1999 von der University of Illinois Press (Chicago) veröffentlichtes Buch Rich media, poor democracy: communication politics in dubious times hat das Zeug, zum internationalen Standardwerk über Vermarktung und Vermachtung der Medien an der Schwelle des 21. Jahrhunderts zu werden. Dass es vorrangig (aber nicht nur) auf us-amerikanische Fakten rekurriert, tut der internationalen Geltung keinen Abbruch, da herausgearbeitet wird, dass in zehn Jahren sechs US-Medienkonzerne die globale Kommunikations- und Kulturindustrie beherrschen werden. Leitender Gesichtspunkt ist der wachsende Widerspruch zwischen den Kommunikationserfordernissen liberal-demokratischer Gesellschaften und dem "profitorientierten, hochkonzentrierten, werbungsgesättigten Medienkonzern-System" (IX). Mit freundlicher Genehmigung des Autors und seines Verlags bringen wir einen Auszug aus dem dritten Kapitel Will the Internet Set Us Free? (ohne die im Buch für alle Zitate präzis angegebenen Nachweise) in der Übersetzung von Britta Fredrich. WFH

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Die Medienfirmen und die Medienindustrie sind sowohl am elektronischen Handel als auch an der Errichtung rentabler kommerzieller Portale unmittelbar beteiligt. Doch dies sind nur Zwischenschritte auf dem Weg der Medienunternehmen, zusätzlich zum digitalen Fernsehen ihre Herrschaft auch auf den Cyberspace auszudehnen. "Für die herkömmlichen Medienunternehmen",

bemerkte die New York Times zurecht, "stellt das digitale Zeitalter eine echte Bedrohung dar." Die große Gefahr für die Medienfirmen besteht darin, dass das Internet eine neue Generation kommerzieller Konkurrenten hervorbringen könnte, die die vergleichsweise winzigen Produktions- und v.a. Vertriebskosten im Internet ausnutzen. "Die Unterhaltungsindustrie hat Angst davor, vom Internet ebenso überrumpelt zu werden wie die Sendenetzwerke in den 1980er Jahren vom Kabel überrumpelt wurden", sagte ein Wirtschaftsberater. Die größte Angst ist, dass das Breitband-Internet zu einem völlig neuen Mediensystem führt, in dem die riesigen Medienfirmen obsolet und überflüssig sind. Doch es bleibt abzuwarten, welchen genauen Platz das Internet und/oder irgendein anderes digitales Kommunikationsnetzwerk in der globalen Medienlandschaft in zehn oder 20 Jahren einnehmen wird. Auch für den Time Warner-Chef, Gerald Levin, ist es "noch nicht klar, wo man damit Geld verdient".

Doch auch wenn das Internet noch lange braucht, um sich als kommerzielles Medium zu entwickeln, so nimmt es auch jetzt schon einen Teil jener Zeit in Anspruch, die die Menschen bisher den traditionellen Medien gewidmet hatten. Eine Marketingstudie von 1998 zeigte, dass 64 Prozent der regelmäßigen Intenet-Nutzer angaben, jetzt weniger fernzusehen als vor ihrem Eintritt in den Cyberspace und 48 Prozent von ihnen lasen weniger. Eine AC Nielsen Studie, die Ende 1998 erstellt wurde, ergab, dass Haushalte mit Internet insgesamt 15 Prozent weniger fernsahen als unangeschlossene Haushalte. Selbst wenn also das Intenet keine neue Generation erfolgreicher Medienproduzenten und -riesen hervorbringen sollte, so hat es doch sichtbare Folgen für die Medienfirmen und entgeht nicht deren Aufmerksamkeit. Seit Mitte der 1990er Jahre bauen die Medienriesen ihre Online-Präsenz auf, um nicht aus dem sich entwickelnden digitalen System herausgedrängt zu werden.

Die meisten Internet-Aktivitäten der herkömmlichen Medienfirmen waren Defizitprojekte und manche waren wahre Katastrophen. Time Warners Pathfinder Webseite z.B. startete 1994 mit der Vision, das Internet zu beherrschen und wuchs sich stattdessen zu einem "Schwarzen Loch" in der Bilanz aus. Auch das New Century Network, eine Website, die aus 140 Zeitungen der neun größten Zeitungsketten bestand, war ein so großes Fiasko, dass es 1998 dichtgemacht wurde. Aber keine der Medienfirmen hat die Entschlossenheit verloren, ein maßgeblicher Faktor im Cyberspace zu werden oder ihn gar zu beherrschen. Internet-"Verluste scheinen der Schlüssel zur Zukunft zu sein", meinte ein Medienmitarbeiter. Und dies ist einer der charakteristischen Unterschiede in der Herangehensweise der Medienfirmen an das Internet im Vergleich zu Unternehmern, die das Internet nutzen wollen, um Medien-Inhaltslieferanten (media content providers) zu werden: die Medienfirmen planen sehr langfristig und haben sehr große Geldbeutel. Sie können es sich einfach nicht leisten, das Schiff zu verlassen.

Am Ende der 1990er Jahre sind alle großen Medien in erheblichem Umfang im Netz aktiv. Die Medienfirmen nutzen ihre Websites zumindest, um Interesse für ihr traditionelles Medienangebot zu wecken. Das wird für eine vergleichsweise billige Möglichkeit gehalten, den Verkauf auszudehnen. Einige Medienfirmen dublizieren ihre herkömmlichen Programme oder senden sogar ihre Radio- oder Fernsehsignale über das Netz, natürlich einschließlich der Werbung. Die Zeitungsindustrie hat sich von dem New Century Network-Debakel erholt und hat mehrere Sites, um sich nicht die Einnahmen aus Kleinanzeigen entgehen zu lassen, die online erscheinen. Doch die meisten Medienfirmen gehen im Netz noch viel weiter. Viacom z.B. hat umfangreiche Websites für sein MTV und seine Nickelodeon Kabel TV Kanäle, die "Online-Synergien" produzieren sollen. Solche Synergien entstehen, wenn das herkömmliche Angebot durch eine interaktive Komponente und zusätzliche redaktionelle Dimension ausgebaut wird; v.a. produzieren Websites aber Synergien, indem sie die Möglichkeit zum elektronischen Handel mit Produkten anbieten, die mit der Seite etwas zu tun haben. Viele andere kommerzielle Websites haben das Einkaufen im Internet direkt in ihren redaktionellen Teil integriert. Netz-Verleger "müssen wie Händler denken", bemerkt dazu ein Medienangestellter. Elektronischer Handel wird heute als bedeutende Einkommensquelle für Websites der Medien betrachtet; alles in allem sind die Ähnlichkeiten zwischen dem digitalen Fernsehen und den Entwicklungen im Internet auffällig.

