Krieg der Tröpfe

Nur Politiker, die zu dumm sind, politische Lösungen zu finden, müssen Kriege führen. So gesehen darf man getrost formulieren: Der Krieg der Tröpfe.

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Die Abstimmung des schwarzen Freitag im Bundestag wird in die Annalen der Parlamentsgeschichte eingehen und muß deswegen noch einmal gebührend gewürdigt werden: Die Grünen haben dem Kanzler ihr Vertrauen geschenkt. Weil aber nichts umsonst ist auf dieser Welt, haben sie im Gegenzug ihr Gewissen verkauft. Das Verhalten der Berliner Blockparteien - oder wie soll man sie nennen, seit das Spektrum von schwarz bis grün, abgesehen von marginalen Scheingefechten, keine nennenswerte Unterschiede mehr aufweist? - ist satirisch nicht zu überbieten: Die einen sind dafür und stimmen dagegen, weil sie wissen, daß einige der anderen dagegen sind, aber dafür stimmen werden. Auf den Punkt gebracht hat es die Frau Bundestagsvizepäsidentin Antje Vollmer: "Meine Ja-Stimme war eigentlich eine Nein-Stimme." - Es gab Zeiten, da kriegteste für so was den Jagdschein.
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"Die Vorstellung, daß der deutsche Bürger ruhig spazierengehen und seinen liebgewordenen Lebensgewohnheiten nachgehen kann, während anderswo die Völker aufeinanderschlagen, gehört endgültig der Vergangenheit an."
Na?
Falsch geraten! Der Satz entstammt keinesfalls der Kanzlerrede des 16. November 2001, sondern einem Rundfunkvortrag des großen Bayern Franz Josef Strauß vom 17. Dezember 1958 und hat seinerzeit viel Staub aufgewirbelt. Rudolf Scharping, der immer wieder gern von der ausdauernden Beharrlichkeit sozialdemokratischer Parteiarbeit schwätzt, verdient da ausnahmsweise einmal Zustimmung: Über vierzig Jahre konsequenter SPD-Politik hat es bedurft, die politischen Zielvorstellungen der CSU endlich durchzusetzen.
Weil ein Kanzler der Weltmacht Deutschland natürlich in der Lage sein muß, mit Chinesen, Indern oder Pakistanis auf gleicher Augenhöhe zu verhandeln, gehört nicht viel Prophetie dazu, sich auszumalen, daß er die in näherer oder fernerer Zukunft zu erwartende Abstimmung über eine Atombewaffnung der Bundeswehr (selbstverständlich ist zunächst nur an kleinere, taktische Bomben gedacht!) dann ebenfalls mit der Vertrauensfrage koppeln wird. Für diesen Fall könnte man Franz Josef Schröder für seine Argumentation noch weitere einschlägige Strauß-Zitate empfehlen.
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Vor bald dreißig Jahren habe ich den damals kommenden Mann der SPD, Helmut Schmidt, in einem fiktiven Interview gefragt: "Seid Ihr nun für oder gegen die Aufrüstung?" und ihn antworten lassen: "Wie meinste denn das? Als Regierung oder als Opposition?" Wie glücklich war unsereiner, als die damals noch oppositionellen Grünen sich nach einigen Grundsatzdebatten dazu durchgerungen hatten, ihre Wahlplakate mit dem Wort "Frieden" bedrucken zu lassen! Inzwischen ist der eingangs geäußerte Verdacht längst zur Gewißheit gediehen: Manche Friedensfreunde ergeben sich, kaum sind sie an der Regierung, nur allzu bereitwillig dem Sachzwang, andere Menschen umbringen zu lassen. Friedenspolitik ist wohl doch nur etwas für die Opposition.
Ich erlaube mir, aus diesem Sachverhalt ein kühnes, nichtsdestoweniger logisches Paradoxon zu folgern: Wem es mit dem Frieden ernst ist, der muß schauen, daß seine Partei 51 Prozent erhält - und dann konsequent in der Opposition bleibt.
So begleiten folgerichtig alle meine Wünsche und Hoffnungen die PDS. Wie gut, daß es ihr gelungen ist, mit der SPD eine Präambel zum Berliner Koalitionsvertrag auszuhandeln, die - wenn auch listig einstweilen nur im historischen Rückblick - negative Begleiterscheinungen und Folgen einer "Zwangsvereinigung" beschwört. Hinterher muß sich dann doch bloß wieder wer dafür entschuldigen.