Über die Netzkompentenz der Linken

Aktuelle Erfahrungen zur politischen Kommunikation im Netz. Gerade nach dem WTC-Anschlag.

Rainer Rilling hat auf raumzeit einen ernüchternden Kommentar über die Netzarbeit der Linken veröffentlicht. Ich sah mich gleich erinnert an meine Erfahrungen der ersten Monate nach dem WTC-Anschlag. Mein Bemühung um Kooperation verlief oftmals im Sande. Das Gefühl, als Konkurrent wahrgenommen zu werden, stellte sich ein. Die Behauptung, dass jeder sein eigenes linkes Süppchen im Internet koche, wurde bestätigt. Den Eindruck einer freiwilligen Unprofessionalität, sah ich schnell erhärtet. Broken Links, schlechte Lesbarkeit, chaotische Navigationen und gefakte Email-Adressen scheinen das Kennzeichen linker Netzprojekte zu sein. Als ob es das Internet erst seit einem Jahr gebe. Weitaus folgenschwerer als die Usability-Mängel erscheint mir aber die gepflegte Unfäghigkeit zum Kontakt im Internet.



1. Beispiel: Attac-Netzwerk. Ich bat Sven Giegold um ein Interview. Er stimmte freudig zu und ich entwickelte zügig ein paar Fragen. Ich wartete einige Wochen. Zwei höfliche Emails wurden nicht beantwortet. Waren die Fragen zu schwer, eine Absage zu peinlich? Man weiss es nicht.

2. Beispiel: junge Welt. Ich machte den Vorschlag, etwas für ihren Newsletter mit 600 Teilnehmern zu tun. Ich bewerbe ihn im KriT-Letter, als Gegenleistung stünde ab und zu das KriT-Journal in ihrem Newsletter. Eigentlich kein schlechter Tausch, wenn wir die Teilnehmerzahlen vergleichen. Keine Antwort, auch nach einem Nachhaken an 2 verschiedene Email-Adressen nicht. Sie haben es nicht nötig.



3. Beispiel: Ich kam auf die schlechte Idee, bei der altehrwürdigen konkret um ein Interview mit Gremliza nachzufragen. Wochen keine Antwort, danach ein unerwartetes Versprechen von einer Bürokraft, dem Herrn die Anfrage mitzuteilen. Herr Gremliza hat anscheinend kein Email-Programm. Ich bedankte mich, leider umsonst, eine Absage sparte man sich, als ob auf Email Porto fällig würde. Auch auf die spätere Frage, ob ich die Email-Adresse eines Autors haben könne, der vor 15 Jahren ein politischer Freund von mir war ... Schweigen. Bei der konkret sind die Email-Adressen gefakt, glaube ich, der dilettantische Internet-Auftritt hätte mir die Vergeblichkeit meines Bemühens nahelegen müssen. - Einspruch! Mittlerweile ist man sogar auf die Idee gekommen, die Texte etwas lesbarer zu veröffentlichen, leider nur halbherzig, als ob Webdesign eine kleinbürgerliche Sünde wäre.



4. Beispiel: Kurz nach dem WTC-Anschlag entwickelte sich ein Kontakt zur Webabteilung von Cem Özdemir. Es sei so toll, was ich mache. Gut, ich fand Cem auch ganz toll und fragte nach einem Interview. Ja gerne, kam es zurück. Ich entwickelte Fragen und wartete. Immerhin kamen Vertröstungen, der Termindruck. Das war es. Zugegeben, es waren auch unangenehme Fragen dabei, welcher Grüner wollte sich gegen Schröders uneingeschränkte Solidarität aussprechen und die politische Karriere gefährden?



5. Beispiel: Rotbuch-Verlag. Ich bin immer noch beeindruckt von der intelligenten Buchreihe Rotbuch 3000. Gut strukturiert und kurz gehalten, klar geschrieben und schön aufgemacht. Ich schlug vor, Neuerscheinungen politischer Bücher im KriT-Journal zu rezensieren, wenn sie mir die Bücher früh genug zuschicken würden. Das war zuviel! Sie vertrauen keine Netizens, die im Netz Erfolg haben, und schweigen lieber, wahrscheinlich haben sie mich als lästigen Hausierer wahrgenommen.



X. Beispiel: Freitag. Zwei höfliche Anfragen, ob ich einen Artikel auf KriT spiegeln könne, brachten mir eisernes Schweigen. Auch bei Indymedia und nadir fühlt sich niemad zuständig für neue Kontakte und der Chaos Computer Club läßt sich nur noch zu Antworten herab, wenn Spiegel-Redakteure anfragen, unsereins wird links liegen gelassen, witzig nicht?



Was für ein Glück, dass es angesichts dieser vielen Beispiele für linke Ignoranz und Hilflosigkeit auch Gutes zu vermelden gibt. So half Linksnet fast rasend schnell und vermittelte unkompliziert einen Autorenkontakt zu Eckart Spoo, auch waren ihnen die WTC-Links eine Verlinkung wert. Positiv und recht schnell war auch die Antwort von der WoZ, die mir grünens Licht für die Spiegelung eines Galeano-Textes gaben - übrigens die am häufigsten aufgerufene Spiegelung im KriT-Journal, der Text hat sich schnell herumgesprochen. Auch ak zeigte sich freundlich und kooperativ und brachte mir Jens Renner ans Telefon. Die Interviews mit Bernd Nitzschke und Mathias Bröckers (letzteres vermittelt über Florian Rötzer) haben gezeigt, wer will, hat auch Zeit. Innerhalb von 4 Tagen waren die Interviews online.