Tatsächlich erscheint es am Ende der 1990er Jahre so unwahrscheinlich wie nie zuvor, dass es für neue Medien-Inhaltslieferanten im Internet (Internet content providers) möglich sein könnte, die traditionellen Medien zu beseitigen. 1998 wurde in der Online-Medienindustrie massiv ausgesiebt, weil kleinere Mitspieler sich nicht mehr über Wasser halten konnten. Forrester Research schätzte, dass sich die Kosten für eine "Durchschnittsinhalts"-Website ("average-content" website) bis 1998 um ein Dreifaches auf 3,1 Millionen Dollar erhöht haben und sich bis zum Jahr 2000 erneut verdoppeln würden. "Während sich die großen Namen im Internet etablieren", schrieb der Economist 1998, "geht es denjenigen content sites, die organisch aus dem neuen Medium erwachsen sind, schlecht". Sogar ein Unternehmen mit so großen finanziellen Resourcen wie Microsoft misslang der Versuch, ein Online-Inhaltslieferant (online content provider) zu werden, worauf diese Unternehmung Anfang 1998 eingestellt wurde. "Man muss ehrlich sagen, dass Unterhaltung im Internet nicht wie erwartet eingeschlagen ist", sagte ein Microsoft Mitarbeiter. Telekom- und Computerfirmen, die dabei sind, Internet-Inhalte zu entwickeln, werden jetzt Partnerschaften mit den großen Medienkonzernen eingehen. Im Mai 1998 waren Dreiviertel der 31 meistbesuchten Nachrichten- und Unterhaltungs-Websites mit großen Medienunternehmen verknüpft und fast alle anderen waren mit outfits wie AOL und Microsoft verbunden.

Wir können jetzt sehen, dass jene, die prognostiziert hatten, die Medienriesen würden am "Eisberg" Internet zerschellen, die Macht der Technologie überschätzten und nicht verstanden haben, wie der Markt wirklich funktioniert. Außer der Tatsache, dass die Medienriesen über große Geldbeutel verfügen und langfristig operieren können, genießen sie gegenüber potenziellen Eindringlingen in ihre Lehnsherrschaften fünf weitere Vorteile. Erstens können sie die digitalen Programme ihrer anderen Unternehmungen mit geringen Mehrkosten ins Netz stellen. Allein das ist schon ein riesiger Vorteil gegenüber Firmen, die Original-Inhalte aus dem Nichts erstellen müssen. Zweitens können sie ihre Websites ununterbrochen in ihren traditionellen Medien bewerben, um Publikum anzuziehen. Die Medienriesen können ihr Publikum zu ihren Seiten im Internet lotsen. Spätestens 1998 war klar, dass die einzige Möglichkeit für einen Programmanbieter im Internet, Nutzer zu sich zu lenken, darin besteht, Werbeplätze in den herkömmlichen Medien der Medienriesen zu kaufen. (Das Portal Yahoo! wirbt nicht nur ausgiebig im Fernsehen für seine Dienste, sondern hat auch für Warenplazierung (Product Placement) zur besten Sendezeit in Fernsehshows wie Ally McBeal und Caroline in the City gesorgt.) Andernfalls würde eine Internet-Website zwischen den Millionen anderer Netzadressen untergehen. Für den Chefredakteur von MSNBC im Internet ist die Verknüpfung der Website mit der bereits bestehenden Medientätigkeit "die Crux bei diesem Thema; dies wird uns dabei helfen, aus einem überfüllten Markt herauszuragen". Ein "Offline-Markenname", bemerkte ein Wirtschaftsblatt, "ist auch entscheidend, um Besucherströme anzuziehen". Die führenden Medien-"Marken" haben als erste Gebühren für ihre Netzangebote erhoben; ja, sie sind wohl die einzigen Unternehmen, für die das überhaupt in Frage kommt.

Drittens haben die Medienfirmen als Besitzer der "Marken" mit dem höchsten Bekanntheitsgrad die Macht, die ersten Plätze bei den Herstellern von Browser Software und Portalen zu bekommen. Der neue Microsoft Internet Explorer 4.0 bietet 250 hervorgehobene Kanäle an, und die "Top-Positionen" gehören Disney und Time Warner. Ähnliche Arrangements finden mit Netscape und Pointcast statt. Tatsächlich sind die Portale im Wettbewerb um die Nutzer darauf aus, ein "hollywoodmäßiges Programm" zu fördern. Sie haben de facto keine andere Wahl. 1998 schloss z.B. @Home einen umfassenden Vertrag mit Viacoms MTV, um einen Musikprogrammdienst mit einem Markennamen zu entwickeln. Auch die anderen Portale arrangieren sich mit Musik-websites, Plattenfirmen und Einzelhändlern. Viertens, und dies hängt mit den großen Geldbeuteln zusammen, sind die Medienriesen aggressive Investoren in Startup-Medienunternehmen im Internet. Ungefähr die Hälfte des Risikokapitals für inhaltsorientierte Internet Startups kommt von etablierten Medienfirmen. Die Tribune Company z.B. ist Teilhaber bei 15 Internet-Unternehmen, darunter die Portale AOL, Excite und iVillage, mit Frauen als Zielgruppe. Einige Medienriesen wie Bertelsmann und Sony haben offensichtlich von Neuerwerbungen im traditionellen Medienbereich abgesehen, um fast ihre gesamten Mittel in die Erweiterung ihrer Internetpräsenz stecken zu können. GEs NBC hat diese Strategie wohl am konsequentesten verfolgt. Um alle Bereiche abzudecken, hat GE mehr als zwei Milliarden Dollar in mehr als 20 Internetfirmen investiert, zusätzlich zu NBCs eigenen Netzaktivitäten. "Man möchte dabei sein, wo auch immer die Sache abgeht", sagt ein Wirtschaftsanalytiker. "Aber es gibt keine klare Strategie." Fazit: wenn eine neue Firma eine vielversprechende geschäftliche Zukunft zu haben scheint, dann sind die Medienriesen schon auf dem Sprung, daran zu verdienen, statt sich begraben zu lassen.

Fünftens stehen die Medienriesen schon in den Startlöchern, um sich den größten Teil der Erlöse aus dem sich entwickelnden Werbegeschäft zu sichern. Die Ausgaben für Online-Werbung beliefen sich 1997 auf 900 Millionen Dollar, und einige erwarten, dass sie bis zum Jahr 2000 eine Höhe von 5 Milliarden Dollar erreichen könnten. (Dabei sollte nicht vergessen werden, dass auch dies nur drei Prozent der gesamten US-Werbeausgaben des Jahres sein würden, was erneut verdeutlicht, wie lang der Weg bis zum Zeitalter einer Internet-Dominanz noch ist.) Die Medienriesen haben eine lange und enge Beziehung zur Werbewirtschaft und arbeiten eng mit ihr zusammen, um Werbung im Netz rentabel zu machen. Sie bringen die großen Werbekunden dazu, auch ihre Online-Unternehmungen zu nutzen, indem sie dies in die Verträge über die Werbung in ihren traditionellen Medien aufnehmen. Internet-Werbung übertrifft sogar den potenziellen Nutzen von Werbung im digitalen Fernsehen. Die Werbespots können auf einzelne Individuen und ganz spezielle Märkte zugeschnitten werden. Am effektivsten ist Internet-Werbung, wenn sie mit E-Commerce verschmilzt und die riesige im Internet verfügbare Menge von Informationen über Konsumenten nutzt, um potenzielle Kunden aufzuspüren, einen maßgeschneiderten Spot auf sie abzufeuern und sofort einen Kaufvertrag abzuschließen.

