(inlusive Inhaltsverzeichnis)
Spätestens seit dem rot-grünen Regierungsantritt hat auf offizieller Seite natürlich niemand mehr irgendetwas gegen Lesben, Schwule, Bisexuelle, andere "queers". Zumindestens niemand, der/die auf höherer gesellschaftlicher Ebene und in Entscheidungspositionen agiert. Es ist nur leider gerade kein Geld da. Oder man braucht es gerade selbst so dringend. Für so zukunftsträchtige Dinge wie Innovationsforschung, BioRegio-Projekte, Genforschung und, und, und... Wir müssen schließlich die Zukunft gestalten, den Anschluß an den Weltmarkt behalten, die Sicherung des Lebensstandarts aller hängt davon ab. Schließlich sind lesbische und schwule Themen doch nur für einen sehr kleinen Ausschnitt der Gesellschaft relevant. Für eine Minderheit von vielleicht 10|%. Da gibt es ja mehr Arbeitslose heutzutage, und die müssen sich auch einschränken. Und außerdem, schwule und lesbische Wissenschaft, das ist doch one-issue-Forschung, ein einziger kleiner Aspekt in der heutigen komplexen Realität. Noch dazu handelt es sich bei diesem Außenseiterthema um Betroffenenforschung, das kann wohl kaum objektive Ergebnisse zeitigen. Den Luxus solcher selbstbezogener Spielweisen für Minderheiten kann sich heute kein Mensch mehr leisten.
Nein, so hat das natürlich niemand formuliert, der Gelder zu vergeben hätte. Und nur ganz zufällig läuft die Förderung aller schwulen und lesbischen Wissenschaftsprojekte, die wir im Heft vorstellen, gerade aus oder ist schon ausgelaufen. Genauso zufällig passt die erneute Abdrängung schwuler und lesbischer Themen aus dem Wissenschaftsbetrieb in die Ideologie einer rot-grünen "Neuen Mitte", unter deren Hegemonie es qua Definition keine "Minderheiten"-Probleme mehr gibt und deshalb auch keine Förderung, sei es für von der heterosexuellen Norm Abweichende, für Frauen oder für AusländerInnen. Schließlich kann sich doch heute jedeR kreativ und innovatiov in die Modernisierung der Gesellschaft einbringen - einer Gesellschaft, die nur noch aus mainstream bestehen soll. Die offensichtlich auf die Beiträge schwuler Wissenschaft zur kritischen Männerforschung genauso verzichten kann wie auf die Betrachtung von Homosexualität als sozialem Konflikt. Die überhaupt auf alles verzichten kann, was nicht unmittelbar verwertbar ist - und sich so in die Sackgasse der Mittelmässigkeit manövriert, in der keine Kreativität und keine tatsächliche Innovation mehr möglich ist. Offensichtlich glaubt man, sich das leisten zu können. Wir glauben das nicht und freuen uns, ein ungewöhnliches und anregendes Heft mit homosexueller Kritik und homosexuellen Ansätzen vorlegen zu können.
Spät, aber dennoch: Wir bitten unsere LeserInnen um Entschuldigung für die Satzprobleme in der Ausgabe 1/2000, die dazu geführt haben, dass einige Absätze in den Artikeln durch leider unverständliche Zahlen- und Zeichenkombinationen ersetzt wurden. Wir gewinnen den Kampf gegen die moderne Technik eben auch nicht immer, speziell in diesem Fall, da das Problem erst bei der Erzeugung der Druckdateien aufgetreten ist, so dass es sich auch unserer Korrekturleserin entzog. Wir hoffen, den Fehler nun aufgespürt und beseitigt zu haben.
Martina Koelschtzky
Inhaltsverzeichnis Forum Wissenschaft 3/2000
Heterosexismus in der Wissenschaft | ||
Heterosexismus Kohärenz oder Konfrontation |
6 | Stephan Möbius zu den Auseinandersetzungen um queer theory |
Das Ende des Feminismus? | 11 | "Essentialismus" und "Konstruktivismus" in der feministischen Forschung bewertet Susanne Schröter |
Von der Pathologisierung zur Ignoranz | 17 | Heterosexismus in der Psychologie dokumentieren Michaela Ise und Melanie Steffens |
Methodischer Imperialismus | 21 | Rainer Bartel kritisiert die heteronormative Ökonomie |
Natürlich homo? | 25 | Zur Suche noch biologischen Ursachen für Homosexualität Sabine Riewenherm |
Ein Netz lesbisch-schwuler Forschung | 30 | Sabine Ayshe Peters stellt ein Projekt in NRW vor |
Wechselseitige Anregung | 31 | Wolfgang Popp über das Forschungs- und Lehrgebiet Homosexualität und Literatur |
Lesbisch-schwule Wissenschaft an der Hochschule | 33 | Soll und kann sie sich etablieren, fragt Rainer Hoffmann |
Benachteiligung oder Vorteil? | 35 | Gudrun Fischer fragte Lesben in Naturwissenschaft und Technik |
BdWi-Inlay | 1-8 | Über Neue Normalität, Politikverlust, Studiengebühren und die BdWi-MV |
Hochschulpolitik | ||
Der Betrug von Meinigen | 40 | Torsten Bultmann interpretiert den KMK-Beschluss zu Studiengebühren |
Die Vermarktung des Professorenstandes | 41 | Derselbe zur Dienstrechtsreform an den Hochschulen |
Reform des Hochschuldienstrechtes | 45 | Stellungnahme der BuKoF |
Schöne neue Welt | ||
Die Suche nach dem heiligen Gral | 48 | Dorothee Obermann über Mythisierung und Gen-Determinismus |
Fortpflanzungsmedizin im Streit | 54 | Claudia Stellmach berichtet vom Berliner Symposium |
Rechtsstaat | ||
Neue "Rechtsstaatlichkeit"? | 57 | Anmerkungen zum Prozess Rosenbrock versus WZB von Christina Kaindl |
Theorie | ||
Wertvolles mit Lücken | 59 | Hermann Reiter über Vormärz und Revolution bei Reinhard Opitz |
Zwischen Marxismus und liberaler Demokratie | 65 | Bernd Hüttner zum 100. Geburtstag von Franz L. Neumann |
Forschungs- und Technologiepolitik | ||
Gleichschaltung der Forschung? | 65 | Anne Allex zur Fusion von GMD und FhG |
Magazin | ||
Nachrichten | 4 | |
Frauenmagazin | 38 | |
Zahlentafel | 39 | |
Annotationen | 71 | |
Rezensionen | 72 | |
Termine | 75 |