Die Verschmelzung von Werbung und E-Commerce ist für bestimmte Produkte ideal, würde aber beim überwiegenden Teil der Werbung kaum funktionieren. Die meisten Produkte, die in den herkömmlichen Medien beworben werden, haben "geringen Bezug" (low involvement). Das bedeutet, dass die Menschen nicht an dieser Werbung interessiert sind und sie vermeiden würden, wenn sie dazu die Möglichkeit hätten. Der größte Teil der Werbung ist für Produkte, die sich in Bezug auf Qualität und Preis bei den wichtigsten konkurrierenden Herstellern nur minimal unterscheiden, so dass die eigentliche Werbung wesensfremde Elemente betonen muss um die Konsumenten für ein Produkt zu gewinnen. Dieser Form der "Image"-Werbung, die im Fernsehen seit Jahrzehnten von großer Bedeutung ist, werden im Internet keine Chancen eingeräumt. Das Internet macht es fast unmöglich, die Konsumenten für die Dauer der Werbung einzupferchen. Der ursprüngliche Trend zu unauffälliger Bannerwerbung auf Internet-Websites, die die Nutzer freiwillig anklicken konnten, um Details über ein Produkt zu erfahren, wurde allgemein als Blindgänger eingeschätzt. Ein Wirtschaftsautor brachte die schlimmsten Befürchtungen der Werbewirtschaft auf den Punkt als er bemerkte: "Diese ganzen Werbeleute, die davon leben, jedermanns Zeit zu verschwenden, müssen für sich vielleicht neue Auftrittsorte suchen." "Dieses neue Medium ist eher eine Bedrohung als eine Chance", gestand ein Mitarbeiter von Procter & Gamble.

Im August 1998 rief Procter & Gamble ein Notfall-Meeting mit 400 Angestellten der Internet- und Werbewirtschaft ein, um Ideen dafür zu sammeln, wie das Internet für traditionelle Werbekunden verwendet werden könnte. "Wir wollen das Unterfangen prüfen, das Internet für eine "low involvement"-Marke zu nutzen", hieß es. Die Portale und kommerziellen Websites waren sehr daran interessiert, an den Zielen der Konferenz mitzuarbeiten. Ein Vertreter des Handelsverbandes des Internets sagte dazu: "Für uns alle ist dies eine Gelegenheit, in unserem Tagesgeschäft innezuhalten und für das übergeordnete Wohl der Online-Werbung zu sprechen." Doch auch wenn jetzt alle daran arbeiten, Werbung im Internet allgegenwärtig zu machen, damit sie die Aufmerksamkeit von vielen Millionen Nutzern steuern kann, ist dies noch ein Fernziel. Wie die Werbefachleute herausfanden, erhöhten sich die Anklickraten dramatisch durch blinkende Banner, die solange auf dem Bildschirm des Nutzers erschienen, bis sie geschlossen wurde. Ebenso haben sie erkannt, dass sie mit großer und komplizierter Werbung viel erfolgreicher sind. Das Problem dabei ist, dass dies eine beträchtliche Bandbreite erfordert und Nutzer von diesem Portal oder dieser Website vertrieben werden könnten. Das Hauptproblem bei beiden Lösungen bleibt, dass die Konsumenten nach Meinung der Werbewirtschaft noch zu leicht der Werbung entkommen können.

Die offensichtliche Lösung für dieses Problem im Internet entspricht dem Rezept, mit dem das Problem der Werbungsschwemme und den vielen Kanälen im Fernsehen gelöst wurde: die Verschmelzung von kommerziellen und redaktionellen Inhalten, so dass die Nutzer beide kaum voneinander unterscheiden können. Eine Studie bemerkte dies Ende 1998: "Zunehmend lassen die Werbekunden nicht nur Geld zu den Websites fließen, die ihnen gefallen, sondern sie machen auch Vorschläge, wie diese verändert werden könnten, um besser als ihr Werbeträger zu dienen. Und die Macher dieser Websites nehmen daran keinen Anstoß, wie es ihre Vettern in den Druckmedien und beim Fernsehen tun würden. Stattdessen flechten sie die Geschichten der Werbekunden in die zentralen Aussagen ihre Site ein." Eine übliche Form der Internet-Werbung ist das "Sponsortum", wobei für eine jährliche Summe zwischen 100000 und einer Million Dollar "der Werbekunde, seine Agentur und das gastgebende Web-Netzwerk bei der Entwicklung eines >Advertorials

Nimmt man diese fünf Faktoren zusammen, dann wird die Beschaffenheit der entstehenden Webinhalte verständlich. "Die Ausweitung der Kanalkapazitäten scheint einen reich gedeckten Tisch zu versprechen", schrieb der Fernsehkritiker Les Brown, "aber in Wirklichkeit wird es einfach nur viel mehr vom immer gleichen Hamburger geben." Obwohl sich das Wesen und die Logik von Internet-Inhalten vielleicht mit der Zeit verändern werden, deutet im Moment wenig darauf hin, dass die meisten finanziellen Mittel für etwas Anderes eingesetzt werden könnten als für Sites mit einer so eindeutigen kommerziellen Ausrichtung, wie sie sogar für die herkömmlichen U.S.-Medien ungewöhnlich ist. Am Ende der 1990er Jahre ging man davon aus, dass das Internet den Medienfirmen "Neue Synergie" bietet, eine verschärfte Version des Prozesses, in dem die Medienfirmen erweiterte Websits auf der Grundlage ihrer herkömmlichen Medienmarken präsentieren, die randvoll mit kommerziellen Anwendungen wie E-Commerce sind. Die populärsten Bereiche für Netz-Inhalte sind dieselben wie bei den traditionellen kommerziellen Medien, und aus den eben genannten Gründen werden sie von den üblichen verdächtigen Konzernen dominiert. Viacoms MTV steckt mit GEs NBC, AT&Ts TCI und dem Rolling Stone das Feld ab, um, wie es einer von ihnen ausdrückte, "das Kopfstück der Musik zu besitzen". Jede Website erstattet sklavisch Bericht über Neuigkeiten und Klatsch aus der Plattenindustrie, "nur um die oder eine der untauglichen Destinationen für Menschen zu sein, die sich im Web für Musik interessieren". Es steht viel auf dem Spiel: Forrester Research schätzt, dass Online-Verkäufe von Musik, Konzerttickets und entsprechenden Merchandiseprodukten sich bis zum Jahr 2002 auf 2,8 Milliarden Dollar belaufen könnten.

Im größten Kampf um Marktanteile, in dem sich Disneys ESPN, News Corp.s Fox, GE und Microsofts MSNBC, Time Warners CNNSI and CBSs SportsLine im Stellungskrieg belagern, ringt man um die Sport-Websites. Sport wird als Schlüsselbereich für das Wachstum der Medien im Netz betrachtet; zum einen versteht sich die Werbung auf diesen Markt und will ihn erreichen. Außerdem beginnen die Sport-Websites das große Publikum anzuziehen, das die Werbekunden mögen. Um im Wettbewerb um den Sportmarkt konkurrieren zu können, ist der Besitz eines großen Fernsehnetzwerkes, das ständig für die Website werben kann, ein Muss. Eine Umfrage von Forrester Research ergab, dass 50 Prozent der Befragten eine Sport-Website besucht hatten, auf sie während einer Sportübertragung hingewiesen worden war. 33 Prozent sagten sogar, dass sie eine Web-Sportsite besucht hatten, während sie ein Sportereignis im Fernsehen schauten. Außerdem lotsen die Medienriesen ihre größten Werbekunden routinemäßig zu ihren Sport-Websites, indem dies Teil des Vertragspaketes zwischen den Werbekunden und der Fernsehabteilung der Firma ist. Die Medienriesen können außerdem aufgrund ihrer finanziellen Resourcen exklusive Internetrechte von den großen Sportligen kaufen, wie sie Disney für die NFL innehat. Und, genau wie bei den Musiksites, bietet Sport die verschiedensten Möglichkeiten für elektronischen Handel.

Zu Überlegen ist, was dies alles für die Beschaffenheit des Journalismus im Internet bedeutet. Das ist ein Thema von wahrlich fundamentaler Bedeutung; wenn es dem Internet nicht gelingt, einen hochklassigeren Journalismus hervorzubringen und gesellschaftliches Wissen und Handeln zu fördern, dann wird die Annahme, das Internet sei ein Segen für die Demokratie, beträchtlich entkräftet. Der Zustand des kommerziellen Journalismus der Mediengiganten ist erbärmlich. Die bisherige Erörterung gibt wenig Hoffnung für eine journalistische Renaissance im Internet. Die meistbesuchten Nachrichten- und Informations-Websites sind diejenigen, die eng mit den Fernsehnachrichten der Medienkonzerne verknüpft sind. Gegenwärtig geht die Entwicklung des Online-Journalismus dahin, die schlimmsten synergetischen und profitgierigen Eigenschaften des kommerziellen Journalismus, mit seinem Schwerpunkt auf Trivialitäten, Prominenten und Konsumentennachrichten, zu verstärken. Ein Beobachter sagte zum Nachrichtenangebot bei AOL, das den kommerziellen Medienriesen entnommen wird, es sei weniger ein "Marktplatz der Ideen" als "eine Shopping Mall der Kindereien". Die zunehmend nahtlose Verbindung zwischen Werbung und redaktionellem Teil im Netz zeigt sich hier auch im Journalismus. "Im Netz", schrieb der West Coast-Herausgeber von Editor and Publisher, "überlappen sich Werbung und Journalismus derart, dass es sogar für Journalisten und Herausgeber schwierig ist, zwischen beidem zu unterscheiden".

Das bedeutet nicht, dass es nicht beträchtliche Vorteile für und Unterschiede zwischen der sich entwickelnden digitalen Welt und früheren Zeiten gibt. Selbst wenn das Internet vorrangig ein kommerzielles Medium für elektronischen Handel, Emails und kommerzielle Nachrichten und Unterhaltungskost werden würde, wäre es auch ein Zufluchtsort für alle möglichen interaktiven Tätigkeiten, die es in der Vergangenheit nicht gab. Zumindest könnte es eine riesige und weitgehend unzensierbare "Speaker's Corner" sein, die weltweit einer Unzahl von Sprechern und Empfängern zu vergleichsweise geringen Kosten offensteht. Dies ist wirklich eine Kommunikationsrevolution und sie wird von unzähligen sozialen und politischen Organisationen genutzt, die zuvor marginalisiert wurden. 1998 wurden z.B. die globalen und weitgehend geheimen Verhandlungen über ein Multilaterales Investitionsabkommen (MAI) unterhöhlt, als aufgrund fieberhafter Internetkommunikation eine Lawine öffentlichen Widerspruchs lostrat. Das MAI wurde in den kommerziellen Medien kaum behandelt und wenn, dann nur positiv gegenüber einem weltweiten Grundrecht für Investoren und Konzerne. "Von Mexiko bis China", bemerkte der britische Guardian im Dezember 1998, "erweist sich das Internet als unschätzbares Hilfsmittel bei politischen Widerstandsaktionen, großen und kleinen, weil es den eng mit den traditionellen Medien verbundenen Regierungen Schwierigkeiten bereitet, abweichende politische Ansichten zu unterdrücken, die durch den Cyberspace verbreitet werden". Betrachtet man das Internet von dieser Warte, dann ist es schwer, in ihm nicht die Grundlage für eine echte Revolution in der Informationsverbreitung zu sehen, die bemerkenswerte und welthistorische Implikationen für die Politik hätte. Das ist das Internet, das die Tofflers und Negropontes und Gilders -- die utopischen Futorologen -- während des letzten Jahrzehnts in seinen Bann gezogen hat. Die Kraft dieser Vision besteht darin, dass sie in wichtigen Teilen der Wahrheit entspricht.

Doch dieser Punkt sollte nicht überschätzt werden. Eine Website zu besitzen bedeutet nicht, dass viele Menschen von ihrer Existenz wissen und sie deshalb aufspüren. Wir sollten nicht die Erfahrungen mit einer kleinen Gemeinschaft von Aktivisten hochrechnen und glauben, diese wären Herz und Seele des Internets. Das war es nicht und wird es nicht werden. Schließlich ist die Tatsache nicht zu umgehen, dass das Internet, wenn es unsere Gesellschaften demokratisieren soll, einen ganz anderen Journalismus erfordern würde als jenen, der zur Zeit produziert wird. Und hier sind die Aussichten nicht ermutigend. Normalerweise ist Journalismus nicht etwas, das Häppchenweise von Amateuren in ihrer Freizeit erledigt werden kann. Er wird am besten von Leuten gemacht, die davon leben und die eine Ausbildung, Erfahrung und die Mittel dazu haben. Auch erfordert der Journalismus institutionelle Unterstützung (und Schutz vor Angriffen der Wirtschaft und der Regierungen) um zu überleben und zu gedeihen. Die riesigen Medienkonzerne haben kläglich dabei versagt, einen funktionierenden Journalismus anzubieten und da sie den Online-Journalismus dominieren, gibt es keinen Grund hier etwas anderes zu erwarten. Jene, die behaupten, das Internet könnte die Qualität des durchschnittlichen Journalismus revolutionieren, neigen dazu, den kommerziellen Druck herunterzuspielen, der die gegenwärtige beklagenswerte Situation hervorgebracht hat. Sie geben keine plausible Erklärung dafür, warum der Journalismus der Medienkonzerne im Internet qualitativ besser für die Demokratie sein sollte als das, was sie sonst produzieren. In diesem Zusammenhang sollte es nicht überraschen, dass das führende Produkt des Internet-Journalismus niemand anders als Matt Drudge ist, der, wie es der Economist ausdrückt, "sich die Mühen (drudgery) der Faktenüberprüfung erspart".

Um diese Diskussion zu konkretisieren, sollte man sich einige Internet-Aktivitäten von Time Warner und Disney, den beiden größten Medienfirmen der Welt, ansehen. Ihr Handeln, davon kann man ausgehen, ist ein gutes Indiz dafür, wie die anderen Medienriesen an den Cyberspace herangehen. Zusätzlich zu seinen Aktivitäten als Kabelunternehmen stellt Time Warner fast 200 Websites her, die alle so gestaltet sind, dass sie eine "werbefreundliche Umgebung" abgeben, und man wirbt dafür aggressiv beim Publikum der etablierten Medien. Seine CNN Website steht nun auch auf Schwedisch zur Verfügung und weitere Sprachen werden folgen. Time Warner benutzt seine Websites, um jugendliche Konsumenten zu erreichen, Sportfans anzuziehen und Unterhaltungsprogramme ähnlich denen seiner "alten" Medien anzubieten. Eine große Website präsentierte man zur Weltmeisterschaft 1998, um weltweit auf seine Internet-Aktivitäten aufmerksam zu machen. Der Erfolg ihrer World Cup-Website brachte Time Warner dazu, weitere werbegestützte, nicht auf die Vereinigten Staaten zielende Internetprojekte zu lancieren. "Wir hatten Zugriffe aus 92 Ländern mit ihren eigenen Internet-Länderkürzeln", sagte ein Time Warner Mitarbeiter. "Nun wollen wir mit dem Gelernten weitermachen." Ebenfalls 1998 begann man in Erwartung einer Breitband-Zukunft Unterhaltungsprogramme explizit für das Netz zu entwickeln. Time Warner holt Werbekunden mit langfristigen Verträgen an Bord und offeriert ihnen Gewinnbeteiligungen an einigen Projekten. Seine am weitesten gediehene Verbindung mit einem Werbekunden ist das Parent Time Website-Joint Venture mit Procter & Gamble.

Auch in Disneys Vision der digitalen Zukunft spielt Werbung eine Hauptrolle. "Indem sie auf einen Knopf ihrer Fernbedienung drücken", schwärmte 1997 der ABC Präsident Preston Padden, "werden uns die Kunden mitteilen können, ob sie eine kostenlose Probe eines neuen Kopfschmerzmittels oder ein neues Auto probefahren wollen". Disney ist im Cyberspace ebenso aggressiv aufgetreten wie Time Warner und die anderen Medienriesen; 1997 lancierte Disney im Zuge eines "Blitzkriegs zum Aufbau von Internet-Brückenköpfen für viele seiner Produkte" eine gebührenpflichtige Website für seine Daily Blast Kinder-Website, die ausschließlich im Microsoft-Netzwerk verfügbar ist. 1998 gab Disney bekannt, dass es seine Werbekonzeption für das Internet erweitern werde, um dafür zu sorgen, dass der E-Commerce direkter "in Disneys Site integriert wird". Den ersten bedeutenden Vertrag schloss man mit Barnes & Noble ab, wobei man dem Buchhändler die Exklusivrechte für den Buchverkauf auf allen Websites von Disney garantierte. Disney ist nicht nur am Geschäft beteiligt, sondern kann auch kostenlos für seine Produkte in den Barnes & Noble Buchläden und auf dessen Websites werben. Nach Aussage Disneys waren seine ESPN Internet Ventures und ABCNews.com die beiden meistversprechenden Websites hinsichtlich kommerzieller Synergien. Disneys Endziel im Online-Bereich besteht nach den Worten des Präsidenten des Website-Produzenten von Disneys Starwave darin, "einen Zielort zu kreieren, der alles enthält, was jemand verlangen könnte. ... Denn wir haben die Macht des Markennamens".

Doch der Aufbau einer Vormachtstellung gegenüber jedem neuen Medienrivalen im Netz heißt noch nicht, dass sich der Cyberspace als besonders lukrativ erweisen wird; man könnte sagen, es beweist das Gegenteil. Time Warner z.B. frohlockte, als es genug Online-Werbung verkauft hatte, um fast 50 Prozent des Budgets seiner Online-Abteilung abzudecken. Für ein kleines Startup würde dies den Tod bedeuten. Hier nun kommen wir zum Ausgangspunkt dieses Abschnitts zurück, zum elektronischen Handel und den Portalen, den beiden mutmaßlichen "Killer-Anwendungen" im Internet. Wie ist die Beziehung zwischen den Medienfirmen und diesen beiden Erscheinungen?

Hinsichtlich des elektronischen Handels sind die Medienfirmen potenzielle Hauptakteure, weil zu einem bedeutenden Teil Medienprodukte verkauft werden. 1998 waren die fünf Produktgruppen Software, Bücher, Musik, Videos und Tickets für Sport- und Unterhaltungsveranstaltungen unter den zehn meistverkauften Warenkategorien im E-Commerce. Das wirft ein düsteres Licht auf die Zukunft des traditionellen Medienhandels -- Buchläden, Plattenläden, Videotheken. Die Richtung wurde vom rapiden Aufstieg von Amazon.com, dem Online-Buchhändler, gewiesen; sein Marktwert war 1998 größer als der gemeinsame Marktwert von Barnes & Noble und Borders, den beiden Ketten, die den US-Buchhandel beherrschen. Ende 1998 hatte Amazon.com sein Betätigungsfeld auch auf den Video- und Musikverkauf ausgedehnt und das Geschäft in Europa aufgebaut. "Unser Ziel ist es, ein E-Commerce-Zielort zu sein", erklärte der Amazon-Chef Jeff Bezos. Andere haben es "das Wal-Mart des Netzes" getauft. Aber Amazon.com kann kaum darauf zählen, ungehindert die Reichtümer des Internets einzufahren. Mehrere andere Firmen, darunter, wie wir noch sehen werden, einige Medienriesen, sind ihm auf der Spur. Der elektronische Handel im Internet ist ein Terrain, wo Größe eine Rolle spielt, eine sehr große Rolle. Da die Gewinnspannen sehr klein sind, ist der Verkauf großer Mengen entscheidend für das Überleben. Außerdem muss der Verkäufer über ein so großes Lager verfügen, dass er Bücher, Videos oder CDs in angemessener Zeit liefern kann. So haben 1998 die beiden größten Musik-Verkäufer des Internets -- CDNow und N²K -- fusioniert, um den bevorstehenden Krieg um die Vorherrschaft zu überleben. Nach dieser Fusion gehört ihnen nun fast die Hälfte des Musikmarktes im Internet. "Es gibt zunehmend Bedenken, ob ein zweiter Mitspieler überleben kann", sagt ein Wall Street-Analytiker über den Internet-Musikmarkt.

Auf jeden Fall erwartet man, dass der Online-Verkauf von Musik eines der nächsten großen Betätigungsfelder für den elektronischen Handel sein wird. 1998 belief sich der Online-Musikverkauf auf 87 Millionen Dollar, im Jahr 2005 soll er 5 Milliarden Dollar erreichen. Die Umsätze werden hochschnellen, weil die Online-Preise für CDs beträchtlich unter den Offerten des herkömmlichen Einzelhandels liegen. Letztendlich wird Musik digital zum Computer übermittelt, statt als CD verschickt zu werden, wodurch die Preise dramatisch sinken würden und ein enormer Kaufanreiz gegeben wäre. Dennoch sind die fünf Firmen, die das weltweite Musikgeschäft beherrschen, kaum von den potenziellen Auswirkungen des Internets auf ihr Gewerbe begeistert. Seit 1998 verbreiten sich durch ein Software-Format namens MP³ die technischen Voraussetzungen für das digitale Kopieren und Senden von Musik via Email. Obwohl die Musikindustrie den amerikanischen Kongress dazu bringen konnte, einer Copyright-Gesetzgebung zuzustimmen, die ihre Eigentumsrechte auf den Cyberspace ausdehnte, ist "Piraterie" mit MP³ so einfach wie die "Senden"-Taste zu treffen, und ist ein Albtraum für die Polizei. Die Industrie reagiert darauf, indem sie mit Software- und Telekommunikationsunternehmen an Verfahren arbeitet, "Piraten" zu verfolgen. Zusammen mit IBM und AT&T ist sie auch dabei, eine sichere Methode für den digitalen Verkauf von Musik zu entwickeln, die die Verletzung des Copyrights schwierig, wenn nicht unmöglich machen wird.

Doch selbst wenn die Musikriesen das Problem der Piraterie eliminieren oder wenigstens minimieren sollten, wären sie noch nicht aus dem Schneider. Das Internet ermöglicht es einer ganz neuen Gruppe von Wettbewerbern, ihnen hinsichtlich des Marktanteils auf den Fersen zu bleiben, Wettbewerber, die auf anderem Wege niemals hätten hoffen können, in den Musikweltmarkt einzudringen. Tatsächlich wird die Musikindustrie der erste und vielleicht einzige Mediensektor sein, der die "Eisberg-These" einem Test unterzieht, die Annahme, dass das Internet massiven Wettbewerb mit sich bringen und bestehende oligopolistische Medienmärkte aufbrechen wird. Um es deutlich zu sagen: die Marktmacht der fünf Firmen, die weltweit die Musik beherrschen, beruht zum großen Teil auf ihren umfangreichen Vertriebsnetzwerken; bei elektronischem Vertrieb sind diese Netzwerke ohne Bedeutung. Die Musikproduktion selbst ist keine besonders teure Angelegenheit. Bei oberflächlicher Betrachtung mag man sich fragen, welche Aufgabe die Musikfirmen noch erfüllen, wenn der Vertrieb online abläuft? (Wenn die Bandbreite größer wird, in etwa einem Jahrzehnt, und auch Spielfilme direkt online vertrieben werden können, wird das für die Medienriesen weniger bedrohlich sein, weil die eigentlichen Kosten bei der Filmproduktion wesentlich höher sind; ihr Vertriebsnetz wird unentbehrlich bleiben, weil die Bedeutung großer Filmtheatervorführungen erhalten bleiben dürfte.) Das Internet Underground Music Archive, das schon 1998 Werke von etwa 250000 Künstlern auflistete, berechnet Nutzern 99 Cent für das Herunterladen auf den eigenen Computer mit MP³ Software. Die Herausforderung für die Musikriesen -- Bertelsmann, Sony, Seagram, Time Warner und EMI -- wird darin bestehen, ihre bestehende Marktstärke während des nächsten Jahrzehnts, solange sie sie noch haben, in Online-Marktmacht umzusetzen. Sie verhandeln bereits mit Internet Service Providern und Portalen, um den Weg für einen privilegierten Online-Verkauf ihrer Waren zu ebnen. Zusammen mit ihren großen Werbebudgets versuchen sie so, Eintrittssperren zu errichten, die im Internet Bestand haben. Den großen Fünf könnte es auf diese Weise gelingen, Startups auszubremsen, aber Medienriesen wie Disney, News. Corp. und Viacom -- mit eigener bedeutender Online-Marktmacht und großen Werbebudgets -- werden wohl die Chance erkennen, ihre Aktivitäten im Musikbereich auszuweiten, wenn sie das tun wollen.

Die Medienriesen haben sich auf zwei verschiedene Weisen dem E-Commerce zugewandt. Erstens sind sie als Hauptproduzenten der online verkauften Inhalte in der vorteilhaften Position, diese selber profitabel zu verkaufen. Es gibt für sie keinen Grund, Amazon.com oder irgendjemand anders mit dem Verkauf ihrer Waren reich werden zu lassen, wenn sie dies genauso einfach selbst tun können. Im Herbst 1998 unternahm Time Warner eine große Offensive, um zum Web-Einzelhändler zu werden -- das Wall Street Journal nannte das Ergebnis einen "Internet-Supermarkt" --, der zunächst v.a. Produkte verkauft, die aus seinem riesigen Medienimperium stammen. Letztendlich plant Time Warner, auch die Merchandise-Produkte seiner Rivalen zu verkaufen. Bertelsmann ist ein noch augenfälligeres Beispiel. Als weltweit größter Verleger von Büchern und eine der fünf großen Musikfirmen plant Bertelsmann, auch der international führende Händler für Musik und Bücher im Netz zu werden. Ein Mitarbeiter von Bertelsmann erklärte, dass es "unser Ziel ist, letztendlich einfach alle Bücher von allen Verlagen, in allen Sprachen online anzubieten". Im Oktober 1998 zahlte Bertelsmann 200 Millionen Dollar für 50 Prozent der Anteile des Internet-Buchhandels von Barnes & Noble, damals der Hauptrivale von Amazon.com. Den nächsten Schritt vollzog Bertelsmann 1999 mit der Inbetriebnahme von Bertelsmann Online, oder bol.com, das Bücher in der ganzen Welt verkaufen wird -- außer in den Vereinigten Staaten, wo es über die Website von Barnes & Noble operiert --, mit einem hinsichtlich Sprache und inhaltlichem Programm für jedes Land maßgeschneiderten Service.

Die zweite Art und Weise, in der die Medienriesen E-Commerce betreiben, besteht darin, ihn mit der Werbung und dem Handel in ihren herkömmlichen Medien zu verknüpfen. NBC, einst Vorreiter des Direktverkaufs über Fernsehnetzwerke, präsentierte 1998 "Giftseeker", eine Website für das Online-Shopping. NBC hat "Giftseeker" direkt in den Verkauf seiner Fernsehwerbung integriert, so dass Klienten ihre NBC Werbung durch Präsentationen bei "Giftseeker" ergänzen werden. Das Magazin Fortune beschrieb NBCs Flaggschiff, NBC.com, als "einen als Unterhaltung maskierten farbenfrohen Marktplatz". Ein Wall Street-Analytiker nimmt an, dass NBC im Jahr 2002 über 200 Millionen Dollar Profit mit dem elektronischen Handel erwirtschaften wird, mehr als nötig ist, um sinkende Zuschauerzahlen und Einnahmen beim NBC Fernsehnetzwerk auszugleichen. Chancellor Broadcasting, mit 463 Stationen die größte U.S.-Radiogesellschaft, gründete 1999 ein Internetunternehmen, damit seine Stationen die Hörer zu dessen Website schleusen können, "wo sie Merchandise-Produkte, Musik oder Konzertkarten erwerben können".

Der Internetverkauf hat sich schnell zu den Portalen hinbewegt, jenen Orten, wo sich die Netznutzer zu sammeln pflegen. Und gerade was die Portale angeht, ist die Ausgangsposition der Medienriesen für eine Beteiligung besonders günstig, denn im Grunde sehen sich die Portale selbst als Medienfirmen. "Jedes Medienunternehmen formt seine Beziehung zu seinem Publikum. Punktum! Ende der Diskussion", sagte ein AOL-Mitarbeiter. "Man baut das Publikum auf, man findet raus, wie sich daraus Nutzen ziehen lässt. ... Wir haben sehr wirkungsvolle Möglichkeiten unseren Publikumsverkehr zu steuern." GEs NBC führte die Invasion der Medienindustrie in die Portale mit dem Erwerb von Snap und der Teilhabe am Snap-Gründer Chet im Juni 1998 an. Im Dezember kaufte NBC Anteile der populären Frauen-Website iVillage, v.a. um das Publikum für Snap zu vergrößern. "Frauen sind für NBC, was Kinder für Disney sind", kommentierte ein NBC Mitarbeiter. Snap eröffnete im Januar 1999 Cyclone, um ein Webportal für die Hochgeschwindigkeits-Webdienste zu Verfügung zu stellen, die von Bell Atlantic, GTE und SBC Communications in ihrem Wettbewerb mit @Home und Road Runner angeboten werden. Disney erwiderte den NBC Deal mit Snap augenblicklich mit dem Erwerb von 43 Prozent des Portals InfoSeek und der Option, Mehrheitsaktionär zu werden. Der Chef von Disneys Internet Group nannte das Geschäft die "entscheidende Mission" für Disneys zukünftiges Wachstum. "Es geht darum, am Ende etwas Größeres und Besseres als AOL zu haben", sagte ein ABC Mitarbeiter. 1999 eröffnete Disney sein Allzweck-Portal GoNetwork, ein Jointventure mit Infoseek. Mit dem GoNetwork, beobachtete die New York Times, "ist Disney jetzt mit größerem Einsatz im Cyberspace dabei als irgendein anderer Medienkonzern der Welt". Das GoNetwork hat fünf Hauptabteilungen: Sport (basierend auf ESPN.com), Nachrichten (basierend auf ABC.com), Unterhaltung, Kinder und Wirtschaftsnachrichten. Das gesamte Portal enthält auf fast jeder Seite Optionen für elektronischen Handel. Go bietet einen Email-Service und die Suchmaschine Infoseek, aber, so drückt es ein Beobachter aus, "der neue Service scheint v.a. dazu da zu sein, dich nolens volens in die wunderbare Welt von Disney zu entführen".

Unabhängig davon, ob sich GoNetwork bezahlt machen wird, gehen Wirtschaftsanalytiker davon aus, dass dies erst der Beginn des offiziellen Vorstoßes der Medienriesen in das Portalgeschäft ist. Beobachter erwarten, dass die anderen Medienriesen ihre eigenen Portale erwerben werden, falls sie nicht von den hohen Preisen abgeschreckt werden. Die verbleibenden unabhängigen Portale werden erpicht darauf sein, entweder von einem Medienriesen gekauft zu werden oder eng mit ihnen zusammenzuarbeiten. Im Januar 1999 verkündeten z.B. News Corp. und Yahoo eine strategische Allianz, in Folge derer beide durch Werbung und Product Placement in News Corp. Filmen und Fernsehsendungen aggressiv für den jeweils anderen werben werden. Außerdem werden sie den Werbekunden ein gemeinsames Paket anbieten. "Das Mediengeschäft im Internet", bemerkte die New York Times, "wird wohl dem Beispiel des Kabelfernsehens folgen, wo einzelne Unternehmer CNN, ESPN und MTV schufen und diese später von Time Warner Inc., Disney und Viacom Inc. aufgekauft wurden". Unabhängig davon, ob die Portale gänzlich in den Besitz der Medienriesen geraten werden, sind diese mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit am Ende die Hauptakteure bei allen.

Vielleicht erweist sich auch die Annahme einzelner Internet-Experten als richtig, dass die Portale nur eine Eintagsfliege sind, denn wie der Präsident von InfoSeek meinte, "befindet sich das Internet noch in der Steinzeit". Doch wie auch immer es sich entwickeln mag, der Kommentar des Präsidenten von Time,Inc. scheint die Sache zutreffend einzuschätzen: "Ich denke, die elektronische Revolution ist einfach eine neue Form der Kommunikation, die ihren Platz in der Nahrungskette der Kommunikation finden wird und sie wird nichts von dem, was schon existiert, verdrängen oder ersetzen, so wie das Fernsehen nicht das Radio ersetzte, das Kabel nicht die Fernsehnetzwerke ersetzte, das Video nicht die Filmtheater ersetzte". Die bisherigen Erkenntnisse deuten daraufhin, dass es den Medienriesen gelingen wird, das Internet ihren bereits bestehenden Reichen einzuverleiben. Wenn auch das Internet in vieler Hinsicht unseren Lebenswandel revolutioniert, so gehört es doch offensichtlich nicht zu dieser Revolution, dass sich auch die Besetzung und das Wesen der Machtpositionen ändern.

Schlussfolgerungen1

1999 war die Hoffnung, das Internet würde ein neues Goldenes Zeitalter kapitalistischen Wettbewerbs hervorbringen, in der Wirtschaftspresse schon weitgehend verblasst. Die New York Times meinte, die Lehre des Internets sei, dass "die Großen größer werden und die Kleinen sterben". Statt wettbewerblich ausgerichtet zu sein, fördere das Internet in Wirklichkeit Monopole und Oligopole. "Auf den ersten Blick scheint das Internet David gegenüber Goliath zu bevorzugen, da jeder Emporkömmling einen Online-Laden eröffnen oder eine elektronische Veröffentlichung machen kann. Doch wie es scheint, kann der erste fähige junge Spund, der auf irgendeinem Gebiet einen Treffer landet, so schnell auf riesige Größe anwachsen, dass alle anderen Herausforderer keine Chance mehr haben." Die Aussichten, dass neue Riesen entstehen können, sind auf dem Gebiet des "Inhalts" sogar noch düsterer. Trotz seiner vielgepriesenen "Offenheit" wird das Internet, soweit es sich zu einem rentablen Massenmedium entwickelt, wahrscheinlich von den üblichen notorischen Konzernen beherrscht werden. Sicherlich werden ein paar neue Mitspieler im Programmgeschäft auftauchen, aber alles deutet darauf hin, dass die Inhalte der digitalen Kommunikationswelt den Inhalten der prä-digitalen kommerziellen Medienwelt ganz ähnlich sein werden. In mancher Beziehung hat das Netz die kommerziellen Synergien und die zentrale Bedeutung von Werbung und Verkauf sogar in noch nie dagewesener Weise verstärkt. Das bedeutet nicht, dass das Internet nicht eine Hauptrolle bei der Umgestaltung unseres Lebens spielen wird; das wird es sicherlich tun. Die Effekte werden ambivalent sein.

Keinesfalls bedeutet es, dass es nicht auch einen pulsierenden, spannenden und wichtigen unkommerziellen zivilgesellschaftlichen Bereich im Cyberspace geben wird, der allen offensteht, die von den ausgetretenen Pfaden abweichen. Für Aktivisten aller politischer Lager spielt das Netz zunehmend eine zentrale Rolle in den Bereichen Organisation und Schulung. Doch dieser unkommerzielle und zivilgesellschaftliche Sektor wurde von seinem einstigen hohen Thron an den Rand des Cyberspace verbannt. In einer weniger zweifelhaften politischen Umgebung könnte das Internet mit viel größerem demokratischen Nutzen eingesetzt werden, als es jetzt oder in absehbarer Zukunft getan wird. Entscheidend ist, dass sich all diejenigen täuschen, die glauben, die Technologie selbst könnte eine funktionierende demokratische Öffentlichkeit produzieren, wo die Politik versagt hat. Die im Cyberspace herrschenden Kräfte produzieren genau den Typ einer entpolitisierten Kultur, der nach Meinung einiger Internet-Utopisten durch die Technologie beseitigt werden sollte. Es ist gut möglich, dass die unkommerziellen Aktivitäten im Internet in den kommenden Jahren eine ideologische Fuktion bekommen: wenn einem das Herrschende nicht passt, so wird argumentiert werden, dann soll man den Mund halten und eine eigene Website starten oder eine der Millionen unbekannten Websites besuchen.

Ein marktgesteuertes digitales Kommunikationssystem scheint mit ebenso großer Wahrscheinlichkeit Klassenunterschiede zu verstärken wie zu verringern. Im 18. Jahrhundert schrieb Thoman Paine: "Der Gegensatz zwischen Wohlstand und Elend, uns immer vor Augen und das Auge beleidigend, ist als ob tote und lebende Körper aneinandergekettet wären." Im digitalen Zeitalter aber können die Wohlhabenen sich zunehmend eine Welt schaffen, in der die Elenden abgekoppelt und außer Sichtweite sind -- eine Kommunikationswelt ähnlich den abgeriegelten Wohnvierteln, in die soviele Millionen wohlhabener Amerikaner in den 1990er Jahren geflohen sind. Eine funktionsfähige Demokratie basiert auf minimaler sozialer Ungleichheit und dem Bewusstsein, dass das Wohl des Einzelnen zum großen Teil durch das Wohl der ganzen Gemeinschaft bestimmt wird. Unglücklicherweise kann das Mediensystem, und v.a. die digitale Kommunikation, die antidemokratischen Tendenzen der allgemeinen politischen Ökonomie verstärken.

Mehr als 40 Jahre sind seit der Veröffentlichung von C. Wright Mills' The Power Elite, einer der aufschlussreichsten und weitsichtigsten kritischen Auseinandersetzungen mit der politischen Kultur der Vereinigten Staaten, die im letzten halben Jahrhundert geschrieben wurden, vergangen. In seinem Buch diskutiert Mills das Paradoxon des Nachkriegs-Amerikas. Einerseits ist es eine Nation, die verrückt ist nach Technologie, Starruhm und Kommerz, eine radikale Gesellschaft, in der die Tradition in Stücke gerissen wurde und alles Feste verdampft. Andererseits ist es eine hochgradig entpolitisierte Gesellschaft -- nur äußerlich in Schlüsselbereichen demokratisch -- in der die wichtigen politischen Entscheidungen von wenigen für wenige getroffen werden und Public Relations dazu dienen, den Pöbel einzulullen, sollte er seinen Status in Frage stellen. Das kommerzielle Mediensystem spielt eine Hauptrolle bei der Aufrechterhaltung der gesellschaftlichen Hierarchie. Das letzte Drittel von Mills Buch stellt die USA als eine grundsätzlich konservative und obendrein tief beunruhigte Gesellschaft dar. Sieht man sich die Hauptthesen an, so könnte es meiner Meinung nach genausogut im Jahr 2000 geschrieben worden sein.

Mills gibt uns auch ein nützliches Schema an die Hand, um die scheinbar revolutionären Veränderungen in unseren Medien- und Kommunikationssystemen am Beginn des 21. Jahrhunderts zu verstehen. Einerseits sind wir von einer den Verstand übersteigenden Explosion neuer Technologien geblendet, die einem Science Fiction-Roman entsprungen scheint und dem Konsumenten noch nie dagewesene Wahlmöglichkeiten verspricht. Andererseits tendiert unsere Medien- und Kommunikationswelt eindeutig zu einer immer größeren Konzentration von Konzernen, Zusammenballung der Medien und Hyperkommerzialisierung. Aber das widerspricht sich nicht wirklich, wie Mills sehr wohl begriff: die Illusion von Wahlmöglichkeiten für Konsumenten und individueller Freiheit ist der ideologische Sauerstoff, der nötig ist, um ein Mediensystem (und allgemein ein Gesellschaftssystem) aufrechtzuerhalten, das einer Minderheit dient, während es sich zugleich als verantwortlich und demokratisch präsentiert. Die digitale Revolution scheint weniger ein Prozess der Ermächtigung der Machtloseren zu sein als ein Prozess, der die kommerzielle Durchdringung und Beherrschung des Lebens durch die Konzerne vorantreiben wird. Folgt man Mills' Analyse, so ist die logische Konsequenz der momentanen Situation, dass Entpolitisierung, Polarisierung und Werteverfall im gesellschaftlichen Leben weiter Vorschub geleistet werden wird. Mills hat besser als jeder andere begriffen, dass für Wissenschaftler, die sich der Demokratie verpflichtet fühlen, der Weg darin bestehen muss, die Wahrheit über das System zu sagen, um den Bürgern dabei zu helfen, sich mit dem Ziel einer Veränderung dieses Systems zu organisieren.